SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Islam-Arena» auf SRF 1 beanstandet

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Mit E-Mail vom 24. Januar 2015 haben Sie die Sendung „Arena“ vom 23. Januar beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 28. Januar bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stel­lung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

„Mit grossem Befremden habe ich die am 23.1.2014 erstausgestrahlte Arena-Sen-dung unter dem Titel die ‚Die Islam-Arena’ angeschaut. Durch die Auswahl, Platzierung und Vorstellung der Gäste wurde ein grob irreführendes Bild von den herrschenden Einstellungen der muslimischen Bevölkerung vermittelt. Die Sendung hat daher m.E. das Gebot der Sachgerechtigkeit (Art. 4 Abs. 2 RTVG) wie auch das Gebot der angemessenen Darstellung der Vielfalt der Ansichten (Art. 4 Abs. 4 RTVG) verletzt. Die irreführende Repräsentation der islamischen Bevölkerung bei diesem aktuell hochsensiblen Thema hat leider potentiell auch diskriminierende Wirkungen. Möglicherweise wurde also auch gegen Art. 4 Abs. 1 RTVG zu verstossen. Aus diesen Gründen möchte ich hiermit eine Beanstandung einreichen und bitte Sie höflich, die genannte Sendung entsprechend zu untersuchen.

Die Sendung hat gemäss Einleitung des Moderators beansprucht, das Gewaltpotential des Islams im Gespräch zwischen Muslimen zu diskutieren. Obwohl zwei Dachorganisation zur Repräsentation gläubiger Muslime in der Schweiz existieren (FIDS, KIOS) und entsprechend etwa auch im Schweizerischen Rat der Religionen vertreten sind, wurde lediglich in der zweiten Reihe ein Vertreter der KIOS (Dr. Farhad Afshar) einbezogen. Als Hauptrepräsentanten wurden stattdessen die Präsidentin des sog. ‚Forum für einen fortschrittlichen Islam’ (Saida Keller-Messahli) sowie der Pressesprecher des ‚Islamischen Zentralrats Schweiz’ (Abdel Azziz Qaasim Illi) ausgewählt. An keiner Stelle wurde dabei transparent gemacht, dass die von den beiden Personen vertretenen Organisationen ausgesprochen kleine Gruppierungen am Rand des Meinungsspektrum der muslimischen Bevölkerung vertreten. Ohne diese Information wurde bei Zuschauerinnen und Zuschauern, welche mit der muslimischen Bevölkerung und ihren Organisationen nicht näher vertraut sind, der falsche Eindruck erweckt, dass die beiden Diskutanten die Grundhaltungen eines erheblichen Teil der muslimischen Bevölkerung widerspiegeln. Der Einbezug von Dr. Afshar konnte diesen Eindruck wohl mildern, aber angesichts seiner Platzierung in der zweiten Reihe, seiner eng begrenzten Redezeit und der fehlenden Aufklärung über die Position der Gäste innerhalb der muslimischen Landesbevölkerung keineswegs aufheben.

Die verzerrenden Darstellung bezeugt und verschärft auch der Text zur Sendung auf der SRF-Homepage, wo von einem Gespräch ‚fortschrittlicher’ und ‚konservativer’ Muslime die Rede ist. Diese Bezeichnung entspricht freilich der Selbstdarstellung der Organisationen der beiden Hauptgäste. Im Kontext der Sendungsbeschreibung erzeugen die Formulierung aber irreführend die Annahme, dass damit breite Teile der Muslime in der Schweiz bezeichnet sind. Der Grossteil fortschrittlicher und konservativer Musliminnen und Muslime in der Schweiz gehört aber keiner der beiden Vereinigungen an und dürfte sich mit seinen Haltungen in erheblicher Distanz zu beiden Hauptgästen stehen.

Die bedenkliche Folge dieser Konstellation war, dass weitverbreitete Grundanliegen vieler Musliminnen und Muslime, die auch von den Dachorganisationen postuliert werden, plötzlich als extremistische Positionen erscheinen mussten: So wurde das Tragen von Kopftüchern durch muslimische Schülerinnen, das kürzlich auch vom Bundesgericht als Teil der Religionsfreiheit erkannt wurde, von Frau Keller-Messahli als nicht-religiöses und zu verbietendes Symbol kritisiert. Es entstand der Eindruck, als reflektiere das Kopftuch bei muslimischen Mädchen die extremistische Haltung Illis und werde von fortschrittlichen Muslimen abgelehnt. Das zeigte sich auch im darauffolgenden Statement von Frau Quadranti, wonach sie nach Verfolgen der Diskussion zwischen Keller-Messahli und Illi dazu tendiere, ihre bisherige Verteidigung des Rechts von Schülerinnen, ein Kopftuch zu tragen, aufzugeben. Auch bei zahlreichen weiteren Diskussionspunkten erschienen Anliegen und Haltungen, die von einem Grossteil der ‚konservativen’ und ‚fortschrittlichen’ Muslime geteilt werden und auch grundrechtlich geschützt sind, als Forderung fundamentalistischer Gruppen, weil sie allein vom Vertreter des Islamischen Zentralrats verteidigt, von der selbsternannten Vertreterin der ‚Fortschrittlichen’ aber abgelehnt wurden.

