SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Debatte: 2017 – das Jahr des Donald Trump» von «Kontext» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 22. Dezember 2017 beanstandeten Sie die Sendung «Kontext» (Radio SRF 2 Kultur) vom gleichen Tag zum Thema «Debatte: 2017 – das Jahr des Donald Trump».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich möchte mich über die Kontext Radio Sendung vom 22.12. auf SRF 2 Kultur zum Thema Debatte: 2017 - das Jahr des Donald Trump beschweren. Ich bin weiss Gott kein Trump-Fan aber die betroffene Debatte ist in keiner Weise einer solchen würdig. Sollten dazu nicht Pro und Kontra Stimmen zu Wort kommen oder versteht SRF unter Sachgerechtigkeit neuerdings einseitiges Trump-Bashing? Keine der eingeladen Personen war neutral, alle drei waren offenkundig ‘biased’ und zwar klar auf der Schiene links, Anti-Trump und Anti-Israel.
Ich habe SRF bisher - und SRF 2 Kultur insbesondere - als einigermassen sachlich ausgewogen und neutral wahrgenommen. In letzter Zeit jedoch verschiebt sich der Ton bzw. die komportierte Haltung vermehrt in Richtung links, Anti-Trump und Anti-Israel. Ich denke da insbesondere an Peter Düggeli und Pascal Weber mit ihrer offensichtlicher Mühe, eine journalistische Distanz zu wahren und nicht gegen Trump bzw. gegen Israel zu argumentieren.
Und nun diese erwähnte Kontext-Sendung: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich hier jemand ob so viel Einseitigkeit eine eigene Meinung bilden kann... Ist es das, was SRF will - konservative BürgerInnen zu vergrämen?
Langsam aber sicher wird mir klar, dass man diese linkslastige Haltung des SRF nur mit einem Billag-Ja stoppen kann... Es sei denn, SRF beginnt sofort, alle Seiten - und damit meine ich explizit auch die rechte, Pro-Trump und Pro-Israel Höhrerschaft anzusprechen und mit ins Boot zu holen - ansonsten sehe ich schwarz für einen ausgewogenen Service Public in der Schweiz...
Auch hier (nicht nur in den USA) ist Dank der eher linkslastigen SRF der Graben mittlerweile schon sehr tief und es ist nichts als verständlich, wenn sich ein (ziemlich grosser?) Teil der schweizer Bevölkerung im mit öffentlichen Geldern finanzierten SRF nicht (mehr) repräsentiert bzw. angesprochen fühlt.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Christoph Keller, Redaktionsleiter Kunst & Gesellschaft, schrieb:

«Der Beschwerdeführer X beschwert sich in seiner Zuschrift vom 22.12. über die Kontext- Radio Sendung vom 22.12. auf SRF 2 Kultur zum Thema ‘Debatte: 2017 - das Jahr des Donald Trump’.

Die Redaktionsleitung Kunst & Gesellschaft, die für die Sendung Kontext und damit auch für diese Debatte verantwortlich zeichnet, nimmt zu dieser Beanstandung wie folgt Stellung:

1. Es ist richtig, dass an dieser Debatte kein Trump-Fanbeteiligt war. Kriterium für die Auswahl der Gäste war zum einen ein intellektuelles Niveau, das zu einer differenzierten Betrachtung des Themas befähigte, zum anderen eine auch persönliche Nähe zu den USA. Elisabeth Bronfen und Professor George Sheldon haben den US-Pass, Professorin Elisabeth Bronfen unterrichtet u.a. in New York und konnte in der Sendung schildern, wie ihre StudentInnen auf den Präsidenten reagieren. Der Journalist Andreas Zumach hat eine amerikanische Frau und ist sehr oft im Lande und bei der UNO-Zentrale in New York.

2. Hansjörg Schultz, der die Diskussion geleitet hat, versuchte zwar, einen Trump-Befürworter zu finden, hat aber leider keinen gefunden. Eine Diskussion mit einem Trump-Befürworter hätte denn auch sofort zu einer Debatte pro und contra Trump geführt; dies war aber nicht die Absicht der Sendung – die Redaktion wollte eine analytische Diskussion aus der Beobachtung heraus, keinen Hickhack, und dies wurde denn im Pressetext auch so angekündigt:

