Artikel «‹Riskantes Experiment›: Vollgeldinitiative praktisch chancenlos» von SRF News beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 14. Mai 2018 beanstandeten Sie den Artikel «‹Riskantes Experiment›: Vollgeldinitiative praktisch chancenlos» auf SRF News vom 4. Mai 2018.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Die SRF Umfrage zur Vollgeldinitiative wird als ‹Riskantes Experiment› betitelt. Dieser Titel erscheint manipulative einseitig meinungsbildend und nicht neutral zu sein.

Beanstandung des Sachgerechtigkeitsgebots: Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Sandra Manca, Bereichsleiterin SRF News, schrieb:

«Besten Dank, geben Sie uns Gelegenheit, auf die Beanstandung von Herrn X einzugehen. Herr X beanstandet eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots. Konkret rügt Herr X den Titel <‹Riskantes Experiment›: Vollgeld-Initiative praktisch chancenlos>. Dieser Titel sei manipulativ, einseitig meinungsbildend und nicht neutral.

In dem Onlinebeitrag geht es um die am 4. Mai veröffentlichte SRG-Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern zur Vollgeld-Initiative. Befragt wurden 1201 Personen. Die genauen Eckwerte sind online zu finden.[2]

Das Forschungsinstitut gfs.bern kommt zum Schluss, dass die Initiative zum Zeitpunkt der Umfrage an der Urne chancenlos sein dürfte. Lediglich 35 Prozent der Befragten wollen sicher oder eher ein Ja in die Urne legen. Das Nein-Lager ist mit 49 Prozent deutlich grösser.

Im Artikel wird gfs-Projektleiterin Martina Mousson wie folgt indirekt zitiert: <Am schwersten fällt bei den Befragten nämlich das Argument der Gegner ins Gewicht, eine Änderung des Finanzsystems wäre ein riskantes Experiment. Dieser Aspekt zeige sich in der Meinung der Befragten als eigentlicher Schwachpunkt der Initiative.>

Die gleiche Aussage findet sich auch im Originalbericht des Forschungsinstituts auf Seite 8:[3]

<Auf der Contra-Seite wird der Wechsel auf ein Vollgeld-System von 69 Prozent als riskantes Experiment gesehen. Dass es mit dem Systemwechsel zum Vollgeld künftig schwieriger und teurer werde, Kredite zu erhalten, bejahen 54 Prozent der Teilnahmewilligen. Und dass die Nationalbank aufgrund der Verpflichtung, Geld künftig schuldfrei in den Umlauf bringen zu müssen, politisch unter Druck gerate, sehen 51 Prozent als gegeben.>

Die Zeile <‹Riskantes Experiment›: Vollgeld-Initiative praktisch chancenlos>, ist demnach sachgerecht und gibt die Aussage der gfs-Umfrage korrekt wieder. Durch die Anführungszeichen bei ‘Riskantes Experiment’ wird zudem deutlich gemacht, dass es sich um ein Zitat handelt und nicht um eine Bewertung oder Aussage der Redaktion.

Wir bitten Sie die vorliegende Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Der Text auf SRF News ist ein völlig korrektes Stück Präzisionsjournalismus. «Präzisionsjournalismus» nennt man jenes Journalismuskonzept, das sozialwissenschaftliche Daten präzis und verständlich vermittelt. Das können Daten aus Meinungsumfragen sein, aber auch aus anderen statistischen Erhebungen. Die SRG bestellt vor jeder Volksabstimmung beim Forschungsinstitut GfS-Bern Erhebungen in zwei Wellen, die durch repräsentative Befragungen ermittelt werden. Die Sender der SRG sind dabei in einer etwas heiklen Situation, weil sie über etwas berichten, was ihr eigenes Haus in Auftrag gegeben hat und finanziert. Allerdings bestellt ja die SRG nicht ein bestimmtes Resultat, sondern sie gibt Forschung in Auftrag, die neutral und objektiv herausfinden soll, wie das stimmwillige Volk denkt und welche Absichten im Hinblick auf den Urnengang es hat. Damit keine Befangenheit aufkommt, lässt SRF die Ergebnisse durch die Autoren der Studie aus dem Forschungsinstitut GfS-Bern kommentieren, diesmal durch die Politikwissenschaftlerin Martina Mousson.[4] Und es ist sie, die aufgrund der Daten sagt, die große Gruppe der Gegner betrachte die Vollgeldinitiative als «riskantes Experiment». Deshalb steht der Titel «Riskantes Experiment» als Zitat in Anführungszeichen; das ist Ihnen offenbar entgangen.

Satzzeichen sind ein wesentliches Element der deutschen Sprache: Wer sie weglässt oder falsch setzt, verzichtet auf entscheidende Finessen. Was das bewirken kann, bewies Globi: Da er in der Schule dumme Streiche spielte, musste er zur Strafe 50mal den Satz an die Tafel schreiben: «Der Lehrer sagt, Globi sei frech». Globi aber schrieb: «Der Lehrer, sagt Globi, sei frech.»

Zurück zum Artikel: Der Text enthält alle Elemente einer neutralen und an Aufklärung orientierten Umfrage-Berichterstattung. Er gibt an, wer die Studie in Auftrag gegeben hat, wer sie durchgeführt hat, wann sie durchgeführt wurde, wie viele stimmberechtigte Personen befragt wurden und wie groß die Fehlerquote ist. Man kann die Stimmabsichten insgesamt und differenziert nach Parteien, Sprachregionen und Altersgruppen erfahren. Alles ist absolut sachgerecht. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/vollgeld-initiative/erste-srg-umfrage-riskantes-experiment-vollgeld-initiative-praktisch-chancenlos

[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/die-eckwerte-der-srg-umfrage-so-befragt-das-institut-gfs-bern

[3] Vgl. Beilage Bericht gfs.bern

[4] http://www.gfsbern.ch/de-ch/Das-Institut/Team/martina-mousson

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