SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Dok»-Film «Die Macht des Volkes» beanstandet

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Sehr geehrte Frau Nationalrätin Rickli, sehr geehrter Herr Nationalrat Rutz

Mit Ihrem Brief vom 23. Dezember 2015 beanstanden Sie den DOK-Film „Die Macht des Volkes“ vom 17. Dezember. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 28. Dezember bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stel­lung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kriti­sierte Sendung sehr genau studieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

1.) Sachverhalt / Begründung

Der DOK-Film „Die Macht des Volkes“, welcher am Abend des 17. Dezember 2015 ausgestrahlt worden ist, wollte gemäss eigener Ankündigung „Antworten auf eine der brisantesten Fragen unserer Zeit“ suchen: „In welche Richtung geht die direkte Demokratie, wenn sie immer mehr ihre Grenzen testet?“. Filmautorin Karin Bauer will den „Folgen von heiklen Volksentscheiden“ nachgehen. Nach Auffassung der in das Projekt involvierten SRG-Mitarbeiter steht „die direkte Demokratie auf dem Prüfstand.“ Denn das „Minarettverbot und die Ausschaffung krimineller Ausländer ritzen die Menschenrechte, und mit ihrer neusten Initiative will die SVP das Völkerrecht eindämmen“ (alle Zitate auf www.srf.ch).

Der Film beschäftigt sich fast ausschliesslich nur mit der SVP; andere Gruppierungen oder Parteien werden nicht kritisch beleuchtet. Die Filmautoren unterstellen der SVP eine eigentliche Strategie und werfen der Partei vor, das Justizsystem und bewährte Grundwerte der schweizerischen Rechtsordnung in Frage stellen zu wollen: „Der Film zeigt, wie sich in der neusten Initiativ-Debatte Ängste vor dem Fremden, Parteistrategien und Fakten vermischen“ (www.srf.ch). Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autoren des DOK-Films den Zuschauern vermitteln wollten, die politischen Aktivitäten der grössten schweizerischen Regierungspartei würden subversive Absichten beinhalten.

Der DOK-Beitrag ist unseres Erachtens absolut tendenziös ausgefallen. Einziges Ziel des Films war, die SVP zu diffamieren und die Initiative „Schweizer Recht statt fremde Richter“ als problematisch darzustellen. Während den SVP-Exponenten konsequent kritische Fragen gestellt und unlautere Motive unterstellt wurden, zog die Redaktion andere Votanten (z.B. Helen Keller, Adrian Vatter) als „Experten“ bei, um die kritische Haltung gegenüber der SVP zu untermauern und die Aussagen der befragten SVP-Exponenten zu diskreditieren. Kritische Fragen wurden diesen Personen keine gestellt.

Die Unterstellung, die SVP missbrauche die Volksrechte für unredliche Zwecke, wird am Anfang der Sendung durch folgende Aussage unterstrichen: „Initiativen waren ursprünglich für Gruppen ausserhalb des Parlaments gedacht.“ Dass aber fast alle Initiativen, welche die DOK-Redaktion als problematisch beurteilt (Verwahrungsinitiative, Minarettinitiative; zu nennen wären aber an dieser Stelle auch die Pädophileninitiative und die Unverjährbarkeitsinitiative), nicht von einer Partei, sondern von unabhängigen Komitees und Privatpersonen lanciert worden sind, bleibt unerwähnt.

Sodann wird mit diversen Aussagen insinuiert, die SVP habe die Unterschriften für die Initiative „Landesrecht vor Völkerrecht“ auf unlautere Art und Weise gesammelt: „Die Vermarktungsstrategie der Initiative, die das Völkerrecht einschränken will, ist clever.“ Laut Kommentar haben viele Personen die Initiative in den Stunden, während derer gefilmt worden ist, unterschrieben: „Nur: Worum es geht, weiss niemand.“

Es wird also unterstellt, dass mit einer cleveren Marketingstrategie Personen zur Unterschrift überredet worden seien, ohne dass sich diese bewusst gewesen sind, worum es im Detail geht. Gleichzeitig soll der Eindruck erweckt werden, dass sich vor allem die SVP solch fragwürdiger Methoden bediene – im Gegensatz zu den anderen Parteien: „Mehr als alle anderen Parteien wissen die SVP-Strategen die direkte Demokratie für ihre Zwecke einzusetzen.“

Diese Unterstellungen sind absolut unhaltbar. Der grössten Regierungspartei wird damit pauschal unlauteres Verhalten unterstellt, während andere Parteien oder Grup­pierungen nicht kritisiert werden. Die „Belege“ hierfür sind willkürlich und zufällig zusammengeklaubt. So wird man zweifellos bei jeder Unterschriftensammlung von Ver­bänden, Parteien und Organisationen jeglicher Couleurs Personen finden, welche ein Volksbegehren unterzeichnen, ohne dass sie im Detail über die einzelnen Punkte im Bild sind. Dies ist weder ungewöhnlich noch negativ oder gar verboten. Zu behaupten aber, solche Szenen seien eine Eigenheit bei Unterschriftensammlungen der SVP, ist falsch.

In besagtem Film blieben alle Unterstellungen unwidersprochen und wurden als „aufklärender Kommentar“ wiedergegeben. Den Zuschauern sollte offensichtlich nicht nur dargelegt werden, dass die SVP problematische politische Ziele verfolge, sondern dass dies auch nicht nur den Ansichten der Filmautoren, jedoch der objektiven Wahr­heit entspreche.

2.) Verletzung des Vielfaltsgebots

2.1.) Kritische Fragen nur an SVP-Vertreter

Das Vielfaltsgebot (vgl. Art. 4 Abs. 4 RTVG) wurde im angesprochenen Film wiederholt verletzt, indem diverse Themen und Aspekte völlig einseitig beleuchtet wurden. Während die einen Votanten (Bircher, Heer) kritisch befragt wurden, wurden andere (Keller, Vatter) als „Experten“ eingespielt, welche mit ihren Voten die Aussagen der kritisch befragten SVP-Vertreter „erklärten“ und kommentierten.

Dass der Umfang von Freiheitsrechten immer wieder Gegenstand politischer Debatten ist, bleibt unerwähnt. Ebenso wurden keine anderen Beispiele aufgearbeitet, wo Volksinitiativen und andere politische Begehren Grundrechte da und dort einschränken. Beispiele hierfür wären z.B. die etlichen Vorstösse aus dem Kreise von Sozialdemokraten und Grünen, welche mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Schutz der Privatsphäre, Art. 13 BV) einschränken möchten, oder welche auf eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit oder der Eigentumsfreiheit abzielen.

2.2.) Einseitige Beleuchtung von Problembereichen

2.2.1.) „Demokratie versus Justizsystem“

In einem Einblender spielen die DOK-Autoren folgende Aussage ein: „Kampf gegen ‚fremde Richter‘: Die direkte Demokratie greift das Justizsystem an.“ Mit dieser Aussage wird implizit unterstellt, die SVP und ihre Initiativen wollten das Justizsystem aushebeln. Die Unterstellungen werden mit diversen Aussagen von Helen Keller unterstrichen. Die Simplifikation „Demokratie versus Justizsystem“ blendet aus, dass das Justizsystem durch die direkte Demokratie überhaupt installiert worden ist und die Rechtspflege in demokratisch strukturierten Staaten viel besser funktioniert als in Staaten, wo die Mitwirkungsrechte der Bürger weniger gross oder gar inexistent sind.

