SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Fernsehen SRF, «10 vor 10» und «Tagesschau» sowie Radio SRF, «SRF 4 News aktuell» Berichterstattung über Israel beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail und Ihrer umfangreichen Beilage vom 9. März 2017 beanstandeten Sie die Sendungen „10 vor 10“ („Wie steht Trump zu Israel?“ und „Die Grenzstadt Barta’a“)[1] und „Tagesschau“ („Trump trifft Netanjahu“)[2] von Fernsehen SRF vom 15. Februar 2017 sowie „SRF 4 News aktuell“ (Gespräch mit Michael Lüders)[3] von Radio SRF vom 16. Februar 2017. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

Zuerst möchte ich mich entschuldigen: Sie haben ungebührlich lange auf den Schlussbericht zu Ihrer Beanstandung warten müssen. Der Grund ist der Stau, der sich durch die fast 500 Beanstandungen gegen die Sendung „Arena“ mit Dr. Daniele Ganser ergeben hat. Diese Beanstandungen beanspruchten mich einen ganzen Monat, so dass eine ganze Anzahl anderer Beanstandungen warten mussten. Aber jetzt liegt Ihr Schlussbericht vor.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung anhand von Zitaten aus den kritisierten Sendungen wie folgt:

10 vor 10:

<Die Regierung Netanjahu hat seit Trumps’ Amtsantritt im Turbogang Fakten geschaffen (...) ein Gesetz durchgepeitscht, das nachträglich Siedlungen auf palästinensischem Privatland legalisieren soll.>

„Mit ‚nachträglich legalisieren‘ wird impliziert, dass das Gesetz den Anforderungen an eine Demokratie nicht genügt. Dies geschieht auch durch die negativ konnotierte Formulierung ‚durchgepeitscht‘ (Duden: umgangssprachlich abwertend, in aller Schnelligkeit, ohne Eingehen auf Details durchboxen) sowie dadurch, dass die wichtigste und für das Verständnis des Gesetzes ausschlaggebende Information unterschlagen wird, nämlich dass die Landeigentümer von Israel entschädigt werden. Hier wird dem Publikum suggeriert, Israel würde sich ‚palästinensisches Privatland‘ illegal per Handstreich aneignen. Als wäre die Lösung von Landstreitigkeiten durch Entschädigung ein noch nie da gewesenes Konzept des modernen Rechts.

<Die Siedlerlobby hält die Zeit für reif, das besetzte Westjordanland Israel einzuverleiben.>

‚Einverleiben‘ (Duden: einer Sache, besonders dem eigenen Besitz (unrechtmässig, gewaltsam, annektierend) zuschlagen, eingliedern, hinzufügen). Hier wird behauptet, die ‚Siedlerlobby‘ (negativ konnotiert) würde sich das Westjordanland unrechtmässig und gewaltsam aneignen.

<das besetzte Westjordanland>

Der politisch instrumentalisierte Begriff ‚besetzte Gebiete‘ wird einzig auf Israel angewendet. Das US-Aussenministerium bezieht sich auf Kaschmir als ‚umstrittenes Gebiet‘. Genauso bezeichnet es in seinen ‚Country Reports on Human Rights Practices‘ den Teil von Aserbeidschan, den die einheimischen armenischen Separatisten als unabhängige Republik für sich beanspruchen, als das ‚umstrittene Gebiet Nagorno-Karabakh‘. Trotz der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, wonach die West-Sahara nicht der marokkanischen Gebietshoheit untersteht, wird das Eindringen Marokkos in die vormalige spanische Kolonie nicht als ‚Besetzung‘ bezeichnet. Ebenso wurde die Insel Subarah im Persischen Golf, die sowohl von Bahrein als auch von Katar für sich reklamiert wurde, als ‚umstrittenes Gebiet‘ bezeichnet, bevor sie Katar zugesprochen wurde.

Der von den Juden akzeptierte UN-Teilungsplan, welcher mit der UN-Resolution 181 im November 1947 angenommen wurde - ein jüdischer und ein arabischer Staat - sah vor, dass das ‚Hügelland Judäa und Samaria‘ ein Teil des neuen arabischen Staates wird.

Die Araber (‚Palästinenser‘ waren damals allenfalls die Juden des britischen Mandatsgebiets) lehnten die Resolution 181 ab und begannen einen Vernichtungskrieg gegen Israel. Im Unabhängigkeitskrieg von 1948 wurde das Gebiet von Transjordanien völkerrechtlich illegal besetzt und 1950 annektiert. Die Annexion wurde mit Ausnahme von Grossbritannien und Pakistan international nicht anerkannt. Transjordanien benannte sich in ‚Jordanien‘ um und führte die Bezeichnung ‚West Bank‘ bzw. ‚Westjordanland/Cisjordanien‘ für das Gebiet ein.

1967 eroberte Israel diese jordanischen Gebiete während des Sechs-Tage-Krieges. Abgesehen von ‚Ostjerusalem‘ und dem ehemaligen israelisch-jordanischen Niemandsland wurde es nie annektiert, blieb allerdings unter israelischer Militärkontrolle.

Jordanien hat den von ihm eroberten Teil des Mandatsgebietes, die sogenannte ‚Westbank‘ nie völkerrechtlich verbindlich und von anderen Staaten anerkannt in sein Staatsgebiet eingegliedert. Letzter legaler Souverän war also nicht Jordanien, sondern Israel als Rechtsnachfolgerin der Mandatsmacht England. Damit hätte Israel vorrangig das Recht, diese Gebiete zu annektieren (was es im Falle Ost-Jerusalems auch getan hat). Nach völkerrechtlichen Kriterien ist demnach Israel in diesen Gebieten keine Besatzungsmacht, da einzig Gebiete, die zuvor einem anderen Staat gehörten, besetzt werden können.

Insgesamt gibt es weltweit mehr als 200 umstrittene Gebiete, keines ausser Israel wird als ‚besetzt‘ bezeichnet.

Dieser eklatante Doppelstandard bezüglich Israel/Besetzung ist nichts anderes als Antisemitismus: Wer Juden etwas vorwirft, das ihn bei Nichtjuden kalt lässt, handelt antisemitisch.

Sämtliche oben genannten, von 10 vor 10 getätigten Aussagen sind nicht sachgerecht.

«Ungewöhnlich auch der Verlauf des Grenzzauns bei Barta'a. Die Absperrung verläuft, um nahe israelische Siedlungen zu schützen, nicht entlang der Grenze.»

Die sogenannten Grenzen von 1967 (richtigerweise Waffenstillstandslinien von 1949) waren und sind keine anerkannten internationalen Grenzen. Artikel II des Waffenstillstands mit den Jordaniern legte ausdrücklich fest, dass die Vereinbarung keinerlei zukünftige territoriale Ansprüche der Parteien beeinträchtigen, da sie ausschliesslich von militärischen Erwägungen diktiert worden sind:

<No provision of this Agreement shall in any way prejudice the rights, claims and positions of either Party hereto in the ultimate peaceful settlement of the Palestine question, the provisions of this Agreement being dictated exclusively by military considerations.>[4]

Auch der Hinweis auf die Positionen des Bundesrats, einen wie auch immer gearteten ‚internationalen Konsens‘ oder eine ‚anerkannte Sprachregelung‘ kann als Gegenargument nicht geltend gemacht werden, da es für die vermeintlichen ‚Grenzen von 1967‘ keinerlei Rechtsgrundlage gibt.

Die Bezeichnung ‚Grenze‘ im entsprechenden 10 vor 10 Beitrag ist nicht sachgerecht.

Im Beitrag ‚ FOKUS: Wie steht Trump zu Israel?‘ wird in 04.49 Minuten die jüdische Religion von Trumps' Schwiegersohn Jared Kushner vier Mal erwähnt:

<Kommt nach dem Staatsbesuch eine Wende in der US-Nahostpolitik und welche Rolle spielt dabei Trumps’ jüdisch orthodoxer Schwiegersohn und engster Berater Jared Kushner.>

<Was Trumps jüdisch orthodoxer Schwiegersohn und Berater hier wohl bewirken kann.>

<Hinter Präsident Trump steht Chefeinflüsterer Jared Kushner, Amerikas’ first Schwiegersohn. Nachkömmling einer reichen Immobiliendynastie und gläubiges Mitglied einer orthodoxen jüdischen Gemeinde.>

<Vor acht Jahren heiratete er Trumps’ Tochter Ivanka, die zum Judentum konvertierte.>

Ausserdem wird hervorgehoben, dass Kushner aus einer ‚reichen Immobiliendynastie‘ stammt und im Hintergrund agiere. Damit bedient 10 vor 10 das essenzielle antisemitische Stereotyp des reichen, einflussreichen Juden, des Verschwörers und Kriegstreibers, der im Hintergrund die Weltpolitik steuert, welches auch von der nationalsozialistischen Propaganda als verleumderische Anklage gegen Juden missbraucht wurde.

