Für die Schweiz, statt für die Region

Erstmals haben Programmkommissionen von fünf Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz gemeinsam die SRF-Berichterstattung analysiert: Das Urteil über die seit sieben Monaten neu ausgerichteten Online-Berichterstattung aus den Regionen fiel durchaus skeptisch aus. Der Rückzug aus dem lokalen und regionalen Raum wird als problematisch erachtet, weshalb man sich eine Neubeurteilung dieser Strategie wünscht.

Anfang September 2020 hat SRF die Online-Berichterstattung aus den verschiedenen Deutschschweizer Regionen auf der Website srf.ch/news sowie in der «SRF News»-App angepasst. Neu werden seither Beiträge der Regionaljournale nicht mehr in einer eigenen Rubrik publiziert, wie es bis dahin mit «Regional» und einem Auswahlmenü nach Regionaljournal möglich war. Ausgewählte Beiträge werden nun unter der Rubrik «Schweiz» in die Inland-Berichterstattung integriert. Gemäss SRF reagierte man damit auf Erkenntnisse der Nutzerforschung.

Ein Strategiewechsel mit grossen Auswirkungen. Deshalb haben sich die Programmkommissionen (PK) von fünf Deutschschweizer SRG-Mitgliedgesellschaften – der SRG Aargau Solothurn, der SRG Bern Freiburg Wallis, der SRG Ostschweiz, der SRG Basel sowie der SRG Zentralschweiz – zusammengetan und Auswirkungen dieses Strategiewechsels unter die Lupe genommen. Sie hatten erst das Angebot für die eigene Region beurteilt. Danach tauschten sich die Präsidentinnen und Präsidenten der PKs über diese Erkenntnisse aus und diskutierten sie mit Maurice Velati, Projektleiter des Strategiewechsels und Leiter des Regionaljournals Aargau Solothurn.

Dabei kamen sie zu einem gemeinsamen Schluss: Einhellig attestierten alle PKs den Beitragsverantwortlichen eine hohe handwerkliche Qualität in der Berichterstattung. Beiträge und Themenwahl seien interessant, attraktiv und gut gemacht. Ebenso einhellig kritisierten sie aber auch den mit dem Strategiewechsel verbundenen Perspektivenwechsel. Die Regionaljournal-Redaktionen berichteten, so das Urteil, nicht mehr «aus der Region für die Region», sondern «aus der Region für die Schweiz». Das führe unter anderem dazu, dass Themen, die in der jeweiligen Region selbst als wichtig und relevant erachtet werden, digital nicht mehr vorhanden oder erkennbar sind.

Dass auf der App und bei srf.ch/news nicht mehr einzelne Beiträge aufgeführt seien, bewirke auch, dass die ganze Arbeit der Regionalredaktionen weniger wahrgenommen wird und beispielsweise einzelne Beiträge sich schlechter über soziale Medien teilen lassen. Verbunden mit dem Umstand, dass die Suchfunktion nach einzelnen Beiträgen schlechte Resultate liefert, führt dies dazu, dass die Regionalredaktionen im digitalen Raum weniger sichtbar und damit in der Region weniger präsent seien, so das Urteil. In diesem Punkt hat SRF bereits reagiert, indem nun auf den Sendungsseiten der «Regionaljournale» auch Einzelbeiträge abrufbar und damit auch in sozialen Medien teilbar sind.

Trotzdem: Nach dem Strategiewechsel versorgen sich verschiedene PK-Mitglieder nun nicht mehr bei SRF mit regionalen News online, sondern bei digitalen Angeboten anderer, privater Medien. Da sich aber auch die privaten Medien aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend aus der lokalen und regionalen Berichterstattung zurückziehen, wäre es umso wichtiger, wenn ein Service-public-Angebot in diesem Bereich aufrechterhalten wird; ist dieses doch für die Meinungsbildung der Bevölkerung essentiell. Befürchtungen, dass in letzter Konsequenz auch ein Abbau im Radio folgen könnte, wurde seitens SRF entgegengetreten: SRF habe mehrfach klar und deutlich versprochen, dass es in den Regionen keinen Abbau gibt.

In den Programmkommissionen wurde zwar die Notwendigkeit, das Angebot anzupassen und damit auf die Zeichen der Zeit zu reagieren, anerkannt. SRF sollte keine Inhalte produzieren müssen, die nicht gelesen werden, weshalb man grundsätzlich den Versuch, aktiv neue Wege zu gehen, befürwortet. In diesem Zusammenhang wird auch die auf Ende des Jahres angekündigte neue «SRF News»-App begrüsst: Diese verspricht, vielen Anforderungen zu entsprechen, die derzeit nicht erfüllt werden können.

Trotzdem ist für die PKs klar: Dass im betreffenden Bereich online nun nur noch wenige Beiträge aus den verschiedenen Regionen publiziert werden, stehe einem Medienunternehmen im Dienste des Service public schlecht an, befanden die Präsidentinnen und Präsidenten der PKs. Denn SRF müsse sich nicht nur nach nationalen Quoten, sondern auch nach regionaler Relevanz ausrichten. Verbunden mit anderen Strategieanpassungen seitens SRF in letzter Zeit komme da ein ungutes Gefühl auf. Befürchtet wird etwa eine weitere Marginalisierung der Regionalinformationen. Darum regen die Programmkommissionen an, den Strategiewechsel zu überdenken.

Text: Fabian Gressly

Bild: zVg

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