Es ist selbstverständlich, dass die Arena in ihren Sendungen nicht das gesamte Meinungsspektrum abzubilden vermag, und nachvollziehbar, wenn durch den Einbezug von Randpositionen die Vielfalt muslimischer Positionen sichtbar gemacht werden soll. Wenn allerdings diese Randpositionen unter dem allgemeinen Titel ‚Die Islam-Arena’ ohne jeden Hinweis auf ihre besondere Stellung in den Mittelpunkt gestellt werden und einzig die unkommentierte Erwähnung der irreführenden Selbstbezeichnungen ‚Forum für einen fortschrittlichen Islam’ und ‚Islamischer Zentralrat’, die beide den Eindruck von repräsentativen Dachorganisationen erzeugen, zur Vorstellung der Gäste verwendet wird, dann wird ein völlig falsches Bild erzeugt.

Damit wird meines Erachtens die Vielfalt der Ansichten unangemessen dargestellt. Randpositionen erhalten unter dem irreführend allgemeinen Sendungstitel ein massives Übergewicht und die breite Vielfalt der Positionen der grossen Mehrheit der muslimischen Bevölkerung dazwischen wird verdeckt. Da die Sendung gerade den Zweck und Anspruch hatte oder zumindest suggerierte, Meinungen repräsentativer Musliminnen und Muslime wiederzugeben, wurden meines Erachtens auch Tatsachen nicht sachgerecht transportiert und eine freie Meinungsbildung verunmöglicht: Es entstand ein völlig falsches Bild von den faktischen Einstellungen der muslimischen Bevölkerung. Schliesslich wurden durch die Verzerrung weit verbreitete Vorstellungen und Glaubenshaltungen der muslimischen Bevölkerung in die Nähe des fundamentalistischen Zentralrats gerückt, was mittelbar diskriminierende Effekte haben könnte.

Schliesslich möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Moderator nach meinem Eindruck verschiedene, nicht aber alle Gäste ausserordentlich rasch mit dem Hinweis unterbrach, eine spezifischere Frage gestellt zu haben. Oft erfolgte der Unterbruch noch bevor klar sein konnte, ob der Befragte (allenfalls mit einer relevanten Vorbemerkung) auf die Frage eingeht oder nicht. Auch diese ungleiche Behandlung der Gäste und die Verhinderung, Argumente in Ruhe vorzutragen, war der sachgerechten Behandlung des wichtigen und sensiblen Themas zweifellos abträglich.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Jonas Projer, Redaktionsleiter von „Arena“, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandung von Herrn X zu unserer Sendung vom 23. Januar 2015. Aus der Begründung der Beanstandung ergeben sich für mich folgende vier Kritikpunkte:

  1. Die Sendung vermittelte kein repräsentatives Bild der herrschenden Einstellungen der muslimischen Bevölkerung.
  2. Die muslimischen Dachorganisationen (FIDS, KIOS) waren in der Sendung zu wenig vertreten.
  3. Als Folge davon erschienen weit verbreitete Grundanliegen vieler MuslimInnen (Herr X bezeichnet das Tragen des Kopftuchs durch Schülerinnen als solches Grundanliegen) als extremistische Positionen.
  4. Die Gäste wurden durch den Moderator ungleich behandelt, da dieser verschiedene, nicht aber alle Gäste mit dem Hinweis unterbrach, eine andere Frage gestellt zu haben.

Zu diesen Kritikpunkten nehme ich gerne wie folgt Stellung.

1.

Herr X stellt einen Anspruch an die Sendung, den zu erfüllen sie a) nicht versprochen hat – und den sie b) auch nicht erfüllen konnte.

