Beiträge zu Pädophilie vor der Ombudsstelle
Im Frühling behandelte SRF in verschiedenen Sendegefässen und auf verschiedenen Vektoren das Thema Pädophilie. Kritisiert wird vor allem ein Online-Artikel vom 11. April 2025. Während ein Beanstander eine Formulierung im Titel moniert, empfindet ein anderer die Berichterstattung als Verharmlosung von Pädophilie. Die Ombudsleute beurteilen die beiden Fälle unterschiedlich.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
Beanstandet wird vor allem ein SRF-Online-Artikel vom 11. April 2025. Darin geht es um Pädophilie und die Annahme, dass in der Schweiz rund ein Prozent der Männer pädophil sind. Im Artikel kommen zwei betroffene Männer zu Wort, die über ihre Neigung sowie über ihr Leben damit erzählen. Der Artikel beleuchtet zudem den Umgang der Gesellschaft mit Pädophilie und die Stigmatisierung auch von Männern, die – ohne kriminell zu werden – pädophile Neigungen haben.
Die beanstandeten Formate
Die beanstandeten Formate
Online-Artikel vom 11. April 2025
Verbotene Vorliebe – «Das war ein grosser Fehler»: So lebt es sich mit Pädophilie
«rec.» vom 7. April 2025
Tabu Pädophilie – Wie leben Betroffene mit ihrer sexuellen Neigung?
Q & A vom 11. April 2025 zur Reportage «Tabu Pädophilie – Wie leben Betroffene mit ihrer sexuellen Neigung?»
Audioformat «Input» vom 9. April 2025
Pädophilie enttabuisieren? Ein gesellschaftlicher Balanceakt
Was wird beanstandet?
Einer der beiden Beanstander (Ombudsfall Nr. 10937) kritisiert den ursprünglichen Titel des Online-Artikels vom 11. April 2025: «Verbotene Vorliebe – ‹Ich bin pädophil›: So lebt es sich mit einer strafbaren Neigung». Er stösst sich vor allem an der Formulierung «strafbare Neigung». Diese sei falsch und für ihn unverständlich, denn die Neigung sei nicht strafbar. Mit dieser Formulierung werde der gesamte Inhalt des Online-Artikels zerstört, findet der Beanstander.
Die zweite Beanstandung (Ombudsfall Nr. 10936) bezieht sich nebst dem Online-Artikel vermutlich auch auf die Sendung «rec.» vom 7. April 2025. Der Beanstander sieht darin eine Verharmlosung von Pädophilie. Täter würden als Opfer dargestellt. Das verletzt in den Augen des Beanstanders die Menschenwürde.
Was sagt die Redaktion?
Die verantwortliche Redaktion ist sich mit dem Beanstander des Online-Titels einig, dass die sexuelle Neigung Pädophilie nicht strafbar ist, solange sie nicht ausgeübt wird. Die Redaktion hat deshalb den nicht korrekten Titel zeitnah angepasst in: «‹Das war ein grosser Fehler›: So lebt es sich mit Pädophilie».
Zur Kritik des zweiten Beanstanders äussert sich die Redaktion ausführlich. Sie betont, dass der Schutz von Kindern und die Sichtbarmachung von Betroffenen sexualisierter Gewalt für sie oberste Priorität hat. Es liege ihr fern, Leid zu relativieren oder Täterperspektiven auf Kosten von Missbrauchsopfern in den Mittelpunkt zu stellen. Die Redaktion belegt, dass SRF immer wieder ausführlich über Schicksale von Missbrauchsopfern berichte.
Mit der kritisierten Reportage und dem Online-Artikel wolle man durch Information und Aufklärung einen Beitrag zur Prävention von pädosexuellen Übergriffen leisten. Es sei wichtig, dass Menschen mit riskanten Impulsen frühzeitig Hilfe erhalten könnten, bevor es zu Straftaten komme. Eine Tabuisierung von Pädophilie erschwere den Kinderschutz. Pauschale Verurteilungen, Vorurteile und Stigmatisierung seien nach Ansicht von Fachleuten nicht hilfreich, sexuellen Missbrauch an Kindern zu verhindern.
In der Reportage sowie im Online-Artikel werde betont, dass eine pädophile Neigung nicht mit sexuellen Übergriffen auf Kinder gleichzusetzen sei. Nicht jeder Mensch mit einer pädophilen Neigung werde straffällig. In der öffentlichen Wahrnehmung würden jedoch häufig Menschen mit pädophilen Neigungen und pädosexuelle Straftäter:innen gleichgesetzt.
Die beanstandeten Berichte würden jene zu Wort kommen lassen, die sich bewusst gegen das Ausleben ihrer Neigung entschieden hätten, betont die Redaktion. Damit möchte sie Wege aufzeigen, wie Missbrauch verhindert werden könne.
Zum Vorwurf der Verletzung der Menschenwürde stellt die Redaktion klar, dass die Menschenwürde für sie unantastbar sei. Das gelte sowohl für Opfer sexualisierter Gewalt als auch für jene, die mit einer belastenden sexuellen Neigung lebten und sich bewusst gegen das Ausleben dieser Impulse entscheiden würden.
Der Redaktion ist bewusst, dass das ein äusserst heikles Feld ist. Deshalb ist es ihr ein grosses Anliegen, differenziert zu berichten. Die vielen Rückmeldungen zur Reportage hätten gezeigt, wie gross der Gesprächsbedarf in der Gesellschaft dazu sei.
Was sagt die Ombudsstelle?
Für die Ombudsleute ist offenkundig, dass der ursprüngliche Titel mit der Formulierung «strafbare Neigung» sachlich falsch war. Denn die schweizerische Gesetzgebung stelle pädophile Neigungen als solche nicht unter Strafe, so die Ombudsleute. Sie anerkennen die umgehende Korrektur durch die Redaktion. Da die Ombudsstelle jedoch die ursprüngliche Titelsetzung zu beurteilen hat, sieht sie darin einen Verstoss gegen das Gebot der Sachgerechtigkeit.
Der Online-Artikel als Ganzes (Ombudsfall Nr. 10936) setzt sich nach Ansicht der Ombudsleute differenziert mit dem Thema Pädophilie auseinander. Darin werde thematisiert, dass eine pädophile Veranlagung nicht zwangsläufig zu Straftaten gegenüber Minderjährigen führe. Es werde zudem deutlich, dass auch in diesem Bereich der Prävention eine grosse Bedeutung zukomme. Der Artikel trage dazu bei, losgelöst von strafrechtlichen Kategorien, auf die Thematik einzugehen. Das Thema werde – besonders in präventiver Hinsicht – in einer wertvollen Art und Weise enttabuisiert, sind die Ombudsleute überzeugt.
Sie können darin weder eine Verharmlosung der Pädophilie noch eine Täter-Opfer-Umkehr erkennen. Auch die Menschenwürde sehen die Ombudsleute nicht tangiert. Sie stellen somit keine Verletzung des Radio- und Fernsehgesetzes fest.