Gleichzeitig wird die Problematik, dass mittlerweile auch schweizerische Gerichte mit ihren Urteilen immer mehr in politische Bereiche eingreifen, im DOK-Film mit keinem Wort erwähnt. Ein konkretes Beispiel, welches diesen Aspekt beleuchtet, wäre BGE 129 I 217: Am 9. Juli 2003 entschied das Bundesgericht, es gebe bei Bürgerrechtsentscheiden ein Beschwerderecht, diese Entscheide seien nicht politisch.

Rund drei Wochen vorher, am 17. Juni 2003, hat der Ständerat das Gegenteil entschieden und sich im Rahmen der Diskussion zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes mit 26 zu 15 Stimmen explizit gegen ein Beschwerderecht ausgesprochen.

Hier hat sich das Bundesgericht in politische Belange eingemischt und einen Entscheid gefällt, welcher nicht nur geltenden Bestimmungen widersprach, sondern auch aktuellen parlamentarischen Beschlüssen. Die Gewaltentrennung auch vor dem Hintergrund solcher Entscheide zu diskutieren, interessierte die Filmautoren offensichtlich nicht.

Dabei zeigt gerade diese Debatte, wie wertvoll die direkte Demokratie ist. In Deutschland etwa (Stichworte: Wiedervereinigung, Maastrichter Verträge/Euro) ist es bereits heute so, dass in zentralen politischen Fragen das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort hat. Während der Zusammenschluss zweier Staaten also nicht zur Disposition gestellt wird, haben in der Schweiz beispielsweise die Stimmbürger auf allen drei Ebenen darüber zu befinden, wenn eine Gemeinde den Kanton wechseln will.

Solche Fragestellungen werden im DOK-Film völlig ausgeblendet. Dies zeigt, wie einseitig und unvollständig die thematisierten Fragen aufgearbeitet worden sind.

2.2.2.) Harzige Umsetzung von Volksentscheiden

Der Film unterstellt implizit, dass die Lancierung von Volksinitiativen oder auch das Ergreifen eines Referendums problematisch sein könne, weil dies die demokratischen Abläufe belaste. So kommentiert der Film: „Die Folgen von Volkes Wille: Jahrelange Arbeit im Parlament kann zunichte gemacht werden. Es entsteht Unsicherheit.“

Mit keinem Wort wird erwähnt, dass genau dies Sinn und Zweck der Volksrechte ist: Mit einem Referendum sollen Parlamentsbeschlüsse zur Abstimmung (und damit allenfalls auch zu Fall) gebracht werden können. Mit Initiativen kann man derweil Ideen in den politischen Prozess einbringen, welche die Behörden nicht bereit sind aufzunehmen. Volksrechte sind ein Korrektiv zur politischen Arbeit der Behörden – dies wird im DOK-Film totgeschwiegen.

Ebenso wird mit keinem Wort erwähnt, dass die direkte Demokratie in der Schweiz zu hoher Stabilität und Rechtssicherheit geführt hat, was sich im Vergleich zu unseren Nachbarländern gerade in der derzeitigen durch wirtschaftliche und politische Turbulenzen geprägten Situation manifestiert.

Umgekehrt entsteht Unsicherheit dann, wenn Volksentscheide nicht umgesetzt werden (z.B. die Ausschaffungsinitiative), wenn Signale aus der Bevölkerung im Parlament nicht ernst genommen werden (z.B. bezüglich der öffentlichen Sicherheit, Stich­worte: Verwahrung, pädophile Straftäter etc.) oder wenn versucht wird, die politische Mitsprache der Bevölkerung möglichst zu vermeiden (z.B. die Tendenz, auf kommunaler Ebene eher Abgaben und Gebühren einzuführen statt die Steuern zu erhöhen, um so demokratische Entscheide zu umgehen).

3.) Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots

3.1.) Unterstellungen an die Adresse der SVP

Die Macher des DOK-Films sind offensichtlich nicht daran interessiert, die aufgegriffene Thematik sachgerecht, ausgewogen und objektiv darzustellen, sondern stellen durchwegs darauf ab, die SVP und die Befürworter gewisser Volksinitiativen zu diskreditieren. So wird lapidar kommentiert: „Die SVP hat die heiklen Initiativen lanciert oder unterstützt. Ihr Stilmittel ist die Provokation.“

Der grössten Regierungspartei des Landes wird damit pauschal unterstellt, sie betreibe eine unseriöse Politik und bediene sich regelmässig und primär der Provokation als Stilmittel. Diese Aussage bleibt unwidersprochen.

Der SVP wird auch unterstellt, dass es „zur Strategie der SVP-Führung“ gehöre, „Journalisten des gebührenfinanzierten Schweizer Fernsehens zu kritisieren. Die SVP will Teile des öffentlich-rechtlichen Senders privatisieren.“ Diese beiden Sätze haben inhaltlich keinen Zusammenhang. Während der erste Satz aus einer Unterstellung besteht (s.o., der SVP werden „Strategien“ unterstellt), befasst sich die zweite Aussage mit einer politischen Forderung, welche mit der Thematik des Films wiederum nichts zu tun hat.

Der SVP wird sodann unterstellt, sie arbeite auf unlautere Art und Weise, indem sie der Bevölkerung wichtige Fakten vorenthalten wolle. Hans-Ueli Vogt wird vorgeworfen, dass er die Folgen der Selbstbestimmungsinitiative verschweige: „Es ist ähnlich wie bei der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative. Damals sagte die SVP nichts über die Folgeprobleme mit der EU. Jetzt erklärt Vogt erst auf Nachfrage, die Europäische Menschenrechtskonvention könnte gekündigt werden.“

Der SVP wird also explizit unterstellt, sie führe die Stimmbürger hinters Licht und ver­schweige wichtige und zentrale Tatsachen. Verschwiegen wird indessen, dass vor allen erwähnten Volksabstimmungen immer offene und transparente Diskussionen über die jeweiligen Fragestellungen stattgefunden haben. So führte der Bundesrat beispielsweise im Abstimmungsbüchlein zur Ausschaffungsinitiative aus, dass diese Initiative seines Erachtens in einem „Widerspruch zum Völkerrecht“ stehe.

Ebenso wurde im Abstimmungskampf immer wieder thematisiert, dass die Ausschaffungsinitiative zu Diskussionen bezüglich der Gerichtspraxis des Menschenrechtsgerichtshofs führen könne (vgl. die Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 28. November 2010). Die Stimmbürger jedoch haben der Initiative in Kenntnis dieser Tatsachen zugestimmt und den von Parlament und Bundesrat propagierten Gegenentwurf in sämtlichen Kantonen verworfen. Auch solche sachdienlichen und vervollständigenden Hinweise vermisst man im DOK-Film.