Zu a): Die Hauptfragen der Sendung wurden bereits in der Anmoderation definiert:

‚Wäre solches [Morden im Namen des Islams] auch bei uns möglich? Gibt es auch bei uns unter den Muslimen Extremisten, Fundamentalisten? Und wie verträgt sich diese Religion ganz generell mit unserem Rechtsstaat, unserer Demokratie? Darüber streiten wir heute in der Arena. Und zwar nicht ein Muslim gegen irgendjemand anderes, sondern Muslime untereinander.’

Die Grundfragen der Sendung waren also: Erstens, ob es auch in der Schweiz muslimische Extremisten gibt. Zweitens, welche Konfliktfelder es gibt zwischen Islam und Schweizer Rechtsstaat. Wir sind der Ansicht, dass dieser Fokus zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris der richtige war – und dass beide Fragen in der Sendung ausführlich diskutiert wurden, dass das Versprechen der Anmoderation also eingelöst wurde. Das von Herrn X gewünschte repräsentative ‚Bild der herrschenden Einstellungen der muslimischen Bevölkerung’ wurde hingegen in keiner Weise versprochen. Dies mit gutem Grund:

Denn b) wäre ein solches repräsentatives Bild zu zeichnen gar nicht möglich. Der Organisationsgrad der Schweizer Muslime ist äusserst gering und mit z.B. jenem der christlichen Bevölkerung nicht zu vergleichen. Es existieren weder hierarchische Strukturen wie in der katholischen Kirche noch eine demokratische Organisation analog zu den Landeskirchen. Herr X bezieht sich an verschiedenen Stellen seiner Beanstandung auf eine ‚grosse Mehrheit der muslimischen Bevölkerung’, die hier nicht vertreten gewesen sei. Im Zuge unserer Recherchen kamen wir zum Schluss, dass sich eine solche Mehrheit der Schweizer Muslime eben gerade nicht definieren lässt, bzw. dass über sie kaum Aussagen möglich sind. Auch die KIOS und die FIDS können für sich nicht in Anspruch nehmen (und tun es auch nicht), für eine Mehrheit der Schweizer Muslime zu sprechen. Dies, weil nur ein Bruchteil der Schweizer Musliminnen und Muslime überhaupt Mitglied in einem Verein ist. Und selbst über diese sind kaum Aussagen möglich, da die Dachorganisationen derart lose organisiert sind, dass selbst Herr Farhad Afshar keine Aussage darüber machen kann, wie viele in den angeschlossenen Vereinen organisierte Muslime er vertritt. Eine Dachorganisation, welche für eine Mehrheit oder auch nur einen signifikanten Teil der Schweizer Muslime sprechen könnte, gibt es nicht.

Umgekehrt lässt sich zwar sehr wohl sagen, dass Herr Illi nur für einen kleinen Teil der Schweizer Muslime spricht. Dennoch war es in dieser Sendung – mit den oben genannten Grundfragen – unabdingbar, ihn als Gast dabei zu haben, da der Vorwurf des muslimischen Extremismus‘ in der Schweiz fast ausschliesslich an seine Organisation, den IZRS, gerichtet wird. Über muslimischen Fundamentalismus in der Schweiz zu diskutieren, ohne einen Vertreter des IZRS einzuladen, wäre journalistisch nicht fair gewesen.

Herrn Xs Annahme, dass auch Frau Keller-Messahli ein unrepräsentativer Gast sei, können wir nicht nachvollziehen. Wie oben erwähnt: Eine Vertretung der ‚Mehrheit der Schweizer Muslime’ gibt es nicht. Dass die grosse Mehrheit der Schweizer Muslime, welche ihre Religion nicht praktiziert, sich in den von Frau Keller-Messahli in die Diskussion eingebrachten Werten (Laizismus, Bekenntnis zum Rechtsstaat, vehemente Ablehnung von Fundamentalismus) wiederfindet, scheint uns jedoch zumindest plausibel.

2.

Trotz den oben ausgeführten Einschränkungen, was die Repräsentativität und den Organisationsgrad der KIOS angeht, hatte Farhad Afshar in der Sendung einen prominenten Platz direkt hinter dem Moderator. Herr Afshar wurde gleich nach den Hauptgästen vorgestellt, wurde als einziger Gast ausserhalb des Zentrums auch in der Schlussrunde einbezogen und kam zudem öfter zu Wort als ein normaler Gast in der äusseren Reihe (10 Wortmeldungen, normal sind 2-3). Dass wir Herrn Afshar nicht im Zentrum platzierten, hatte den einfachen Grund, dass er sich weder der einen noch der anderen Seite zugehörig fühlte, wie er auch in der Sendung explizit sagte.

3.