<Die USA sind nach wie vor die westliche Führungsmacht. Aus dem Weissen Haus erklingt Daueralarm, der Wahlkampf hat nie aufgehört. Wie locker sitzen die Waffen, speziell die Atomwaffen? Was macht der Trumpismus mit Europa? Wie nutzt China die Un-Diplomatie aus Washington? Wie verändert sich das Weltwirtschaftsgefüge? Wie lange halten die USA das aus? Darüber diskutieren die Zürcher Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen, der Basler Wirtschaftswissenschaftler George Sheldon und der Genfer UNO-Experte Andreas Zumach.>

3. Das Gebot der Sachgerechtigkeit ist dann verletzt, wenn in einem Beitrag der journalistische Anspruch dem Gegenstand der Berichterstattung nicht gerecht wird. Im vorliegenden Fall ging es, wie gesagt, darum, nach einem Jahr Trump eine Einschätzung vorzunehmen. Dass diese notwendigerweise kritisch ausfallen musste, überrascht nicht; denn ausser einer boomenden Wirtschaft, die allerdings schon sechs Jahre zuvor in einen positiven Konjunkturzyklus geraten war, der sich jetzt fortsetzt, kann Trump keine Erfolge vorweisen, die einer kritischen Prüfung standhalten können. Insofern ist die festgestellte Einseitigkeit in der Sendung nicht der Zusammenstellung der Runde geschuldet, sondern mehr dem Gegenstand an sich.

4. Verletzt wird das Gebot der Sachgerechtigkeit auch dadurch, dass (in einer Diskussionsrunde) der Moderator seine Fragen nicht entlang des sachlich gebotenen oder entlang der Fragestellung formuliert und stellt. Davon kann, wie aus dem beiliegenden Fragekatalog ersichtlich, nicht die Rede sein; vielmehr sind die wesentlichen Punkte übersichtlich und klar angesprochen worden.[2]

5. Der Vorwurf der linkslastigen Zusammensetzung der Diskussionsrunde verfängt ebenfalls nicht. George Sheldon ist ein eher konservativer Wirtschaftsprofessor – ganz gewiss kein Linker. Aus seiner zurückhaltenden, eher konservativen ökonomischen Kenntnis heraus hat er die Wirtschaftspolitik der USA unter Trump analysiert; er monierte denn auch, gerade unter dem Aspekt einer konservativen Haushaltspolitik, den Umgang von Donald Trump mit den Steuergeldern seiner Bürgerinnen und Bürger. Elisabeth Bronfen ihrerseits ist eine weitherum angesehene Kulturwissenschaftlerin, die eine profilierte, streitbare aber keineswegs ‘linke’ Position einnimmt. Andreas Zumach wiederum hat seine kritische Haltung auch gegenüber Trumps Vorgänger Barack Obama kundgetan; seine Kritik ist damit differenzierter als nur auf den regierenden Präsidenten der USA bezogen. Dass er im Sprachduktus und in seiner Sprechhaltung, manchmal auch in seiner Argumentationsweise emotional und dann und dort polemisch argumentiert, ist auch der Redaktionsleitung aufgefallen.

6. Die Israelkritikbezieht sich in der Sendung nicht auf Israel selber, sondern auf den Entscheid Donald Trumps, die Botschaft der USA von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen; eine Entscheidung, die weltweit kritisiert wurde.

7. Insgesamt ist die Runde in der hier inkriminierten Sendung nach und nach die Punkte durchgegangen, die das Jahr 2017 unter Trump geprägt haben – von America Firstüber Nordkorea, das Verhältnis zu Russland und China, die aktuelle Steuerreform und und und – aber auch die Frage, ob Trump nach 8 Jahren Obama nicht genau dem entspricht, was sich viele AmerikanerInnen gewünscht haben. Und auf all diese Fragen haben die beiden Professoren mit dem US-Pass und der UNO-Experte profiliert – und besorgt - geantwortet. Nochmals - dass die Bilanz kritisch ausfiel, ist tatsächlich dem Objekt der Beurteilung geschuldet.

8. Insgesamt hält aus der Sicht der Redaktionsleitung die Sendung mit Bezug auf die Rügen, die unter dem Blick der Konzession der SRG zu beachten sind, und dies insbesondere auch vor dem Prinzip der Sachgerechtigkeit, den journalistischen Vorgaben sowohl der SRG wie auch allgemein stand.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Runde, die das erste Jahr des amerikanischen Präsidenten Donald Trump analysierte, war eine Expertenrunde. Experten sind Leute, die in einem Themengebiet über besonders großen Sachverstand verfügen und in der Lage sind, mithilfe dieses Sachverstandes Probleme analytisch zu durchdringen und ihre Befunde allgemeinverständlich zu formulieren. Die drei Beteiligten waren alle USA-Kenner. Die Literaturwissenschafterin Elisabeth Bronfen[3], zuständig auch für Amerikanistik, lehrt nicht nur in Zürich, sondern auch in New York. Der Wirtschaftswissenschafter George Sheldon[4], Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomie, hat auch über US-Themen geforscht und publiziert. Und der Journalist Andreas Zumach[5], Spezialist der internationalen Beziehungen und der UNO, hat in den USA gelebt und ist immer wieder dort. Bei einer Expertenrunde gilt weniger die Vielfalt der politischen Positionen als die Vielfalt der wissenschaftlichen Zugänge als Auswahlkriterium. Und darum ist es nicht ausgeschlossen, dass Experten verschiedener Disziplinen politisch zu den gleichen oder ähnlichen Befunden gelangen.

Kommt dazu, dass eine Expertenrunde an Fakten nicht vorbeikommt. Es ist ein Faktum, dass Donald Trump seit 1945 der erste Präsident ist ohne politische Erfahrung. Es ist ein Faktum, dass Trump bisher nur die Steuerreform durch den Kongress gebracht hat. Und es ist ein Faktum, dass er keinen klaren außenpolitischen Kurs erkennen lässt. Da ist es nicht verwunderlich, wenn das Urteil einer Expertenrunde eher vernichtend ausfällt. Hätte eine ähnliche Rund das letzte Amtsjahr des französischen Präsidenten François Hollande analysiert, wäre die Bilanz ebenfalls vernichtend ausgefallen. Notabene die Bilanz für einen sozialistischen Präsidenten.

Gleichwohl ist es unbefriedigend, wenn sich in einer solchen Runde niemand wirklich für Trump wehrt. Ich kann da Ihre Verärgerung verstehen. Offensichtlich hat man erfolglos versucht, einen Trump-nahen Sachverständigen einzuladen. Da dieser Versuch gescheitert ist, hätte meines Erachtens der Moderator sich stärker zum Anwalt Trumps machen müssen. Er hätte jene Argumente einspeisen müssen, die zugunsten Trumps sprechen, und die Runde zwingen müssen, ihre Kritik noch besser zu begründen. Dadurch wäre ein gewisser Ausgleich zustande gekommen.

Der Sendeverantwortliche und Moderator hat sich indessen für eine andere Rolle entschieden. Er hat zwar hin und wieder ein Argument pro Trump eingeworfen, sich aber mehrheitlich darauf beschränkt, Themen anzureißen, und zwar meist Themen, die auf Schwachpunkte Trumps hinführten. Die Frage ist, ob der Entscheid für diese Rolle im Widerspruch zum Radio- und Fernsehgesetz steht.

Zunächst muss daran erinnert werden, dass das Radio- und Fernsehgesetz den journalistisch Verantwortlichen Programmautonomie zubilligt. Artikel 6 sagt in Absatz 2 über die Programmveranstalter: <Sie sind in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer redaktionellen Publikationen und der Werbung frei und tragen dafür die Verantwortung.>[6] Es ist also nicht Sache des Ombudsmannes, den verantwortlichen Journalisten vorzuschreiben, wie sie eine Sendung zu gestalten haben.

Kommt dazu, dass das Vielfaltsgebot nicht für die einzelne Sendung gilt, sondern für das gesamte Programm. In Artikel 4 Absatz 4 des Radio- und Fernsehgesetzes steht: <Konzessionierte Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen.> In Bezug auf Trump würde das bedeuten, dass es seit dem Beginn der Kampagne für die US-Präsidentenwahl von 2016, also etwa seit Herbst 2015, es auch Sendungen hat geben müssen, die erläuterten, warum Amerikanerinnen und Amerikaner Trump wählten und was das Phänomen Trump ausmacht. Solche Sendungen gab es.

Nimmt man jedoch nur die Debatte der Sendung «Kontext» in den Blick, so liegt eine derartige Runde, wie sie hier diskutierte, im Rahmen der Medienfreiheit und der Programmautonomie. So sehr ich Ihre Verärgerung nachvollziehen kann, muss ich dennoch Ihrer Beanstandung eine Absage erteilen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/sendungen/kontext/debatte-2017-das-jahr-des-donald-trump

[2] Vgl. Fragenkatalog im Anhang

[3] http://www.bronfen.info/

[4] https://wwz.unibas.ch/personen/profil/person/sheldon/

[5] https://www.friedenskooperative.de/referenten/andreas-zumach

[6] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

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