Auch die von 10 vor 10 erstellte Fotomontage erinnert an die antisemitischen Karikaturen aus dem Dritten Reich sowie an die antisemitischen Cartoons, die täglich in arabischen Zeitungen erscheinen.

Bitte zeigen Sie mir einen Bericht von SRF, in dem die Religion von Barack Obamas' Beraterin Valerie Jarrett, in knapp fünf Minuten vier Mal erwähnt wird.

<Kushner ist der wichtigste Berater Trumps’.> Diese Aussage ist nicht sachgerecht. Trumps' wichtigster Berater und Chefstratege ist Steve Bannon.

Tagesschau:

Sprecher: <Mit Israel und Palästina in Koexistenz.>

Von welchem ‚Palästina‘ ist hier die Rede? Es gab zu keiner Zeit irgendwo auf diesem Planeten einen arabisch-muslimischen Staat mit dem Namen ‚Palästina‘. Der Name ‚Palästina‘ wurde den jüdischen Provinzen Galiläa, Samaria, Judäa durch Kaiser Hadrian nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstands unter Bar Kochbar 135 n.Chr. verordnet. Jerusalem wurde in Aelia Capitolina umbenannt: Aelia war der Familienname Hadrians. Mit dieser Massnahme wollte Hadrian jede Erinnerung an das Land als ‚jüdisches Land‘ tilgen. Das ist eine bis heute übliche Methode, Geschichte vergessen zu machen. Deshalb bestehen die Polen darauf, Danzig – so der deutsche Name nach Hitlers Überfall - Gdansk zu nennen und Leningrad wurde wieder in St. Petersburg umbenannt. Es gibt keine palästinensische Sprache, keine spezifische palästinensische Kultur, keine palästinensische Religion.

Hätte Israel sofort nach dem Krieg alle besetzten Gebiete, inklusive des Westjordanlandes abgestossen und an Jordanien ‚zurückgegeben‘, wäre die palästinensische Nationalbewegung eine rein inner-arabische Angelegenheit geblieben und bestenfalls ein Hebel, den Staat Israel zu zerstören, wie es Ägypten mit der Gründung der PLO in Kairo 1964 beabsichtigte.

Erst 1968 taucht in der von Jassir Arafat neu formulierten Charta der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zum ersten Mal der Begriff ‚Palästinenser‘ auf. Selbst Schweizer ‚Nahostexperten‘, die heute behaupten, das ‚Palästinenserproblem‘ sei der Kern des Nahostkonflikts, hatten bis 1968 von einem ‚arabisch-israelischen‘ Konflikt gesprochen, in einer UNO-Resolution taucht der Begriff gar erst 1974 auf.

Wie die Charta der PLO belegt, handelt es sich bei der Begriffsschöpfung ‚Palästinenser‘ um eine rein taktische Namensgebung: ‚Das palästinensische Volk ist ein integraler Bestandteil der arabischen Nation (Umma)‘, heisst es in Artikel 1. Die Palästinenser, Artikel 21, ‚glauben an die arabische Einheit. Um ihren Teil zur Erreichung dieses Ziels beizutragen (gemeint ist ‚der bewaffnete Kampf‘, Artikel 19) müssen sie jedoch ihre palästinensische Identität betonen und ein Bewusstsein dieser Identität entwickeln.‘

Walid Shoebat, ehemaliger PLO Terrorist: <Wir betrachteten uns selbst als Jordanier bis die Juden nach Jerusalem zurückkehrten. Dann waren wir plötzlich Palästinenser. Sie entfernten den Stern von der jordanischen Flagge und ganz plötzlich hatten wir eine palästinensische Flagge.>

Mit unverhohlener Offenheit hat 1977 Zuheir Mohsen, ein führender Vertreter der PLO, den genau kalkulierten Missbrauch zugegeben, der mit dem Namen Palästina getrieben wird. In einem Interview mit dem Journalisten James Dorsey für die niederländische Zeitung ‚Trouw‘ sagte er:

<Ein palästinensisches Volk gibt es nicht. Die Schaffung eines palästinensischen Staates ist ein Mittel zur Fortsetzung unseres Kampfes gegen Israel und für die arabische Einheit. Da Golda Meir die Existenz eines palästinensischen Volkes leugnet, behaupte ich, dass es ein solches Volk gibt und dass es von den Jordaniern zu unterscheiden ist. Doch in Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied zwischen Jordaniern und Palästinensern, Syrern und Libanesen. Wir alle gehören zum arabischen Volk. Nur aus politischen und taktischen Gründen sprechen wir von der Existenz einer palästinensischen Identität, da es im nationalen Interesse der Araber liegt, eine separate Existenz der Palästinenser dem Zionismus gegenüber zu stellen. Aus taktischen Gründen kann Jordanien, das ein Staat mit festen Grenzen ist, keinen Anspruch auf Haifa und Jaffa erheben. Dagegen kann ich als Palästinenser sehr wohl Haifa, Jaffa, Beerscheba und Jerusalem fordern. Doch sobald unsere Rechte auf das gesamte Palästina wieder hergestellt sind, dürfen wir die Vereinigung Jordaniens mit Palästina keinen Augenblick mehr verzögern.>

Fathi Hammad, Hamas-Minister des Inneren und für Nationale Sicherheit am 23.03.2012 im ägyptischen TV-Sender Al-Hekma: <Wer sind die Palästinenser? Die Hälfte der Palästinenser sind Ägypter und die andere Hälfte sind Saudis. Wir sind Araber. Wir sind Muslime, Allahu Akbar!>[5]:

Den Palästinensern ist es trotz Milliarden an Fördergeldern (allein 29 Millionen jährlich an Schweizer Steuergeldern) und den pro Kopf höchsten Zuwendungen der internationalen Gemeinschaft in der Geschichte der Menschheit, in über sechzig Jahren nicht gelungen, verlässliche Strukturen der Staatlichkeit aufzubauen, wie beispielsweise Strassenbeleuchtung oder eine eigene Post. Vielleicht sollten die Palästinenser zu ihrer ursprünglichen Identität zurückfinden und erneut das werden, was sie vor und während der völkerrechtlich illegalen jordanischen Besetzung des Westjordanlands zwischen 1948 und 1967 waren und auch heute noch sind: Araber.

Die Bezeichnung ‚Palästina‘ des Tagesschausprechers ist nicht sachgerecht.

SRF 4 News aktuell:

Wie bereits in zahlreichen SRF-Sendungen in der Vergangenheit, wird Dr. Michael Lüders vom SRF als ‚Islamwissenschaftler‘, ‚Politikwissenschaftler‘ und ‚Nahostexperte‘ angekündigt. Erneut hielt es das SRF nicht für nötig, dem Publikum den Hintergrund von Lüders offenzulegen.

Lüders, der nach eigenem Bekunden am liebsten in einem arabischen Café sitzt, arabischen Kaffee trinkt, eine arabische Wasserpfeife raucht und arabische Musik hört, ist nämlich ein ganz gewöhnlicher Lobbyist, der sich auf seiner Webseite als ‚Vermittler für Firmen aus dem deutschsprachigen Raum‘ empfiehlt, die sich ‚im Nahen und Mittleren Osten engagieren oder bestehende Geschäftsfelder erweitern möchten‘. Weiter heisst es: ‚Es ist nicht immer einfach, in der Region Fuss zu fassen. Persönliche Kontakte und kulturelles Know-how sind entscheidend, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu bestehen. Diesen Vorteil garantiert Ihnen die Nahostberatung von Michael Lüders.‘

Lüders ist Präsident der ‚Deutsch-Arabischen Gesellschaft‘ und sitzt im Beirat des ‚Nah- und Mittelost-Vereins‘ (NUMOV), einer der wichtigsten Lobbyorganisationen, die bereits seit 1934 die Interessen der deutschen Wirtschaft in der Region vertritt. Am 07. Mai 2015 veranstaltete NUMOV eine Konferenz mit dem Titel ‚Doing Business in Iran‘, an der auch Mohammed Reza Nematzadeh teilnahm, seines Zeichens Direktor der iranischen Bank of Industry and Mines, die auf der Sanktionsliste der EU und der USA steht. Sein Besuch wurde von NUMOV als ‚Beginn einer neuen Ära zwischen Deutschland und dem Iran‘ gewürdigt. Seit 2004 ist Lüders ausserdem Mitinhaber der in Berlin domizilierten ‚Middle East Consulting Group‘ für die er als Politik- und Wirtschaftsberater tätig ist sowie stellvertretender Vorsitzender der ‚Deutschen Orient Stiftung‘.

