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«Wie erfahre ich, was eine Lüge ist?»

Fieberhaft suchen Forscher der Egnacher Softwareschmiede Hulbee AG nach einer Lösung, um gefälschte Informationen im Internet herauszufiltern. Gründer Andreas Wiebe setzt auf künstliche Intelligenz.

Andreas Wiebe, Sie entwickeln Software wie etwa die Internetsuchmaschine ­Swisscows, die Sicherheit, ­Anonymität und den Schutz der Privatsphäre verspricht. Können Sie mit Swisscows Nutzer auch gegen Fake-News schützen?
Dieses Thema erregt derzeit weltweit Aufsehen und berührt auch uns. Da wir im Bereich der Informationsanalyse forschen, ist das ein sehr spannendes Thema für uns, und dennoch ist es nicht einfach. Vor allem: Woher soll die Suchmaschine erfahren, ob die einen oder anderen News tatsächlich Fake sind? Was wir derzeit aber schon können, ist, die Fake-Quellen zu verifizieren und aus dem Index zu löschen, da sind wir jetzt gerade dabei.

Aber künstliche Intelligenz (KI) sollte dabei doch hilfreich sein, oder?
Künftig wird es ohne die Künst­liche-Intelligenz-Technologie kaum funktionieren. Wir haben es mit der berühmten Frage zu tun: Was ist Wahrheit? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in etwa fünf Jahren mit Hilfe von KI machbar sein wird, die Fake-News zu blocken.

Online floriert das Geschäft mit Fake-News-Kampagnen, schreibt die Cybersicherheitsfirma Trend Micro. Da ist von missbräuchlicher Suchmaschinenoptimierung die Rede und von Programmen, die den Besucherverkehr auf Internetseiten manipulieren. Warum tun Google und Co. nichts dagegen?
Google hat bereits einiges in dieser Richtung optimiert, das muss ich als Wettbewerber schon offen sagen. Vor etwa fünf Jahren konnten Onlineunternehmen mit der SEO (Suchmaschinenoptimierung) viel mehr Unfug anstellen als heute. Ich bin mir sicher, dass es Google aber derzeit ebenso geht wie uns.

Und das wäre?
Wie erfahre ich als ein Suchmaschinenbetreiber, dass eine gewisse Information eine Lüge ist? Google wird hier ebenfalls nicht drumherumkommen, eine Technologie zu entwickeln, mit deren Hilfe die Webseiten weniger SEO-manipulierbar sein werden. Ebenso hat Google derzeit andere Baustellen, als sich mit Fake-News zu beschäftigen, und solange Politik und Gesetzgebung sich hier nicht einmischen, wird Google das auf die lange Bank schieben.

Ihre Eigenentwicklung, die Suchmaschine Swisscows, hat darauf eine Antwort?
Wir sind bereits mit einigen un­serer Technologie-Algorithmen dran, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden, dennoch wird es noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wir besitzen zum Beispiel mit Get Digest eine einmalige Technologie, die Informationen analysieren kann und das Wesentliche sinnentsprechend zusammenfasst.

Aber kann das Programm zwischen wahr und unwahr unterscheiden?
Die Technologiebasis von Get Digest ist tiefgreifend und kann mehr, als nur Texte zusammenzufassen. Die Get-Digest-Technologie ist in der Lage, Information als solche einem Thema zuzuordnen, inhaltliche Ähnlichkeiten zu anderen Informationen zu erkennen und auch vieles andere.

Auch Fake-News?
Diese Technologie kann auch, und hier sind wir schon weit vorgedrungen, anhand der geschriebenen Information vom Kontext aus verstehen, ob die ein oder andere Nachricht auf eine Wahrheit hindeutet, und die Wahrscheinlichkeit dann in Prozenten auswerten.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.
Die Technologie ist zum Beispiel in der Lage, einen wahren Liebesbrief von einem Fake-Liebesbrief zu unterscheiden, und das bereits heute mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 70 Prozent. Ja, diese Technologie wird definitiv in Swisscows eingebaut. Dadurch wird das Computerprogramm die Fähigkeit erhalten, einen grossen Teil der Fake-News zu selektieren und als Spam einzuordnen.

Das Phänomen ist nicht neu, aber es nimmt ungeheuer Fahrt auf. Wer bucht solche Kampagnen?
Ja, das stimmt. Ich denke, es hat sich durch die Suchmaschinenoptimierung eingeschlichen, wodurch Marketingunternehmen gelernt haben, die Nutzer zu manipulieren. Ich denke, dass solche Kampagnen von Unternehmen gebucht werden, die dringend etwas verkaufen müssen oder zum Beispiel eine politische Entscheidung dringend manipulieren wollen. Man sollte als Leser im Internet sehr vorsichtig damit sein, welchen Quellen man vertraut. Grundsätzlich sind Marketingunternehmen an solchen Kampagnen interessiert.

Sie verarbeiten Daten und sind gleichzeitig Datenschützer. Wäre es schwierig, eine Software zu entwickeln, die gefälschte Youtube-Videos oder gefälschte Fotos etwa von Terroranschlägen oder Prominenten entlarvt?
Wir haben es uns nicht nur auf die Fahne geschrieben. Es gehört zu unserem Lebensstil, andere zu schützen. Was aber Youtube-Videos angeht, so ist das derzeit ein unlösbares Problem. Nehmen wir an, auf Youtube verbreiten sich Bilder vom Anschlag in Aleppo – wie soll man mit der Software erkennen, dass es sich um Schauspieler handelt und nicht um die tatsächliche Darstellung? Sogar für uns Menschen ist das kaum realisierbar. Die Software ist gerade im Videobereich noch in den Kinderschuhen. Die einzige Möglichkeit, heute den Inhalt auf Wahrheit zu prüfen, ist die Quelle, wer also die Nachricht veröffentlicht. Sonst ist das auch von der Forschungsseite aus heute noch nicht möglich.

Und wie kann ich mich als Internetnutzer vor Fake-News oder gar Fake-Kampagnen schützen?
Das ist wirklich eine sehr gute Frage. Ich denke, das Erste, was ich persönlich tue, ist, meinen logischen Verstand einzuschalten, um die Nachricht zu hinterfragen, und das Zweite, die von mir gelesenen anderen Quellen mit der jetzigen zu vergleichen. Gerade was politische Themen anbelangt, bin ich derzeit persönlich sehr skeptisch. Ebenfalls beschränke ich mich persönlich auf die Quellen und Nachrichten, denen ich tatsächlich vertraue. Das andere sortiere ich aus als mögliche Fake-Information.

Sind Sie auch schon mal auf gefälschte Informationen hereingefallen?
Ganz sicher!


Dieses Interwiew erschien am 15. Juni im Tagblatt.


Text: St. Galler Tagblatt/Stefan Borkert

Bild: colourbox.de

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