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Ombudsfall: Im «Club» wurde konstruktiv diskutiert

Die Ermordung einer Holocaust-Überlebenden, Antisemitismus und die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg – heikle Themen, die am 3. April 2018 im «Club» behandelt wurden. Dabei seien Aspekte unsachgerecht behandelt worden, so ein Beanstander – die Redaktion und der Ombudsmann sind anderer Meinung.

Es gibt nur noch wenige Menschen, die den Holocaust überlebt haben. Die direkt Erinnernden sterben weg – meist altersbedingt, manchmal aber auch nicht: So geschehen im März 2018 in Paris, wo die als Kind vor den Nazis geflohene Jüdin Mireille Knoll ermordet wurde.

Zur «Club»-Sendung vom 3. April 2018 wurden unter anderen zwei Zeugen des Holocaust eingeladen. Im Zentrum stand der gegenwärtige Antisemitismus in Europa sowie die Frage nach der Art und Weise, wie man sich an etwas erinnern soll, wenn niemand mehr davon erzählen kann. Weiterführend ging es darum, inwiefern Erinnerungen dabei helfen, dass Ausgrenzung, Hass, Rassismus und Antisemitismus nicht erneut so verheerende Folgen haben können.

Islamistischer Antisemitismus?

Der Beanstander erhebt zwei Hauptvorwürfe: Einerseits sei das Thema der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg einseitig diskutiert worden. So sei beispielsweise die Bedrohungslage, in der sich die Schweiz befunden hat, ausgeblendet worden. Auch hätten die Diskutierenden nicht berücksichtigt, dass die schweizerischen Entscheidungsträger in ihrem Handlungsspielraum aufgrund der geopolitischen Situation stark eingeschränkt waren.
Andererseits kritisiert der Beanstander, dass der «Islamistische Antisemitismus» zu wenig thematisiert worden sei. Vielmehr würden Leute, die auf die Gefahr des Islamismus für Europa und die Juden hinweisen, als faschistoid und islamophob dargestellt.

Verpasste Chance

In der Stellungnahme der Redaktion weisen Barbara Lüthi, Redaktionsleiterin und Moderatorin, sowie Erika Burri, Produzentin, zunächst auf den Charakter und die Machart der Sendung hin. Der «Club» ist eine Diskussionssendung, die unter Live-Bedingungen aufgezeichnet und ungeschnitten nur wenige Stunden nach der Aufzeichnung gesendet wird. Natürlich wird den Gästen dabei auch nicht vorgeschrieben, was sie zu sagen haben. Diese Faktoren haben zur Folge, dass die Sendung und die besprochenen Themen nur bedingt kontrolliert werden können.

Die verschiedenen Ausprägungen von Antisemitismus waren im Vorfeld der Sendung im Team diskutiert worden. Es wurde auch nach Studien unter dem Stichwort «Islamistischer Antisemitismus» gesucht. Allerdings gibt es dazu – wie in der Sendung erwähnt wurde – nur wenige empirische Daten. Und die vorhandenen sind umstritten – auch innerhalb jüdischer Kreise. Weiter war für die Sendung geplant, über Antisemitismus aus muslimisch-extremistischen Kreisen zu sprechen. Jedoch wurde diese spezifische Form von Antisemitismus von den Gästen der Sendung nicht thematisiert. In der internen Besprechung nach der Sendung war man der Meinung, dass damit eine Chance verpasst wurde – die Moderatorin hätte diesbezüglich explizit nachhaken sollen.

Kein religiöses Motiv

Burri und Lüthi weisen darauf hin, dass extremistisch motivierter Antisemitismus in der Schweiz ein Randphänomen sei. Auch der Mord an Mireille Knoll sei gemäss den Behörden zwar antisemitisch motiviert, jedoch handle es sich beim Täter offenbar nicht um einen Islamisten, sondern mehr um einen Mann mit starken psychischen Problemen und Vorstrafen. Von «islamistischem Antisemitismus» sei in diesem Fall nicht die Rede.
Den Vorwurf der einseitigen Diskussion der Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs weisen Lüthi und Burri jedoch in aller Deutlichkeit von sich und verweisen auf die diversen Wortbeiträge, Gäste und Perspektiven.

Blum unterstützt die Beanstandung nicht

In seiner Bewertung kommt Ombudsmann Roger Blum zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Die Diskussion im «Club» über die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg war, wie Blum betont, «keineswegs einseitig». Hinzu kommt die Programmautonomie, die der Redaktion das Recht gibt, ein Thema und die Perspektive auf dasselbe frei zu wählen. Bezüglich Diskussionssendungen gelten zudem weniger hohe Anforderungen als an Informationssendungen, weil die Redaktion die Äusserungen der Gäste nicht kontrolliert und auch nicht kontrollieren könnte. Eine Diskussionssendung verstösst demnach nur gegen das Sachgerechtigkeitsgebot, wenn ein zentraler Aspekt des Themas ausgeblendet und das Publikum dadurch manipuliert wird. Daher kann Blum die Beanstandung formal nicht unterstützen, auch wenn er mit dem Beanstander (und der «Club»-Redaktion) dahingehend übereinstimmt, dass der Aspekt des islamistischen Antisemitismus’ mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte.


Schlussbericht Ombudsstelle 5416

Zur Sendung «Club» vom 3. April 2018


Text: SRG.D/lh

Bild: Aus der Sendung «Club» vom 3.4.18. Screenshot, SRF.

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