3.2.) Inhaltlich falsche Aussagen

Auch in inhaltlicher Sicht enthält der Film diverse Falschaussagen. Diese werden da und dort als „Expertenmeinungen“ wiedergegeben. So erstaunen beispielsweise die Kommentare von Adrian Vatter über die Stellung religiöser Minderheiten in der Schweiz:

„In der direkten Demokratie wird häufig auch gesagt, es könnte eine Tyrannei der Mehrheit geben. Das heisst, dass eine absolute Mehrheit über einzelne Minderheiten bestimmt. Was wir sehen, ist, dass religiöse Minderheiten im Verlauf der Geschichte des Bundesstaates regelmässig diskriminiert worden sind – allerdings vor allem im Kultusbereich. Weniger, wenn es um ökonomische Freiheiten ging. Wenn es darum ging, dass sie ihre eigenen kulturellen Eigenheiten ausleben konnten.“ - Und warum ist das so? - „Weil dahinter natürlich auch ein Identitätskonflikt steckt.“ - Angst – ist es Angst? - „Es ist eine gewisse Angst vor dem Fremden, vor dem Neuen, vor dem Anderen.“

Die Aussagen von Adrian Vatter, in der „Geschichte des Bundesstaates“ (also seit 1848) seien religiöse Minderheiten „regelmässig diskriminiert“ worden, entbehren jeder Grundlage. Nachdem die Kultusfreiheit 1848 für anerkannte christliche Konfessionen galt, wurde die Religionsfreiheit 1874 im heute geltenden Umfang verankert. Die Sorge um den konfessionellen Frieden prägte jedoch die damalige Diskussion. So kannte die Schweiz religiöse Ausnahmeartikel: das Jesuitenverbot, den Klosterartikel und den Bistumsartikel. Ebenso waren nur „stimmberechtigte Bürger weltlichen Standes“ ins Parlament wählbar; Geistliche waren folglich ausgeschlossen. Diese Ar­tikel betrafen aber nicht primär den Kultusbereich, sondern staatsrechtlich-organisa­torische Fragen. Zudem betrafen sie namentlich die katholische Kirche, welche – in etlichen Kantonen seit Unzeiten öffentlich-rechtlich anerkannt – kaum als „Minderheit“ in der Schweiz angesehen werden kann.

Vielmehr waren die Artikel eine Folge des Sonderbundeskriegs und aktueller politischer Wahrnehmungen. Gerichtsurteile, welche den Kultusbereich betreffen, gibt es vor allem betr. die katholische Kirche (z.B. Einschränkung für Fronleichnamsprozessionen) – hauptsächlich begründet mit der Sorge um den religiösen Frieden. In der Schweiz ist die Kirchenhoheit kantonal. In etlichen Kantonen sind auch jüdische Gemeinschaften (namentlich aufgrund ihrer historischen Bedeutung) teilweise seit längerer Zeit öffentlich-rechtlich anerkannt.

Ähnlich wie die genannten Ausnahmeartikel zur katholischen Kirche betrifft auch das Minarettverbot nicht den Kultusbereich im engeren Sinne, sondern ist eine Bauvorschrift. Parallelen zu oben erwähnten Ausnahmeartikeln liegen auf der Hand. Wie oben genannte Bestimmungen ist es vor allem das Gut des religiösen Friedens, das hier im Zentrum steht bzw. geschützt werden will. Auch dies wurde im DOK-Film völlig ausgeblendet.

Die Anforderungen einer sachlichen, ausgewogenen Berichterstattung wurden im erwähnten DOK-Film leider mehrfach nicht eingehalten. Der Film war einzig darauf ausgerichtet, die SVP zu diskreditieren, ihr unlautere Motive zu unterstellen und verschiedene von ihr oder anderen Gruppierungen aufgebrachte politische Begehren kritisch zu hinterfragen. Dies geschah in einer derart einseitigen Art und Weise, dass der Zuschauer nicht in der Lage war, sich ein vollständiges und objektives Bild der Lage zu machen.

Uns ist zudem nicht bekannt, dass das Schweizer Fernsehen über eine andere Schweizer Regierungspartei einen entsprechenden kritischen DOK-Film gemacht hat.

Aufgrund all dieser Überlegungen stellen Sie folgendes Rechtsbegehren:

Es sei festzustellen, dass der DOK-Film „Die Macht des Volkes“ vom 17. Dezember 2015 die Art. 4 Abs. 2 und Abs. 4 RTVG sowie Art. 2 Abs. 4 lit. a der SRG-Konzes­sion verletzt hat.

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Marius Born, Bereichsleiter „Dokumentarfilme und Reportagen“, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr, unsere Sicht der Dinge zu den Vorwürfen darzulegen, die von Frau Nationalrätin Natalie Rickli und Herrn Nationalrat Gregor Rutz an Sie herangetragen wurden.

In unserer Antwort nehmen wir zu jedem Punkt der Beanstandung Stellung und orientieren uns dabei an der Gliederung der Beschwerdeführer:
1.) Sachverhalt / Begründung

Vorwurf: Die Autoren würden den Zuschauern vermitteln wollen, die politischen Absichten der grössten Schweizer Regierungspartei würden subversive Absichten beinhalten.

Nirgendwo im Film werden der SVP subversive, also umstürzlerische oder zersetzende, Absichten unterstellt. Der Film thematisiert, in Übereinstimmung mit dem Pressetext, wie sich in der Debatte um die neuste SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» Ängste vor dem Fremden, Parteistrategien und Fakten vermischen:

  1. Ängste vor dem Fremden: Ein Beispiel dafür ist die Bürgerin bei der Unterschriftensammlung. Sie sagt, sie habe unterschrieben, weil sie nicht wolle, dass «die alle zu uns kommen», auf Nachfrage: «die Ausländer».
  2. Parteistrategien und Fakten: Im Extrablatt «Schweizer Recht statt fremde Richter», das die SVP im März 2015 an alle Haushalte versandte, werden «stossende Urteile des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs EGMR in Strassburg» aufgeführt. Dasselbe Argument bringt SVP-Nationalrat und Europaratsmitglied Alfred Heer im Film: «Die meisten Fälle sind kriminelle Ausländer, die Recht bekommen haben, damit sie die Schweiz nicht verlassen müssen». Bei den vielfach kritisierten Beispielen von Ausländern handelt es sich aber um Einzelfälle. Die Fakten sehen anders aus, wie der Film ausführt: «Seit dem Jahr 2000 rügte Strassburg die Schweiz nur vier Mal wegen der Ausschaffung von kriminellen Ausländern» (Quelle Bundesamt für Justiz). Insgesamt wird die Schweiz in nur 2% aller Fälle gerügt (Quelle EGMR). https://www.svp.ch/aktuell/extrablatt/extrablatt-maerz-2015/stossende-urteile-des-europaeischen-gerichtshofes-fuer-menschenrechte-egmr-in-strassburg/

Vorwurf: Der Film sei absolut tendenziös ausgefallen und wolle nur die SVP diffamieren und die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» als problematisch hinstellen.

Den Vorwurf, der Film sei «absolut tendenziös», weisen wir in aller Form zurück. Auch von einer Diffamierung der SVP kann keine Rede sein. Der Film ist weder voreingenommen noch unsachlich. «Die Macht des Volkes» ist vielmehr eine kritische Auseinandersetzung mit rechtlich heiklen, angenommenen Initiativen der letzten Jahre: Initiativen wie die «Minarett»- oder die «Ausschaffungsinitiative» tangieren die Menschenrechte und Grundwerte unserer Gesellschaft. Die SVP ist die einzige Regierungspartei, die diese Initiativen unterstützt oder lanciert hat. Diese Initiativen haben eine besondere Qualität, weil sie laut Experten schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte wie die persönliche Freiheit und das Familienleben beinhalten. Es ist unseres Erachtens Aufgabe der Medien, hier genau hinzuschauen und kritische Fragen zu stellen. Die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» («Selbstbestimmungsinitiative») wird aufgrund der im Film dargelegten Fakten kritisch kommentiert. Auch mit dieser neusten Initiative steht die wählerstärkste Partei der Schweiz allein auf weiter Flur: In einem gemeinsamen Schreiben kritisieren die Präsidenten aller anderen grossen Parteien diese SVP-Initiative als «untolerierbar für die Menschenrechte und unvereinbar für den Standort».

http://www.bdp.info/data/uploads/schweiz/deutsch-unterlagen/medienmitteilungen/2015/mm_ueberparteilich-nein-zur-vi-landes--vor-voelkerrecht.150310.pdf

Die Redaktion verwahrt sich in aller Form gegen die Anschuldigung, den Exponenten der SVP seien «unlautere Motive» unterstellt worden. Im Fall von Alfred Heer wirft der Kommentar einzig die Frage auf, ob er die reine Lehre der Partei vertritt angesichts dessen, dass er oft auf Wahlbeobachtung geht und sich laut Aussagen anderer Mitglieder im Europarat in Strassburg für die Menschenrechte einsetzt.

