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40 Jahre Regi - Erst war die Kakofonie

2018 feierten die Regionaljournale ihren 40. Geburtstag. Doch bis es zu den täglichen Lokalsendungen kam, mussten einige Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Eine bewegte Geschichte.

«Da isch sRegionaljournal us em Studio Züri ... Regionaljournal Innerschwiiz am Mikrofon ... Ostschwiiz ... Züri startet ... eusi Erstusgab us de Innerschwiiz ...» Als am 23. November 1978 um 18.04 Uhr das Regi-Signet erstmals aus dem Äther klang, traute das Publikum seinen Ohren nicht: Ein heilloses Durcheinander von Stimmen, Signeten und Musik ertönte aus den Transistorradios. Der damalige Zürcher Moderator und spätere «Tagesschau»-Sprecher Stefan Tabacznik erinnert sich: «Im Kopfhörer habe ich nur unsere eigenen Beiträge gehört. Irgendwann habe ich aufgeschaut und gesehen, dass die Kollegen in der Regie aufgeregt und wild gestikulierend hin- und herrannten.» Dann wurde die Sendung abgebrochen.

In aller Munde

Grund für die Kakofonie: Ein Lehrling der PTT (heute Swisscom) hatte es verpasst, die Sender technisch zu trennen, ­sodass Moderationen und Musik der Redaktionen Zürich, Innerschweiz und Ostschweiz gleichzeitig zu hören waren. Geschadet hat der Fehlstart nicht. Im Gegenteil: Dank der Panne waren die Regis in aller Munde und als ab dem zweiten Tag noch mehr Publikum vor dem Radio sass, liefen die Regis pannenlos über den Äther. So aufregend die Premiere war, so beschwerlich war der Weg bis dorthin. Immer wieder waren es die Mitgliedgesellschaften, die nach mehr Gewicht ihrer Regionen im schweizerischen Rundfunk drängten: «Den Trägerschaften war es wichtig, dass nebst nationalen und internationalen auch lokale und regionale Nachrichten Platz bekommen», erklärte der Vater der Regionaljournale, der 2010 verstorbene Tino Arnold, in einem Interview 2008.

Programmkommissionen als Produzenten

Bern, Zürich und Basel hatten ihre eigenen Studios, um ihre Nachrichten zu verbreiten. Nicht aber die Mitgliedgesellschaften Innerschweiz, Ostschweiz und die rätoromanische Schweiz. Für sie wurden deshalb Anfang der 1960er Jahre die ersten «Versuchs-Lokalsendungen» eingeführt: Die Innerschweizer durften aus Basel senden, die Ost- und die rätoromanische Schweiz genossen Gastrecht in Zürich. Erst eine halbe Stunde alle paar Wochen, dann eine Stunde jede Woche. Den Inhalt produzierten «hauptamtliche professionelle Programmbetreuer», die gleichzeitig für die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden zuständig waren, als Bindeglied zur Mitgliedgesellschaft fungierten und in den jeweiligen Programmkommissionen (PK) sassen.

Die PKs von damals, die sich vornehmlich aus Lehrern, Zeitungsjournalisten und Schriftstellern zusammensetzten, waren nicht nur als Ideenlieferanten geschätzt, sondern produzierten gleich selber ganze Beiträge. Ihr Einfluss auf das Programm wurde im Laufe der Jahre immer weiter zurückgebunden. Heute haben sie noch eine Beobachterrolle für die Regionaljournale.

Abschied der Sendeautonomie

Auch die Studiogesellschaften mussten Federn lassen: Mit der Ablösung des Senders Beromünster durch DRS Mitte der 1960er Jahre wurden die Aufgaben neu verteilt: Bern erhielt die Information, Zürich Musik und Literatur und Basel die Unterhaltung. «Für die drei Studiogesellschaften bedeutete dies der Abschied von der Sendeautonomie. Die Trägerschaft war fortan nur noch für die Lokalsendungen zuständig», erinnert sich Sepp Gumann, ehemaliger Chef Studioverwaltung Zürich und heutiges Mitglied der Finanzkommission SRG Zürich Schaffhausen.

Als die Radiotechnik immer einfacher wurde, kamen bei den verschiedensten Gruppierungen Begehrlichkeiten nach einem eigenen Sender auf. Lange vor Radio 24 sendeten die ersten Radiopiraten in Nacht- und Nebelaktionen vom Uetliberg und wollten DRS die Monopolstellung streitig machen. Auch den Mitgliedgesellschaften genügte ein wöchentliches Fenster nicht mehr: «Wir waren der Ansicht, dass das schnellste Medium auch im regionalen Raum das schnellste sein sollte», so der Urner Tino Arnold damals. Mit Hilfe der Trägerschaften setzte er an der Delegiertenversammlung 1970 den Entscheid durch, eine tägliche Lokalsendung einzuführen.

Erst 1984 komplett

Drei Jahre tagte eine Arbeitsgruppe ergebnislos, bis Arnold 1974 die Leitung übernahm und noch im gleichen Jahr Konzept und Budget für sechs Regionaljournale vorlegte. Am 18. November 1974 beschlossen die Delegierten aller Kantone der Deutschschweiz mit nur einer Gegenstimme die Einführung von täglichen Lokalsendungen. Bis zur Premiere dauerte es weitere vier Jahre, weil zuerst zahlreiche Infrastruktur-, Finanz- und Betriebsfragen zu lösen waren. Gesendet wurde 1978 für nur fünf Regionen: Nicht dabei waren die Kantone Aargau und Solothurn. Einerseits fehlte es an «abtrennbaren» Sendern, andererseits an einer Trägerschaft, die sich dafür hätte starkmachen können. Erst nach der Gründung der Radio- und Fernsehgesellschaft Aargau-Solothurn (RFGAS) 1980 erhielten die Mittelland-Kantone am 2. Januar 1984 ihr eigenes Regionaljournal.

Auf der ganzen Welt präsent

Inzwischen hat sich der Radiomarkt gewandelt: Nach dem illegalen Start von Radio 24 1979 dürfen seit 1983 private Anbieter Lokalradios mit Regionalnachrichten betreiben. Immer wieder werden seither Forderungen laut, das Regionaljournal abzubauen und die lokale Berichterstattung ganz den Privaten zu überlassen. Doch die Regis haben bisher alle Unkenrufe und Sparmassnahmen überlebt und sind heute aus der Schweizer Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken, als Garant für regionale Qualitätsinformationen und gleichzeitig als «Ausbildungsstätte»: Regelmässig werden Regi-Schaffende für das nationale Programm nach Zürich, Bern oder Basel abgeworben.

Und nicht zuletzt konnten die Regionaljournale ihre Sendezeit von einst 17 Minuten auf fünf Einschaltungen mit über 50 Minuten ausbauen und sind heute – dank Internet – nicht mehr nur regional, sondern auf der ganze Welt präsent.


Gespräch mit Regi-Urgestein Stefan Tabacznik (3.1.2016)


Lesetipp!
Wer noch mehr Details zu den schwierigen Anfängen erfahren möchte, dem sei das Buch «Erinnerungen an den Journalismus» (2008, Rotpunktverlag, Zürich) von Otmar Hersche empfohlen. Der damalige Programmdirektor von Radio DRS erinnert sich darin, welche Hürden überwunden werden mussten, bis die Regis sendebereit waren.


Text: Patricia Diermeier Reichardt

Bild: SRF

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