SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Samstagsrundschau» mit Axpo-CEO Andrew Walo beanstandet

5406
Mit Ihrer E-Mail vom 29. März 2018 haben Sie (auch im Namen von Herrn Y) die einseitige Berichterstattung in Sachen AKW im Sendegefäss «Samstagsrundschau», speziell am Beispiel der neueren Sendung vom 10. März 2018 beanstandet. Sie haben Ihre Beanstandung als Ver­treter der Mahnwachenden vor dem ENSI verfasst. Dazu haben Sie eine Zusammenstellung der ener­giebezogenen Sendungen und Gäste seit Fukushima beigelegt, die Sie aufgrund einer Schnellsichtung des SRF-Sendearchives zur «Samstagsrundschau» fanden. Des Weiteren fügten Sie eine Beilage Ihrer Medieninformation anlässlich der ENSI-MK vom 6. März 2018 bei, die Sie allen Medienschaffenden verteilt haben. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Der kürzlich gefällte Entscheid des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates ENSI zur Wieder­inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Beznau 1 ist für die Zukunft weiter Teile der Nordwestschweiz schicksalhaft und hat für den Rest der Schweiz enorme finanzielle Konsequenzen. Es geht einerseits um den Strahlenschutz der potenziell gefährdeten Bevölkerung und anderseits um Haftungsverpflich­tungen in Milliardenhöhe.

Für die SRG ergibt sich daraus der Auftrag, diesen Entscheid nicht nur zu vermitteln, sondern auch zu kommentieren und in das energiepolitische Umfeld einzuordnen. Sie tat dies, unter anderem, mit der Samstagsrundschau von Radio SRF1 vom 10. März 2018, in welcher der Axpo-Chef Andrew Walo von Dominik Meier zu prominenter Sendezeit während 30 Minuten interviewt wurde.

Die Unterzeichner beanstanden, stellvertretend für alle 705 Mahnwachenden, dass dieses Sendegefäss dem Gewinner des ENSI-Entscheides eine Plattform geboten hat, auf welcher ein ranghoher Vertreter der Nuklearbranche seine Sicht der Dinge praktisch unwidersprochen darlegen konnte. Ein Einspruch der Verlierer dieses Entscheides war im Rahmen des gewählten Sendegefässes ausgeschlossen. Für einen derart weitreichenden Entscheid dieses Gefäss zu wählen, das praktisch zu einem Werbe-Mono­log des AXPO-Vertreters missbraucht wurde, beurteilen wir als eine Verweigerung des Zugangs zum Radioprogramm, dies auch deshalb, weil Herr Meier sich weitgehend darauf beschränkte, Herrn Walo kritische Fragen und Stichworte zu liefern, sodass es für Herrn Walo ein Leichtes war, diese Vorlagen in bewährter PR-Manier zu entkräften und in einen Werbespot für die Firma und das AKW Beznau um­zuwerten, ohne dass in der Regel eine kritische Rückfrage des Interviewers die Aussagen von Herrn Walo relativiert hätten.

Die Beschwerdeführer beurteilen dies als Verweigerung des Zugangs, zum Sendegefäss Samstags­rundschau.

Um diese Einschätzung zu unterstreichen, erlauben wir uns, Ihnen die Liste der Energie bezogenen Samstagsrundschauen seit der Atomkatastrophe von Fukushima vom 11. März 2011 zu unterbreiten, aus welcher die zahlenmässige Bevorzugung der Nuklearbranche und deren politischer SupporterIn­nen gegenüber deren Kritikern erschreckend deutlich hervorgeht.

Diese Bevorzugung widerspricht dem Auftrag zur Ausgewogenheit der Sendungen. Wir erinnern da­ran, dass die Atomausstiegs-Initiative vom 27. November 2016 mit respektablen 45.8% der abgege­benen Stimmen abgelehnt wurde.

Wir bitten die Beschwerdeinstanz darauf hinzuwirken, dass diese Unausgewogenheit in der Gästewahl der Samstagsrundschau behoben wird.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Michael Bolliger, Mitglied der Radio-Chefredaktion, schrieb:

Ich danke Ihnen bestens für die Möglichkeit, zur Beanstandung 5406 Stellung nehmen zu können. Ich tue das als Mitglied der Radio-Chefredaktion und dort als Leiter des Bereichs «Inland/Regionaljournale», zu dem auch die «Samstagsrundschau» gehört.

Ich entnehme der Beanstandung mehrere Punkte. Zum einen wird beanstandet, mit der Auswahl von Axpo-Ceo Andrew Walo habe die «Samstagsrundschau» dem «Gewinner des Ensi-Entscheides» eine Plattform geboten, die Gegenseite sei nicht zu Wort gekommen. Damit habe die «Samstagsrundschau» den Kritikern den Zugang zum Sendegefäss verweigert. Zweitens wird inhaltlich kritisiert, Walo habe «praktisch unwidersprochen» seine Positionen darlegen können, es ist die Rede von einem «Werbe-Monolog». Weiter wird beanstandet, dass die «Samstagsrundschau» seit der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 im Vergleich zur Zahl der atomkritischen Akteure mehrheitlich Vertreter der Energie- (sprich Atom-)Branche oder des politischen Umfeldes zum Interview in die «Samstagsrundschau» ein­geladen hätte.