Vorwurf: DOK unterstelle der SVP, Volksrechte für unredliche Zwecke zu missbrauchen, was durch die Aussage «Initiativen waren ursprünglich für Gruppen ausserhalb des Parlaments gedacht» unterstrichen werde. Fast alle Initiativen, die DOK als problematisch beurteilt, seien von unabhängigen Gruppen initiiert worden.

Im Film wird nirgendwo unterstellt, die SVP missbrauche Volksrechte für unredliche Zwecke. Gesagt wird, dass die Initiativen, welche die SVP in den letzten Jahren lanciert oder unterstützt hat, heikel sind. Diese Beurteilung wird von Rechtsexperten und allen anderen grossen Parteien im Parlament geteilt. Im Intro werden drei Initiativen erwähnt: «Minarett»- «Ausschaffungs»- und «Masseneinwanderungsinitiative» (MEI). Die «Ausschaffungs»- und die «MEI» hat die SVP lanciert, die «Minarettinitiative» wurde massgeblich von ihr unterstützt (das «Egerkinger-Komitee» besteht aus 14 SVP-Politikern und 2 EDU-Politikern). Auch das Komitee «Marche Blanche», das die «Unverjährbarkeits»- und die «Pädophilen-Initiative» lanciert hat, wurde stark von der SVP unterstützt (SVP-Nationalrat Oskar Freysinger war im Initiativkomitee der «Unverjährbarkeitsinitiative» und zusätzlich zusammen mit SVP-Nationalrätin Natalie Rickli im Co-Präsidium der «Pädophileninitiative»).

Folgerichtig wurde in einem Einblender gesagt: «Die SVP hat die heiklen Initiativen lanciert oder unterstützt.»

Vorwurf: Die SVP habe die Unterschriften für die Initiative «Landesrecht statt Völkerrecht» auf unlautere Art und Weise gesammelt:

Im Film wird nicht gesagt, die SVP habe Unterschriften auf unlautere Weise gesammelt. Der beschriebene thematische Fokus dieses Films legte es nahe, an der Unterschriftensammlung zur neusten völkerrechtlich heiklen Initiative Aufnahmen zu machen. Unsere Autorin dokumentierte, wie die Sammlung in den drei Stunden verlief, während derer DOK filmen durfte. Der Kommentarsatz «Die Vermarktungsstrategie der Initiative, die das Völkerrecht einschränken will, ist clever» bezieht sich darauf, dass die Unterschriftensammler Argumente vorbringen, die bestechend klingen, z.B. dass sie die «Souveränität der Schweiz stärken» wollen. Über die negativen Konsequenzen der Initiative, dass die SVP nämlich in Kauf nimmt, die europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen, wird aber nichts gesagt. Die Filmaufnahmen dokumentieren, wie SVP-Gemeinderätin Martina Bircher einer Stimmbürgerin erklärt, dass «Strassburg meist die Schweizer Urteile widerruft». Tatsächlich werden aber, wie bereits erwähnt, nur 2% der Bundesgerichtsurteile, die nach Strassburg weiter gezogen werden, vom europäischen Menschenrechtsgerichtshof widerrufen.

Wohl gilt bei Volksbegehren aller Parteien und Gruppierungen welcher politischen Herkunft auch immer, dass ihre Anliegen von den Unterzeichnern häufig nicht in allen Einzelheiten und Konsequenzen verstanden werden. Indessen ist dies bei den im Film behandelten, staatspolitisch existenziellen Themen viel gravierender als bei eher regionalen politischen Abstimmungen, was die Verwendung dieser Szenen im Film unseres Erachtens rechtfertigt.

Vorwurf: Es solle der Eindruck erweckt werden, dass sich vor allem die SVP fragwürdiger Methoden bediene und das im Gegensatz zu anderen Parteien, was durch den Kommentarsatz «Mehr als alle anderen Parteien wissen die SVP-Strategen die direkte Demokratie für ihre Zwecke einzusetzen» unterstrichen werde.

Das ist falsch. Dieser Kommentarsatz steht nicht im Zusammenhang mit der Unterschriftensammlung, er kommt an einem anderen Ort im Film vor. Er schliesst an ein Gespräch von zwei Parlamentarierinnen über Alfred Heer an. Der Kommentarsatz bezieht sich auf eine Statistik der angenommenen Volksinitiativen zwischen 2002 und 2015: Von den zehn Volksinitiativen, die in dieser Zeitspanne angenommen wur­den, wurden 60% von der SVP lanciert oder unterstützt («Verwahrung», «Unverjährbarkeit», «Minarettverbot», «Ausschaffung», «Masseneinwanderung», «Pädophile»). SP und Grüne unterstützten drei der angenommenen Initiativen («Gentech», «Zweit­wohnungen», «Abzocker» – wobei die «Abzockerinitiative» auch von der SVP in 8 Kantonen unterstützt wurde). Der Erfolg der SVP zeigt sich auch darin, dass die Partei es seit dem EWR-Nein immer wieder schaffte, Initiativen beim Volk durchzubringen, obschon Bundesrat, Parlament und alle anderen grossen Parteien die Vorlagen abgelehnt hatten (erste UNO-Abstimmung, «Blauhelme», «Ausschaffung», «MEI»). Gemäss politologischen Studien schafft es die SVP wie keine andere Partei, die Stimmbürger bei aussen- und migrationspolitischen Themen zu mobilisieren, weil die Haltung der Bevölkerung bei diesen Themen konservativer ist als jene des Bundesrats und des Parlaments.

2.) Verletzung des Vielfaltsgebots

2.1.) Kritische Fragen nur an SVP-Vertreter

Vorwurf: Diverse Themen und Aspekte seien völlig einseitig beleuchtet worden. Während die einen Votanten (Bircher, Heer) kritisch befragt worden seien, seien andere (Keller, Vatter) als «Experten» eingespielt worden.

Die Protagonisten des Films sind so gewählt, dass alle Seiten zu Wort kommen; SVP-Vertreter, Nicht-SVP-Vertreter und Experten: Die drei Exponenten der SVP (Martina Bircher, Hans-Ueli Vogt und Alfred Heer) konnten ihre Standpunkte angemessen und mit ihren besten Argumenten vertreten. Die parteilose Studentin wird im Fall des Burkaverbots, das vom EGMR gestützt wurde, kritisch befragt. Weil Professorin Helen Keller nicht nur eine Expertin für Völkerrecht ist, sondern als Richterin auch eine interessensgebundene Akteurin darstellt, wurde sie in Bezug auf Entscheide, in denen der EGMR die Ausschaffung von kriminellen Ausländern rügt, kritisch befragt. Der Kommentar sagt auch, dass diese Entscheide umstritten sind. Adrian Vatter aber tritt einzig in der Funktion des Experten auf: Er forscht seit Jahren zum behandelten Thema der direkten Demokratie und ihrer Risiken, er ist einer der renommiertesten Schweizer Professoren für Politikwissenschaften und parteipolitisch nicht verortet. In seiner Rolle als Experte erachten wir ihn darum als kompetent und glaubwürdig.

