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5 x 5 = 25 ... Jahre «Schnabelweid»

Seit nun 25 Jahren spürt «Schnabelweid», die Mundartsendung von Radio SRF 1, Perlen der Deutschschweizer Dialekte auf. Das vierköpfige Team der Mundartredaktion, das Markus Gasser leitet, gibt in der wöchentlichen Sendung einer Sprache Raum, die keinen geschriebenen Gesetzen folgt. Anlässlich des Jubiläums gibt Gasser seine Lieblingsausdrücke in Mundart preis. Und er erklärt, was «Schnabelweid» bedeutet.


5 Lieblingsausdrücke

  • s fägt: Kürzestausdruck für eine tolle Stimmung oder für ein grosses Erlebnis. Da wird viel Emotion in eine einzige Silbe gepackt.
  • voll: Altes Wort, das in der Jugendsprache eine Bedeutungserweiterung als universelle Zustimmungsformel erhalten hat. Wird mit grossem Ernst gebraucht. Kann «ja, stimmt, tatsächlich, Recht hast du» usw. bedeuten.
  • bschiesse: Ein Wort, mit dem man erstaunte Blicke provozieren kann, weil es immer weniger Leute kennen. Das bschiesst meint «das lohnt sich, das nützt, das hilft».
  • Mümpfeli, Hampfle, Arfle: Wunderschöne, farbige Wörter mit nützlicher Bedeutung. Es sind ungefähre Hohlmasse, die aus der direkten Anschauung kommen: Mumpfle ist wörtlich ein «Mund voll», Hampfle eine «Hand voll», Arfle ein «Arm voll».
  • Seemüsli: Erfindung meiner jüngeren Tochter, als sie etwa 5 Jahre alt war. Die Erinnerung an das richtige Wort war nur noch ungefähr da, aber die Richtung stimmte: Sie meinte «Meersäuli».

5 vom Aussterben bedrohte Mundartbegriffe

  • Im Hingerlig sii: «Im Rückstand sein». Besonders schön, weil es das Gefühl des Rückstands «personalisiert». Ich muss es zu oft benutzen.
  • Fijrhüissgantärli: Wort aus dem Walserdeutsch von Bosco Gurin. Wörtlich Feuerhausgänterli: Das Feuerhaus ist die Küche, das Gänterli ein Kästchen. Entspricht also tupfgenau dem Chuchichäschtli.
  • übelzitig: «Mühselig, ungeschickt», zum Beispiel en übelzitige Kärli. Bringt den Ärger über jemanden schön auf den Punkt.
  • e barnisch: «Ein paarmal, einige Male». Ich erinnere mich, als ich frisch in Basel wohnte, an das entgeisterte Nachfragen: «Was japanisch?»
  • Mildedie: Fluch, verhüllend aus «mille de Dieu». Ein typisches Wort meiner Grossmutter aus meinem Heimatdorf Nunningen.

5 herzige Ausdrücke, die sich nicht wortwörtlich übersetzen lassen

  • verhebe: Fasst viele Möglichkeiten zusammen, dass etwas schlicht und ergreifend gut ist. Also richtig oder passend, auch brauchbar, tragend oder schön, ...
  • Rundummeli: Schöner Sammelbegriff für runde, ringförmige, kugelförmige oder kreisförmige Sachen. Hilft immer, wenn das präzise Wort nicht einfallen will: Das Rundummeli im Aug in.
  • Dr Schnuurepflutteri haa: Dauerhaft von einem starken Mitteilungsbedürfnis gepackt sein. Wissenschaftlich nennt man das Logorrhoe, übersetzt: Sprechdurchfall.
  • zeukle: Nicht einfach «reizen, locken», sondern so etwas wie «lockend ärgern». Ein rein schweizerisches Wort, verwandt mit «ziehen».
  • hornigle: «Stechenden Schmerz in den Extremitäten empfinden in Folge des unvermittelten Überganges aus übermässiger Kälte in die Wärme.» Diese wortreiche Bedeutungsangabe im Schweizerdeutschen Wörterbuch belegt die Unübersetzbarkeit des Wortes.

5 Lieblingsfluchwörter

  • Schofseckel: Mein Allzeit-Favorit, wenn ich wirklich wütend bin auf jemanden. Kann abgeschwächt werden zu Schiffsockel oder, noch weiter, zu Schofseeleguetemönsch.
  • Potz Pulverdampf und Pischtolerauch: Klassiker von Inigo Gallo als Zauberer Petrosilius Zwackelmann im Hotzenplotz-Hörspiel. Von ihm selber in der grössten Wut getopt mit Potzkanonerageetebombegranaatepulverdampfundpischtolerauch!
  • LEO: Meine liebste «Verhüllungs-Beschimpfung» für jemanden. LEO ist die Abkürzung für «lämmererzeugendes Organ» – und das wiederum ist ein Euphemismus für siehe das erste dieser Kategorie.
  • Gopferdaameraadundherrevelo: Eine dankbare Ablenkungsvariante für das unaussprechliche, weil in meiner Generation immer noch tabuisierte «Gott verdamme mich»: Man startet mit der Energie des Originals und legt dann den Hauptakzent auf das unverdächtige ...daameraad.
  • E zsinnchömige Chäib: Eigentlich kein Schimpf-, sondern eine Anerkennungswort für einen, dem viel «z Sinn chunt», dem also viel einfällt.

5 Lieblings-Mundartlieder


Was heisst eigentlich «Schnabelweid»? Markus Gasser erklärt – in seinem Schwarzbuben-Dialekt:

«S Wort Schnabelwäid het nüt mit ere Wäid für Chüe oder Schof z tue, sondern isch ähnlich bildet wie ‹Augewäid›: E Schnabelwäid isch ursprünglich öppis, wo guet isch für s Muul, also s gliiche wie hochdütsch ‹ein Leckerbissen›. Der ältischt Beleg chunt us eme Tegscht vo 1549. Dört stoot über e Gessler: ‹Do (z Küsnacht) hat er ein gut lustparlich vest Schloss und guote Schnabelweid.› – dört het er also Schutz gha und guet z Ässe. Im übertragene Sinn isch das Wort denn o fürnen Ort brucht worde, wos guet und gnue z Ässe git, für Mönsch oder für Tier. Zum Bispill, wenn nöime bsungers saftigi, nahrhafti Gräser und Chrüter wachse. So isch ‹Schnabelweid› zumene Flurname worde, wos überall öppe git. Z Bayern häisst sogar e Stadt ‹Schnabelwaid›. Im Roman ‹Leiden und Freuden eines Schulmeisters› vom Jeremias Gotthälf gits dr fiktiv Ortsname Schnabelweid: ‹Er sig der neu Schulmeister in der Schnabelweid›. 1938 isch denn e Sammlig vo Mundartgschichte usecho mit dem Titel ‹Schwizer Schnabelweid›. Dä Buechtitel het die zwe Gründer von ere neue Mundartsändig ufem damalige Radio DRS 1, dr Christian Schmid und dr Martin Heule, zum Name ‹Schnabelweid› agregt.»


Die Jubiläumssendung «25 Jahre Schnabelweid» gibt es am Donnerstag, 1. Dezember 2016, um 20.03 Uhr auf Radio SRF 1. Hier finden Sie weitere Informationen .


Text: Carolina Bernaschina (Redaktion)/lc

Bild: SRF/Oscar Alessio

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