Porträt von Ansgar Gmür in «Rendez-vous» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 18. Dezember 2017 beanstandeten Sie das Porträt über Ansgar Gmür in der Sendung «Rendez-vous» (Radio SRF) vom 30. November 2017 . Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«In dieser Sendung sprach Peter Maurer mit Ansgar Gmür über dessen Absicht, nach Beendigung seiner bisherigen Berufstätigkeit noch Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden. Dabei äusserte Herr Gmür wohl zu Recht die Vermutung, dass er sich für die Tätigkeit als Seelsorger nicht besonders eigne. Darauf entgegnete der Interviewer, dass auch er sich Ansgar Gmür nicht als salbungsvollen Gutmenschen vorstellen könne.

Dieser Passus ist Gegenstand meiner Beanstandung aus folgenden Gründen:

Er stellt in Bezug auf den Beruf des Seelsorgers eine nicht sachgerechte Darstellung dar, indem er ihn mit einer deutlich abwertenden Bemerkung karikiert und lächerlich macht.

  • Die professionelle Ausübung der Seelsorge der schweizerischen Kirchen aller Konfessionen wird durch sorgfältig ausgebildete Pfarrpersonen wahrgenommen, deren anspruchsvolle Berufstätigkeit keineswegs mit salbungsvollen Sprüchen zu erfüllen ist.
  • Der Einsatz von SeelsorgerInnen z.B. in Spitälern, Gefängnissen, in Zusammenarbeit von Care Teams bei schweren Unfällen und menschlichen Tragödien ist anspruchsvoll und oft sehr belastend. Er wird heutzutage von verschiedensten staatlichen und privaten Institutionen und Dienststellen als kompetent wahrgenommen, oft sogar in deren eigenen Auftrag integriert und entsprechend geschätzt. – Siehe dazu die ausführliche Darstellung der ‘Notfallseelsorge’ im TAGESANZEIGER vom 4.12.2017 S.15.
  • Die abschätzige Äusserung von Peter Maurer finde ich daher dem Beruf des Seelsorgers gegenüber nicht nur als unsachlich, sondern als diskriminierend, beleidigend und verletzend.

Ich bitte Sie höflich, meiner Beanstandung Ihre Aufmerksamkeit zu widmen und erwarte gerne Ihre geschätzte Stellungnahme dazu.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF antwortete Frau Elisabeth Pestalozzi, stellvertretende Chefredaktorin, wie folgt:

«Besten Dank für die Möglichkeit, zur Beanstandung Nr. 5263 von Herrn X Stellung nehmen zu können.

Die Beanstandung

Herr X beanstandet einen Beitrag in der Sendung Rendez-vous vom 30. November 2017. Dabei handelt es sich um ein Porträt von Ansgar Gmür, dem scheidenden Direktor des Hauseigentümerverbands. Ansgar Gmür wird nach der Beendigung seiner bisherigen Tätigkeit Theologie studieren und plant, dereinst theologische Aufgaben in der reformierten Kirche zu übernehmen.

In seinem Schreiben kritisiert Herr X folgenden Punkt:

Er beanstandet, dass im Beitrag in Bezug auf den Beruf des Seelsorgers eine nicht sachgerechte Darstellung vorgenommen werde. Der Beruf werde mit der deutlich abwertenden Bemerkung - Gmür werde keiner dieser salbungsvollen Gutmenschen - karikiert und lächerlich gemacht. Das sei diskriminierend, beleidigend und verletzend.

(Die entsprechende Passage ist in der Transkription des Beitrags gelb eingefärbt.)[2]

Der beanstandete Beitrag

Am 30. November 2017 brachte die Sendung Rendez-vous auf SRF1, SRF2 und SRF4 News ein Porträt von Ansgar Gmür.

Anlass für die Berichterstattung über den langjährigen Direktor des Hauseigentümerverbands Schweiz war sein Vorhaben, sich nach seiner Pensionierung zum reformierten Pfarrer ausbilden zu lassen.