Helen Kellers Aussage «Ein Volk ist kein Gericht» schliesst an die besten Argumente der SVP-Vertreterin Martina Bircher an («Das Volk soll bestimmen, wie’s läuft. Legislative, Exekutive und Judikative sollen sich daran halten. Das Volk weiss es immer besser als die Richter»). Helen Kellers Aussage steht im Einklang mit jener von anderen Staats- und Völkerrechtsexperten. Im Übrigen verwendete Justizministerin Simonetta Sommaruga fast dieselben Worte wie Helen Keller anlässlich der Pressekonferenz des Bundesrates zur «Durchsetzungsinitiative» am 22.12.2015: «Die Gerichte werden ausgeschaltet, das heisst: Faktisch wird die Bevölkerung zum Gericht».

http://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/bedenklich-ueberfluessig-unverhaeltnismaessig?id=74759838-7a54-419f-a30a-70acf7f0a562

Die SVP ist mit diversen heiklen Initiativen in die Offensive gegangen. In dieser Sonderrolle liegt es auf der Hand, dass deren Exponenten mit sachlichen, aber kritischen Fragen konfrontiert werden.

Entscheidend für uns ist, dass die SVP-Vertreter ihre Argumente ausführlich darlegen konnten. Gemäss Aussage von Alfred Heer im Sonntagsblick habe er «nur positive Reaktionen auf den Film gehabt. Viele bedankten sich, dass er in der Doku seine Meinung vertreten habe».

http://www.blick.ch/news/politik/svp-kontra-srg-jetzt-wirds-heftig-id4480797.html

Aus den dargelegten Gründen widerspiegelt der Film unseres Erachtens die Vielfalt der Ansichten, wobei sich das Vielfaltsgebot im Grunde nicht auf jede einzelne Sendung, sondern auf das ganze Programm in einem bestimmten Zeitraum bezieht.

Vorwurf: Es seien keine anderen Beispiele aufgearbeitet worden, wo Volksinitiativen Grundrechte einschränken wollten.

Es liegt in der Programmautonomie der Redaktion, Themen zu setzen. Im Intro des Films heisst es: «In den letzten Jahren wurden mehr Initiativen angenommen denn je» und «In den letzten Jahren wurden heikle Initiativen angenommen». Der Film fokussiert also auf angenommene Initiativen der letzten Jahre, die – wie im Film weiter ausgeführt wird – mit Blick auf das Völkerrecht und/oder auf verfassungsmässige Grundrechte heikel sind. Diese wurden, wie dargelegt, allesamt entweder von der SVP lanciert oder unterstützt.

Die einzige SP-Initiative, die das Bankgeheimnis einschränken wollte, wurde im Jahr 1984 abgelehnt (abgeschafft wurde das Bankgeheimnis später aufgrund des Drucks der EU, den USA und der OECD.) Abgelehnt wurden auch die «1:12-Initiative» oder die «Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung».

Die im November 2010 angenommene «Ausschaffungsinitiative» mit ihrem Automatismus, also der fehlenden richterlichen Überprüfung des Einzelfalls, tangiert einen verfassungsmässigen Rechtsgrundsatz: das Verhältnismässigkeitsprinzip. Experten betonen, eine neue Qualität der von der SVP lancierten oder unterstützten Initiativen sei zudem, dass sie kategorisch formuliert seien und damit rechtsstaatliche Prinzipien wie die Religionsfreiheit oder das Diskriminierungsverbot tangieren würden. Im Falle von «Ausschaffungs»-, «Durchsetzungs»- und «Selbstbestimmungs»-Initiative werde zudem die Gewaltenteilung angegriffen. Auch das sei eine neue Dimension von Initiativen, wie man sie bisher nur bei der SVP gesehen hat.

2.2.) Einseitige Beleuchtung von Problembereichen

2.2.1.) «Demokratie versus Justizsystem»

Vorwurf: Durch den Einblender «Kampf gegen ‚fremde Richter’: Die direkte Demokratie greift das Justizsystem an» werde der SVP unterstellt, mit ihren Initiativen wolle sie das Justizsystem aushebeln.

Das ist falsch. Der Einblender bezieht sich nicht auf die Partei als solche, sondern auf die SVP-Initiative «Schweizer Recht gegen fremde Richter». Tatsächlich greift diese Initiative das Justizsystem an, weil gemäss heutiger Rechtsordnung der EGMR von Klägern aus der Schweiz angerufen werden kann, wenn sie alle Instanzen in der Schweiz ausgeschöpft haben. Die SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» aber nimmt in Kauf, dass die Menschenrechtskonvention aufgekündigt wird, und dass Kläger aus der Schweiz damit den EGMR künftig nicht mehr anrufen könnten. Von einem generellen Angriff einer Partei auf das Justizsystem ist keine Rede. Auch «Demokratie versus Justizsystem» war nicht Thema dieses Films, sondern einzelne rechtlich heikle Initiativen der letzten Jahre und Beispiele dafür, was für Folgen direktdemokratische Entscheide haben können.

Entgegen der Angaben der Beschwerdeführer kommt im Film die Kritik der SVP vor, dass Schweizer Gerichte mit ihren Urteilen in politische Bereiche eingreifen würden. Alfred Heer sagt: «Nicht nur die fremden Richter, auch unsere eigenen vollziehen Gesetze nicht, über die wir abgestimmt haben, zum Beispiel, dass Militärdienstverweigerung kein Asylgrund ist.» Alfred Heer kritisiert damit einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts und fordert mehr SVP-Richter.

2.2.2.) Harzige Umsetzung von Volksentscheiden

Vorwurf: Der Film unterstelle implizit, dass die Lancierung von Volksinitiativen problematisch sein könne, weil demokratische Abläufe belastet würden. Volksrechte seien indes ein Korrektiv zur politischen Arbeit der Behörden.

Thema des Films war nicht die grundsätzliche Erörterung der direkten Demokratie, sondern die Darstellung ihrer problematischen Seiten, wie der Untertitel «Wenn die direkte Demokratie an ihre Grenzen geht» klar macht. Der Film bestreitet nicht, dass die direkte Demokratie grundsätzlich ein Erfolgsmodell ist. So zeigt das Intro den Einblender «Es war einmal ein kleines Land mit einem grossen Trumpf: Die direkte Demokratie» und die Aussagen von zwei Bürgern, die die direkte Demokratie loben.

Das erste Kapitel behandelt die «Masseneinwanderungsinitiative» und die Rechtsunsicherheit, zu der diese Initiative geführt hat, weil sie mit dem Vertrag mit der EU über die Personenfreizügigkeit kollidiert. Die bilateralen Verträge wurden über mehrere Jahre mit der EU verhandelt, vom Parlament genehmigt und in drei Abstimmungen auch vom Volk bestätigt. In diesem Zusammenhang ist die Kommentarstelle zu sehen: «Die Folgen von Volkes Wille: Jahrelange Arbeit im Parlament kann zunichte gemacht werden. Es entsteht Unsicherheit».