Ich hatte den Missstand, dass das SRF dem Publikum einen arabischen Lobbyisten als unabhängigen ‚Experten‘ verkauft, schon mehrmals moniert. Norbert Bischofberger, Redaktionsleiter der ‚Sternstunden‘ und Gesprächsleiter der ‚Sternstunde Philosophie‘, antwortete: <Tatsächlich wäre es interessant gewesen, die Beratungs-Mandate von Michael Lüders zu nennen und ihn auf deren Bedeutung anzusprechen.> Damit offenbart Bischofberger als Angestellter des vom Bund konzessionierten und gebührenfinanzierten SRF ein reichlich verqueres Verständnis von Transparenz. Wäre es doch nicht ‚interessant‘ gewesen, Lüders Lobbying-Tätigkeiten offenzulegen, sondern die Pflicht des SRF, im Sinne einer objektiven Berichterstattung.

Islamwissenschaftler Matthias Küntzel: <Bei Lüders sind nicht nur Fiktionen und Fakten sondern auch Berufsinteressen und ‚Expertisen‘ vermischt. Ihn als ‚Nahostexporten‘ vorzustellen, ohne seine Berufstätigkeit als Nahost-Wirtschaftslobbyist zu erwähnen, kommt einem Etikettenschwindel gleich. Das ist, als würde man einen Sheikh Ali Reza Attar als ‚Iranexperten‘ in die Fernsehstudios einladen, ohne zu erwähnen, dass er von Beruf der Botschafter Irans in Deutschland ist.>

Lüders: «De facto wusste auch jeder, der es wissen wollte, dass es einen palästinensischen Staat nicht geben würde, aufgrund der Verweigerungshaltung der israelischen Regierung.»

Im Jahre 1937 empfahl die Peel-Kommission eine Teilung des britischen Mandatsgebiets westlich des Jordan (die Juden sollten rund 15% des Territoriums bekommen, die restlichen 85% an die Araber gehen, dazu wurde ein schmaler Korridor von Tel Aviv nach Jerusalem vorschlagen, der unter britischer Mandatskontrolle verbleiben sollte). Die Juden akzeptierten die Empfehlungen. Die arabische Führung lehnte den Plan ab und eskalierte die arabische Gewalt gegen die Briten und die Juden in einen Glaubenskrieg: Die ‚grosse arabische Revolte‘.

Danach gab es nicht weniger als 31 Möglichkeiten/Angebote an die Araber, die Eigenstaatlichkeit zu erlangen. Alle wurden von den Arabern abgelehnt und/oder vorsätzlich sabotiert.[6]

Bill Clinton machte Palästinenserführer Jassir Arafat sogar direkt verantwortlich für das Scheitern der Friedensverhandlungen in Camp X im Juli 2000. Clinton offenbarte auf einer Party des früheren UN-Botschafters Richard Holbrooke seine tiefe Enttäuschung über den Zusammenbruch der Friedenspläne in Nahost. Clinton erzählte den Gästen Holbrookes und dessen Ehefrau, der Schriftstellerin Kati Marton, dass Arafat ihn drei Tage vor seinem Auszug aus dem Weissen Haus angerufen habe, um sich von ihm zu verabschieden: <Arafat sagte: ‚Sie sind ein grosser Mann.‘ Darauf antwortete Clinton: <Zum Teufel. Ich bin ein kolossaler Versager. Und Sie haben mich dazu gemacht.> Er habe Arafat versichert, dieser hätte in Camp X das beste Friedensabkommen abgelehnt, das er je bekommen würde.[7]

<Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden> sagte 1948 der erste israelische Premierminister, X Ben Gurion, in der Unabhängigkeitserklärung anlässlich der Staatsgründung Israels. Als moderner jüdischer Staat und einzige Demokratie im Nahen Osten, sollte Israel jüdischen Menschen auf der Welt eine sichere Heimat bieten. Die arabische Bevölkerung des britischen Mandatsgebiets sowie die arabischen Nachbarstaaten akzeptierten jedoch den von der UN bestimmten Teilungsplan nicht. Innerhalb weniger Stunden nach der Staatsgründung griffen Syrien, Libanon, Irak, Jordanien und Ägypten Israel an, um es zu vernichten.

Hier von einer ‚Verweigerungshaltung der israelischen Regierung‘ zu sprechen (unwidersprochen von Tina Herren), ist eine beispiellose Täter-Opferumkehr und nichts anderes als arabische Propaganda.

Lüders: «Wenn sie sich gemässigt verhalten, bekommen sie von der israelischen Seite nichts, das ist ja das Dilemma der Palästinensischen Autonomiebehörde, die ja nun unter Mahmud Abbas so handzahm ist, wie man gemässigter kaum sein kann (...).»

Die palästinensisch-arabische Gesellschaft ist geprägt von Brutalität. Gewalt gegen Frauen, Homosexuelle, Christen und Regimegegner gehört in den von der Palästinensischen Autoritätsbehörde (PA) und der radikalislamischen Hamas verwalteten Gebieten zur Tagesordnung und sorgt für eine kontinuierliche Verrohung der Zivilbevölkerung. Statt kommende Generationen zum Frieden zu erziehen, wie es im Oslo-Abkommen postuliert ist, wird in palästinensischen Schulbüchern und Medien seit Jahren Hetze gegen Israel und Juden betrieben. Mit Erfolg, wie eine neue Studie zeigt.

Gemäss einer aktuellen Studie des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PCPSR) befürworten 80 Prozent der Palästinenser den Mord an Juden. Sei es, indem man Männer, Frauen und Kinder mit Autos überfährt, mit Messern ersticht, oder mit Äxten und Schnellfeuerwaffen massakriert.

Nach dem mit einem Auto ausgeführten Attentat vom Oktober 2015, bei dem der Palästinenser Abdel Rahman al-Shaludi in Jerusalem ein drei Monate altes Baby und eine junge Frau ermordete, verbreitete die PA den Song «Überfahr den Siedler» von Muhammad Abu Al-Kayed und Anas Jaradat, der auf dem ‎‎‘Quds News Network‘ hunderttausende Klicks verzeichnete: <Überfahrt sie, vernichtet sie, löscht sie aus, sprengt sie in die Luft! Lasst die Siedler in rotem Blut ertrinken, terrorisiert sie, lasst keinen einzigen am Leben! Allah wird euch helfen!>

Gleichzeitig wurden in Al Hayat Al Jadida, der offiziellen PA-Tageszeitung und anderen palästinensischen Publikationen unzählige antisemitische Karikaturen veröffentlicht, die zu weiterer Gewalt aufwiegelten. Ein Leitartikel in Al Hayat Al Jadida diffamierte jüdische Rabbis als eine ‚Geheimgesellschaft‘, die ‚aus Minderwertigkeitskomplexen Rache an der Geschichte‘ nehmen wolle. <Rabbis unterstützen den Islamischen Staat (IS) und hetzten Sunniten und Schiiten gegeneinander auf. Sie entweihen die Al-Aqsa Moschee und zetteln Bürgerkriege an>, hiess es weiter.

Der Mufti von Jerusalem während des Zweiten Weltkriegs, Haj Amin Al-Husseini, wird in der palästinensischen Gesellschaft verehrt und in Schulbüchern als einer der Gründerväter der ‚palästinensischen Nation‘ gefeiert.

Anlässlich des 48. Jubiläums der PLO vom 4. Januar 2013 lobpreiste PA-Präsident Mahmoud Abbas am PA-TV mörderische Terroristen sowie den Hitler-Kollaborateur und fanatischen Judenhasser Al-Husseini als ‚grossen Mann, Märtyrer, Held und Pionier‘, dem ‚alle Palästinenser nacheifern sollten‘.[8]

Wie Hitler, der den neutestamentarischen Antijudaismus für seinen Vernichtungsfeldzug gegen die europäischen Juden instrumentalisierte, nutzte Al-Husseini die Judenfeindlichkeit im Koran und antisemitische Nazipropaganda, um die Muslime des Nahen Ostens gegen Juden aufzuhetzen.

Al-Husseinis verleumderische Lüge, die Juden wollten die Al Aksa Moschee zerstören, führte zur Gründung der suizidalen ‚Fedajin‘ (die sich Opfernden) und zu blutigen Pogromen gegen Juden mit hunderten Toten, u.a. in Jerusalem (1920), Jaffa (1921), Safed und Hebron (1929).

Die Al Aksa-Lüge ist bis heute ein zentrales Element der palästinensischen Propaganda. Auch Mufti-Verehrer Mahmoud Abbas bediente sich ihrer am 16. September 2015 am PA-TV und stachelte zahlreiche Palästinenser auf, wahllos jüdische Zivilisten umzubringen. Morde, von denen er bis dato keinen einzigen verurteilte: <Die Israelis haben kein Recht, unsere heiligen Stätten mit ihren schmutzigen Füssen zu entweihen. Jeder Tropfen Blut, der in Jerusalem verschüttet wurde, ist reines Blut, solange es für die Sache Allahs war. Alle Märtyrer werden in den Himmel kommen, und jeder Verletzte wird belohnt werden, so Allah es will. Wir werden alles tun, um Jerusalem zu verteidigen>. [9]

Dass der vermeintliche ‚Nahostexperte‘ Lüders angesichts dieser genozidalen palästinensischen Hasstiraden gegen Juden/Israel seitens der Palästinensischen Autonomiebehörde (Fatah) von dieser als ‚gemässigt‘ und/oder ‚handzahm‘ spricht, ist skandalös. Ebenso, dass erneut jegliche Nachfrage und/oder Richtigstellung seitens Tina Herren ausbleibt.

