SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Echo der Zeit»-Beitrag über Kandidatur von Geri Müller beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 22. September 2017 beanstandeten Sie den Beitrag „Geri Müller kandidiert noch einmal“ in der Sendung „Echo der Zeit“ (Radio SRF) vom 11. September 2017.[1] Sie schrieben: <Da ich weder vom Redaktionsleiter noch vom Journalisten eine Reaktion auf meine Mail erhalten habe, reiche ich nun eine Beanstandung auf diesem Weg ein.> Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Ich kandidiere offiziell für das Amt des Stadtammanns in Baden. Dazu gab es am 11.9 einen Bericht im Regionaljournal AG/SO/ Echo der Zeit, 18 Uhr. In diesem wurde gross über Geri Müller berichtet, ebenso wurden die Namen der zwei anderen Kandidaten genannt. Meiner wurde nicht erwähnt. Kein Wort dazu, dass es eine 4. Kandidatin gibt. Dies erachte ich als unprofessionelle und unsaubere, tendenziöse Berichterstattung. Der Bericht erweckt den Anschein, dass nur 3 Personen kandidieren.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung „Echo der Zeit“ äusserte sich deren Redaktionsleiter, Herr Beat Soltermann, wie folgt:

„Sie haben heute meinen Kollegen Markus Hofmann telefonisch um eine Stellungnahme zu einem Beitrag gebeten, der am 11. September im ‚Echo der Zeit‘ ausgestrahlt wurde. Die Beschwerdeführerin, eine Kandidatin fürs Badener Stadtammann-Amt, moniert, dass Sie im Beitrag nicht vorgekommen sei, während Müller sowie zwei weitere Kandidaten erwähnt wurden.

Gerne komme ich Ihrem Anliegen hiermit nach:

1. Im Beitrag ging es um den landesweit bekannten Politiker Geri Müller. Der ehemalige Aargauer Nationalrat stellt sich in Baden zur Wiederwahl als Stadtammann. Müller sorgte 2014 im ganzen Land für Schlagzeilen wegen der sog. «Selfie-Affäre». Inzwischen haben sich die Wogen geglättet – und Müller tritt erneut an. Dennoch spielt die Selfie-Affäre auch im laufenden Wahlkampf in Baden weiterhin eine Rolle. Wie geht Müller damit um? Das war die Fragestellung und der Fokus des Beitrags im ‚Echo der Zeit‘. Das Thema wurde mit Müller selber sowie mit Stimmen von Einwohnerinnen und Einwohnern Badens erörtert und von unserem SRF-Aargau-Korrespondenten in den relevanten historischen sowie politischen Zusammenhang gesetzt.

2. Nicht Thema des Beitrags war eine Auslegeordnung der verschiedenen Positionen der Kandidaten für das Amt des Stadtammanns. Auch nicht Gegenstand war eine Präsentation der Personen, die für das Amt kandidieren.

3. Dass Müller im Beitrag vorkommen muss, steht m.E. ausser Zweifel – es geht ja um ihn. Das auch noch zwei weitere Kandidaten aufgeführt wurden, hat mit dem Verständnis des Radiobeitrags zu tun. Der betreffende Abschnitt lautet wörtlich:

<Den Bürgerlichen ist das jedoch immer noch zu wenig. Aus ihrer Sicht soll nun wieder ein Bürgerlicher Stadtpräsident werden. Vizestadtpräsident Markus Schneider von der CVP steht für sie in den Startlöchern. Und auf linker Seite sind die Stimmen wohl geteilt, denn der ehemalige SP-Mann Erich Obrist kämpft ebenfalls um den Sitz des Stadtpräsidenten. Zwei ernstzunehmende Konkurrenten, doch Müller ist zuversichtlich.>