Anders als die Beschwerdeführer argumentieren, zeigt der Film, dass nicht umgesetzte Initiativen zu Frust und Unklarheit führen: In Bezug auf die seit fünf Jahren nicht umgesetzte «Ausschaffungsinitiative» sagt Martina Bircher: «Man fühlt sich auf Deutsch gesagt verarscht!» Aber der Film erklärt auch, dass die Umsetzung solch heikler Initiativen, die im Clinch mit der Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention stehen, einer Quadratur des Kreises gleich kommt.

3.) Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots

3.1.) Unterstellungen an die Adresse der SVP

Vorwurf: Der SVP wird unterstellt, sie betreibe eine unseriöse Politik und bediene sich regelmässig und primär der Provokation als Stilmittel.

Der SVP wird nirgendwo im Film unterstellt, sie betreibe eine unseriöse Politik. Gesagt wird, dass sie heikle Initiativen wie die «Minarett»-, die «Ausschaffungs»- und die «Masseneinwanderungsinitiative» unterstützt oder lanciert hat. Wie bereits erwähnt, befindet sich die SVP unter den grossen Parteien diesbezüglich in einer Sonderrolle.

Das Stilmittel der Provokation wird über eine Aussage von SVP-Nationalrat Alfred Heer verdeutlicht. Er sagt: «Das ist das Kommunisten Schweizer Fernsehen, anti-Erdogan, anti-rechts, das sind alles linke Kommunisten.» Der Nationalrat, Zürcher SVP-Parteipräsident und diesjährige Präsident der Schweizer Delegation im Europarat hat immer wieder provokative Aussagen gemacht. Dazu gehört der Vergleich des EU-Parlaments mit einem Friedhof, die Ermahnung an SVP-Besucher, «den Sprengstoffgürtel» an der Garderobe des Europarats abzugeben, und höhnische Bemerkungen an die Adresse von CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Im Film unterstellt er ihr, nicht selber zu denken. Heer hat seiner Nationalratskollegin auch Naivität vorgeworfen: http://www.srf.ch/sendungen/dok/der-volkswille-die-volkspartei-und-die-justiz-2 (Online-Videoclip zum Film).

Im Intro des Films werden SVP-Plakate gezeigt: Bedrohlich wirkende schwarze Minarette, die aus der Schweizer Flagge schiessen und das schwarze Schaf, das aus der Schweiz gekickt wird. Das alles sind Belege dafür, dass sich die SVP des Stilmittels der Provokation bedient.

Vorwurf: Der SVP werde unterstellt, dass es zur Strategie der Führung gehöre, Journalisten des gebührenfinanzierten Schweizer Fernsehens zu kritisieren. Der Hinweis, dass die SVP Teile von SRF privatisieren wollte, habe mit der Thematik des Films nichts zu tun.

Der Kommentarsatz, die SVP wolle Teile von SRF privatisieren, dient der Transparenz. Das Publikum soll wissen, dass die SVP eine politische Haltung zu SRF einnimmt. Ein Beispiel dafür ist der «Sonntalk» vom 20.12.2015. In dieser Sendung verglich Alfred Heer SRF mit der «Pravda» und forderte die «Zerschlagung des Monopols SRG».

http://www.telezueri.ch/66-show-sonntalk/7903-episode-service-public-bauern-sepp-blatter

Vorwurf: Der SVP werde unterstellt, sie arbeite auf unlautere Art und Weise, indem sie der Bevölkerung wichtige Fakten vorenthalte. Hans-Ueli Vogt werde vorgeworfen, dass er die Folgen der «Selbstbestimmungsinitiative» verschweige.

Der Kommentar macht keine solche Unterstellung. Er hält fest, dass Hans-Ueli Vogt in seinem Referat nicht auf die Folgen der SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» eingeht. Erst auf Nachfrage von SRF-Journalistin Karin Bauer bestätigt Hans-Ueli Vogt, dass die Kündigung der europäischen Menschenrechtskonvention EMRK in Kauf genommen wird.

Im Vorfeld der Abstimmung zur «Masseneinwanderungsinitiative» hat die SVP nicht auf negative Konsequenzen aufmerksam gemacht. Sie hat im Gegenteil entgegen der Äusserung des Bundesrats, aller anderen Parteien und Experten immer wieder versichert, die Personenfreizügigkeit könne neu verhandelt werden: «Die Bilateralen wolle auch die SVP nicht gefährden, betont SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. Von der Kündigung der Personenfreizügigkeit als Konsequenz aus der Annahme der vorliegenden Initiative könne nicht die Rede sein: ‚Wir müssen die Verträge nicht kündigen, wenn wir gut verhandeln.’»

http://www.smd.ch/SmdDocuments/?aktion=protectedDocumentsDownload&userInterface=SMD+Search+V7&an=JM20120118000583687&view=XHTML&newLocale=de

Es ist richtig, dass der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein auf die Gefahren von Initiativen hinweist. Bei der «MEI» vom 9.2.2014 schreibt der Bundesrat: «Die Initiative könnte das Ende der Personenfreizügigkeit und der weiteren Abkommen der Bilateralen I bedeuten. All dies würde der Schweizer Wirtschaft grossen Schaden zufügen. (...) Es ist davon auszugehen, dass sich die EU und ihre Mitgliedstaaten nicht auf Nachverhandlungen zum Abkommen einlassen würden, da die Initiative das Prinzip der Personenfreizügigkeit ausser Kraft setzt.»

In der fraglichen Passage aber geht es nur um die Informationspolitik der SVP und sinnigerweise schliesst sie auf der Seite der Initianten im Abstimmungsbüchlein negative Auswirkungen aus: «Die Initiative will dabei weder einen generellen Stopp der Zuwanderung, noch verlangt sie die Kündigung der bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union (EU). Sie gibt dem Bundesrat aber den Auftrag, mit der EU Nachverhandlungen über die Personenfreizügigkeit und damit über die eigenständige Steuerung und Kontrolle der Zuwanderung zu führen: eine vernünftige und massvolle Initiative.»

Nach der Annahme der «MEI» aber ist Christoph Blocher umgeschwenkt und hat gesagt: «Wenn es nicht anders geht, ist das Abkommen zu kündigen. (...) Die Verträge (...) sind für die Schweiz verzichtbar.»

http://www.nzz.ch/schweiz/die-bilateralen-vertraege-sind-verzichtbar-1.18350293

3.2.) Inhaltlich falsche Aussagen

Vorwurf: Die Aussage von Professor Adrian Vatter, religiöse Minderheiten seien in der Geschichte des Bundesstaates regelmässig diskriminiert worden, entbehre jeder Grundlage.

Der Experte für direkte Demokratie hat gemeinsam mit anderen Politologen vier Jahre lang alle kantonalen und eidgenössischen Volksabstimmungen untersucht, die re­ligiöse Gemeinschaften betreffen. Er kommt zum Schluss, dass die Geschichte der Volksentscheide der letzten 160 Jahre betreffend religiöser Minderheiten als «Kaskade von Verzögerungen-, Ablehnungs- und Verschärfungsbeschlüssen» gelesen werden kann. Im Vergleich zu repräsentativen Demokratien habe es in der direktdemokratischen Schweiz viel länger gedauert, bis religiöse Minderheiten zu ihren Rechten gekommen seien. Adrian Vatter hat seine Erkenntnisse im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 auf 317 Seiten im Buch «Vom Schächt- zum Minarettverbot» veröffentlicht. Zudem wurde seine Forschung auch in internationalen peer-reviewed Journals mit anonymisierten (unabhängigen) Begutachtungsverfahren publiziert, was die wissenschaftliche Qualität seiner Forschung in diesem Bereich unterstreicht.