Dieser ungewöhnliche Wechsel einer in der Öffentlichkeit präsenten Person ist interessant - ein Portrait in Form eines Radiobeitrags die richtige und durchaus übliche Form, diese Entwicklung aufzuzeigen. Denn das Portrait stellt den Menschen ins Zentrum. In diesem Fall geschieht dies auf exemplarische Weise. Der Hörer, die Hörerin lernt den bisherigen Direktor des Hauseigentümerverbandes auf eine sehr persönliche Weise kennen.

Man erfährt von seiner Kindheit in einer ärmlichen Bauernfamilie im streng-katholischen Umfeld. Einer Kindheit, die Gmür geprägt hat, ihn zur Kämpfernatur gemacht hat. Der Beitrag erzählt von Gmür als Werkstudent, der sich sein Studium mit den verschiedensten Beschäftigungen verdienen musste und von seiner Heirat mit einer Tessinerin. Ansgar Gmür kommt dabei ausführlich zu Wort. Er beschreibt sich selber als hartnäckig, als einer der nicht aufgibt, der kämpft. Und der – im Hinblick auf seine zukünftige Tätigkeit - selbstreflektierend sagt:

<Ds Knalleharte das passt denn wahrschinlich nümme so ine. Aber eis mues ich Ihne säge, und das seit au d Frau: So Seelsorger wirsch du nöd.>

Dem Journalisten kommt in diesem Beitrag die Rolle des Erzählers zu. Wo Ansgar Gmür nicht im Originalton selber zu Wort kommt, ergänzt der Autor die Lebensstationen des künftigen Pfarrers und beschreibt seine aussergewöhnliche Persönlichkeit, seinen Humor und seinen Weg vom Katholiken in die reformierte Kirche.

An gewissen Stellen fungiert der Beitragsmacher auch als Übersetzer. Zum Beispiel unmittelbar nach dem oben erwähnten Zitat. Da heisst es:

«Keiner dieser salbungsvollen Gutmenschen.»

Und eben diese Bemerkung des Journalisten ist es, die Herrn X zu seiner Beanstandung bringt.

Im Folgenden werden wir aufzeigen, dass uns der Vorwurf der Diskriminierung, der Beleidigung und der Verletzung des Berufsstandes des Seelsorgers nicht gerechtfertigt erscheint.

Unsere Stellungnahme.

Herr X schreibt, die kritisierte Passage sei in Bezug auf den Beruf des Seelsorgers eine nicht sachgerechte Darstellung, da er ihn mit einer deutlich abwertenden Bemerkung karikiere und lächerlich mache.

«Keiner dieser salbungsvollen Gutmenschen.“Tatsächlich kann man in dieser Aussage des Journalisten eine Verdoppelung und damit eine Betonung des von Gmür Gesagten hören. Und man kann argumentieren, dass sich der Journalist mit diesem Satz zu wenig von Gmürs Aussage distanziert, indem er den leicht ironischen Unterton des Interviewten in seinem Satz nachhallen lässt und das ironisierende Wort ‘Gutmensch’ verwendet. Über Ironie lässt sich streiten. Ironie kann auch verletzen. Dessen sind wir uns bewusst. Das diskutieren wir intern auch immer wieder. Und es ist nie unsere Absicht. An dieser Stelle wird die ironisierende Bemerkung des ‘salbungsvollen Gutmenschen’ dazu verwendet, die Gegensätzlichkeit von Gmürs Aufgaben als Interessenvertreter der Hauseigentümer und seiner künftigen als Theologe herauszuarbeiten. Ganz im Sinne, wie es Gmür selber formuliert.

Doch daraus zu schliessen, der Beitragsmacher beleidige oder verletze damit die Arbeit von Pfarrern oder Seelsorgern, scheint uns nicht richtig. Denn es geht im ganzen Beitrag und auch in diesem Abschnitt ausschliesslich um Ansgar Gmür und sein Verständnis seiner zukünftigen kirchlichen Arbeit. Und in diesem Kontext ist auch der kritisierte Satz zu sehen.