Lüders Ausführungen sind nicht sachgerecht.

Es ist äusserst bedenklich, dass das SRF seinem Publikum wiederholt einen umstrittenen arabischen Lobbyisten, der für seine unqualifizierten antiisraelisch/antijüdischen Äusserungen, die oft die Grenze zum Antisemitismus überschreiten, in unzähligen Publikationen und/oder Blogs international scharf kritisiert wird, als unabhängigen, objektiven Experten feilbietet. Gänzlich inakzeptabel ist jedoch, dass Judith Hardegger, Leiterin der Redaktion ‚Sternstunden‘, nach berechtigter Kritik an Lüders, zu dessen Verteidigung in ihrer Stellungnahme ausgerechnet die obsessiv israelkritische Franziska Augstein bemüht.

2013 war Augstein als Redakteurin der ‚Süddeutschen Zeitung‘ (SZ) verantwortlich für eine Karikatur von Israel als dämonisches Monster. Eine junge Frau wird dargestellt, wie sie dem Monster mit Hörnern, das ein Tranchiermesser in der Hand hält, Essen serviert. Die Bildbeschreibung lautete: ‚Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefrässigen Moloch.‘

Aus der ‚Jerusalem Post‘: Deutschlands Presserat sagte, die Karikatur verletze den Pressekodex zu Diskriminierung. Peter Enno Tiarks, der Vorsitzende der Beschwerdebüros beim Presserat, sagte damals, die Karikatur sei ‚diskriminierend und trägt zu Vorurteilen gegen Israel und Juden bei‘.

Franziska Augstein versuchte eine vom American Jewish Committee beim Presserat eingereichte Beschwerde abzublocken.

Deidre Berger, Leiterin des Berliner Büros des AJC, sagte der ‚Jerusalem Post‘: <Inmitten einer langgezogenen Terrorwelle gegen israelische Bürger schreibt die Süddeutsche Zeitung einseitig die Schuld für die fortgesetzten Anschläge auf jüdische Zivilisten Israel zu. Statt die Gewalt klar als Terrorismus zu bezeichnen, werden die Anschläge trivialisiert, indem man sie mit israelischen Reaktionen auf Terror gleichsetzt. (...) Israelischen Antiterrorbemühungen Rachemotive zu unterstellen ist die Behauptung, dass Juden eine angeborene Lust auf Rache haben. Es ist ein gefährliches Märchen, Rache als Nationaleigenschaft zuzuschreiben.>

Samuel Salzborn, ein führender Antisemitismus-Experte an der Universität Göttingen in Niedersachsen, sagte der ‚Jerusalem Post‘, dass das <alte antisemitische Motiv, Juden seien wegen ihres Verhaltens für ihre Verfolgung verantwortlich zu machen, auf Israel als jüdischen Staat übertragen und damit das Opfer in einen Täter verkehrt wird>.

Dass Frau Hardegger ausgerechnet Frau Augstein als ‚Kronzeugin‘ für Lüders, aufbietet, erklärt wohl auch, weshalb Massimo Rocchi in der ‚Sternstunde Philosophie‘ vom 24. März 2013 - unter ihrer redaktionellen Leitung - von Juri Steiner unwidersprochen das antisemitische Stereotyp des Juden als geldgieriger Zinstreiber verbreiten durfte. Dieses von Rocchi bemühte und tief verwurzelte Ressentiment war Adolf Hitlers Hauptargument für die «Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa». Seine mörderische Hetzte gegen die «internationalen Geld- und Finanzverschwörer» fiel bekanntlich auf fruchtbaren Boden und forderte Millionen Todesopfer.“

B. Die zuständigen Redaktionen erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die folgende Antwort ist gemeinsam verfasst von den Herren Christian Dütschler, Redaktionsleiter von „10 vor 10“, Franz Lustenberger von der „Tagesschau“ und Michael Bolliger, Leiter SRF 4 News:

„X beanstandet verschiedene Beiträge von SRF zum Thema Israel und USA, welche am 15. resp. 16. Februar 2017 von den Sendungen 10vor10 und Tagesschau und von SRF 4 News aktuell ausgestrahlt wurden. Gerne nehmen wir zu den einzelnen Vorwürfen Stellung.

10vor10

10vor10 hat am 15. Februar 2017 anlässlich des ersten Treffens zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem US-Präsidenten Donald Trump in einem dreiteiligen Fokus über das Verhältnis zwischen Israel und den USA berichtet. Im ersten Beitrag geht es um Trumps Haltung Israel gegenüber. Es folgen die Einschätzungen unseres Korrespondenten Pascal Weber. Den Abschluss des Fokus bildet schliesslich ein Beitrag über die Grenzstadt Barta’a. Der Beanstander hat nun zu den beiden Beiträgen ‚Wie steht Trump zu Israel?‘ und ‚Die Grenzstadt Barta’a‘ verschiedene Kritikpunkte vorgebracht, auf die wir im Folgenden näher eingehen.

1. Vorwurf: Verschiedene unzutreffende Begriffe verwendet

Im Beitrag ‚Wie steht Trump zu Israel?‘ kritisiert der Beanstander die folgende Passage:

«Die Regierung Netanjahu hat seit Trumps Amtsantritt im Turbogang Fakten geschaffen. Sechstausend neue Siedlerwohnungen wurden bewilligt, ein Gesetz durchgepeitscht, das nachträglich Siedlungen auf palästinensischem Privatland legalisieren soll. Die Siedlerlobby hält die Zeit für reif, das besetzte Westjordanland Israel einzuverleiben.»

1. ‚nachträglich legalisiert‘

Der Beanstander moniert die Verwendung des Begriffs ‚nachträglich legalisiert‘, sowie das Weglassen der Information, dass die palästinensischen Landeigentümer, die durch das erwähnte Gesetz Land an die Siedler verlieren, von Israel entschädigt werden.

Der Begriff ‚nachträglich legalisieren‘ macht keine falschen Implikationen, sondern entspricht den Tatsachen: Die betroffenen Wohnungen wurden damals widerrechtlich auf privaten Grundstücken von Palästinensern errichtet. Mit dem Gesetz erteilt Israel diesem Vorgehen im Nachhinein die rechtliche Genehmigung. Das ist nicht unproblematisch und deshalb auch in Israel äusserst umstritten.

Der Beanstander wirft uns vor, dass wir die beschlossenen Entschädigungen der Landeigentümer nicht erwähnt haben. In einem kurzen Fernsehbeitrag müssen wir uns jeweils auf die wichtigsten Informationen beschränken. Im Unterschied zum Beanstander sind wir nicht der Meinung, dass diese Information unerlässlich ist. Der entscheidende und umstrittene Punkt bei dem Gesetz ist, dass es sich nicht um eine Einigung, sondern um eine einseitige Entscheidung Israels handelt. Die Geschädigten, also die Palästinenser, wurden dabei nicht um ihr Einverständnis gebeten. Deshalb greift auch der Hinweis des Beanstanders nicht, ‚die Lösung von Landstreitigkeiten durch Entschädigung‘ sei ein bekanntes ‚Konzept des modernen Rechts‘. Es ist eben gerade nicht eine gemeinsame Lösung, sondern ein eigenmächtiges Vorgehen. Der Begriff ‚nachträglich legalisiert‘ entspricht den Tatsachen und macht entgegen der Behauptung des Beanstanders keine falschen Implikationen. Der Kerngehalt des Gesetzes ist zudem für das Publikum auch zu verstehen, wenn die Entschädigungen nicht erwähnt werden.

2. «durchgepeitscht»

Auch der Begriff ‚durchgepeitscht‘ missfällt dem Beanstander, weil er impliziere, ‚dass das Gesetz den Anforderungen an eine Demokratie nicht genügt.»‘ Das haben wir an keiner Stelle im Beitrag gesagt oder impliziert. Der umgangssprachliche Begriff ‚durchpeitschen‘ soll andeuten, dass die Befürworter das Gesetz trotz grossem Widerstand durchsetzten. So gab es substantielle Einwände namhafter israelischer Juristen und Politiker, ganz zu schweigen von der internationalen Kritik. Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit zum Beispiel warnte, das neue Gesetz verstoße gegen israelisches Recht, und er werde es vor Gericht nicht verteidigen. Außerdem befürchtete er, das Gesetz könne Gegenstand einer Klage gegen Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof werden. Oppositionsführer Izchak Herzog beschrieb das Gesetz gar als ‚große Katastrophe für das israelische Volk‘ [10]. Trotz dieser Einwände und Befürchtungen und der Notwendigkeit von mehreren Lesungen wurde das Gesetz hartnäckig verfolgt – bis es schliesslich in dritter Lesung von 60 der 120 Abgeordneten angenommen wurde (52 dagegen). In diesem Kontext scheint es uns legitim, den Begriff ‚durchpeitschen‘ zu verwenden.

