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«Tagesschau»-Bericht über Donald Trumps Steuererklärung beanstandet

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Mit Ihrer e-Mail vom 2. Oktober 2016 beanstandeten Sie den Beitrag über die nichtbezahlten Steuern des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in der „Tagesschau“ vom gleichen Abend.[1] Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen, die an eine Beanstandung gestellt werden. Ich kann somit auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Der Fakt: Donald Trump hat jahrelang keine Steuern gezahlt, weil er 1995 einen Verlust von fast 1 Mrd US-$ geltend gemacht. Die Tagesschau erwähnt, dass dies nicht gegen geltende Gesetze verstösst.

Also: warum dann dieser Beitrag, wenn nicht, nur um Donald Trump zu verunglimpfen?

Meine Beschwerde beruht darauf, dass die Tagesschau versucht, mit einem rechtsgültigen Vorgang bzw. der Art und Weise, wie darüber berichtet wird, trotzdem Donald Trump in Misskredit zu bringen.

Die SRF-Tagesschau soll doch bitte einmal erklären, warum sie überhaupt diese Nachricht gesendet hat, da es sich ja um ein völlig normales und den US-amerikanischen Gesetzen entsprechendes Verhalten von Trump geht. Es sich kann ja wohl nur um Propaganda gegen einen der SRF-Tagesschau nicht genehmen Präsidentschaftskandidaten handelt.

Es wird ja wohl viele Einzelpersonen und Unternehmen geben, die analoge Steuerrechnungen aufweisen.

Wenn es der Tagesschau um Steuergerechtigkeit gehen würde, dann hätten die zuständigen Redakteure ja auf alle Fälle die z.Zt. aktuelle Steuergesetzgebung in den USA kritisieren müssen, was aber aus unerklärlicher Weise nicht erfolgte.

Was also war der Sinn dieses Beitrags, ausser einer Negativ-Propaganda für einen der beiden Kandidaten? Und das ist ja wohl nicht die Aufgabe und der Inhalt der Tagesschau, die ja wohl einigermassen objektiv über beide Kandidaten zu berichten zu hat...ohne Wertungen, damit sich die Zuschauer ein eigenes Bild machen können.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Franz Lustenberger, stellvertretender Redaktionsleiter der „Tagesschau“, schrieb darauf:

„Mit Mail vom 2. Oktober beanstandet Herr X die Berichterstattung über die Steuererklärung von Donald Trump. Seine Beanstandung richtet sich nicht gegen konkrete Aspekte des Berichts. Herr X stellt die ganze Berichterstattung in Frage; diese hätte nur dazu gedient, den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, zu verunglimpfen.

Programmautonomie und Konzession

Die Bundesverfassung hält in Artikel 93, Absatz 3 fest: ‚Die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung sind gewährleistet.‘ Das Gesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) führt in Artikel 6 dazu weiter aus: ‚Sie (gemeint sind die Programmveranstalter) sind in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer Programme, frei und tragen dafür die Verantwortung.‘

Es ist also in der Freiheit und der Verantwortung der Tagesschau, über ein Thema zu berichten oder nicht zu berichten. Es gibt weder einen Anspruch auf eine Berichterstattung noch ein Verbot für eine Berichterstattung.

Die Konzession verpflichtet die SRG zu einer umfassenden, vielfältigen und sachgerechten Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge (Art. 2, Abs. 4).[2] Für die Tagesschau von SRF heisst dies konkret, dass sie über aktuelle und relevante Ereignisse des Tagesgeschehens berichtet. Dies ist ihr Kernauftrag.

Steuern von Donald Trump

Die Enthüllung der Steuererklärung von Donald Trump durch die ‚New York Times‘ war die News des Wochenendes. Alle Medien weltweit haben das Thema aufgegriffen (siehe Beilage). Es wäre – im Gegensatz zur Meinung von Herrn X – nicht sachgerecht gewesen, das Thema in der Tagesschau nicht aufzugreifen. Die Berichterstattung hat überhaupt nichts mit der Verunglimpfung eines Präsidentschaftskandidaten zu tun, sondern ist schlicht das Ergebnis der Informationspflicht der Tagesschau.

Die Kandidatinnen und Kandidaten für hohe politische Ämter in den USA werden von den Medien auf Herz und Nieren durchleuchtet. Dies geschieht in keinem anderen Land derart intensiv. Dazu gehören auch die finanziellen Daten und die Steuern der Kandidatinnen und Kandidaten. Sie sind immer Thema des Wahlkampfes. Man mag dies gut oder schlecht finden – in amerikanischen Wahlkämpfen spielen die finanziellen Verhältnisse der Kandidatinnen und Kandidaten immer eine zentrale Rolle. Donald Trump ist der erste Präsidentschaftskandidat (Republikaner und Demokraten) seit 40 Jahren, der seine Steuererklärung nicht offen legt. Das belegt zusätzlich noch, dass es wirklich wichtig und richtig ist, darüber zu berichten.