Gmür sagt von sich, man müsse etwas ‘mehr Feeling haben’, aber er bleibe Ökonom und werde eben nicht ‘so Seelsorger’, was der Beitragsmacher ergänzt mit einer Art Übersetzung: ‘nicht zum salbungsvollen Gutmenschen’. Also nach Duden nicht zum ‘übertrieben würdevoll-feierlichen’ stets korrekten Menschen . Damit zeichnet der Autor den Gegensatz von Gmürs früherer Tätigkeit und seiner zukünftigen und betont in anderen Worten, was Gmür selbst sagt, ‘so Seelsorger’ werde er nicht.
Das würde auch nicht zu Ansgar Gmür passen.
Ansgar Gmür hat in seiner Laufbahn bis anhin Berufe gewählt, die nicht zum Sozialbereich gehören. Der Ökonom hatte stets Interesse an der Sache, den Anliegen der Verbände, am Kampf, wie er mehrfach sagt. In der Öffentlichkeit ist er als pointierter, charismatischer, humorvoller Redner bekannt, der oftmals kein Blatt vor den Mund nimmt. Nun wählt er einen Beruf, der entgegengesetzte Fähigkeiten verlangt: die Anteilnahme, das Mitgefühl, die Empathie. Gmür räumt selber ein, dass er sich ändern müsse, dass er aber wohl nie ein gänzlich anderer werden wird.

Die Beschreibung dessen, was Ansgar Gmür in seiner künftigen Rolle als Theologe nicht wird, schliesst aber selbstverständlich nicht aus, was der anspruchsvolle Beruf des Theologen alles umfassen kann: Die Predigt, die Seelsorge, das Unterrichten oder auch das Management in der Kirchgemeinde, alles sehr vielfältige, komplexe und psychologisch anspruchsvolle Aufgaben im Alltag von Theologinnen und Theologen. Doch dies ist nicht Gegenstand des Beitrags und dies wird in keiner Art und Weise in Frage gestellt.

Kurzum:
Beim gesendeten Porträt handelt es sich um eine wohlwollend-kritische Auseinandersetzung mit dem Direktor des Hauseigentümerverbandes Ansgar Gmür und dessen Berufswechsel und nicht um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Beruf des Theologen oder gar einer Bewertung dessen. Dabei lässt der Autor Gmür einerseits selber zu Wort kommen und beschreibt ihn andererseits in Form einer sprachlichen Annäherung. Dort übernimmt er stellenweise als stilistisches Mittel den (selbst-) ironischen Ton Gmürs. Das passt in den Kontext dieses Beitrags. Ein allenfalls verletzender Unterton war weder Anspruch noch Absicht des Portraits.

Aus den dargelegten Gründen bitten wir Sie, die Beanstandung nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Was das «Rendez-vous» da gesendet hat, war ein Porträt des Ökonomen und bisherigen Hauseigentümerverbandsdirektors Ansgar Gmür, der jetzt Theologe werden will – ein farbiges, anschauliches, ein gutes Porträt! Aber der von Ihnen beanstandete Halbsatz war zumindest missverständlich, weil er insinuierte, dass die Theologen insgesamt «salbungsvolle Gutmenschen» sind. Und das ist diskriminierend. Es wäre Radio SRF kein Stein aus der Krone gefallen, einfach einzugestehen, dass ein sprachlicher Missgriff passiert ist – und sich zu entschuldigen. Ich brauche jetzt kein Hohelied der Pfarrer und Priester zu singen – es gibt solche der lauten und der leisen Töne, zupackende und bedächtige, gut verständliche und komplizierte, nahbare und unnahbare, darunter sicher auch «salbungsvolle Gutmenschen». Die Bandbreite der real existierenden Theologen ist nicht geringer als die bei den Ärzten oder den Lehrern, bei den Ingenieuren oder den Journalisten. Es geht aber nicht, auch wenn es ein wenig ironisch gemeint war, zu unterstellen, dass sie grundsätzlich «salbungsvolle Gutmenschen» seien. Und so konnte man den Halbsatz verstehen. Ich kann daher Ihre Beanstandung unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[2] Vgl. Beilage Transkript

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