Ich nehme dazu wie folgt Stellung:

1. Die Darstellung der Gegenseite (atomkritische Argumente)

Die beanstandete «Samstagsrundschau» vom 10. März 2018 mit Axpo-Chef Andrew Walo[1] bildete den Abschluss der Berichterstattung zum Entscheid des Eidgenössischen Nuklearinspektorat (Ensi) vom Dienstag der betreffenden Woche. Es ist für das Gesamtbild und die Beurteilung der Sachgerechtigkeit relevant, bereits diesen Teil der Berichterstattung mit einzubeziehen. An besagtem Dienstag 6.3. Vor­mittag hatte das Ensi an einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass es nach umfassenden Sicherheitstests entschieden habe, der Reaktor I des Kernkraftwerks Beznau könne wieder ans Netz gehen. Radio SRF berichtete an diesem Tag in seinen sprachregionalen (national) und regionalen Informationsgefässen über diesen Entscheid, die Begründung der Verantwortlichen und über die Reaktionen darauf. Der fol­genden Chronologie können Sie entnehmen, dass unsere Berichterstattung die Aussagen und Argu­mente der atombefürwortenden wie -kritischen Stimmen an diesem Tag gleichwertig darstellte.

2. Berichterstattung am 6.3. «HeuteMorgen»

In der Ausgabe «HeuteMorgen» von 07:00 (auf SRF 1 und SRF 4 News)[2], also vor der Bekannt­gabe des Ensi-Entscheides, wurde ein Beitrag zur Ausgangslage gesendet. Der Reaktor «Beznau I» war seit 2015 abgeschaltet, unter anderem, weil damals bei einer Jahresrevision Materialfehler entdeckt worden waren. Nach den entsprechenden Tests und Reparaturarbeiten musste das Ensi jetzt entscheiden, ob «Beznau I» für den weiteren Betrieb sicher genug sei. Im Beitrag wurde die Situation aus beiden Perspektiven, jener der Befürworter eines weiteren Betriebs, wie auch der Gegner dargestellt. Die Argumente der Axpo, respektive der AKW-Befürworter wurden in indirek­ter Rede wiedergegeben. Hingegen war die Beznau-Gegnerin Irene Kälin, NR Grüne AG, in diesem Beitrag im Originalton zu hören. Sie kritisierte, die Beznau I-Technik sei völlig veraltet und die Be­treiber hätten unterdessen bestenfalls «Pflästerli» auf die Löcher geklebt. Die Forderung nach ei­ner Stilllegung des Reaktors, wie sie die Beznau-Gegner immer wieder äussern, war zudem in indi­rekter Rede im Text wiedergegeben.

3. Berichterstattung am 6.3. ab 09:00 «Nachrichten»

Das Ensi publizierte seinen Entscheid vor 9 Uhr, die SRF-Radionachrichten thematisierten diese News während des Vormittag in zwei Stufen. Erstens (in den Bulletins zwischen 09:00 und 11:00) mit der Meldung, dass das Ensi entschieden habe, Beznau I könne wieder hochgefahren werden. Die Betreiberin habe nachgewiesen, dass die Sicherheit gewährleistet sei.

Weil im Verlaufe des Vormittags auf diesen Entscheid auch (kritische) Reaktionen publiziert wur­den, bildeten diese in den Meldungen ab 11:30 und für 12:00/12:30 die News. Jetzt wurden zur Hauptsache die kritischen Reaktionen im Nachrichtentext dargestellt. Namentlich genannt wurden dabei die Reaktionen von Greenpeace («Ensi beugt sich dem Druck der Axpo») und der SP Aargau («Die Axpo reitet ein totes Pferd»). Weil das Thema zu den wichtigen dieses Tages gehörte, wurde es in den Nachrichten-Meldungen innerhalb der Sendung «Echo der Zeit» um 18:00 und 19:00 nochmal gesetzt, der Ensi-Entscheid wurde dort ergänzt mit der Greenpeace-Kritik, dass die Sicherheitstests nicht am Originalreaktor durchgeführt worden seien. Die letzte Meldung des Ta­ges zum Thema erfolgte in den 22:00-Nachrichten, dort eng gefasst auf den Ensi-Entscheid und seine Begründung.

4. Berichterstattung am 6.3., nationale Sendungen

In den Mittagsinformationssendungen «Info3» / «Rendezvous» (SRF 1, SRF 3, SRF 4 News)[3] an diesem Dienstag fasste – zusätzlich zur Nachrichtenmeldung – ein redaktioneller Beitrag die wich­tigsten Gründe des Ensi und die Kritik der Gegner zusammen. Einerseits kam Ensi-Direktor Hans Wanner im Originalton zu Wort, in dem er erklärte, dass die Sicherheit bei Beznau I gewährleistet sei: «Der Reaktordruckbehälter ist sicher, der Nachweis ist erbracht, ohne Zweifel.» Und weiter: «Wir sind absolut sicher, dass es (gemeint sind die Aluminiumoxid-Einschlüsse in der Bausubstanz des Druckbehälters) keinen Einfluss auf die Sicherheit hat. Die Tests und Ergebnisse waren ein­deutig. Sie wurden mit Materialtests an einer Replica, die extra dafür gefertigt wurde, wo man auch zerstörerische Tests machen konnte, erbracht.»

Genau dieser Punkt – so der Beitrag am Mittag weiter – werde von den Atomkraftgegnern kriti­siert, nämlich dass man am Modell getestet habe. Zu Wort im Originalton kam Florian Kasser von Greenpeace: «Man musste mit Annahmen, Vergleichen, Analogien arbeiten, die per se mit grosser Unsicherheit behaftet sind. Deshalb, ja ich habe Zweifel an den Ergebnissen und ich bin klar der Meinung, dass man dieses alte Kraftwerk jetzt definitiv stilllegen sollte.» (Dieser Punkt wurde in den 18:00-Nachrichten nochmal beschrieben, s. oben.)

Weil damit der Betrieb von Beznau angesprochen war, kam auch Axpo-Ceo Andrew Walo zum Ende des Beitrags zu Wort: «Wir haben immer gesagt, das Werk werde solange betrieben, wie es wirtschaftlich und sicher sei. Mit dem heutigen Nachweis haben wir gezeigt, dass die Sicherheit nicht tangiert ist.»