Herr X schreibt, dass das Tragen von Kopftüchern durch muslimische Schülerinnen ein weitverbreitetes Grundanliegen vieler Musliminnen und Muslime sei – eine Annahme, deren Grundlagen er nicht ausführt und die hier weder bestätigt noch widerlegt werden kann. Nicht korrekt ist hingegen der Vorwurf, die Sendung habe das Tragen des Kopftuchs als extremistische Haltung gebrandmarkt dadurch, dass nur Herr Illi sich für das Kopftuch ausgesprochen hätte. Herr Afshar wurde vom Moderator gezielt auf seine Haltung zum Kopftuch angesprochen und antwortete unter anderem wie folgt:

„Sobald es ein Gesetz ist, hat es eine Verbindlichkeit. Aber solange es kein Gesetz ist, was die Ordnung vorschreibt, finde ich, sollte man die Freiheit haben zu wählen.“

4.

Da Herr X nicht ausführt, welche Gäste seiner Meinung nach vom Moderator besonders stark unterbrochen und deshalb benachteiligt worden seien, ist eine detaillierte Reaktion auf den Vorwurf schwierig. Generell lässt sich sagen: Gezielte Fragen und das Insistieren auf denselben sind in der Arena ein wichtiges Mittel, um zu verhindern, dass die Sendung zur reinen Plattform für (Partei-)Parolen wird. Gleichzeitig gebietet die Höflichkeit, Gäste wenn möglich nicht zu unterbrechen. Die Arbeit des Moderators ist in dieser Hinsicht immer eine Gratwanderung, die nicht immer gleich gut gelingt. Wir stellen zudem fest, dass das Zuschauerempfinden in dieser Hinsicht stark von der eigenen politischen Position und von den Sympathien und Antipathien gegenüber den Gästen abhängt. Insofern ist es oft schwierig, es allen recht zu machen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben, und stehe für weitere Auskünfte gerne zur Verfügung.“

3. Soweit die Stellungnahme des Redaktionsleiters von „Arena”. Herr Jonas Projer nimmt zu Ihren Kritiken ausführlich Stellung.

Geht es um meine eigene Beurteilung, so habe ich für Ihre umfassenden und wohlbegründeten Kritiken viel Verständnis. Dass für die Diskussion der Frage, welche Rolle die Schweizer Muslime einnehmen und wer sie vertritt, an vorderster Front lediglich der Mediensprecher des Islamischen Zentralrats Schweiz, Herr Abdel Azziz Qaasim Illi, sowie die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, Frau Saïda Keller-Messahli, ein „Duell“ liefern sollten, scheint auch für mich problematisch zu sein. Denn es sollte unbestritten sein, dass weder der Zentralrat noch das Forum für sich in Anspruch nehmen können, alle in der Schweiz lebenden Muslime zu vertreten.

Nicht umsonst wurde diese Frage bereits im Vorfeld der Sendung thematisiert. Laut kath.ch bezweifelte der Islamwissenschaftler der Universität Bern Reinhard Schulze, ob es zur Beantwortung der Frage, wie sich die Schweizerinnen und Schweizer gegenüber muslimischen Strömungen verhalten sollen, dienlich sei, „Extrempositionen aufeinander losgehen zu lassen“. Auch die Begründungen von Herrn Jonas Pojer, wonach eine Dachorganisation, welche für eine Mehrheit oder auch nur einen signifikanten Teil der Schweizer Muslime sprechen könnte, nicht existiere, überzeugen mich nicht. Wollte man tatsächlich die angesprochenen Fragen durch einen „innermuslimischen Diskurs“ seriös behandeln und über den Islam in seiner Vielfalt sprechen, wäre es sicher besser gewesen, im Ring auch Vertreter der muslimischen Dachorganisationen FIDS und KIOS teilnehmen zu lassen. Gerade weil Herr Farhad Afshar als Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz KIOS sich weder der Seite von Frau Keller-Messahli noch derjenigen von Herrn Illi zugehörig fühlte, hätte seine Teilnahme am Ring den Eindruck vermieden, die Schweizer Muslime würden lediglich Extrempositionen einnehmen.