3. ‚Siedlerlobby‘

Auch der Begriff ‚Siedlerlobby‘ sei gemäss dem Beanstander negativ konnotiert. Eine Lobby bezeichnet eine Interessensgruppe, welche sich für ein gemeinsames Anliegen stark macht. Das kann die Pharma-Lobby, die Bauern-Lobby oder eben im konkreten Fall die Siedler-Lobby sein. Keiner der Begriffe ist abwertend und alle drei werden von uns in unserer Berichterstattung regelmässig verwendet.

4. ‚Einverleiben‘

Dem Beanstander missfällt auch der Begriff ‚einverleiben‘. Fakt ist, dass die Siedlerbewegung bestimmte palästinensische, von den Israeli besetzte Gebiete zum Staat Israel zählen möchte. Der umgangssprachliche Begriff ‚einverleiben‘ scheint uns angemessen für die Verfolgung dieses Ziels.

5. «Das besetzte Westjordanland»

Der Beanstander ist der Meinung, dass beim Westjordanland nicht von einem besetzten Gebiet gesprochen werden dürfe. Anderer Meinung ist die UNO: Sie spricht offiziell von ‚occupied Palestinian territorries‘. Der von uns verwendete Begriff entspricht also der offiziellen Version. Auch jüdische Medien in der Schweiz, wie z.B. Tachles oder die Jüdische Stimme, gebrauchen den Begriff ‚besetzte Gebiete‘ für das Westjordanland regelmässig [11]. Anders als X behauptet, werden auch andere umstrittene Gebiete als ‚besetzt‘ bezeichnet. So bezeichnet zum Beispiel der Europarat Teile von Aserbeidschan als von Armenien ‚besetztes Gebiet‘.[12] Auch Tibet wird von renommierten Medien als von China ‚besetzt‘ bezeichnet [13], genau wie die prorussischen Gebiete der Ostukraine als ‚besetzt‘ gelten[14] (siehe z.B. Artikel der Frankfurter Allgemeinen im Anhang). Der von uns verwendete Begriff ‚das besetzte Westjordanland‘ entspricht dem offiziellen Sprachgebrauch der UNO und ist sachgerecht. Den Begriff in Zusammenhang mit Antisemitismus zu stellen ist absurd.

6. ‚Grenze‘

Schliesslich kritisiert der Beanstander im Beitrag ‚Die Grenzstadt Barta’a‘ folgende Textstelle:

<Ungewöhnlich auch der Verlauf des Grenzzauns bei Barta’a. Die Absperrung verläuft, um nahe israelische Siedlungen zu schützen, nicht entlang der Grenze.>

Der Beanstander hält fest, dass ‚die sogenannten Grenzen von 1967 (richtigerweise Waffenstillstandslinie von 1949) (...) keine anerkannten internationalen Grenzen‘ waren und sind.

Der Beitrag über die Stadt Barta’a war ein Einkauf beim deutschen Sender ARD, den wir so übernommen haben. Es geht darin um das friedliche Zusammenleben im Dorf Barta’a, das hälftig auf israelischem und hälftig auf palästinensischem Gebiet liegt. Festzuhalten ist, dass an keiner Stelle im Beitrag von einer ‚anerkannten internationalen Grenze‘ gesprochen wird. Der Begriff ‚Grenze‘ bedeutet im weiteren Sinn eine Linie, die zwei Gebiete trennt. Im konkreten Fall Israel vom Westjordanland.

Dass es im Beitrag nicht um eine anerkannte Landesgrenze geht und der Begriff im Beitrag weiter gefasst wird, erfährt der Zuschauer an mehreren Stellen. So heisst es bereits in der Moderation wörtlich:

<Exakt auf der Grenze zwischen israelischem und palästinensischem Gebiet liegt das Städtchen Barta’a. Zweigeteilt durch eine politisch und historisch belastete Linie – dennoch aber funktioniert das Leben in Barta’a als Einheit.>

Eine andere Stelle im Beitrag lautet:

>Aber sie (die Fahrt) führt ihn vom palästinensischen Osten, wo er wohnt, in den israelischen Westen, wo seine Kinder zur Schule gehen. Und wenn man es nicht weiss, merkt man es nicht einmal: Hier mitten durch diesen unscheinbaren Kreisverkehr verläuft seit 1949 die Trennlinie.>

Der Begriff ‚Grenze‘ wird im Beitrag also konkretisiert und es ist klar, dass von der Trennlinie von 1949 die Rede ist. Das Publikum versteht den Begriff ‚Grenze‘ im Kontext des Beitrages korrekt. Zudem ist dem Durchschnittszuschauer durchaus bewusst, dass die territoriale Abgrenzung zwischen Israel und den palästinensischen Behörden höchst umstritten ist und seit Jahren verhandelt wird. Eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots können wir nicht erkennen.

2. Vorwurf: Die jüdische Religion von Trumps Schwiegersohn werde viermal erwähnt und ein antisemitisches Stereotyp bedient

Der Beanstander wirft uns vor, wir hätten im Beitrag ‚Wie steht Trump zu Israel?‘ viermal die jüdische Religion von Trumps Schwiegersohn erwähnt. Korrekt ist, dass wir diese einmal in der Vorankündigung, einmal in der Anmoderation des Beitrages und schliesslich zweimal in einer Passage des Beitrags erwähnen.

In der Ankündigung der Themen gleich zu Beginn der Sendung (noch vor den Schlagzeilen mit den weiteren Themen) sagte die Moderatorin wörtlich:

<Kommt nach dem Staatsbesuch eine Wende in der US-Nahostpolitik und welche Rolle spielt dabei Trumps jüdisch-orthodoxer Schwiegersohn und engster Berater Jared Kushner?>

In der Anmoderation des Beitrages hiess es später:

<Doch Netanjahu und Trump mögen sich als Freunde bezeichnen so viel sie wollen, die harte Realität wird sie noch gehörig fordern. Was Trumps jüdisch-orthodoxer Schwiegersohn und Berater hier wohl bewirken kann?>

Dazu möchten wir anmerken, dass in der Ankündigung der Themen und der Anmoderation des Beitrages üblicherweise die Inhalte der Beiträge grob umrissen und wichtige Aspekte hervorgehoben werden. Das führt naturgemäss zu gewissen Wiederholungen.

Im Beitrag schliesslich verweist folgende Passage auf Kushners Religion:

<Hinter Präsident Trump steht Chef-Einflüsterer Jared Kushner. Amerikas First Schwiegersohn, Nachkömmling einer reichen Immobiliendynastie und gläubiges Mitglied einer orthodoxen jüdischen Gemeinde. Vor acht Jahren heiratete er Trumps Tochter Ivanka, die zum Judentum konvertierte.>

Vorab möchten wir anmerken, dass wir die Religionszugehörigkeit von Kushner nur erwähnt haben, weil es um den Staatsbesuch des israelischen Ministerpräsidenten in den USA ging. Dieser Zusammenhang macht die Information für das Publikum interessant und scheint uns für dessen Meinungsbildung wichtig – zumal Kushner nicht nur Jude auf dem Papier ist, sondern seinen Glauben in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde lebt. Die Religionszugehörigkeit von Trumps Nahost-Berater wäre im Zusammenhang mit dem israelischen Staatsbesuch gleichermassen erwähnenswert gewesen, wenn dieser gläubiger Muslim wäre. Nicht erwähnenswert ist hingegen die Religion des Nahost-Beraters in einem Beitrag zu einem gänzlich anderen Thema. So haben wir Kushners Religion in anderen Beiträgen, in denen er als Person vorkam, selbstverständlich auch nicht erwähnt [15].

Die Tatsache, dass Kushner – als Schwiegersohn und wichtiger Berater Trumps - jüdisch ist, enge Kontakte nach Israel pflegt und mit der Familie von Ministerpräsident Netanjahu seit Jahren befreundet ist, war für diesen Beitrag aber durchaus relevant. Ging es doch im Beitrag gerade um die Frage, welche Position Trump als neuer US-Präsident im Nahost-Konflikt einnehmen würde. Deshalb wurde im Beitrag erwähnt, dass Kushner ‚gläubiges Mitglied einer orthodoxen jüdischen Gemeinde‘ ist. Der Hinweis auf die Konvertierung Ivanka Trumps im Folgesatz zeigt noch einmal die Bedeutung der Religion für die Familie auf.