Nach der Gründung des Bundesstaates waren vor allem die Juden von Diskriminierungen im Kultusbereich betroffen, heute sind es vor allem die Muslime. 1866 lehnten die Stimmberechtigten ein Verfassungsreferendum ab, das die Glaubens- und die Kultusfreiheit für Angehörige nicht christlicher Religionen eingeführt hätte. Die Gleichstellung der Juden wurde so verzögert bis 1874, als auch Nicht-Christen die Glaubens- und Kultusfreiheit bekamen. Diese wurde aber 20 Jahre später wieder eingeschränkt: Die erste Volksabstimmung in der Geschichte der Schweiz von 1893 führte zu einem landesweiten Schächtverbot, was zulasten der Kultusfreiheit der Juden ging.

Die Beschwerdeführer gehen nicht auf den Inhalt von Adrian Vatters Aussage ein, wenn sie schreiben, dass die Kultus- und Religionsfreiheit von 1848 nur christliche Konfessionen betraf. Es geht ja eben um die Diskriminierung von religiösen Minderheiten, das heisst, um die Diskriminierung nicht-christlicher Minderheiten wie Juden. Es ging auch nicht um Gerichtsurteile zum Kultusbereich, wie die Beschwerdeführer schreiben, sondern um direktdemokratische Abstimmungen.

In den letzten Jahren haben die Stimmbürger jede kantonale Abstimmung abgelehnt, welche die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Muslimen zur Folge gehabt hätte. Zudem wurden in jüngster Zeit mittels Volksentscheiden ein Minarettverbot (Schweiz) und ein Burkaverbot (Kanton Tessin) eingeführt, welche die kulturellen Gestaltungsfreiräume der Muslime in der Schweiz einschränken.

Neben Adrian Vatter widerspricht auch die Vox-Analyse den Beschwerdeführern, dass das Minarettverbot nur eine Bauvorschrift betreffe: «Bei den Entscheidmotiven der Befürworter wurde am häufigsten die Absicht genannt, ein Zeichen gegen die Ausbreitung des Islams und des von ihm propagierten Gesellschaftsmodells setzen zu wollen.»

http://www.nzz.ch/vox-analyse-zur-minarett-initiative-1.4616364

Schlussbemerkung:

Der Film «Die Macht des Volkes» untersucht potentiell problematische Auswirkungen der direkten Demokratie in der Schweiz (Untertitel: «Wenn die direkte Demokratie an ihre Grenzen geht»). Er beleuchtet Initiativen, die in den letzten Jahren angenommen wurden und in Bezug auf internationales Recht (Völkerrecht), auf die Menschenrechte, auf verfassungsmässige Rechtsgrundsätze oder hinsichtlich der Gewaltenteilung heikel sind. Alle diese Initiativen wurden von der SVP als einziger Regierungspartei entweder lanciert oder unterstützt. Aufgrund dieses thematischen Zugriffs erklärt sich, dass die Partei in diesem Film im Zentrum stand.

Die Exponenten der SVP konnten ihre Positionen angemessen und mit ihren besten Argumenten vertreten. Wir sind deshalb überzeugt, dass sich das Publikum eine differenzierte und unabhängige Meinung bilden konnte, wie vielfältige und durchaus kontroverse Rückmeldungen gezeigt haben. Es gehört zu den Aufgaben der Autorinnen und Autoren von «DOK», die dargelegten Argumente zu hinterfragen. Das Vorgehen der Journalistin hat aus unserer Sicht stets der Usanz eines kritischen, aber fairen Journalismus entsprochen.

Wir beantragen, die Beanstandung in diesem Sinne abzulehnen.“

3. So lautet die umfassende Stellungnahme von Herrn Marius Born, Bereichsleiter „Do­kumentarfilm und Reportage“. Er nimmt zu allen von Ihnen formulierten Kritikpunkten ausführlich und präzis Stellung und argumentiert umfassend, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewiesen werden sollte.

Ich stelle dabei fest, dass verschiedene Einzelheiten Ihrer Beanstandung einen we­sentlichen Interpretationsspielraum offen lassen. Bei vielen Fragen und Kritiken steht somit Aussage gegen Aussage, beziehungsweise liegt eine ganz unterschiedliche Interpretation des angesprochenen Sachverhalts vor. Bei dieser Ausgangslage und auch um Wiederholungen zu vermeiden, werde ich deshalb auf die einzelnen umstrittenen Fragen nicht mehr vertieft eingehen. Die Ombudsstelle wird dagegen versuchen – selbstverständlich unter Berücksichtigung der von Ihnen aufgebrachten Kritiken – eine eher globale Beurteilung Ihrer Beanstandung vorzunehmen.

Sie monieren, dass der Film „Die Macht des Volkes“ einzig darauf ausgerichtet war, „die SVP zu diskreditieren, ihr unlautere Motive zu unterstellen und verschiedene von ihr oder anderen Gruppierungen aufgebrachte politische Begehren kritisch zu hinterfragen“. Dies sei in einer derart einseitigen Art und Weise geschehen, „dass der Zuschauer nicht in der Lage war, sich ein vollständiges und objektives Bild der Lage zu machen“. Sie sind deshalb der Meinung, dass das Vielfaltsgebots von Art. 4 Abs. 4 sowie das Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2 RTVG verletzt worden seien.

Die Ombudsstelle hat deshalb folgende drei Hauptfragen konkret zu beantworten:

  1. Ging es im Film „Die Macht des Volkes“ einzig um eine Diskreditierung der SVP?
  2. Wurden die Volksrechte derart einseitig und unausgewogen behandelt, dass das Vielfaltsgebot verletzt wurde?
  3. Wurde das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt, indem sich das Publikum kein vollständiges und objektives Bild zum Thema machen konnte?

Bezüglich der ersten Frage stelle ich fest, dass die Autorin Karin Bauer in ihrem Film „Die Macht des Volkes: wenn die direkte Demokratie an ihre Grenzen geht“ eine durchaus wichtige und hochaktuelle Frage aufwirft. Es geht um den Umgang mit schwierigen Volksbegehren, namentlich solchen, die gegen internationale Abkommen verstossen, die rückwirkende Bestimmungen enthalten oder die als unverhältnismässig angesehen werden können.

Dass es sich um eine wichtige Frage handelt, beweist die Tatsache dass sich die Politik seit Jahren, ja seit Jahrzehnten damit beschäftigt. Bisher ohne Erfolg, wie die NZZ vom 19. Januar 2016 wie folgt unterstreicht: „Im Laufe der Zeit wollte man die Problematik mit einem eigentlichen ‚Reformpaket Volksrechte‘ angehen, bald mit Einzelmassnahmen. Doch letztlich verliefen alle Anläufe erfolglos. Denn es zeigte sich jeweils schnell, dass es sehr schwierig ist, wirksame Schranke zu definieren und das Initiativrecht dabei inhaltlich nicht auszuhöhlen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.“

Dass es sich um eine hochaktuelle Frage handelt, sollte ebenfalls unbestritten sein. Anfang Februar wird sich die Staatspolitische Kommission des Nationalrates mit mehreren Vorstössen ihrer Schwesterkommission des Ständerates befassen. Nachdem diese die Einführung von „Grundnormen“ der Verfassung wie das Verhältnismässigkeitsprinzip als neue Schranke des Initiativrechts abgelehnt hat, stehen eher relativ bescheidene Vorschläge zur Diskussion. Dies betrifft möglicherweise auch die Vereinbarkeit einer Initiative mit dem Völkerrecht: der Bundesrat selber hat auf Grund der Vernehmlassung seine Vorschläge, wonach entsprechende „Warnhinweise“ auf den Unterschriftenbogen anzubringen seien, zurückgezogen. Ob infolge der Lancierung der SVP-Volksinitiative „Schweizer Recht statt fremde Richter“ das Parlament der Haltung des Bundesrates folgen wird oder doch Reformideen beschliesst, ist zurzeit offen.