Anschliessend an diesen Fakten- und Reaktionen-Beitrag lieferte die Sendung «Rendezvous» zu­sätzliche Einschätzungen unseres Klima- und Energieexperten Klaus Amman von der SRF-Wirt­schaftsredaktion. Kernfrage dieses Gesprächs: «Sind mit dem heutigen Entscheid alle Sicherheits­bedenken ausgeräumt?». Mit seinen Einschätzungen machte Klaus Ammann deutlich, dass er ei­nerseits die Erläuterungen des Ensi und des begleitenden 40köpfigen internationalen Gremiums für plausibel einstufe, soweit ihm das als Nichtatomphysiker möglich sei, dass aber weiterhin der Umstand der Tests am Replicat den Gegnern Angriffsfläche gegenüber den Behörden böte. Zudem sei vor Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde hängig, die die Frage der Erdbebensicherheit von Beznau behandle. Die Kritiker würden sich darin auf den Standpunkt stellen, die Erdbebensi­cherheit sei nicht gegeben.

5. Berichterstattung im «SRF-Regionaljournal Aargau/Solothurn»

Das Regionaljournal AG/SO berichtete ebenfalls über den Ensi-Entscheid. In der Radio-Mittagsaus­gabe vom 6.3. (12:03)[4] wurde der Entscheid der Behörden vermeldet und Ensi-Direktor Hans Wanner dazu in einem Interview befragt. Die Position der Axpo, die an diesem Vormittag selber eine Pressekonferenz durchgeführt hatte, wurde nach dem Interview ebenso in kurzen Worten be­schrieben, wie die Reaktion der Kritiker, es sei «ein schwarzer Tag für die nukleare Sicherheit der Schweiz». In der Abendausgabe um 17:30[5] berichtete das Regionaljournal ausführlicher über das Thema. Einerseits kamen in einem ersten Beitrag nochmal Hans Wanner mit den Hauptaussagen zum Entscheid der Behörden zu Wort (O-Töne vom Mittag), ebenso Axpo-Ceo Andrew Walo zum weiteren Vorgehen. In einem zweiten Beitrag wurden die kritischen Stimmen der Mahnwache vor dem Axpo-Hauptsitz in Baden thematisiert. Zu Wort kamen drei Personen, der Beanstander, ein Vertreter von Greenpeace (Florian Kasser, wie in den nationalen Sendungen) und ein Vertreter der atomkritischen Energiestiftung SES. Zudem wurde im Anschluss an den Beitrag erwähnt, dass die Grünen Aargau (deren Vertreterin Irene Kälin in «HeuteMorgen» zu Wort gekommen war) gegen den Entscheid protestierten und für den Abend zu einer Demonstration in Baden aufgerufen hat­ten.

Von dieser Kundgebung berichtete das Regionaljournal AG/SO am nächsten Morgen am 7.3. in seinen Ausgaben 06:30 / 07:30 und 08:30[6], ein Reporter war am Abend in Baden vor Ort und hatte Stimmen gesammelt. In der Meldung waren Aussagen von drei Teilnehmenden zu hören zur Frage, warum sie an der Kundgebung gegen den Ensi-Entscheid teilnehmen. Abgeschlossen wurde die Meldung mit einem Satz zur Begründung der Aufsichtsbehörde, warum «Beznau I» wie­der hochgefahren werden könne.

6. Fazit zur Berichterstattung am 6./7.3

Die Informationsgefässe von Radio SRF haben den Entscheid der Atomaufsichtsbehörde an die­sem 6. März und am Folgetag breit und unter Einbezug aller relevanten Akteure/Aussagen darge­stellt. Wenn man die Diversität der Argumente bewertet, erhielten die atomkritischen Stimmen so­gar mehr Platz in der Darstellung. So kamen von dieser Seite insgesamt sieben Personen vor, während auf der befürwortenden Seite zwei Stimmen (H. Wanner und A. Walo) in der Berichter­stattung zu Wort kamen. Zwar waren die O-Tonanteile der Befürworter insgesamt grösser (3 Mi­nuten 17) als jene der Gegner (2 Minuten), das hat seinen Ursprung aber im Umstand, dass die News des Tages aus dem Entscheid des Ensi und seiner Begründung entstand, entsprechend be­stand unser Informationsauftrag zu einem wichtigen Teil in der Darstellung dieses Punktes. Insge­samt waren mit der Berichterstattung am Tag der Aktualität selber (respektive am Folgemorgen) Befürworter und Gegner des Ensi-Entscheides mit ihren besten Argumenten zu Wort gekommen.

7. SRF «Samstagsrundschau» vom 10.3.

Die Beanstander kritisieren, dass mit der Gästewahl den atomkritischen Stimmen das Wort verweigert worden sei. Es ist richtig, dass diese Seite in der «Samstagsrundschau» nicht persönlich auftreten konnten. Das ergibt sich aus dem Konzept der Gästewahl. Dass wir den Gegner das Wort verweiger­ten ist falsch, weil – ebenso aufgrund des Konzepts der Sendung – deren Argumente durch die Frage­stellung vertreten waren.

8. «Samstagsrundschau» Konzept

Die «Samstagsrundschau» existiert seit 1950, sie ist das älteste Gesprächsformat von Radio SRF, das heute noch produziert wird. Das Konzept der Sendung hat sich in all diesen Jahren kaum ver­ändert. Es kann in einem einfachen Satz zusammengefasst werden: «Der Kopf der Woche wird kontrovers befragt». Dabei soll natürlich die Position des Gastes für das Publikum deutlich werden. Die Kontroverse entsteht nicht durch die Anwesenheit eines Vertreters einer Gegenpartei, sondern durch die kritische Befragung des Gastes unter Einbezug der wesentlichen Gegenargumente.