Dass der Begriff ‚jüdisch-orthodox‘ zusätzlich Eingang in die Ankündigung zu Beginn der Sendung und in die Anmoderation fand, macht durchaus Sinn, zeigt er doch in einem Wort Kushners Verbundenheit mit Israel auf. Wir sind der Meinung, dass die Religionszugehörigkeit Kushners ein relevanter Aspekt für den Beitrag war und wir diese insgesamt nicht übermässig oft erwähnt haben.

Der Beanstander wirft uns auch vor, dass wir erwähnt haben, dass Kushner aus einer ‚reichen Immobiliendynastie‘ stammt und im Hintergrund agiere. Damit würde 10vor10 das antisemitische Stereotyp des ‚reichen, einflussreichen Juden, des Verschwörers und Kriegstreibers, der im Hintergrund die Weltpolitik steuert‘ bedienen. Damit sind wir nicht einverstanden. Vielmehr ging es darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kushner und Trump herauszuarbeiten. Der Verweis auf die reiche Immobiliendynastie zeigt eine wichtige und deshalb erwähnenswerte Gemeinsamkeit mit Schwiegervater Trump auf. Umgekehrt unterscheidet Kushner sich vom medial omnipräsenten Trump durch seine zurückhaltende Art den Medien gegenüber deutlich – auch das schien uns deshalb bemerkenswert (im Beitrag hiess es: <Anders als Trump meidet Kushner die Öffentlichkeit. Interviews gibt er keine.(...)>). Beide Tatsachen wären auch erwähnenswert gewesen, wenn Kushner einer anderen Religion als der jüdischen angehörte. In Anlehnung an ein Zitat aus dem Beanstandungsschreiben: Wer bei Juden etwas erwähnt, das auch bei Nichtjuden erwähnenswert wäre, handelt nicht antisemitisch.

Schliesslich erwähnt der Beanstander eine Fotomontage, die ‚an die antisemitischen Karikaturen aus dem Dritten Reich‘ erinnere. Wir haben im Beitrag keine Fotomontage gezeigt. Falls X das Screen-Bild während der Anmoderation meint, möchten wir festhalten, dass solche Screen-Bilder ein fester Bestandteil unseres Sendekonzepts sind und fast täglich eingesetzt werden. Eine Ähnlichkeit mit antisemitischen Karikaturen können wir in keiner Weise erkennen.

3. Vorwurf: Nicht Kushner, sondern Bannon sei wichtigster Berater Trumps

Schliesslich stellt sich der Beanstander auf den Standpunkt, die Aussage ‚Kushner ist der wichtigste Berater Trumps‘ sei falsch. Trumps wichtigster Berater und Chefstratege sei Steve Bannon. Tatsache ist, dass Kushner im Wahlkampf als wichtigster Berater Trumps galt. Zweifelsohne hat Steve Bannon seit seiner Einsetzung als Chefstratege ein gewichtiges Wort – das hat aber offenbar auch Kushner weiterhin. So spricht z.B. der Economist von Bannon wie Kushner als ‚main adviser‘.[16] Steve Bannon ist medial sicher präsenter als Kushner, was wohl auch mit der im Beitrag erwähnten zurückhaltenden Art von Trumps Schwiegersohn zu tun hat. Die Machtkämpfe um den Einfluss auf den Präsidenten dauern jedenfalls an (so hiess es z.B. in einem kürzlichen Artikel des Tagesspiegels: <Zwei Ex-Banker von Goldman Sachs verbünden sich mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner. Sie wollen den Einfluss von Berater Stephen Bannon begrenzen.>[17].) Entscheidend im konkreten Zusammenhang ist aber, welche Rolle Jared Kushner in Fragen hat, die Israel betreffen.

Diese Frage wird sinngemäss bereits in der Anmoderation gestellt:

<(...) Doch Netanjahu und Trump mögen sich als Freunde bezeichnen so viel sie wollen, die harte Realität wird sie noch gehörig fordern. Was Trumps jüdisch-orthodoxer Schwiegersohn und Berater hier wohl bewirken kann?>

Und gleich anschliessend hiess es im Beitrag:

<Trumps Schwiegersohn Jared Kushner begrüsst Netanjahus Frau Sarah mit Küsschen. Die Familien Kushner, Trump und Netanjahu kennen sich seit Jahren. Kushner ist der wichtigste Berater Trumps. Man ist also unter Freunden. Für den Frieden im Nahen Osten brauche es vor allem Sicherheit, da will man eng zusammenarbeiten.>

Der Kontext macht also deutlich, dass Kushner als wichtigster Berater im Zusammenhang mit Fragen zu Israel gilt. Jared Kushner im Beitrag über den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten als ‚wichtigsten Berater‘ Trumps zu bezeichnen, scheint uns deshalb legitim.

Tagesschau

In der Beanstandung von Herrn X zur Tagesschau vom 15. Februar 2017 geht es einzig um den Namen ‚Palästina‘ als Staatsgebiet im Hinblick auf eine Zwei-Staaten-Lösung des seit 1948 andauernden Konfliktes im Nahen Osten.

Jüngere Geschichte

Der Beitrag und die beanstandete Moderation befassen sich mit der aktuellen Lage und vor allem mit der Perspektive für die Zukunft. Trotzdem lohnt sich ein kurzer Rückblick auf die jüngere Geschichte seit dem Sechstage-Krieg 1967.

1967 eroberte Israel im Rahmen des Sechstage-Krieges die Westbank (jordanische Gebiete westlich des Flusses Jordan), den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen.

Die Sinai-Halbinsel wurde nach dem Friedensvertrag 1979 wieder ganz an Ägypten zurückgegeben. Die Golanhöhen (vor dem Sechs-Tage-Krieg syrisches Staatsgebiet) wurden von Israel besiedelt und praktisch annektiert.

Im Zusammenhang mit dem Begriff Palästina als Staat sind die Westbank und der Gazastreifen relevant: Der Gazastreifen wurde nach der israelischen Eroberung (1967) bis zum Jahre 2005 von Israel verwaltet. Nach dem Abzug Israels ist der Gaza-Streifen Teil des palästinensischen Autonomie-Gebietes und damit Teil eines zukünftigen Staates Palästina. 1988 gab der jordanische König Hussein endgültig alle Ansprüche auf die Westbank (Westjordanland) zugunsten der PLO und damit zugunsten eines zukünftigen palästinensischen Staates auf.

Wille zum eigenen Staat

Mit dem Abzug Israels aus dem Gazastreifen und dem vorherigen formellen Verzicht des Königreiches Jordanien auf das Gebiet westlich des Jordans wurden die räumlichen Voraussetzungen für die Bildung eines palästinensischen Staates geschaffen. Die Bevölkerung in diesen Gebieten hat sich politisch organisiert, primär in der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. Damit ist eine weitere Voraussetzung für die Bildung eines neuen palästinensischen Staates geschaffen worden.

Als drittes Element kommt die internationale Anerkennung hinzu. 1974 anerkannten die Vereinten Nationen die PLO als ‚Repräsentanten des palästinensischen Volkes‘. Sie erhielt in der Folge den Status eines Beobachters in der UNO-Vollversammlung.

Verhandlungsprozess

Im Jahre 1993 unterzeichneten in Washington die Aussenminister der USA, Russlands Israels und der Palästinenser das sogenannte ‚Oslo I Abkommen‘, benannt nach dem Ort der geheimen Verhandlungen im Vorfeld. Darin geht es um die Prinzipien über die vorübergehende Selbstverwaltung der palästinensischen Gebiete. Gleichzeitig akzeptierte Israel die PLO als offiziellen Vertreter der Palästinenser; die PLO verpflichtete sich im Gegenzug, aus ihrer Charta alle Passagen zu streichen, welche die Vernichtung Israels als Ziel enthielten. Das Abkommen enthielt im Weiteren die allgemeine Vereinbarung, die Verantwortung im Gazastreifen und im Westjordanland auf die Palästinenser zu übertragen und ihnen eine autonome Regelung ihrer Angelegenheiten zu gewähren.

Im Gaza-Jericho-Abkommen von 1994 wurde den Palästinensern erstmals ein selbstverwaltetes Gebiet zugesprochen. Im sogenannten ‚Oslo II Abkommen‘ erhielten die Palästinenser autonome Regierungskompetenzen für einen Xen Teil des Gebietes.

Autonomiebehörde

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist der Verhandlungspartner Israels. Aus der Logik der vorherigen Verhandlungen und der Grundsätze zur Staatenbildung geht unzweifelhaft hervor, dass die Palästinensische Autonomiebehörde im Zuge einer definitiven Regelung die Basis für einen zu gründenden palästinensischen Staat werden solle. Die Palästinensische Autonomiebehörde geniesst internationale Anerkennung als Vertretung des palästinensischen Volkes; 2012 erhielt der ‚Staat Palästina‘ Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Die internationale Gemeinschaft geht in ihrer Mehrheit davon aus, dass eine Zweistaaten-Lösung neben Israel einen Staat Palästina zur Folge haben wird. Heute anerkennen 136 Staaten den Staat Palästina an.