4. Aus Gründen der nationalen Relevanz und aus Interesse an einem besseren Verständnis, die für das ‚Echo der Zeit‘ entscheidend ist, haben wir uns auf die Nennung der beiden Kandidaten beschränkt, die Müller laut Einschätzung der Lokalredaktion in Aarau am ehesten gefährlich werden könnten – beides zudem Personen, die bereits Mitglieder im Stadtrat sind. Deshalb auch der Zusatz ‚ernstzunehmende Konkurrenz‘. Daraus ist ableitbar, dass es noch weitere Kandidaten gibt. Auch in anderen Fällen greifen wir regelmässig zu solchen Vereinfachungen – es werden nicht immer alle Kandidaten aufgelistet. Oder die ‚Bundesratsparteien‘ erhalten eine grössere Berichterstattung als die übrigen Parteien. Müssten wir in jedem Fall immer alle Kandidierenden oder alle Beteiligten in jedem einzelnen Beitrag aufführen, würden die Beiträge unverständlich und zu einer Auflistung von Namen reduziert. Wir Journalisten würden der Möglichkeit beraubt, uns bei Themen auf gewisse Aspekte zu fokussieren.

5. Radio SRF insgesamt hat im Rahmen des Badener Wahlkampfes über andere Kandidaten berichtet, auch über die Beschwerdeführerin. Dies trifft insbesondere auf die Berichterstattung im ‚Regionaljournal Aargau/Solothurn‘ zu – im Sendegebiet, wo die entscheidenden Wählerinnen und Wähler daheim sind. Auch online ist diese Berichterstattung bis heute für alle einsehbar[2]

Ich hoffe, diese Stellungnahme hilft Ihnen zur Beurteilung des Falles weiter, und Sie können nachvollziehen, warum wir so entschieden haben.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Ausganslage ist bekannt: Der amtierende Stadtammann von Baden, der Grüne Geri Müller (team Baden), strebt die Wiederwahl an. Er ist umstritten, weil er einerseits linke, auch pro-palästinensische Positionen vertritt und weil das Vertrauen in ihn durch die „Gerigate-Affäre“ gelitten hat. Zwar hat der Schweizer Presserat die Veröffentlichung der Selfie-Geschichte durch die „Schweiz am Sonntag“ als medienethische Fehlleistung scharf verurteilt[3], aber dennoch berufen sich seine drei Gegenkandidaten darauf, indem sie argumentieren, das Vertrauen in das Amt des Stadtammanns sei beschädigt und es brauche einen Wechsel, um es wiederherzustellen.

Das Kandidatenfeld für den obersten Repräsentanten der Stadt sieht wie folgt aus:

  • Geri Müller (team Baden; Grüne), bisheriger Stadtammann[4]
  • Markus Schneider (CVP), bisher Stadtrat und Vizeammann[5]
  • Erich Obrist (parteilos, früher SP), bisher Stadrat[6]
  • Sandra Kohler (parteilos), neu[7]

Es ist klar, dass die Konstellation regional und national Medienberichte hervorruft – sowohl in der Presse als auch in Radio und Fernsehen sowie Online. Bei Radio und Fernsehen SRF müssen wir unterscheiden zwischen Beiträgen im „Regionaljournal Aargau/Solothurn“ und Beiträgen in nationalen Programmen. Das „Regionaljournal“, das entgegen Ihrer Darstellung mit der Sendung im „Echo der Zeit“ vom 11. September 2017 nichts zu tun hatte, behandelt die Gemeindewahlen im Kanton Aargau, die allesamt am 24. September 2017 stattfinden, aus einer regionalen, kantonalen Perspektive. Für das „Regionaljournal“ sind die Wahlen in jenen aargauischen Städten und Dörfern wichtig, in denen spektakuläre Kämpfe stattfinden und knappe Resultate zu erwarten sind. Dazu gehört auch die Stadt Baden. Das „Regionaljournal“ hat denn auch am 30. August 2017 einen ausführlichen, abgewogenen und fairen Beitrag unter dem Titel „Geri Müller und die Frage des Vertrauens“ ausgestrahlt, in dem alle vier Kandidierenden für das Amt des Stadtammanns zu Wort kommen.[8] Dieser Beitrag erfüllte alle Kriterien, die für die heikle Phase vor den Wahlen gelten. Ebenso entspricht diesen Kriterien die Auslegeordnung online, die am 13. September 2017 nochmals aktualisiert worden ist.[9]