Die Tagesschau hat mit diesem Beitrag Donald Trump nicht verunglimpft. Sie hat sachlich über die Recherche der ‚New York Times‘ berichtet. Im Beitrag kam mit Rudy Giuliani, dem ehemaligen Bürgermeister von New York, ein Trump-Berater der Republikanischen Partei zu Worte. Im In-Statement wägt USA-Korrespondent Peter Düggeli die Folgen für den weiteren Verlauf des Wahlkampfes ab.

Fazit

Die Tagesschau hat weder durch die Tatsache der Berichterstattung noch durch die Art des Beitrages Donald Trump in Misskredit gebracht. Sie hat sachlich und distanziert über die Enthüllungen der News York Times berichtet. Ich beantrage, die Beanstandung in diesem Sinne abzulehnen.“

C. Soweit die Stellungnahme von Herrn Lustenberger. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Berichts. Dass die amerikanischen Präsidentenwahlen relevant sind, und zwar nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt, dürfte unbestritten sein. Für die Berichterstattung relevant sind aber nicht nur die Nominierung der Kandidaten durch die beiden großen Parteien, die Republikaner und die Demokraten, und die Wahl selber am ersten Dienstag im November, sondern relevant sind auch Höhen und Tiefen des Wahlkampfs, weil dadurch die Stärken und Schwächen der Kandidierenden zum Vorschein kommen. Es ist in den USA üblich, dass sowohl die Medien als auch das jeweils andere Lager die Kandidaten förmlich durchleuchten – in Bezug auf ihre Wahrheitsliebe, ihre Vergangenheit, ihre Gesundheit, ihre allfälligen sexuellen Eskapaden und ihre Finanzen. Es ist relevant zu wissen, wie die Kandidaten mit Geld umgehen und ob sie ihre patriotische Pflicht erfüllen, dem Staat zu geben, was des Staates ist, also ihre Steuerschulden begleichen. Es war darum logisch und richtig, dass die „Tagesschau“ die aktuelle Nachricht weitervermittelte, wonach der republikanische Kandidat Donald Trump seit 1995, als er Verluste von über 9 Milliarden Dollar zu verkraften hatte, womöglich nie mehr Steuern bezahlte. Dies sei allerdings nicht illegal, wurde im Bericht sogleich angefügt. Da aber vieles nicht klar ist, war auch die Forderung des Washingtoner Korrespondenten Peter Düggeli logisch, dass Trump endlich Transparenz herstellen und seine Steuererklärung veröffentlichen sollte.

So weit, so gut. Die Berichterstattung war also durchweg sachgerecht, und insofern kann ich Ihrer Beanstandung nicht folgen. Ich muss aber noch zwei Bemerkungen machen, die mir nicht ganz unwichtig erscheinen:

Auf der einen Seite ist es einem Schweizer Medium nicht verboten, gegen einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Stellung zu beziehen, auch dem Fernsehen SRF nicht. Dabei ginge es nicht darum, einen Kandidaten „zu verunglimpfen“, „in Misskredit zu bringen“ oder „Negativ-Propaganda“ gegen ihn zu betreiben, wie Sie es formulieren. Aber Sie irren sich, wenn Sie meinen, dass das Fernsehen „ohne Wertungen“ berichten muss und dass es schweigen muss, wenn ein Kandidat beispielsweise Rassenhass schürt, Minderheiten beleidigt, dem Volk Lügen auftischt oder gar einen Atomkrieg riskiert. Einen derartigen Kandidaten darf das Fernsehen deutlich kritisieren, allerdings muss dies in der Form eines Kommentars oder belegt durch Dokumente und Fakten geschehen.

Auf der anderen Seite sind Nachrichten neutral und mit der nötigen Distanz zu vermitteln. Deshalb war es ein wenig deplatziert, dass die Moderatorin Katja Stauber ihre Anmoderation des Beitrags und vor allem den Satz „Jetzt aber kommt der Bumerang“ mit süffisanter Schadenfreude aussprach.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-02-10-2016-1930?id=33b6ab13-5cd6-4e40-b546-c686e798eb59

[2] https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/informationen-ueber-radio-und-fernsehveranstalter/srg-ssr/konzessionierung-und-technik-srg-ssr.html

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