So verändert Künstliche Intelligenz die Medienbranche

KI, Deep Fakes, Falschinformation - die technologische Entwicklung krempelt die Medien, wie wir sie kennen, komplett um. Im Rahmen des SRG.Diskutiert-Talks in Bern sprachen wir mit Expontent:innen aus Medien und Forschung darüber, was die neuen Technologien für den Journalismus von heute bedeuten.

KI erobert die Welt im Sturm. Ein Sturm, der gerade die ganze Medienbranche erfasst: Inhalte werden plötzlich künstlich generiert, Recherche ist per Prompt möglich, Desinformation und Fake News nehmen zu. Deshalb kommen Medienschaffende genauso wie deren Publikum nicht um die Frage herum: Wie beeinflussen die aktuellen technologischen Entwicklungen das publizistische Angebot?

Was eine Studie des fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (UZH) kürzlich gezeigt hat: Die Medienschaffenden nutzen KI-Tools bereits grossmehrheitlich im Arbeitsalltag. 87 Prozent der Befragten gaben an, künstliche Intelligenz unterstützend anzuwenden, beispielsweise für Transkriptionen, Textoptimierungen oder Titelvorschläge.

Dennoch fällt die Bilanz der Nutzung in den Redaktionen durchzogen aus, denn die Journalist:innen schätzen den Einfluss auf die Qualität der Inhalte sehr unterschiedlich ein. Während rund ein Drittel einen Gewinn erkennt, stellen 38 Prozent der Befragten kaum oder keinen positiven Effekt fest. Rund ein Fünftel der Medienschaffenden gibt zudem an, nicht genügend Zeit zu haben, um KI-generierte Informationen auch sorgfältig zu prüfen. Und die grosse Mehrheit der Medienschaffenden ist sich einig: Mit dem Einsatz von KI gehen zahlreiche ethische Fragen einher. Standards und Richtlinien fehlen in der Branche bisher.

Welche Rolle spielt KI für SRF?

SRF hat den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bereits im Februar 2024 in ihren Publizistischen Leitlinien geregelt. Das ist wichtig, denn wie SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren sagt, hat sich die Arbeit seit dem Aufkommen von ChatGPT und Co. verändert. «Ich habe das Glück, dass ich KI so einsetzen kann, dass sie mir etwas nützt. Es gibt auch Leute, die müssen mit KI arbeiten, damit sie der Technologie zuarbeiten, indem sie nur noch kontrollieren, was diese produziert.»

Doch auch der Digitalredaktor Tschirren ist erstaunt, wie schnell Künstliche Intelligenz und Technologien wie Deep Fakes in den letzten Jahren an Qualität gewannen. Der Journalist zeigt sich aber dennoch nicht entmutigt: «Insgesamt ist das Ganze nicht so spektakulär, wie man vielleicht denkt. Man kann nicht einfach einen Knopf drücken und es kommt hinten ein fertiger Beitrag heraus.»

Diese Projekte stemmen sich gegen die steigende Flut an Desinformation

Studien zeigen: Die Schweizer Bevölkerung ist nicht gut darin, Fake News und Desinformation zu erkennen. Dabei nehmen problematische Inhalte im Web stark zu. Die Entwicklung wird befeuert durch den raschen Fortschritt bei der künstlichen Intelligenz. Wie geht SRF mit Fake News um?

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Wird die Technologie zum Problem für die Branche?

Reto Vogt, freier Journalist und Studienvorsteher «Digitale Medien und KI» am MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation, sagt: «Wie sich KI in Zukunt verändert, lässt sich nicht sagen. Die Entwicklungen sind so schnell und so krass. Aber klar ist, dass es unsere Branche und jede andere auf den Kopf stellen wird.»

«Ich habe keine Angst, wegen KI den Job zu verlieren. Ich habe zum Glück eine Spezialisierung auf Tech-Themen, die im Moment gross nachgefragt sind.» Doch Vogt ergänzt: «Ich mache mir aber durchaus Sorgen um viele Kolleg:innen aus der Branche.» Doch nicht nur für freie Medienschaffende werde KI viel Grundsätzliches verändern. Auch Medienhäuser bräuchten online ein neues Geschäftsmodell, denn aktuell basiert dieses auf Reichweite.

KI lässt nämlich bereits jetzt die Seitenaufrufe von Onlinemedien einbrechen. Der Grund ist, dass Dienste wie Google oder ChatGPT Zusammenfassungen von Medieninhalten direkt anzeigen. Wer eine Frage stellt, erhält also seine Antwort scheinbar sauber strukturiert und zusammengefasst, ohne auf einen Link klicken zu müssen. Medien sind heute aber auf diese Seitenzugriffe angewiesen, um Werbung verkaufen zu können. Durch das Einbrechen der Klickzahlen verlieren sie ihre Existenzgrundlage.

Vogt sagt: «Ein mögliches zukünftiges Geschäftsmodell könnte sein, dass Medien auf Nähe statt auf Reichweite optimieren. Durch Nähe zum Publikum wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wenn Vertrauen da ist, ist auch die Bereitschaft da, in Medien zu investieren.»

«KI ist mehr Chance als Risiko»

Doch KI verändert die Medienlandschaft nicht nur auf Seiten der Produktion, sondern auch in Bezug auf die Inhalte, welchen das Publikum ausgesetzt ist. Will heissen: Durch KI-Technologien ist die Erstellung von Fake News und Desinformation noch einmal deutlich einfacher geworden, was sich an der heutigen Flut an Falschinformationen – insbesondere auf Social Media – zeigt.

Bei Sabine Süsstrunk, Professorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne und Verwaltungsrätin der SRG, löst die neue Technologie trotzdem «Aufregung, Spannung, Coolness!» aus. «Es macht mich richtig wach.» Denn als Forscherin ist dieser gesellschaftsverändernde technologische Wandel hochinteressant. Und Süsstrunk ist überzeugt: «KI ist mehr Chance als Risiko.» KI sei eine Technologie wie alle anderen auch. Die Risiken gingen nicht primär von der KI, sondern von deren Anwendung aus. «Man darf nicht vergessen: Es ist immer ein Mensch dahinter, der etwas Risikoreiches auslöst.»

Medien könnten der nun aufkommenden Desinformation so begegnen, wie sie dies schon immer tat, so die Wissenschaftlerin: mit sauberer Quellenprüfung. Denn auch die Forschung könne keine 100-prozentige Sicherheit gegen Deep Fakes schaffen. Deshalb sei eine saubere Herkunftsprüfung von Inhalten zentral – und der gesunde Menschenverstand.

SRG.Diskutiert: öffentliche Talks über die Medien in der Schweiz

Ab Herbst 2025 bringen die regionalen Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz mit «SRG.Diskutiert» eine neue Talkreihe in die deutschsprachigen und rätoromanischen Landesteile der Schweiz.

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Text: SRG.D/pz

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