Nationalrat Andreas Glarner beim Spazieren mit seinem Vater Hans-Rudolf Glarner im Volksgarten in Glarus
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Szenen im Volksgarten von Glarus

Was Rassismus von Rassismus-Aufklärung unterscheidet. SRF-Ombudsmann Roger Blum äussert sich in einem Gastkommentar in der «Basellandschaftliche Zeitung» zur Rassismusstrafnorm und zur Verurteilung von Hans-Rudolf Glarner.

Otto Stich war gewiss kein brillanter Redner. Der eigensinnige, bockige Schwarzbube sprach leise und schnörkellos, ohne rhetorische Figuren. Aber vor der Volksabstimmung über die Rassismus-Strafnorm ging er als Bundespräsident in die Sendung «Arena» des Schweizer Fernsehens, obwohl die Vorlage nicht aus seinem Departement kam. Und er beeindruckte. Er erzählte, wie er als Jugendlicher schockiert war von der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten. Und wie er sich geschworen hatte, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Als in Deutschland die Synagogen brannten, war Stich 11-jährig. Als die «Endlösung der Judenfrage» ins Werk gesetzt wurde, war er 14.

Über die Rassismus-Strafnorm konnte man keineswegs in guten Treuen zweierlei Meinung sein, weil es in Fragen der Menschenrechte nur eine Antwort gibt. Dennoch bekannte sich das Schweizer Volk am 25. September 1994 nicht gerade enthusiastisch zur Überzeugung, dass es keinerlei Hass oder Diskriminierung von Personen oder Gruppen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion geben darf. Die Stimmbeteiligung betrug lediglich 45,9 Prozent.

Die Ergänzung des Strafgesetzbuches wurde mit nur 1 132 662 gegen 939 975 Stimmen, mithin mit einer Mehrheit von 54,6 Prozent, angenommen. Die Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Nidwalden, Glarus, Solothurn, Aargau, St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Tessin und Wallis sagten Nein. Aber seither gilt die Strafnorm. Wer sich öffentlich rassistisch äussert, wird bestraft. Und als Bundesrat Christoph Blocher 2006 in Ankara Vorbehalte gegenüber der Strafnorm anbrachte und sagte, sein Justizdepartement prüfe eine Abschwächung, wurde er von der Schweizer Regierung sofort zurückgepfiffen.

Folgerichtig ist jetzt auch Hans-Rudolf Glarner, der Vater von Nationalrat Andreas Glarner, von der Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus verurteilt worden, weil er in Karin Bauers Fernseh-DOK-Film «Inside Bundeshaus» rassistische Bemerkungen über dunkelhäutige Menschen gemacht hatte. Der Verurteilte muss 500 Franken Busse bezahlen und die Verfahrenskosten übernehmen. Dazu erhielt er bedingt eine Geldstrafe von 1600 Franken bei zwei Jahren Probezeit aufgebrummt.

Sofort twitterte der Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Schmid: «Die SRG macht sich in der Causa Glarner sen. mitschuldig. SRF gab Plattform für Rassismus. Somit ein klarer Fall für den Presserat.» Schmid irrt. Die Filmszene, in der Hans-Rudolf Glarner seine despektierlichen und rassistischen Kommentare über Passanten machte, diente dazu, der Sozialisation von Andreas Glarner, dem SVP-Asylpolitiker, auf die Spur zu kommen.

Dadurch, dass die DOK-Redaktion die rassistischen Bemerkungen nicht aus dem Film herausschnitt, hat sie dessen Mentalität deutlich gemacht. Sie hat aber mit der Passage nicht selber zum Rassenhass beigetragen, da sie sich die Äusserungen nicht zu eigen gemacht und sich nicht daran ergötzt, sondern sie einfach zu Protokoll gegeben hat.
Medien haben die Aufgabe, die Realität in all ihren Schattierungen abzubilden und dabei nichts zu beschönigen, und zu dieser Aufgabe gehört auch, Rassismus, Extremismus, Antisemitismus, Islamismus, Rechtspopulismus und Linksradikalismus in der Bevölkerung aufzuspüren und darüber aufklärend zu berichten.
Es handelt sich um die seismografische Funktion der Medien, die Fernsehen SRF hier wahrgenommen hat, aber auch um die Informationsfunktion. Eine Plattform für Rassismus sähe anders aus.


Dieser Artikel erschien erstmals am 18. Juli 2017 in der «Basellandschaftliche Zeitung» .


Text: Basellandschaftliche Zeitung/Roger Blum

Bild: SRF/screenshot

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