Nebenpunkte

In der Beanstandung spricht Herr X den Palästinensern die Fähigkeit ab, staatliche Strukturen aufbauen zu können; er empfiehlt ihnen das zu werden, was sie schon immer gewesen seien, nämlich Araber. Er vergisst oder missachtet bewusst die Tatsache, dass ethnische Zugehörigkeit und Staatenbildung zwei ganz verschiedene Dinge sind. In dieser Logik müssten alle Germanen in einem einzigen Staat leben; dieser Versuch hat im 20. Jahrhundert in einer Katastrophe geendet.

Als Argument gegen den Staat Palästina schreibt Herr X auch davon, dass es keine palästinensische Religion gebe. Eine gemeinsame Religion ist keine Voraussetzung für die Staatenbildung. Selbst in Israel, das sich als Staat der Jüdinnen und Juden versteht, lebt eine grosse muslimische Minderheit (ca. 17 Prozent) und eine Xe christliche Minderheit (ca. 2 Prozent).

Weiter führt er an, es gebe keine palästinensische Sprache. Auch dieses Argument taugt nicht, wie ein Blick auf die Schweiz zeigt, auf ein Land mit vier Sprachen. In seiner Logik müsste man dem Fürstentum Liechtenstein die Berechtigung zur Staatlichkeit absprechen, da die Bevölkerung über keine eigene Sprache verfügt.

Herr X schreibt als weiteres Argument auch davon, dass es keine palästinensische Kultur gebe. Kultur ist die Leistung von Menschen, die sich mit kulturellen Leistungen (Literatur, Musik, Malerei, etc) mit der Lebenswirklichkeit in ihrer Region auseinandersetzen. Die folgende Internetseite gibt einen Überblick über palästinensische Kultur in ihrer Vielfalt.[18]

Auch hier sei nochmals daran erinnert, dass eine nach ethnischen oder staatlichen Grenzen definierte Kultur sehr schnell zur Unkultur werden kann. Die Bücherverbrennungen ab 1933 im Deutschen Reich sollten allen Menschen Mahnung genug sei.

Fazit

Die Formulierung ‚Israel und Palästina in Koexistenz‘ basiert auf den realen Fakten (Jüngere Geschichte, Wille zur Staatenbildung durch die palästinensische Bevölkerung und internationale Anerkennung dieser Bestrebungen). Sie umschreibt die auch von Israel in Verträgen akzeptierte Zwei-Staaten-Lösung. Sie ist daher sachgerecht.

SRF 4 News

In seiner Beanstandung zur Berichterstattung von SRF 4 News kritisiert Herr X zwei Punkte. Erstens den Umstand, dass wir den Gesprächsgast Michael Lüders nicht klar positioniert, sondern lediglich als ‚Nahostexperten‘ bezeichnet hätten. Zweitens, dass wir Lüders’ Formulierung der ‚Verweigerungshaltung‘ (der israelischen Regierung) widerspruchsfrei stehen gelassen hätten.

Wir führten das Gespräch mit Michael Lüders am Morgen des 16. Februars im Anschluss an das Treffen Trump-Netanyahu in Washington. Einer der Kernpunkte dieser Zusammenkunft betraf die Frage der sogenannten ‚Zweistaaten-Lösung‘, respektive die Frage, ob sich der neue US-Präsident von diesem Wording (und damit dem politischen Ziel) distanziere oder nicht?

Ich gehe im Folgenden auf die beiden Punkte ein.

1. ‚Verweigerungshaltung‘

Das Gespräch mit Michael Lüders auf SRF 4 News diente der Kernfrage, wie er - Lüders – den Umstand einschätze, dass Trump beim oben genannten Treffen nicht mehr auf der Zweistaaten-Lösung beharrt, sondern explizit deutlich gemacht habe, dass er für eine Ein- oder eine Zweistaaten-Lösung zu haben sei. Die Formulierung Verweigerungshaltung verwendet Lüders in der Mitte des Gesprächs. Es ging an dieser Stelle sinngemäss um die Frage, ob nicht schon in der Vergangenheit das Bemühen um eine ‚Zweistaaten-Lösung‘, eher rhetorischen Charakter gehabt, dass die Suche nach diesem Konsens schon in der Zeit vor Trump nicht funktioniert habe.

Lüders:

<Da haben Sie vollkommen recht, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Denn bei aller berechtigten Kritik an der Haltung von Trump muss man sagen, dass es in der Vergangenheit so war, der Schein wurde gewahrt. Nach aussen hin hat jeder das Wort Zweistaatenlösung in den Mund genommen, aber de facto wusste auch jeder, der es wissen wollte, dass es einen palästinensischen Staat nicht geben würde, aufgrund der Verweigerungshaltung der israelischen Regierung, die eine Siedlung nach der anderen hat bauen lassen, in den letzten Jahrzehnten verstärkt übrigens nach dem Friedensprozess von Oslo 1993 – das ist eine der vielen Paradoxien im nahöstlichen Friedensprozess. Insoweit kann man sagen, jetzt sind sozusagen die Karten ehrlich gemischt worden, nun wissen alle Beteiligten woran sie sind. (...)>

Lüders bezieht die Formulierung ‚Verweigerungshaltung‘ also auf den Siedlungsbau. Der Formulierung mag eine israelkritische Haltung zugrunde liegen, allerdings befindet sich Lüders mit seiner Einschätzung in diesem Punkt in relevanter Gesellschaft. So hat der UN-Sicherheitsrat Ende Dezember 2016 mit der Resolution 2334[19] den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten als Verstoss gegen internationales Recht betitelt und verlangt, die Aktivitäten müssten eingestellt werden. Offensichtlich geschieht das nicht, Israel kündigte in den vergangenen Wochen mehrfach der Bau neuer Siedlungen und Wohnungen in besetzten Gebieten an. Es scheint mir zulässig, dies mit dem Begriff Verweigerungshaltung zu interpretieren, weil er hier ausschliesslich auf diesen Punkt bezogen war. Das war auch für das Publikum zu erkennen. Herr X moniert, dass der Begriff von der Moderatorin unwidersprochen blieb. Aus den oben genannten Überlegungen finde ich es zulässig, dass Tina Herren nicht explizit auf den Begriff reagiert, respektive diesem widersprach. Für das Publikum war nachvollziehbar, dass hier nicht einfach eine pauschale und einseitige Schuldzuschreibung formuliert worden war, sondern ein Beispiel für ‚eine der viele Paradoxien im nahöstlichen Friedensprozess‘ beschrieben wurde.

2. ‚Nahostexperte‘

Herr X beanstandet, dass wir Michael Lüders in diesem Gespräch als Nahostexperten bezeichneten, anstatt seine USA-kritische- und proarabische Position zu deklarieren. Herr X führt unter anderem Lüders Funktion in der Berliner ‚Deutsch-Arabischen Gesellschaft‘ an, aufgrund derer Lüders nicht ‚wertfrei‘ als Nahostexperte bezeichnet werden könne. Ich gebe Herrn X recht mit dieser Kritik. Eine klare Positionierung, ggf. auch Interessenbindung eines Gesprächspartners muss für das Publikum transparent sein, damit die gemachten Äusserungen und Einschätzungen korrekt eingeordnet werden können. Es wäre unsere Aufgabe gewesen, dies in der Einleitung des Gesprächs sicher zu stellen. Das gehört eigentlich – etwa bei Akteurgesprächen im Politikbereich – zu unserem journalistischen Alltagsregeln. Michael Lüders war nicht zum ersten Mal Gesprächspartner bei SRF 4 News, wir kennen seine Positionierung und Haltung und machen diese in der Regel auch transparent. Auf den hier beanstandeten Einzelfall haben wir in der Redaktion entsprechend deutlich hingewiesen.

Allerdings, das macht den letzten Punkt nicht besser, aber zeigt trotzdem die breit gefasste Berichterstattung unseres Programms an diesem Tag, war Michael Lüders war nicht der einzige Gesprächspartner, den wir zum Treffen Trump-Netanyahu befragten, respektive um eine Einschätzung der Frage ‚Ein-‚ oder ‚Zweistaaten-Lösung‘ baten. In der gleichen Tagesstrecke (6h-9h) an diesem 16. Februar waren auch die Einschätzungen des SRF-Korrespondenten Philipp Scholkmann zu hören und in der Mittagssendung ‚Tagesgespräch‘ gleichentags, war der Nahostkorrespondent des jüdischen Wochenmagazins ‚Tacheles‘ Jacques Ungar zu Gast.

