Sendung «Arena» wegen störendem Verhalten von Gästen im Publikum beanstandet

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Bei der SRF-Sendung Arena zum Service Public machte im Publikum ein rund 20-jähriger Zuschauer immer, wenn die grüne Politikerin Regula Rytz eingeblendet wurde, Dutzende Male mit seinen beiden Händen den albanischen Adler und fand sich obercool.
Niemand griff ein, und SRF änderte die Kamera-Position erst nach rund einer Viertelstunde, nachdem der Typ mit Brille den Adler Dutzende Male gezeigt hatte. Doch auch danach mit der neuen Einstellung machte er den Adler demonstrativ und sehr gut sicht- und realisierbar wieder.
Das ist ein Riesen-Skandal, und SRF hätte da eingreifen müssen! Solche politischen und religiösen Statements haben in SRF-Sendungen nichts zu suchen, und da muss energisch eingegriffen werden.
Einerseits gegen SRF und andererseits gegen den ausführenden Mann!
Ich erwarte von den betroffenen, angeschriebenen Institutionen eine Stellungnahme und entsprechendes Handeln, um den Fall aufzurollen und weitere solche Fälle zu verhindern!»

B. Die zuständige Redaktion konnte zu Ihrer Beanstandung Stellung nehmen. Jonas Projer, Redaktionsleiter der «Arena», schrieb:

«Wie Herr X haben auch wir uns über den jungen Mann und sein Verhalten (Kaugummikauen, Tuscheln, Handzeichen) geärgert. Jeweils vor der Sendung wird das Publikum gebeten, solches zu unterlassen. An diese explizite Anweisung hielt sich die entsprechende Person bedauerlicherweise nicht. Als Moderator bemerkte ich die Szene nicht, da sie sich hinter meinem Rücken abspielte, und erfuhr erst nach der Sendung davon. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass auch die Regie einer Live-Debattensendung auf unzählige verschiedene Dinge achten (Kameraregie, Schnitt, Ton, Unterstützung des Moderators) und diverse Bildschirme gleichzeitig im Auge behalten muss. Als die Kollegen in der Regie schliesslich auf das Geschehen im Hintergrund von Nationalrätin Regula Rytz aufmerksam wurden, begannen sie sofort, den störenden Gast so wenig als möglich zu zeigen. Zudem informierten sie die Aufnahmeleiterin. Diese begab sich bei der nächsten Möglichkeit unauffällig ins Studio und signalisierte dem Gast – off camera –, sein Verhalten zu ändern. Soweit es sich rekonstruieren lässt, ereignete sich dies kurz nach der störendsten Situation, als der erwähnte Gast sowie andere junge Männer länger und deutlicher als zuvor ihre Handzeichen machten – nach ungefähr 55 Minuten der Sendung. Danach liess das unerwünschte Verhalten spürbar nach, auch wenn es leider nicht ganz aufhörte. Die Regie entschied situativ, nicht mehr weiter zu intervenieren.
Ich bin der Ansicht, dass diese Einschätzung der Regie nachvollziehbar ist. Bei gravierenderen oder inhaltlich relevanteren Störungen (z.B. gestische Beleidigungen der anwesenden Gäste) hätte mich die Regie natürlich per Funk informiert – und ich hätte den entsprechenden Gast sofort live on camera zur Rede gestellt.
Da die Sendung ‚live on tape‘ aufgezeichnet wird (d.h. voraufgezeichnet, ohne danach ein einziges Bild zu ändern), kann bei der ‚Arena‘ nichts hinzugefügt oder herausgeschnitten werden. Dies wäre unserer Ansicht nach angesichts der sensiblen politischen Inhalte auch nicht korrekt. Aus diesem Grund gehen leider auch Störungen wie die hier beanstandete ‚wie live‘ über den Sender. Ich bin der Ansicht, dass diese Störung eine faire und ausgewogene Meinungsbildung zur diskutierten Vorlage nicht beeinträchtigte, auch wenn ich den Ärger darüber gut nachvollziehen kann – ja sogar teile.»

C. Soweit Ihre Begründung und die Stellungnahme von Redaktionsleiter Jonas Projer. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung der Sache. Ich muss gestehen: Mir ist diese mehrmalige Symbolik für den albanischen Adler gar nicht besonders aufgefallen, da ich bei Diskussionssendungen auf jene Person gucke, die gerade redet. Aber klar: Die Adler-Geste ist ein Missbrauch der Gastfreundschaft des Fernsehens. Sie gehört nicht in die Sendung, was immer auch der Grund dafür gewesen sein mag: Eine politische Demonstration oder eine Wette mit Freunden. Das Publikum in einer Sendung mag lachen, fragend und stirnrunzelnd blicken, Beifall klatschen oder sogar mal mit Buhrufen sein Missfallen kundgeben. Aber alles, was nicht mit dem Thema und der Debatte zu tun hat, gehört nicht dazu. Meines Erachtens haben Regie und Aufnahmeleiterin auf den Vorfall adäquat reagiert.

Der Vorfall verweist auch auf die in der Schweiz herrschende politische Kultur und Diskussionskultur und darauf, dass es Menschen gibt, die sie entweder nicht kennen oder sie bewusst missachten. Die politische Kultur muss samt der Diskussionskultur nachfolgenden Generationen immer wieder vermittelt werden, egal, ob es sich um junge Einheimische oder um junge Immigranten handelt, und zwar durch das Elternhaus, die Schule, die Medien, die Parteien, die Kirchen und die Organisationen der Zivilgesellschaft. Zur schweizerischen politischen Kultur gehören beispielsweise das Milizprinzip (viele Aufgaben werden freiwillig, genossenschaftlich und ehrenamtlich gelöst), das Volksbeteiligungsprinzip (dank direkter Demokratie hat der Souverän das letzte Wort), das Toleranzprinzip (die sprachliche, religiöse und föderalistische Vielfalt ist anerkannt), das Konkordanzprinzip (durch Verhandlungsdemokratie und Proporz wird der Konsens gesucht) und das Respektierungsprinzip (die Position des politischen Gegners wird geachtet). Und daraus leitet sich die Diskussionskultur ab: Man respektiert die andere Meinung, hört einander zu und lässt das Gegenüber ausreden, und man geht auf die Argumente ein. Faxen, herausgestreckte Zungen sowie irgendwelche provokante Zeichen und Symbole gehören nicht zur Diskussionskultur. Wer dies nicht begriffen hat, muss es lernen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

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