Bei dieser politischen Ausgangslage entspricht es durchaus dem Informationsmandat von SRF, wenn offene Fragen zur direkten Demokratie und ihren Grenzen thematisiert und zur Diskussion gestellt werden. Kritische Fragen um die schwierige Umsetzung von bereits angenommenen Volksinitiativen wie auch über die Folgen von bereits lancierten Volksinitiativen, welche sogar die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Kauf nehmen, sollen grundsätzlich auch bei einem öffentlich-rechtlichen Fernsehen behandelt werden dürfen. Denn es ging um eine sehr grundsätzliche Frage: Soll in der direkten Demokratie die Macht des Volkes soweit gehen, dass die Haltung der Mehrheit immer und unbegrenzt zu gelten hat? Ein derartiges relevantes und kontroverses Thema in einem Filmbericht zu behandeln, macht letztlich das aus, was eine freie Presse in einem freien Land auszeichnet.

Es ging also nicht direkt um die SVP als Partei an sich, sondern um ihre Haltung bezüglich direkter Demokratie und Volksrechte. Dass die wählerstärkste Partei im Fokus des Filmberichtes stand, soll nicht überraschen, hat doch die SVP, wenn nicht selber lanciert, doch sämtliche angenommenen „heiklen“ Volksinitiativen – und dabei ging es primär im DOK-Film – formell unterstützt. Von einer gewollten und gezielten Diskreditierung der SVP kann deshalb nicht die Rede sein.

Dabei – und dies scheint mir stets wichtig zu betonen – gilt es, der Programmautonomie von Radio und Fernsehen gebührend Rechnung zu tragen. Denn etwas darf nie vergessen werden: Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 6 Abs. 2 RTVG gewährleisten die Programmautonomie der elektronischen Medien ausdrücklich. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrags und in der inhaltlichen Bearbeitung. Sendungen haben jedoch insbesondere den in Art. 4 RTVG festgelegten inhaltlichen Grundsätzen Rechnung zu tragen.

Sie monieren, indem diverse Themen und Aspekte völlig einseitig beleuchtet worden seien, sei im DOK-Film das Vielfaltsgebot von Art. 4 Abs. 4 RTVG wiederholt verletzt worden. Laut geltender Praxis ist aber das angerufene Vielfaltsgebot auf die zu beurteilende Sendung nicht anwendbar. Diese Bestimmung richtet sich mit Ausnahme von Wahl- und Abstimmungssendungen nur an das Programm von SRF insgesamt in einem bestimmten Zeitrahmen und nicht an einzelne Sendungen. Da Sie lediglich die DOK-Sendung vom 17. Dezember beanstanden und diese nicht als Wahlsendung zu betrachten ist, kann die Ombudsstelle auf eine allfällige Verletzung des Vielfaltsgebotes nicht eintreten.

Anders ist dagegen die Lage bezüglich der von Ihnen monierten Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes. Die Ombudsstelle prüft im Zusammenhang mit dem Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2 RTVG, ob dem Publikum aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema vermittelt wird, so dass dieses sich darüber frei eine eigene Meinung bilden kann. Umstrittene Aussagen sollen als solche erkennbar sein. Fehler in Nebenpunkten und redaktionelle Unvollkommenheiten, welche nicht geeignet sind, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen, sind programmrechtlich nicht relevant. Das Sachgerechtigkeitsgebot verlangt zudem nicht, dass alle Sichtweisen qualitativ und quantitativ gleichwertig zum Ausdruck kommen.

Das Bundesgericht schützt diese Sicht der Dinge ausdrücklich. Diesbezüglich hat es kürzlich Entscheide getroffen, welche die Wahrung der Medienfreiheit verstärken und präzisieren. Demzufolge ist es falsch, „sachgerecht“ mit „ausgewogen“ gleichzuset­zen. Das Gebot der Sachgerechtigkeit erfordert für die einzelne Sendung keine Aus­gewogenheit im Sinne einer möglichst gleichwertigen Darstellung aller Standpunkte. Ein Thema kann auch einseitig oder aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchtet werden, ohne das Gesetz zu verletzen, wenn dies in transparenter Weise geschieht und der Beitrag insgesamt nicht manipulativ wirkt. Zudem muss das Prinzip des „audiatur et altera pars“ (beide Seiten anhören) auch für einen engagierten Journalismus respektiert werden. Der von schweren Vorwürfen betroffenen Partei ist quantitativ nicht zwingend derselbe Platz einzuräumen wie der sie betreffenden Kritik. Die Betroffenen sollten aber zumindest zu den schwerwiegenden Vorwürfen Stellung nahmen können.

Dies ist gerade beim DOK-Film „Die Macht des Volkes“ deutlich festzustellen. Von Beginn an ist ohne Weiteres ersichtlich, dass die Autorin Karin Bauer in ihrem Film das Thema nicht neutral, sondern aus ihrer Sicht beleuchtet. Sie äussert ganz klare Thesen, welche ihren persönlichen Ansichten und Wertvorstellungen entsprechen. Dieser persönliche, kritische Blickwinkel wird dem Publikum transparent vermittelt, nicht nur im Titel des Filmes selber, sondern vielmehr auch in der Präsentation der einzelnen zur Diskussion gestellten Initiativen. Auf einer Mauer sind jeweils nicht nur die Namen der einzelnen Initiativen zu lesen, sondern vielmehr auch die persönlichen kritischen Wertungen der Autorin. Dank dieser Transparenz war es dem Publikum insgesamt möglich, zwischen Fakten und Ansichten zu unterscheiden.

Doch Frau Karin Bauer vermeidet stets, ihre Meinung als einzige richtige aufzudrängen. Vielmehr nützt sie ihre kritischen Bemerkungen, um die Frage der Einhaltung der Grenzen der direkten Demokratie bei den einzelnen behandelten, als heikel angesehenen Initiativen kontrovers zur Diskussion zu bringen. So haben im Film die Befürworter dieser Initiative ausführlich die Gelegenheit, ihre divergierende Meinung auszudrücken. Sowohl die SVP-Lokalpolitikerin Martina Bircher wie auch SVP-Natio­nalrat Hans-Ueli Vogt und insbesondere der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer haben im Film die Gelegenheit, der Auffassung der Autorin zu widersprechen und die Haltung ihrer Partei ausführlich zu begründen. Trotz einseitiger Sichtweise der Autorin ist die Meinungsbildung des Publikums gewährleistet.

Insgesamt gelange ich deshalb zur Auffassung, dass sich das Publikum über das Thema – die Macht des Volkes und die allfälligen Grenzen der direkten Demokratie – eine eigene Meinung bilden konnte. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde deshalb nicht verletzt. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, kann ich deshalb nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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