Philipp Cueni: Keine Zukunft für Geschichten aus der Schweiz?

Die medienpolitische Landschaft in der Schweiz wird zurzeit von vielen Herausforderungen geprägt. Medien journalist Philipp Cueni liefert darum in dieser Kolumne Fakten und Hintergründe, er ordnet ein und kommentiert. Die Kolumne ist von der Handschrift des Autors geprägt und widerspiegelt somit ab und zu seine persönliche Meinung. Diesmal: Die Auswirkungen der Halbierungsinitiative auf die Zukunft des Schweizer Films.
Diplomatinnen und Diplomaten aus dem Iran und den USA, Verhandlungen, Eklats, Intrigen, eine Liebesaffäre: das alles in Genf. Eine wichtige Rolle spielt die Protokollführung einer Schweizer Diplomatin. Genauer gesagt spielt die Story auf der grossen Leinwand auf der Piazza am Locarno Filmfestival. Gezeigt wird dort die Premiere zur neuen Serie «The Deal». Eine fiktionale Story, basierend auf einem realen Hintergrund, den Verhandlungen über das Atomprogramm des Iran 2013 bis 2015 in Genf. Globaler Stoff mit Bezug zur Schweiz, internationale Besetzung, packende Bilder für ein grosses Publikum, Polit-Thriller. Und das als Schweizer Produktion! Aber was hat das alles in einer medienpolitischen Kolumne zu suchen?
Zurück auf der Piazza in Locarno: Der Schweizer Produzent der Serie, Lionel Baier, spricht anlässlich dieser Premiere zum grossen Publikum. Er holt dabei aus zu einem Loblied auf den öffentlichen Rundfunk. Applaus. Der Grund für Baiers Intervention: Die SRG, genauer RTS, hat die Entwicklung von «The Deal» eng begleitet, ihre finanzielle Beteiligung war ausschlaggebend dafür, dass auch die Finanzierung in Frankreich gesichert werden konnte. Aber Lionel Baier, eine Grösse unter den Schweizer Produzentinnen und Produzenten, hat Angst. Warum?
Das wiederum wird durch eine Rede von SRG-Generaldirektorin Susanne Wille am Locarno Filmfestival klar: Die SRG beteiligt sich seit Jahren stark an der Schweizer Filmproduktion. Die SRG steht unter einem enormen Spardruck – aktuell vor allem durch die Beschlüsse des Bundesrats. So wird die SRG ihr aktuelles finanzielles Engagement im Film kaum halten können. Würde zudem die Halbierungsinitiative angenommen, dann muss man einen vollständigen Rückzug der SRG aus dem Filmbereich befürchten.
Damit würden mehr als 40 Prozent der gesamten öffentlichen Filmförderung in der Schweiz wegfallen. Angesichts des im internationalen Vergleich eher bescheidenen Volumens der Schweizer Filmproduktion würde dies faktisch das Aus für den Schweizer Film bedeuten.
«Die Zukunft und die Finanzierung des Schweizer Films ist eng verknüpft mit der Zukunft der SRG.»
Konkreter: Die SRG war in diesem Jahr im Programm des Locarno Filmfestivals an 23 Produktionen beteiligt. Im Jahr 2024 steuerte die SRG bei 220 Filmen einen Teil der Finanzierung bei. In den letzten gut 25 Jahren sind mit Unterstützung der SRG mehr als 4000 Kino-, Fernseh-, Dokumentar-, Kurz- und Trickfilme und über 50 Serien entstanden.
Die Zukunft und die Finanzierung des Schweizer Films ist eng verknüpft mit der Zukunft der SRG. Sollen mit dem Film Themen aus der Schweiz, für die Schweiz und auch für ein internationales Publikum erzählt werden, braucht es einen starken medialen Service public. Gewinnt die Halbierungsinitiative aus dem Hause SVP, dann werden in der Schweiz fast nur noch Produktionen aus dem Filmmarkt Europas und Hollywoods zu sehen sein. Kein «The Deal» mehr zur Schweizer Diplomatie, keine «Heldin» über das Schweizer Pflegewesen (mit aktuell über 200 000 Kinoeintritten in der Schweiz und weiteren 450 000 in Deutschland und Österreich) und auch kein «Drii Winter» mehr, die Geschichte eines Schweizer Bauern, uraufgeführt an der Berlinale. Lionel Baier und die Schweizer Filmschaffenden haben zu Recht Angst.
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Dieser Text erschien zuerst im «LINK», dem Magazin für alle Deutschschweizer Mitglieder der SRG. Sie interessieren sich für die Entwicklungen in der Schweizer Medienlandschaft, in der SRG und deren Unternehmenseinheiten? Mit «LINK» erhalten Sie fünf Mal jährlich spannende Beiträge zu den Entwicklungen im Journalismus, über den medialen Service public und die Menschen dahinter.
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