Die Definition «Kopf der Woche» leitet sich aus der Wochenaktualität ab. «Kopf der Woche» be­deutet nicht zwingend, dass die Person selber während der Woche im Vordergrund gestanden war. Es kann auch eine entsprechende Behörde, eine Partei, eine Organisation oder ein Unterneh­men in den Schlagzeilen gewesen sein, zu der/dem wir am Samstag dann den/die verantwortliche Person einladen. Damit ist auch gesagt, dass die «SaRu»-Gäste in der Regel Akteure im engeren Sinn sind, also als Entscheidungsträger gelten, die für Strategie und Entscheide einer Partei oder Unternehmung, allenfalls einer ganzen Branche oder Bewegung, die Verantwortung repräsentie­ren.

Ein zweites Kriterium ist wichtig für die jeweilige Gästewahl: Die Gäste sollen politisch argumentie­ren können. Für Gäste zum Beispiel aus der Wirtschaft bedeutet das, dass sie eine gewichtige Stimme in der Branche haben (etwa als Chefin eines Branchenleaders oder Funktionär eines Bran­chenverbandes) und damit gleichzeitig die politischen Positionen der Branche vertreten können.

Zum Dritten entscheiden wir uns in der Regel auch für einen Gast, weil wir die Möglichkeit sehen, neben dem wochenaktuellen Hauptthema, auch ein oder zwei zusätzliche, relevante und latent aktuelle Themen mit ihm oder ihr zu besprechen. Oft «trägt» die News der Woche alleine nicht für ein substantielles Gespräch von dreissig Minuten.

​​9. Gästewahl für die «Samstagsrundschau» am 10.3.

Aus den oben beschrieben Kriterien für die Gästewahl wird deutlich, warum wir uns in diesem Fall nicht für einen Gast der atomkritischen Seite entschieden hatten. Akteurin war das Ensi und in zweiter Linie die Axpo. Die atomkritische Seite war erst im Anschluss an die Bekanntgabe des Ent­scheides aufgetreten, um diesen zu kommentieren.

Selbstverständlich sind die atomkritischen Stimmen für den energiepolitischen Diskurs und die kri­tische Begleitung der Polit-, Behörden- und Unternehmensentscheide in der Schweiz unentbehr­lich. Darum bildeten sie in unserer Aktuell-Berichterstattung (s. oben) auch einen wesentlichen Teil der Darstellung. Aber sie waren in dieser Woche nicht durch Akteure präsent, deren Positio­nen und Entscheide/Strategien geeignet waren, kritisch hinterfragt zu werden. Darum gab es im konkreten Fall keine Grundlage für ein kontroverses «Samstagsrundschau»-Gespräch mit einem Gast aus dem atomkritischen Lager.

Ensi-Direktor Hans Wanner war in der Pressekonferenz am Dienstag 6.3. als Chef seiner Behörde aufgetreten und hatte den Entscheid, «Beznau I» dürfe wieder hochgefahren werden, gegenüber der Öffentlichkeit begründet. Auf den ersten Blick wäre er der «Kopf der Woche» gewesen. Wie oben erwähnt, muss die «SaRu» aber auch die Möglichkeit haben, die politische Dimension eines Entscheides kritisch zu hinterfragen und erkennbar zu machen. Der Vertreter einer Bundesbe­hörde kann jedoch aufgrund seiner Funktion diesen Aspekt – die politische Wertung – und die Frage nach dem «wie weiter?» häufig nicht oder nur am Rand beantworten. Mit Hans Wanner hätten wir ein technisch geprägtes Gespräch geführt, das unserem Konzept ebenfalls nicht ge­recht geworden wäre.

Die Axpo selber hatte am 6.3. ebenfalls eine Pressekonferenz durchgeführt, anschliessend an die PK des Ensi und damit ihre Position öffentlich dargelegt. Weil die Axpo durch den Ensi-Entscheid, respektive die kritischen Reaktionen dazu, während der Woche selber zum Gegenstand der Dis­kussion geworden war, und weil der Konzern gleichzeitig eine gewichtige Stimme in der Energie­branche darstellt, die derzeit noch andere Probleme zu lösen hat, entschieden wir uns, den CEO Andrew Walo zum Gespräch einzuladen.

Damit wurde nicht den Kritikern den Zugang zur Sendung verwehrt, sondern die konzeptgerechte Gästewahl getroffen, wie wir sie seit vielen Jahren pflegen.

10. Verlauf des Gesprächs, kritische Gegenfragen

Die Beanstander kritisieren, das Gespräch hätte dem Axpo-CEO ohne Widerspruch eine Plattform geboten, die als Werbemonolog missbraucht worden sei. Auch dieser Darstellung ist klar zu wider­sprechen. Das Ziel eines kontroversen Interviews ist es nicht, dem Publikum zu beweisen, dass der Befragte nicht recht hat, oder ihn zu einer Gegendarstellung seiner Positionen zu zwingen. Ziel der kontroversen Befragung ist es, die Aussagen eines Gastes zu hinterfragen, ihn mit anderen Meinungen, Einschätzungen zu konfrontieren und ggf. Widersprüche in seinen Antworten aufzu­zeigen. Das Publikum soll durch die Fragestellung des Interviewers weder von der Position des Gastes, noch von ihrem Gegenteil überzeugt werden. Es soll aber sehr wohl die Positionen des Gastes verstehen, die Argumente dazu nachvollziehen und sich insgesamt - auch dank der kontro­versen Fragen – eine eigene Meinung bilden können.

In der beanstandeten «Samstagsrundschau» wurde dieses Ziel mit dem Mittel des kontroversen Interviews erreicht.

