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Radio SRF 1, Mittagsnachrichten (Wechsel des US-Botschafters in Bern) beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 2. September 2017 beanstandeten Sie die Mittagsnachrichten von Schweizer Radio SRF 1 vom gleichen Tag und dort die Meldung über den Wechsel auf dem Posten des US-Botschafters in Bern.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Fake News...

Bei der Ankündigung von Ed McMullen als vorgeschlagener neuer US Botschafter wurde sinngemäss u.a. folgendes mitgeteilt: Ed McMullen der Politberater aus SC solle neuer US Botschafter in Bern werden. Seine Vorgängerin Suzan LeVine habe nach der Wahl von D. Trump ihren Rücktritt eingereicht.

Es ist der SRF Redaktion zweifellos bekannt, dass US Botschafter nach einer Präsidentenwahl (selbst von derselben Partei) automatisch ihren Rücktritt geben müssen. Die gewählte Formulierung vermittelte bewusst den Eindruck, dass Suzan LeVine aus Protest zurück trat was nicht der Tatsache entspricht. Ich erwarte von einem zwangsfinanzierten ‚Informationsservice‘ ein ‚saubere‘ Arbeit und nicht schleichende Desinformation.

Zufälligerweise bin ich mit Suzan LeVine bestens bekannt. Auch wenn sie sicher kein Trumpfan ist, ist ein solches Verhalten unprofessionell...‘to say the least‘!“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Roman Mezzasalma, Redaktionsleiter Nachrichten/ Teletext/ Info 3, schrieb:

„Besten Dank für die Gelegenheit, zur Beanstandung von Herrn X vom 2. September 2017 Stellung zu nehmen.

Der Beanstander kritisiert den letzten Satz der folgenden Nachrichtenmeldung aus den 12.30-Uhr-Nachrichten von Radio SRF vom 2. September 2017:

<Edward McMullen soll neuer US-Botschafter in der Schweiz werden. US-Präsident Donald Trump habe den Politberater aus South Carolina nominiert, teilte das Weisse Haus in Washington mit. McMullen hatte Trumps Wahlkampf-Kampagne in South Carolina geleitet. Bevor McMullen den Posten übernehmen kann, muss allerdings noch der Senat zustimmen. Zuletzt war Suzy LeVine als US-Botschafterin in Bern tätig. Nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten erklärte sie ihren Rücktritt.>

Herr X argumentiert, mit der Formulierung im letzten Satz habe die Redaktion bewusst den Eindruck vermitteln wollen, <dass Suzan LeVine aus Protest zurücktrat, was nicht der Tatsache entspricht.>

Hierzu möchten wir festhalten, dass die Redaktion einzig das Faktum transportieren wollte, dass Botschafterin LeVine nach der Wahl Donald Trumps ihren Rücktritt erklärte. Dass sie dies aus Protest getan haben soll, haben wir unseres Erachtens in dieser Nachrichtenmeldung mit keinem Wort kommuniziert.

Im Übrigen möchten wir darauf verweisen, dass andere Medien über denselben Vorgang sehr ähnlich berichtet haben. So hat beispielsweise die NZZ, die sich auf die Agentur SDA abstützte, am 2. September auf nzz.ch geschrieben: <Mc Mullan tritt die Nachfolge von Suzan LeVine an, die nach dem Wahlsieg von Präsident Donald Trump demissioniert hatte.>

Herr X schreibt im Weiteren: <Es ist der SRF-Redaktion zweifellos bekannt, dass US-Botschafter nach einer Präsidentenwahl (selbst von derselben Partei) automatisch ihren Rücktritt geben müssen.> Der frühere US-Botschafter in der Schweiz, J. Richard Fredericks, äusserte sich zu genau dieser Thematik eines Rücktritts nach einer Präsidentenwahl in einem Artikel der Berner Zeitung vom 9. November 2000. Den Aussagen Fredericks stellte die Zeitung den Lead-Satz voran: <Gewinnt Bush, müsste der erst Ende letzten Jahres eingesetzte US-Botschafter seinen Rücktritt anbieten>. Weiter unten im Artikel heisst es: <Im Falle eines republikanischen Sieges werde er, so sagte der von Bill Clinton berufene Diplomat, «im kommenden Januar der neuen Administration meinen Rücktritt anbieten>. Danach sei es Sache verschiedener Gremien, das Rücktrittsangebot anzunehmen und die Botschafterstelle neu zu besetzen oder aber Fredericks im Amt zu lassen.[2]

Treffen die Aussage von Alt-US-Botschafter Fredericks und deren Darstellung in der Berner Zeitung zu, wäre der genaue Sachverhalt also der, dass (nur nach einem Wahlsieg der gegnerischen Partei) ein Botschafter seinen Rücktritt anbieten muss. Gleichzeitig scheint es möglich zu sein, dass der bisherige Botschafter – mindestens vorübergehend – über den Amtsantritt eines Präsidenten der anderen Partei hinaus im Amt belassen würde. Dies innerhalb einer kurzen Nachrichtenmeldung darzustellen, sprengte allerdings die Möglichkeiten des Formats.