In den nationalen Programmen richtet sich der Fokus logischerweise auf Geri Müller, der von 2003 bis 2015 Nationalrat war und in dieser Funktion zwei Jahre lang auch die Außenpolitische Kommission präsidierte. Wegen dieser nationalen Rolle fand auch die „Gerigate-Affäre“ ein nationales Echo, und aus diesem Grund berichten die Medien außerhalb des Aargaus überhaupt über die Stadtammann-Wahl in Baden. Sonst würden sie es nicht tun. Es war daher logisch, dass im Beitrag des „Echos der Zeit“ fast nur von Geri Müller die Rede war. Nun hat ein solcher Beitrag aber ein doppeltes Publikum: Einerseits das Deutschschweizer Gesamtpublikum außerhalb Badens, das diesen Beitrag als analytischen Informationsgewinn empfindet. Anderseits die Stimmberechtigten in Baden, für die der Beitrag ein Element der gesamten Wahlkommunikation ist. Für das Publikum in der übrigen Deutschschweiz ist ein Beitrag über einen Wahlkampf in Baden nicht viel anders als ein Beitrag über einen Wahlkampf in Hamburg oder in Rom: Es handelt sich um politische Information für Unbeteiligte, die nicht mitentscheiden können. Ein solcher Beitrag kann sich auf die chancenreichsten Kandidatinnen und Kandidaten konzentrieren. Da aber auch die Badener Stimmberechtigten ein Teil des Publikums sind, muss der Beitrag zugleich den Anforderungen des Radio- und Fernsehgesetzes und der Rechtsprechung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) und des Bundesgerichts genügen. Ich verweise für die vergleichbaren früheren Sendungen auf den Schlussbericht Nr. 5159, der sich ebenfalls mit der Stadtammann-Wahl in Baden befasste.[10] Der Beitrag im „Echo der Zeit“ wurde in der heiklen Phase ausgestrahlt, in der besondere journalistische Sorgfaltspflichten gelten. Es ist erforderlich, das Vielfaltsgebot zu beachten, und zwar in Wahlkampfzeiten bezogen auf die einzelne Sendung. Das Vielfaltsgebot verlangt zwar nicht, dass alle Kandidierenden prozentual gleichwertig vorkommen, aber sie müssen erwähnt werden. Positiv für den Beitrag spricht, dass Geri Müller nicht einfach eine Plattform erhielt, sondern kritisch beleuchtet wurde. Und es wurde deutlich, dass seine Wiederwahl auch angesichts der politischen Erfahrung und der politischen Verankerung zweier Gegenkandidaten alles andere als einfach sein wird. Aber bei der Nennung der Gegenkandidaten fehlten Sie. Das ist ein Fehler, auch wenn stimmt, dass Sie gewissermaßen in einer „anderen Liga“ spielen, weil Sie bisher weder im Stadtrat noch im Einwohnerrat saßen, sondern die Stadt quasi „von außen“ neu aufmischen wollen. Ein Satz zu Ihnen hätte genügt. Weil der Bericht aber sonst aus nationaler Perspektive in Ordnung war, erachte ich Ihre Beanstandung nicht als ganz, sondern als teilweise berechtigt.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://m.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/geri-mueller-kandidiert-noch-einmal?id=21586bde-cdfc-4e16-8e65-964bd58e4a3f&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/abstimmungen-baden/ammann-wahl-baden-geri-mueller-und-die-frage-des-vertrauens

[3] http://www.presserat.ch/_23_2016.htm

[4] https://geri-mueller.ch/

[5] http://www.schneider-markus.ch/

[6] http://www.erichobrist.ch/

[7] http://www.sandra-kohler.ch/

[8] https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-aargau-solothurn/geri-mueller-und-die-frage-des-vertrauens

[9] http://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/abstimmungen-baden/ammann-wahl-baden-geri-mueller-und-die-frage-des-vertrauens

[10] https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2017/09/19/schweiz-aktuell-beitrag-uber-kandidatur-von-geri-muller-beanstandet/

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