Ich gehe davon aus, dass sich die Beanstandung vor allem gegen den ersten Teil (Sicherheit
«Be­znau I») und den letzten Teil des Gesprächs (Energiewende und Szenario der «Versorgungslü­cke») richtet, deshalb konzentriere ich mich hier auf diese zwei Abschnitte. In der Mitte des Ge­sprächs waren die Wasserzinsen und Kurzfragen zur Person Thema.

Frage und Antworten Teil 1 in Kurzform:

00:45 Frage: Wie haben Sie den Entscheid des Ensi gefeiert?

Antwort: Nicht gefeiert, aber mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Wir konnten in einem sehr aufwendigen Verfahren, das international Standards setzte, zeigen, dass die Schäden aus der Bau­zeit 1965 und nicht vom Betrieb stammten und dass sie keinerlei Auswirkungen auf die Sicherheit des Reaktordruckbehälters haben.

01:55 Kritiker, Umweltorganisationen haben kritisiert, Sie hätten Teile des Reaktor­druckbehälters nachgebaut und diese (Nachbauten) getestet. Das sei nicht das glei­che, wie Tests am echten, abgenutzten, bestrahlten Reaktormaterial.

Wir gingen diesem Einwand extrem nach, weil wir die Repräsentativität dieser Kopie – ein 40 Ton­nen schweres Teil - nachweisen mussten. Es ist uns gelungen, diesen Nachweis zu führen, mit 100en von Proben, chemischen Analysen, auch bruchmechanische Tests. Es wurde deutlich, dass das Aluminiumoxyd keinen negativen Einfluss auf die Versprödung des Stahls hatte, Ergebnis: die Sicherheit ist gegeben.

03:10 Aber Sie konnten nicht am echten Druckbehälter testen, der jahrelang bestrahlt und abgenutzt war.

Doch, wir haben sogenannte Voreilproben im Reaktordruckbehälter gemacht, die flossen in die Nachweisführung ein. Das Ensi und das internationale Expertengremium bestätigen die Repräsen­tativität der Testanlage und die Gewährleistung der Sicherheit.

03:50 Die Kritiker bestreiten das, sagen, dass es ältere Messmethoden gäbe, die schlechtere Werte ergäben, ob der Druckbehälter wirklich sicher sei.

Wir haben eine sehr konservative Methode gewählt, strenger, als das UVEK vorgibt. Die strengen Vorgaben des UVEK beim Wert der Referenzsprödbruch-Temperatur als Kriterium für eine Ab­schaltung haben wir in den Tests unterboten, haben also eine Marge in den Werten, auch gegen­über den Vorgaben des Ensi. Damit ist der Nachweis wirklich erbracht.

04:43 Umweltverbände, als auch die SP und die Grünen stützen sich auf andere Ein­schätzungen, das ist ein Expertenstreit, den wir hier nicht auflösen können. Klar ist, die SP führt auch eine Aufsichtsbeschwerde beim Bundesrat gegen die Wiederauf­nahme des Betriebs von Beznau I, die Grünen wollen im Parlament Vorstösse beant­wortet haben. Ist das politische „Begleitmusik“, die sie einfach als irrelevant abtun können?

Nein, natürlich nicht, es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, das nehmen wir ernst mit unse­ren 500 gut ausgebildeten Fachleuten. Bei der Beschwerde geht’s aber nicht um die Sicherheit beim Reaktordruckbehälter, sondern um die Frage, wie die entsprechende Verordnung ausgelegt wird, bei der Frage der Sicherheits-Grenzwerte bei einem hypothetischen Erdbeben, wie es alle 10'000 Jahre vorkommt. Das ist aber eine Aufsichtsbeschwerde, die gegen das Uvek gerichtet ist.

06:04 Kritiker und Anwohner stellen sich auf den Standpunkt, bei einem starken Erd­beben, würde der Grenzwert, den Sie aus der Verordnung ableiten, überschritten. Sie (die Axpo) sagen, es gelte ein anderer, höherer Grenzwert. Warum warten Sie nicht einfach ab, bis der Entscheid der Richter in SG vorliegt?

Nochmal: die Fälle haben nichts miteinander zu tun. Sicherheitsnachweis ist ein anderes Thema, als die Grenzwerte bei einem möglichen Erdbeben. Und die Klage geht auch nicht gegen uns als Betreiberin von Beznau, sondern gegen das Ensi und gegen die Uvek-Chefin.

06:45 Aber bei so viel Unsicherheit könnten Sie ja trotzdem warten, bis sie den Be­trieb wieder hochfahren.

Es ist eben unseres Erachtens keine Unsicherheit in der Sache. Die Berechnungen entsprechen internationalen Standards und ich kann Ihnen garantieren, Beznau ist auch bei einem 10’000-Jahre-Erdbebenereignis sicher

07:07 Der Bundesrat selber sagt, es sei im Moment unklar formuliert in den gesetzli­chen Bestimmungen, welcher Grenzwert gelte (zur Anwendung kommen müsse), und den tieferen Grenzwert würde Beznau überschreiten bei einem starken Erdbeben.

Nein das Gesetz ist relativ klar, der gesetzgeberische Wille ist klar, das hatte Leuthard auch in der Fragestunde der letzten Woche zum Ausdruck gebracht, die nationale und internationale Praxis ist auch klar, wie man das umsetzt. ich deute das Ganze eher als politisch/juristischen Versuch, Kern­kraftwerke auf politischem Wege vom Netz zu nehmen. Und ich bin weder Politiker noch Jurist, was wichtig ist die Sicherheit und da kann ich garantieren, das haben wir im Griff.

07:48 Der Bundesrat sagt, es sei unklar formuliert, was in Sachen Grenzwerte wirklich gelte.