3. Fazit:

Erstens: Die Formulierung ‚Verweigerungshaltung‘ wurde begründet und bezog sich explizit auf die Siedlungsbauaktivitäten Israels. Sie war also für das Publikum klar einzuordnen. Zweitens: Die fehlende Transparenz bei der Vorstellung von Michael Lüders haben wir erkannt und in der Redaktion nachbesprochen. Drittens: Neben der Perspektive Lüders, hatten wir – mit einem deutlich längeren Gespräch – mit Jaques Ungar, wenn Sie so wollen, die andere Perspektive im ‚Tagesgespräch‘ im Programm. Die Einschätzungen unseres eigenen Korrespondenten beleuchteten das Thema aus beiden Perspektiven gleichzeitig.[20]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir in allen drei beanstandeten Sendungen korrekt berichtet haben und das Publikum sich eine eigene Meinung bilden konnte. Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung nicht zu unterstützen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendungen. Ich muss zuerst in Erinnerung rufen, was eigentlich der Sinn des Beanstandungsverfahrens ist: Es geht darum zu klären, ob die Redaktionen das Publikum in die Irre geführt, ja manipuliert haben, indem sie ihm Fakten verschwiegen oder wesentliche Aspekte falsch darstellten. Zu beachten ist die Programmautonomie: Radio und Fernsehen können selber darüber bestimmen, wie sie ein Thema angehen. Sie können entscheiden, was sie genauer ausleuchten und mit wem sie sprechen.

Sie werfen den drei Sendungen acht Verfehlungen vor:

1. Es sei falsch, dass die Knesseth ein Gesetz zur nachträglichen Legitimierung von Siedlungen durchgepeitscht habe.

2. Es sei falsch, dass die Siedlerlobby das Westjordanland am liebsten Israel einverleiben wolle.

3. Es sei falsch, von besetzten Gebieten zu reden.

4. Es sei falsch, die Grenzen von 1967 als völkerrechtlich sanktioniert anzusehen.

4. Es sei reiner Antisemitismus, wenn Trump-Schwiegersohn Kushner in einem Beitrag viermal als jüdisch-orthodox bezeichnet werde.

6. Es sei falsch, von Palästinensern und von einem palästinensischen Staat zu reden.

7. Es sei falsch, Michael Lüders als neutralen Experten zu bezeichnen.

8. Es sei falsch, wenn Lüders einseitig Israel einer Verweigerungshaltung bezichtige.

Ich kann mich in den Punkten 1, 2, 3 und 4 ganz der Stellungnahme der Redaktionen anschliessen. Sie argumentieren überzeugend, und sie weisen nach, dass sich das Publikum frei eine eigene Meinung bilden konnte. Gerade im „10 vor 10“-Beitrag über Barta’a wird deutlich, dass Ihre Argumentation gesucht, ja absurd ist, denn niemand redet von einer international anerkannten Grenze. Und doch gelten im Westteil der Stadt andere Regeln als im Ostteil, sichtbar beispielsweise an den grünen und den gelben Autonummern.

Mir scheint es auch legitim, die religiöse Zugehörigkeit von Jared Kushner hervorzuheben (Punkt 5), da es im Zusammenhang mit dem Treffen Trump-Netanjahu um die Nähe oder Distanz der Trump-Berater zur israelischen Position ging. Das sind Fakten, die zu einer Hintergrundberichterstattung gehören und die nichts, aber auch gar nichts mit Antisemitismus zu tun haben. Als Trump eine japanische Regierungsdelegation traf, wurden Kushners Verbindungen mit Japan erwähnt, ohne dass auf seine Religion hingewiesen wurde.

Meines Erachtens greifen Sie übrigens zu vorschnell zum Vorwurf des Antisemitismus. Mir ist durchaus klar, dass man wachsam bleiben muss und dass der Keim des Rassismus und Antisemitismus stets in der Bevölkerung schlummert. Aber die Erwähnung einer jüdischen Zugehörigkeit dann, wenn es um Beziehungen und Interessen rund um den jüdischen Staat geht, ist sachdienlich und nicht antisemitisch. Antisemitismus setzt voraus, dass man Juden mit Eigenschaften verbindet, nur weil sie Juden sind, und sie diskriminiert, nur weil sie Juden sind – und nicht wegen eine bestimmten Verhaltens.

Ziemlich skurril erscheint mir Ihre These, es gebe keine Palästinenser, diese seien Saudis oder Jordanier oder einfach Araber (Punkt 6). Dass auch einzelne Araber dies in meist durchsichtiger Absicht behaupten, macht das Argument nicht stärker. Volksgemeinschaften entstehen nicht nur über sprachliche oder ethnische Unterschiede. Sie bilden sich auch durch Staatszugehörigkeiten, durch die Geographie und durch ein gemeinsames Schicksal, wie ja das Beispiel der Schweiz zeigt. Die Bürgerinnen und Bürger der DDR beispielsweise entwickelten im Laufe der Zeit ein DDR-Bewusstsein, obwohl sie genauso Deutsche waren wie die Bürger der Bundesrepublik. Im Nahen Osten sind praktisch alle Araber, gleichgültig, ob sie Syrer oder Marokkaner, Iraker oder Jemeniten sind, und egal, ob sie Muslime oder Christen sind. Es gibt die Theorie der arabischen Nation mit der Vorstellung nicht nur einer gemeinsamen Sprache, sondern auch einer gemeinsamen Kultur. Aber wenn man genau hinsieht, entdeckt man eben Unterschiede der Geschichte, der politischen Kultur, der Alltagssprache, der Literatur, der Traditionen, der Küche und der religiösen und tribalen Konfiguration, je nachdem, ob wir uns Libanon oder Kuwait, Ägypten oder Tunesien, Palästina oder Syrien vornehmen. In der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich eben auch ein palästinensisches Bewusstsein entwickelt.

Ich gebe Ihnen hingegen Recht bei der Vorstellung von Michael Lüders (Punkt 7). Zwar ist einer, der auch Interessen vertritt, deswegen nicht weniger kompetent, aber er ist Partei. Ihn nicht klarer zu positionieren, war ein Verstoss gegen das Transparenzgebot. Hätte man ihn deutlicher positioniert, wäre auch verständlicher geworden, warum er die Verweigerung konsequent nur auf der Seite Israels sieht (Punkt 8). So aber, ohne die genaue Positionierung, wurde das Publikum in Bezug auf die Verweigerungshaltung irregeführt, weil es annahm, der neutrale Experte urteile ganz gerecht und komme zum Schluss, allein Israel verweigere immer alles. Die Wirklichkeit ist aber anders: Auch die Palästinenser haben schon mehrfach Lösungen verweigert.

Per saldo kann ich daher Ihre Beanstandung in den sechs ersten Punkten nicht unterstützen, jedoch in den zwei letzten. Ich halte Ihre Reklamation für teilweise berechtigt.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/sendungen/10vor10/donald-trump-und-israel-junge-iv-bezueger-cannabidiol

[2] http://www.srf.ch/sendungen/tagesschau/kurswechsel-nahost-engagement-nato-partner-revision-iv-rente

[3] https://www.srf.ch/sendungen/4x4/trumps-nahost-kehrtwende-das-verheisst-nichts-gutes

[4] http://avalon.law.yale.edu/20th_century/arm03.asp

[5] https://www.youtube.com/watch?v=9-umTdeh_bQ

[6] https://heplev.wordpress.com/2011/08/11/31-gelegenheit-zur-eigenstaatlichkeit-die-zugunsten-von-volkermord-verspielt -wurden-1/

[7] https://www.welt.de/print-wams/article613248/Clinton-rechnet-mit-Jassir-Arafat-ab.html

[8] https://www.youtube.com/watch?v=QUlFC8jEMEU (PA-TV, 04.01.2013)

[9] https://www.youtube.com/watch?v=n4Mq63fUwEo (PA-TV, 16.09.2015)

[10] Vgl. Artikel ZEIT online in der Beilage.

[11] Vgl. exemplarisch 2 Artikel in der Beilage.

[12] siehe Resolution 2085 des Europarats im Anhang

[13] Vgl. Artikel von Spiegel online in der Beilage.

[14] siehe z.B. Artikel der Frankfurter Allgemeinen im Anhang

[15] siehe z.B. https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/der-unscheinbare-popstar?id=3dee0c8f-5bb6-4285-9f74-cb0ee8c7e9f3

[16] Siehe Artikel in der Beilage.

[17] Siehe Beilage

[18] https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/gesellschaft/#c1755

[19] http://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdf

[20] Links: Einschätzungen Philipp Scholkmann in der Sendung „HeuteMorgen“ v. 16.2. (ab Minute 07:05), https://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/nestle-hat-2016-weniger-verdient; Jaques Ungar im Tagesgespräch am 16.2 http://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/jacques-ungar-nach-dem-treffen-zwischen-netanjahu-und-trump.

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