Aus diesen Überlegungen betrachten wir unsere Berichterstattung auch im Nachhinein als sachgerecht und beantragen daher, die Beanstandung als unbegründet zurückzuweisen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es ist ein starkes Stück, wenn Sie die Meldung von Radio SRF über den Botschafterwechsel in Bern als „Fake News“ bezeichnen. Sie haben offenbar noch nie etwas davon gehört, dass es in Demokratien ganz bestimmte Rücktrittsrituale gibt. Nach den Wahlen zum Unterhaus in Großbritannien fährt der amtierende Premierminister oder die amtierende Premierministerin in den Buckingham-Palast und bietet der Königin den Rücktritt an, selbst dann, wenn seine (ihre) Partei die Wahlen gewonnen hat. Im Falle des Wahlsieges beauftragt die Königin den amtierenden Premierminister sofort mit der Regierungsbildung, im Falle der Wahlniederlage bestellt sie den Oppositionsführer in den Palast, um ihn mit der Regierungsbildung zu betrauen. Auch in Frankreich erklärt der jeweilige Premierminister nach den Präsidenten- oder Parlamentswahlen sofort den Rücktritt, um dem Staatspräsidenten die Möglichkeit zu geben, die Regierung neu auszurichten. Genau so erklären die Botschafterinnen und Botschafter der USA nach einer Präsidentenwahl allesamt ihren Rücktritt, selbst dann, wenn der Kandidat der eigenen Parteifarbe gewonnen hat. Der gewählte Präsident kann dann die Rücktritte annehmen oder ablehnen. Es ist üblich, dass auf wichtige Posten Leute aus dem Wahlkampfteam, aus dem übrigen Umfeld oder aus der Partei des Präsidenten gesetzt werden, dass aber auf unwichtigen Posten im einen oder anderen Fall der bisherige Botschafter oder die bisherige Botschafterin belassen werden kann. Diese Rücktritte dienen alle dazu, der übergeordneten Instanz im Prinzip die freie Wahl zu lassen (von der ein amerikanischer Präsident kraftvoll Gebrauch macht, die britische Königin aber traditionell nicht). Es gibt jedenfalls – theoretisch und praktisch – einen Entscheidungsspielraum.

Exakt nach diesem Schema lief die Botschafts-Neubesetzung in Bern ab. Die bisherige Botschafterin, Suzan LeVine, eine treue Obama-Anhängerin, erklärte nach der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten ihren Rücktritt, um Trump alle Optionen zu ermöglichen. Seit Februar 2017 wird die Botschaft durch die Geschäftsträgerin geleitet. Anfang September 2017 hat Präsident Trump entschieden, den Botschafterposten in der Schweiz seinem Wahlhelfer Ed McMullen zu übertragen.[3] Der neue Inhaber muss noch vom Senat bestätigt werden.

Noch viel ritualisierter (und ohne Wahlmöglichkeit der Vorgesetzten) ist die Rücktrittskultur an der Universität Bern: Dort werden die Professoren strikt auf das Ende des Semesters, in dem sie das 65. Altersjahr erreichen, emeritiert. Obwohl sie also zwingend ausscheiden, müssen die Professoren dem Rektor auf diesen Zeitpunkt hin schriftlich den Rücktritt einreichen.

Zurück zur Nachrichtenmeldung von Radio SRF 1: Sie war von A-Z richtig, sie enthielt keinerlei Fake News, ich muss daher Ihrer Beanstandung eine Absage erteilen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=e1a9496c-faf8-4b99-bf53-eb4d784d68ca

[2] Berner Zeitung vom 9. November 2000.

[3] Vgl. NZZ vom 2. September 2017: https://www.nzz.ch/schweiz/nomination-durch-trump-edward-mcmullen-wird-neuer-us-botschafter-in-der-schweiz-ld.1314042

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