Es gibt dort scheinbar Interpretationen in der Verordnung, aber die Handhabung des Themas, die nationale wie die internationale war meines Erachtens immer eindeutig klar.

08:04 Der wirtschaftliche Druck, nach drei Jahren Stillstand des Reaktors ist gross (300‘000.- Verlust/Tag). Unter diesem Druck (wirtschaftliche Sachzwänge) einen so heiklen Entscheid zur Wiederaufnahme des Betriebs zu treffen, ist das nicht gefähr­lich?

Nein, wir sagten immer die Sicherheit gehe vor. Mit dem Verlust von 350 Mio durch 2,5 Jahre Still­stand, haben wir den Tatbeweis erbracht, dass der wirtschaftliche Gewinn nicht unser oberstes Ziel war, sondern die Sicherheit.

08:52 Warum wählten Sie nicht den Weg den BKW mit Mühleberg macht – frühzeiti­ger Ausstieg, statt den Verlust hinnehmen.

Kraftwerke haben sehr hohe Kapitalkosten, ob sie produzieren oder nicht, die Crew war während der ganzen Zeit an Deck.

09:38 Ist es also wieder ein wirtschaftlicher Sachzwang, der gegen die Abschaltung spricht?

Nein, wir haben in der Schweiz die gute Regelung, KKW nicht auszufahren, wir sagen, KKW sollen nur solange betrieben werden, wie sie sicher sind, statt ohne Investitionen auszufahren bis sie am Ende sind. Wenn nicht sicher ist, nehmen wirs sofort vom Netz.

10:22 Sie haben diese Woche geschrieben, 10 Jahre könne Beznau noch laufen – wie können Sie für das 5.älteste AKW der Welt eine 10 Jahres-Prognose bis 60 Jahre Be­triebsdauern geben?

Wir haben in den letzten Jahren in beide Blöcke 2,5 Mia investiert, d.h. wesentliche Komponente des KKW entsprechen den neusten internat. Anforderungen. Das heisst, die Nachrüstungen sollten für eine Betriebsdauer von 60 Jahren ausreichen sein.

11:05 Das hats aber noch nie gegeben weltweit, dass ein AKW so lange gelaufen ist.

Doch, in den USA haben gewisse Werke auch eine solange Betriebsbewilligung

11:15 Aber sie sind noch nicht solange in Betrieb

Nochmal: es geht nicht ums Alter, sondern um die Sicherheit und die Nachrüstungen, Die ständige Kontrolle der CH-Behörden belegen, dass wir sicher im Betrieb sind.

11:38 400 Menschen, die vor der Türe gegen die Axpo demonstrieren, was tun sie per­sönlich, um dem Druck zu begegnen, allenfalls auch Ärger abzulassen.

Es geht nicht um Ärger, für mich gehört das dazu, wir leben glücklicherweise in einem demokrati­schen Rechtsstaat, ich habe viel Verständnis für andere Meinungen. Ich habe eine andere Funk­tion und Aufgabe, aber am Ende des Tages geht’s um Sicherheit, auch Versorgungssicherheit, es ist wichtig, dass auch Bevölkerung, Parteien, Umweltverbände mitdiskutieren. Wir brauchen letzt­lich einen gesellschaftlichen Konsens zur Energieversorgung, es geht um Wohlstand, Arbeitsplätze und Klimaschutz.

Teil 2 (nach Kurzfragen)

21:25 Stichwort Versorgungslücke ab 2021 – Im letzten Geschäftsbericht haben Sie geschrieben, der grosse Blackout ist nicht mehr fern. Wie kommen Sie auf ein solches Schreckensszenario?

Das ist kein Schreckensszenario, es geht um das hohe Gut der Versorgungssicherheit mit Strom und damit letztlich wieder um Wohlstand, Arbeitsplätze. Da mache ich mir Sorgen, auch mit der Energiestrategie, wenn wir auf eine 100%ige Importstrategie setzen.

22:34 Das BFE macht sich keine Sorgen und sagt sinngemäss, in den nächsten 15 Jah­ren seien keine Engpässe zu erwarten.

Ich hoffe, die Behörde habe recht, aber was ist nachher? Dann werden die AKW abgeschaltet, das ist so beschlossen. Aber was ist nachher? Die Politik muss diverse Antworten finden, zum Beispiel: brauchen wir einen Eigenversorgungsgrad etc. Es ist Aufgabe der Politik, die richtigen Rahmenbe­dingungen zu schaffen.

26:05 (im Kontext Versorgungssicherheit und Stromimport): Kritiker sagen, die Axpo sei sel­ber schuld, könnte mehr unternehmen bei der Eigenversorgung, sie hätte allenfalls früher auf Alternativen setzen müssen, Stichwort Solarenergie

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, meine Aufgabe im Konzern ist es, die richtigen Geschäfts­felder zu betreiben. Unsere Strategie ist klar und wir gehören heute zu den erfolgreichsten Ener­giekonzernen in Europa.

Das bezieht sich auf das Engagement Windenergie im Ausland, aber in der Schweiz – haben Sie hier ein Potential verschlafen?

Nein, wir sind bei den Märkten und den Kunden in ganz Europa, aber die Schweiz ist kein gutes Land für Wind und Photovoltaikanlagen.

27:55 Schliessen Sie die Option künftig wieder über AKW zu reden aus?

Beim heutigen Stand der Technik und politischen Diskussion ja, neue Generationen denken viel­leicht anders?

