Bonjour, Buongiorno und Bun di im Aquarium

Gemäss Konzessionsauftrag fördert die SRG die Verständigung, den Zusammenhalt und den Austausch zwischen den Landesteilen. Wo sich diese Kohäsionsaufgabe im audiovisuellen Programm niederschlägt, zeigen Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen sprachregionalen Einheiten der SRG in dieser Kolumne auf. Diesmal schreibt Urs Leuthard über seinen mehrsprachigen Alltag in der Bundeshausredaktion.
Zur Person
Zur Person
Urs Leuthard ist Leiter der Bundeshausredaktion TV von SRF.
Meine Französischlehrerin und mein Italienischlehrer vom Gymi hätten ihre helle Freude. Durch die tägliche Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von RTS, RSI und RTR wurden meine eher dürftigen Fremdsprachenkenntnisse in den letzten Jahren deutlich aufgefrischt. Die Bundeshausredaktion im Medienzentrum in Bern ist meines Wissens der einzige Standort der SRG, wo Journalistinnen und Journalisten aller Sprachregionen im gleichen Büro sitzen und arbeiten (wir nennen das Grossraumbüro wegen der grossen Fensterfläche gegen den Gang «Aquarium»).
Abgesehen vom Aufpolieren der Fremdsprachenkenntnisse hat das auch ganz handfeste Vorteile: Wir kommen auf neue Ideen: zum Beispiel zu Beginn der Covid-19-Pandemie, als wir dank der Tessiner früh erfuhren, dass ein Spital von allen anderen Patientinnen und Patienten geräumt wurde, um für Coronabetroffene Platz zu machen. Wir sparen Zeit und Geld: Bei grossen Geschichten (zum Beispiel dem Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU) können wir Interviews von den Welschen übernehmen und sie welche von uns. Oder wir geben den Kolleginnen und Kollegen ein paar deutsche Fragen für einen wichtigen Interviewgast mit (SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard ist immer wieder gefragt). Im besten Fall können wir gleich ganze Beiträge von den Romands oder Tessinern übernehmen.
«Durch die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmenseinheiten profitieren nicht nur wir, sondern auch unser Publikum»
Wir verpassen weniger: weil alle Teams eigenständig gewichten und recherchieren und wir uns dann die Informationen zur Verfügung stellen. Zum Beispiel am Freitagabend, wenn der Bund Unliebsame Themen gern noch mittels harmloser Communiqués kommuniziert. Oder wenn es darum geht, herauszufinden, was der Bundesrat wohl in der nächsten Sitzung besprechen wird. Wir sind überzeugt: Durch die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmenseinheiten profitieren nicht nur wir, sondern auch unser Publikum, dem wir Einblicke in den jeweils anderen Landesteil und die andere Kultur ermöglichen.
Ein Highlight waren in dieser Beziehung natürlich die Austauschsendungen mit RTS im November 2023 und im November 2024, als wir für die RTS-«Tagesschau», «Le 19h30», Beiträge und Einschätzungen auf Französisch produzierten und sie welche auf Deutsch für unsere «Tagesschau». In diesen Sendungen wurde einmal mehr offensichtlich, wie unterschiedlich die Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Landesteile Beiträge angehen oder vor der Kamera agieren – und wie gemeinsam doch die publizistischen Grundsätze sind. Natürlich werden auch bei uns hin und wieder die Vorurteile gepflegt: Die Tessiner reden zu laut, die Romands planen immer erst auf den letzten Drücker, die Deutschschweizerinnen sind langweilig und obrigkeitsgläubig. Doch meistens beweisen dann alle, dass es eben Vorurteile sind. Und niemand von uns möchte den Austausch mehr missen. Weil er uns bereichert. Weil er uns was bringt. Und weil er hin und wieder auch sehr lustig ist (wie genau beschreibt man einem Tessiner das Wort «schnäderfrässig», und wie übersetzt man es ins Italienische?). Idée Suisse in Reinkultur eben.
Näher dran mit dem Mitgliedermagazin

Dieser Text erschien zuerst im «LINK», dem Magazin für alle Deutschschweizer Mitglieder der SRG. Sie interessieren sich für die Entwicklungen in der Schweizer Medienlandschaft, in der SRG und deren Unternehmenseinheiten? Mit «LINK» erhalten Sie fünf Mal jährlich spannende Beiträge zu den Entwicklungen im Journalismus, über den medialen Service public und die Menschen dahinter.
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