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«Arena» zum Thema «Gekaufte Abstimmungen?» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. November 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» (Fernsehen SRF) vom 23. November 2018 zum Thema «Gekaufte Abstimmungen?».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«An und für sich finde ich die Idee der Arena gut.

Was ich nicht gut finde und deshalb beanstande ist folgendes. Kaum hat eine Person das Wort ergriffen, zeigt und schaut der Moderator schon zu einer Person, die darauf antworten soll, obwohl weder er noch der nun abgelenkte Antworter der sprechenden Person nur schon ansatzweise zugehört hätte. Diskutieren bedeutet zuerst einmal zuhören. Das sollte sich Projer hinter die Ohren schreiben.

Die Diskussion mit den Schreihälsen und Dreinschwatzern Portmann und dem NR von der SVP und dem Beobachterredaktor ist ja völlig aus dem Ruder gelaufen. Projer verliert die Autorität, weil er selber nicht zuhören kann, hektisch und aktivistisch und dadurch unglaubwürdig wird. Seine Gesten sind hilflos und wirkungslos. Und das überträgt sich auf die Gesprächsteilnehmer.

Übrigens: Gäste wie letzten Freitag, die mit Hilfe des Stimmorgans eine Frau nicht zum Wort kommen lassen, verstossen gegen Knigge und sollten nie wieder eingeladen werden. Die Arena sollte sich einen Verhaltenskodex geben. Wer dagegen verstösst, wird einfach nicht mehr eingeladen. Wer anderen ins Wort fällt ebenfalls. Das Klima ist deshalb teilweise so vergiftet, weil man nicht mehr zuhören will. Da hat SF in seinen eigenen Reihen zu lernen.

Ich fordere SF auf, eine klare und spürbare Kurskorrektur vorzunehmen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Arena» äußerte sich Frau Franziska Egli, Teamleiterin der Sendung:

«Besten Dank für Ihr Schreiben. Gerne nehme ich zu ihrer Beanstandung zur Sendung vom 23. November ‘Gekaufte Abstimmungen?’ Stellung.

In der Tat verlief die Diskussion über mehr Transparenz in der Politikfinanzierung teilweise turbulent und war nicht einfach zu steuern. In einer Diskussionssendung wie der ‘Arena’ kommt es jedoch immer wieder vor, dass sich Gäste gegenseitig ins Wort fallen. Wie bei einer guten, engagierten Diskussion am Küchentisch zuhause geschieht das auch in der ‘Arena’. Des Öfteren wird heftig diskutiert, was zur Folge hat, dass die Lage auch mal unübersichtlich wird. Gleichzeitig lebt die ‘Arena’ von den engagierten Voten ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Eine solche Sendung zu moderieren ist daher eine grosse Herausforderung: Einerseits muss der Moderator ausgleichend eingreifen, wenn eine Seite unterzugehen droht oder zu oft das Wort an sich reisst. Andererseits muss er – was gerade in Sendungen wie dieser notwendig ist – die Diskussion so gut als möglich in geordnete Bahnen lenken, oder dies zumindest versuchen: Oftmals möchten alle anwesenden Gäste gleichzeitig auf ein Votum reagieren. Um zu verhindern, dass alle Gäste gleichzeitig sprechen, versucht der Moderator durch Blickaufnahme oder Handzeichen vorab anzudeuten, wer in der Folge das das Wort erhält.

Hierzu eine paar Ausführungen von Jonas Projer, Moderator der ‘Arena’:

<Als Moderator der ‘Arena’ ist es meine Aufgabe, die Diskussion flüssig zu behalten, so dass auf eine Rede jeweils die Gegenrede folgt – und unter den Gästen möglichst keine Unklarheit entsteht, wer als nächstes das Wort erhält. Zu diesem Zweck ist es ein probates Mittel, per Blickkontakt den nächsten Redner zu suchen, sobald der aktuelle Redner das Wort ergriffen hat. Dies ist weder ein Zeichen von mangelndem Zuhören von meiner Seite, noch wird es von den Gästen als solches empfunden. Allen im Studio ist klar, dass der Moderator hier nur seinen Job macht – den Fluss der Sendung aufrecht zu erhalten.

Anders sieht es aus der Optik des Zuschauers aus. Und diese ist natürlich entscheidend.

Tatsächlich ist auch mir beim selbstkritischen Betrachten der Sendung kürzlich aufgefallen, dass ich den Blickkontakt zum nachfolgenden Redner in letzter Zeit etwas zu früh herstelle – so früh nämlich, dass diese nonverbale Handlung gelegentlich in der Totalen sichtbar ist, d.h. vor dem Schnitt auf den aktuell Sprechenden. Ich betrachte diesen zu frühen Blickwechsel als gestalterischen Fehler und habe den ‘Arena’-Produzenten explizit den Auftrag gegeben, mich wenn möglich schon während der Sendung via Kopfhörer darauf aufmerksam zu machen.

Mit anderen Worten: Ich arbeite daran, mir dieses ‘Mätzchen’ (solche schleichen sich beim Moderieren leider immer mal wieder ein) abzugewöhnen. Ihr Feedback ist also sehr willkommen und ich danke Ihnen herzlich dafür.>

Soviel zur Frage der Blicke und Handzeichen des Moderators. Obwohl die Diskussion in der betreffenden Sendung teilweise hitzig und temporeich war, wurde unseres Erachtens die Fairness stehts gewahrt. Die Redaktion beantragt daher, die Beanstandung abzulehnen.

Für Nachfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Das gewählte Thema war aktuell, weil für die gerade bevorstehende Volksabstimmung vom 25. November 2018 sehr große Summen in die Kampagnen geflossen waren, namentlich in jene für und gegen die Selbstbestimmungsinitiative. Und es war aktuell, weil die Transparenzinitiative demnächst ins Parlament kommt. Diese Volksinitiative «für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung»[2] wurde am 10. Oktober 2017 eingereicht; am 29. August 2018 verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft dazu. Es war daher aktuell zu fragen, ob Volksabstimmungen käuflich sind.

Die Frage ist aber gleichzeitig alt. Denn bereits 1982 veröffentlichte der Politologe Hans Peter Hertig den Aufsatz «Sind Abstimmungserfolge käuflich?»[3] Er kam in seiner Studie zur Antwort: Eher ja. 27 Jahre später stellte sich der Politologe Hanspeter Kriesi erneut die Frage: «Sind Abstimmungsergebnisse käuflich?»[4] Seine Antwort lautete: Eher nein. Es ist also wissenschaftlich nicht nachgewiesen, dass das Geld bestimmt, wer eine Abstimmung gewinnt. Dennoch sind natürlich teure Kampagnen nicht umsonst. Sie generieren Einfluss – auf die Argumente, auf die Kampagne der Gegenseite, auf die Mobilisierung. Doch wie der Politologe Claude Longchamp in der Sendung sagte, wirken vor allem die Parteiparolen auf die Meinungsbildung der Stimmberechtigten.

Doch Ihnen geht es gar nicht um das diskutierte Thema, sondern um den Stil der Debatte. Ich kann Ihnen beipflichten, dass sich in dieser Runde die Hauptredner sehr häufig ins Wort fielen. Anstifter war gewissermassen Otto Hostettler von lobbywatch.ch, der diesen Regelverstoß gleich von Anfang an unverfroren praktizierte und damit vor allem Nationalrat Claudio Zanetti, aber auch Nationalrat Hans-Peter Portmann auf den Geschmack brachte. Hier hätte der Moderator jeweils früher und energischer eingreifen sollen.

Aber war die Sendung dadurch einseitig und fehlerhaft? Hat die Redaktion das Publikum manipuliert? Ist jemand diskriminiert worden? Nein. Die Runde war ausgewogen zusammengesetzt. Die verschiedenen Aspekte des Themas kamen angemessen zur Sprache. Die Sendung war trotz der Stilmängel sachgerecht. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/gekaufte-abstimmungen

[2] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis466t.html

[3] Hertig, Hans Peter (1982): Sind Abstimmungserfolge käuflich? Elemente der Meinungsbildung bei eidgenössischen Abstimmungen. In: Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft 22, S. 35-57.

[4] Kriesi, Hanspeter (2009): Sind Abstimmungsergebnisse käuflich?, in: Adrian Vatter, Frédéric Varone, Fritz Sager (Hrsg.): Demokratie als Leidenschaft. Festschrift für Wolf Linder zum 65. Geburtstag, Bern: Haupt, S. 83-106.

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