Diese verkürzte Wiedergabe des Gesprächs macht deutlich, dass einerseits die Positionen des Gastes klar wurden, dass aber die Fragestellung fast ausschliesslich von Argumenten der Gegen­seite geprägt war und diese in der Fragestellung teilweise auch namentlich erwähnt wurden. Da­mit wurden für das Publikum einerseits die Positionen des Gastes verständlich dargestellt, ande­rerseits die Gegenargumente und ihre Urheber deutlich erkennbar. Insofern hat das Gespräch die Anforderungen an Konzept und publizistische Richtlinien (Sachgerechtigkeit) erfüllt.

11. Gästeauswahl über die Zeit

Die Beanstander kritisieren, dass seit der Atomkatastrophe in Fukushima im März 2011 in der «Sams­tagsrundschau» mehr atomfreundliche Gäste aus der Energiebranche oder der Politik eingeladen wor­den seien, als atomkritische. Sie belegen das mit einer Liste der Gäste.

Aus unserer Sicht ist diese Liste nur bedingt aussagekräftig. Sie zählt einzelne Gäste mit, die zwar tat­sächlich mit der Nuklearbranche zu tun haben oder hatten, im konkreten Gespräch aber nicht zum Thema (Atom-)Energiepolitik befragt wurden. So etwa Heinz Karrer, mit dem wir 2015 zweimal zu wirtschaftspolitischen Themen sprachen im Zusammenhang mit der Zuwanderungsinitiative und der Bedeutung von «Economie Suisse».

Abgesehen von den politischen Parteien (mit Fraktionsstärke im Bundeshaus), bei denen wir über das Kalenderjahr verteilt darauf achten, dass sie alle gleichviele Auftritte haben, ist es in der «Samstags­rundschau» nicht möglich, zu allen Themen und über die Zeit die Gästewahl zu gleichen Teilen auf beide Seiten zu gestalten. Sonst müssten wir beispielsweise immer die Arbeitgeber- wie Arbeitnehmer­seite zu gleichen Anteilen einladen, oder Armeegegner wie -Befürworter. Damit würde das Konzept «Kopf der Woche» obsolet. Vielmehr ist eine Ausgabe der «Samstagsrundschau» in sich ausgewogen, indem wir unsere Gäste kontrovers, hartnäckig und sachgerecht befragen.

Fazit:

Mit dem Entscheid des Eidgenössischen Nuklearinspektorats, Beznau I dürfe wieder ans Netz gehen, der am 6. März dieses Jahres bekannt gemacht wurde, waren in jener Woche das Ensi und die Axpo als Akteure im Zentrum der Diskussion. In der tagesaktuellen Berichterstattung in den nationalen (Nachrichten/Mittagssendungen) und regionalen (Regionaljournal AG/SO in drei Ausgaben) Gefässen kamen sowohl die Fakten, die Begründungen, als auch die atomkritischen Stimmen zu Wort. Aus den oben genannten Überlegungen kamen wir danach zum Schluss, dass der Axpo-CEO der richtige Gast für die «Samstagsrundschau» sei. Das Gespräch bezog zu allen relevanten Punkten (insbesondere Testanlage und Erdbebensicherheit) deutlich und teilweise mit namentlichem Bezug die Argumente der Kritiker mit ein. Von einer «Plattform ohne Widerspruch» kann also keine Rede sein. Aus meiner Sicht erfüllte die gesamte Berichterstattung und damit auch die «Samstagsrundschau» zum Ensi-Ent­scheid die Anforderung an Sachgerechtigkeit und Meinungsvielfalt klar.

Aus diesen Gründen bitte ich Sie, die Beanstandung abzulehnen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die «Samstagsrundschau» bietet gemäss dem Sendeportrait das «kontroverse Interview mit dem Gast der Woche. Oder die Sendung, die BundesrätInnen, PolitikerInnen und WirtschaftsführerInnen die Gelegenheit gibt, ihre Position in mehr als einem kurzen Statement darzulegen». Die knapp halbstündige Sendung wird auf den SRF 1, SRF 2 und SRF 4 News ausgestrahlt.[7]

Sie beanstanden in Ihrem Schreiben, dass «ein ranghoher Vertreter der Nuklearbranche seine Sicht der Dinge praktisch unwidersprochen darlegen konnte», dass dadurch «ein Einspruch der Verlierer dieses Entscheides [...] im Rahmen des gewählten Sendegefässes ausgeschlossen» war und so das «Samstagsrundschau» Gespräch «praktisch zu einem Werbe-Monolog des AXPO-Vertreters miss­braucht wurde». Wie bereits Herr Michael Bolliger in seiner sehr ausführlichen Stellungnahme darge­legt hat, folgt die Gästeauswahl sorgfältig und nach festgelegten Regeln. Die Auswahlkriterien für die Gäste der «Samstagsrundschau» sind problemlos nachvollziehbar. Von einer «Verweige­rung des Zugangs zum Radioprogramm», wie sie monieren, kann nicht die Rede sein.

Ausserdem gilt die Programmautonomie. Solange sich das Publikum frei eine eigene Meinung bil­den kann, sind die Journalistinnen und Journalisten frei, wie sie ein Thema anpacken wollen, verlangt wird natürlich, dass die Sendung sachgerecht ist. Zur Pro­grammautonomie gehört beispielsweise die Wahl eines Themas, die Auswahl der Gesprächspart­ner, die Definition der Fragestellung oder die Be­stim­­mung des Ausstrahlungszeitpunkts. Auch in diesem Punkt ist den Verantwortlichen nichts vorzu­wer­fen. Die «Samstagsrundschau» war sachgerecht, es wurden keine Fakten verdreht oder verfälscht; das Publikum konnte sich frei eine eigene Mei­nung bilden.