Nachdem ich die Sendung analysieren konnte, scheint mir die Schlussfolgerung von Robert Ruoff im Infosperber vom 25. Januar, wonach die „Arena“ „zur Anklagebank und zum Kampfplatz zwischen ‚fundamentalistischem‘ und ‚fortschrittlichem‘ Islam wurde“, plausibel zu sein. Durch die polarisierende Zusammensetzung der „Protagonisten“ im Ring überrascht es nicht, wenn die Sendung öfters den Eindruck eines Tribunals vermittelte. Frau Keller-Messahli trat als Anklägerin gegen den angeklagten Herrn Illi auf, Moderator Jonas verlies öfters seine unparteiische Rolle, um diejenige eines Untersuchungsrichter zu übernehmen. Dass dadurch ein ergiebiges Gespräch erschwert wurde, liegt auf der Hand.

Doch laut Praxis der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI und des Bundesgerichts hat die Ombudsstelle keine Fach-, sondern eine Rechtsaufsicht zu erfüllen. In anderen Worten hat sie keine eigentliche Qualitätskontrolle auszuüben. Sie hat deshalb nicht primär die Aufgabe zu befinden, ob eine Sendung gelungen ist oder nicht.

Die Aufgabe der Ombudsstelle liegt vor allem darin, zu beurteilen, ob die gesetzlichen Bestimmungen verletzt worden sind oder nicht. Vorliegend geht es um folgende zwei Fragen: War es zulässig, im Ring lediglich zwei Vertreter von Extrempositionen der Schweizer Muslime debattieren zu lassen? Konnte sich das Publikum über das behandelte Thema eine eigene Meinung bilden?

Bei der Beantwortung der ersten Frage gilt es, der dem Radio und Fernsehen zustehenden Programmautonomie gebührend Rechnung zu tragen. Denn etwas darf nie vergessen werden: Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 6 Abs. 2 RTVG gewährleisten die Programmautonomie des Veranstalters. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrags und in der inhaltlichen Bearbeitung.

Die Verantwortlichen von Arena waren deshalb grundsätzlich frei, die Sendung nach ihrem journalistischen Ermessen zu gestalten. Dass sie sich für eine an sich fragwürdige mediale Inszenierung entschieden haben, ist rein rechtlich als zulässig zu betrachten. Bedingung dafür ist aber, dass die geltenden programmrechtlichen Bestimmungen – vorliegend insbesondere das Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2 RTVG – nicht verletzt wurden.

Anders als Sie gelange ich aus verschiedenen Überlegungen zur Auffassung, dass dies in der „Arena“ vom 23. Januar insgesamt der Fall war.

Zuerst einmal, indem bereits bei der Präsentation der zwei Hauptprotagonisten im Ring deutlich genug darauf hingewiesen wurde, welche Art Islam die Beiden vertreten. Was den Zentralrat von Herrn Illi betrifft, sagte der Moderator deutlich, dass Kritiker seine Organisation als „fundamentalistisch“ betrachten. Bezüglich Frau Keller-Messahli wurde unterstrichen, dass es für sie nötig sei, „den Koran kritisch lesen und modern auflegen“ zu können. Wenn auch lediglich aus der zweiten Reihe, hatte zudem Herr Farhad Afshar bereits am Anfang der Sendung die Gelegenheit, einen „anderen“ Islam zu vertreten. Er konnte sich somit von Illis Fundamentalismus ebenso abgrenzen wie von Keller-Messahlis politisiertem, „fortschrittlichem“ Islam. Dadurch wurde dem Publikum klar genug, dass die zwei „Protagonisten“ keinen Anspruch hatten, sämtliche in der Schweiz lebenden Muslime zu vertreten. Somit wurde das möglicherweise entstandene verzerrte Islambild weitgehend korrigiert. Berücksichtigt man den Gesamtkontext der Sendung, wurden die Extrempositionen als solche klar erkennbar.

Dann aber auch, weil die eingeladenen Politiker – so wie auch Herr Farhad Afshar – wiederholt und umfassend zu Wort kamen. Sie hatten somit die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass weder Herr Illi noch Frau Keller-Messahli wirklich legitimiert seien, für die Religionsgruppe der Muslime zu sprechen, und ihre Haltung und Positionen zu hinterfragen und zu kommentieren. Über die zwei behandelten Hauptfragen – ob der Islam auch in der Schweiz ein Gewaltproblem habe und welche Schwierigkeiten für ein Zusammenleben überwindet werden sollen – kam doch eine engagierte und kontroverse Diskussion zustande. Das Publikum war deshalb durchaus in der Lage, sich über das Thema eine eigene Meinung zu bilden.

Ich gelange deshalb zur Schlussfolgerung, dass das geforderte Sachgerechtigkeitsgebot insgesamt nicht verletzt wurde. Auch wenn ich Ihre kritischen Bemerkungen ohne weiteres nachvollziehen kann, ist es mir nicht möglich, Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, zu unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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