Der Kopf der Woche wird in der Sendung kontrovers befragt, lautet verknappt das Konzept der Sen­dung. Und genau das ist in der «Samstagsrundschau» geschehen. Ein kontroverses Interview zeichnet sich dadurch aus, dass der Interviewer auf Ausreden des Gastes bestens vorbereitet sein muss und ihn mit immer neuen Quellen und Fragen konfrontiert[8]. Im kontroversen Interview der beanstan­deten «Samstagsrundschau» wurden laufend kritische Fragen gestellt. Es sind Fragen, die man sich als Zuhörerin oder Zuhörer ebenfalls stellt. Der Interviewer, Herr Dominik Meier, hat sich dabei auch immer wieder auf Kritikpunkte der Atomgegner bezogen und deren Standpunkte vorgebracht. Zudem hat er mehrmals kritisch nachgefasst. Dass sich der AXPO-CEO in seinen Aussagen sehr elo­quent ausdrückt, kann ihm nicht vorgeworfen werden.

Sie kreiden der «Samstagsrundschau» zudem an, dass die Bevorzugung dem Auftrag zur Ausgewo­genheit widerspreche. Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) hält fest im Artikel 4 Ab­satz 4 fest: «Konzessionierte Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendun­gen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen».[9] Aus den publizistischen Leitlinien von SRF[10] geht zudem hervor, dass sich das Vielfaltsgebot im Gegensatz zum Sachgerechtigkeitsgebot nicht an eine einzelne Sendung, sondern an mehrere Sendungen, die in einem sachlichen Zusammenhang miteinander stehen, richtet. Die «Samstagsrundschau» kann also nicht als eine einzelne Sendung betrachtet, sondern muss im Kontext angeschaut werden. So wurden neben der «Samstagsrundschau» vom 10. März 2018 die folgenden Sendungen und Berichte zum Thema ausgestrahlt:

  • 6. März 2018:
  • «HeuteMorgen» 07:00 Uhr
  • «Nachrichten» ab 09.00 Uhr (in den Bulletins zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr, ab 11:30 Uhr und für 12:00/12:30 Uhr, 18:00 Uhr, 22:00 Uhr in den News)
  • «Info3», 12:00 Uhr
  • «Rendez-vous» ab 12:30 Uhr
  • «Echo der Zeit» 18:00/19:00 Uhr
  • «SRF-Regionaljournal Aargau/Solothurn» ab 12:00/17:30 Uhr
  • 7. März 2018
  • «SRF-Regionaljournal Aargau/Solothurn» 06:30/07:30/08:30 Uhr

Radio SRF hat in seinen oben aufgeführten Informationsgefässen über den ENSI-Entscheid zur Wie­derinbetriebnahme des Atomkraftwerkes Beznau 1 am 6. und 7. März 2018 unter Einbezug sämtli­cher relevanten Akteure und ihrer jeweiligen Aussagen in entsprechender Breite und Tiefe berich­tet. Da sich der Hauptfokus der Informationen aufgrund des ENSI-Entscheids und der Begründung ergab, liegt es auf der Hand, dass die O-Tonanteile – wie dies Herr Michael Bolliger in seiner Stellung­nahme detailliert dargelegt hat – knapp eineinhalbmal länger ausfielen. Demgegenüber kamen die atomkritischen Stimmen mit sieben Personen, die befürwortenden mit zwei Personen mit ihren «best arguments» zum Zug.

Wenn ich nun sämtliche Sendungen und Beiträge, welche im Zusammenhang mit dem kürzlich gefäll­ten Entscheid des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates ENSI zur Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerkes Beznau 1 in Relation zur «Samstagsrundschau» setze, kann ich festhalten, dass SRF das Vielfaltsgebot auf jeden Fall eingehalten hat.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


Manfred Pfiffner
Stellvertretender Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/sendungen/samstagsrundschau/beznau-wieder-am-netz-probleme-bleiben

[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/entscheid-des-ensi-wie-sicher-ist-beznau-i

[3] https://www.srf.ch/sendungen/rendez-vous/kernkraftwerk-beznau-1-darf-wieder-ans-netz

[4] https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-aargau-solothurn/beznau-der-reaktor-in-doettingen-darf-wieder-ans-netz

[5] https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-aargau-solothurn/keine-millionaerssteuer-und-keine-polizisten-im-parlament

[6] https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/beznau-1-wieder-am-netz-hunderte-demonstrieren-gegen-das-wiederanfahren

[7] https://www.srf.ch/sendungen/samstagsrundschau/sendungsportraet

[8] Eichmann R. (2012): Journalismus. In: H. J. Kleinsteuber. Radio. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag. 250.

[9] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

[10] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Interviewstil in «Samstagrundschau» vor dem Ombudsmann

Interviewstil in «Samstagrundschau» vor dem Ombudsmann

Ombudsmann Roger Blum beschäftigte sich aufgrund einer Beanstandung der «Samstagsrundschau» mit dem Interviewstil der Radiosendung. Die Beanstanderin beklagt, CVP-Präsident Gerhard Pfister sei darin despektierlich und respektlos interviewt worden. Roger Blum kann die Beanstandung nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «Samstagsrundschau» fair ohne zu glänzen

«Samstagsrundschau» fair ohne zu glänzen

SVP-Präsident Albert Rösti gab in der Radiosendung «Samstagsrundschau» vom 25. Mai 2019 ein Interview. Der Politiker sei unfair behandelt worden, findet ein Beanstander und kritisiert das Interview als «rücksichtslos». Ombudsmann Blum kann die Beanstandung nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «Rundschau» berichtete angemessen über das EU-Rahmenabkommen

«Rundschau» berichtete angemessen über das EU-Rahmenabkommen

Ein «Rundschau»-Beitrag über die zähen Verhandlungen der Schweiz mit der EU wurde beanstandet. Gemäss der Beurteilung von Roger Blum ist der Bericht jedoch weder «unlauter» noch «tendenziös», wenngleich der Beanstander dies behauptete.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht