SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Sendung «Wenn Landfrauen reisen», 2/3: Texas, USA beanstandet (II)

5678
Mit Ihrer E-Mail vom 10. Dezember 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Wenn Landfrauen reisen»; 2/3: Texas, USA (Fernsehen SRF) vom 7. Dezember 2018.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Beschreibung gemäss Homepage SRF:

‹2. Folge: Texas

Für die beiden Landfrauen Agnes Koch aus Gonten AI und Barbara Gerber aus Zollbrück BE, ist es das erste Mal, dass sie über die Landesgrenzen hinaus reisen – und dann gleich in die USA! Noch nie haben sie ihre Familien für eine solch lange Zeit nicht gesehen, entsprechend tränenreich fällt der Abschied aus. Untergebracht sind sie bei einer traditionell texanischen Farmerfamilie, bei Taunia Elick und ihrem Mann John. Seit Jahren führen sie diesen grossen Familienbetrieb, züchten Rinder, halten über 50 Pferde und beschäftigen Cowboys. Das Ziel der Familie Elick: aus den beiden Schweizerinnen wahrhaftige texanische Cowgirls zu machen.›

Aus dieser Beschreibung geht die Grausamkeit der Inhalte, welche leider dann in einer bestimmten Sequenz zu sehen sind, überhaupt nicht hervor! Es werden tierquälerische Praktiken gezeigt, indem ein Kalb kastriert wird, ihm die Hörner abgeschnitten werden und es gebrandmarkt wird - dies alles vor laufender Kamera! Es wird während des Sendungsverlaufs auch in keiner Art und Weise darauf hingewiesen, dass solche tierquälerische Gewalt und Grausamkeit - wie sie hierzulande verboten wäre - nun gezeigt wird. Eine der beiden Landfrauen (die Appenzellerin) ist durch dieses Vorgehen schockiert, aufgelöst und weint. Die andere der beiden Landfrauen (der Emmentalerin) scheint dies alles nichts auszumachen. Die Hoden des Kalbs streckt sie schliesslich in einem Tupperware wie eine Trophäe noch in die Höhe.

Bedenken die Sendungsverantwortlichen eigentlich auch, dass es sich hier (Sendungsbeginn ca. um 21 Uhr) noch um eine Familiensendung handelt?! Gleich vorher (20.05 Uhr) wird die ‘normale’ Landfrauen-Sendung ausgestrahlt. Es ist wohl klar, dass auch in der darauffolgenden Sendung mit dem ähnlichen Namen ‹Wenn Landfrauen reisen› (notabene an einem Freitag Abend) schweizweit noch etliche Kinder zuschauen, welche unvorbereitet auf diese Szenen treffen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung antwortete Frau Danielle Giuliani, Executive Producerin, Abteilung Jugend – Familie – Unterhaltung:

«In der Sendung reisen zwei ehemalige Landfrauen aus der ‹SRF bi Lüt›-Serie in ein ihnen fremdes Land. Es geht darum, dass die beiden Schweizer Landfrauen fremdländische Kulturen im ruralem Umfeld des bereisten Landes kennenlernen, sei es kulinarisch oder in der Landwirtschaft. Dazu gehört auch der Umgang mit Nutztieren eines bäuerlichen Betriebes. SRF bildet die landwirtschaftliche Tradition des fremden Landes ab, so wie sie ist.

Die Sequenz, in der die Kälber auf der texanischen Ranch enthornt und kastriert werden und eine Brandzeichen-Markierung erhalten, mag für einen Schweizer Zuschauer irritierend wirken. Diese Tradition entspricht aber der Realität in den USA. Bei uns wäre diese Methode der Kastration von Kälbern ohne Betäubung gemäss dem Schweizer Tierschutzgesetz undenkbar.

Der vollständige Pressetext beinhaltet noch zwei weitere Abschnitte. Im letzten davon wird angetönt, dass die beiden Landfrauen bei der amerikanischen «Delikatesse» an ihre Grenzen stossen:

‹Ende der Woche müssen die beiden Landfrauen ihrer amerikanischen Rancherfamilie ein Schweizer Menu ihrer Wahl kochen. Mit Rösti und Geschnetzeltem wagen sich die beiden nicht aufs Glatteis – aber ob das reicht, die Amerikaner von ihrer Küche zu überzeugen? Richtig Bauchweh macht den beiden eine texanische Delikatesse, die sie mitkochen dürfen: Calf Fries, frittierte Stierhoden. Bei diesem Gericht kommen beide so richtig an ihre Grenzen.›

Argumentation

Der Vorwurf, dass die Kommentarstimme nicht auf die bevorstehende Sequenz hinweist, können wir teilweise nachvollziehen. Wortlaut der Erzählstimme: TC 21.20 ‹D Methode vo de Kastration vo de Chälber sind da anders›. Man hätte diesen Satz pointierter formulieren können. Doch vor dem Satz ruft die Landfrau Barbara Gerber aus dem Emmental sich abwendend ‹Nei, nei, nei!› und die andere Landfrau Agnes Koch aus Appenzell hält sich die Ohren zu und entfernt sich.

Ein weiterer Vorwurf, dass die Redaktion solche fremdländischen Gepflogenheiten im Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft unkritisch behandle, stimmt so nicht ganz. Beide Landfrauen, Agnes Koch und Barbara Gerber haben eine klare Haltung zum Umgang mit den Tieren auf der texanischen Farm.

Wir erzählen die Geschichte zudem ganz bewusst aus der Perspektive von Landfrau Agnes Koch. Sie äusserst klar und deutlich ihr Entsetzen darüber und lässt die Zuschauerschaft an ihren Gefühlen teilnehmen. Sie erhält in dieser Sequenz deshalb deutlich die meiste Sendezeit. Damit zeigen wir klar auch unsere kritische Haltung.

Auch die zweite Landfrau Barbara Gerber ordnet das Geschehen innerhalb der Sequenz ein und stellt beispielsweise fest, dass dieser Umgang mit Tieren nach Schweizer Tierschutzgesetz undenkbar wäre und dieses Vorgehen gegenüber der Schweiz wie Tag und Nacht sei. Dass Barbara Geber das Tupperware mit den Hoden der Kälber als Trophäe in die Höhe hält, wurde inhaltlich nie so gedreht und ist eine reine Interpretation des Beschwerdeführers. Ganz im Gegenteil: Barbara Geber sagt dazu mit dem Tupperware in der Hand: TC 23.35 ‹S Branding isch weniger schlimm als das da (auf Tupperware klopfend) – das da ist heftig!› Damit manifestiert sie sehr deutlich ihre kritische Haltung.

Zudem haben wir versucht, die Enthornung, die Kastration sowie das Branding der Kälber soweit wie möglich zurückhaltend zu filmen.

Ein wichtiger Teil des Formates ist unter anderem die fremdländische Kulinarik des bereisten Landes. Nebst den fremden Praktiken in der Tierhaltung wollen wir ebenso den kulinarischen Aspekt dieses Gebrauchs abbilden. Stierhoden (‘spanische Nierli’) sind nicht nur in den USA als Delikatesse bekannt. Auf der texanischen Farm werden sie nur ein bis zwei Mal im Jahr zubereitet und gelten als besondere Spezialität. Beide Landfrauen haben auch dazu ihre Vorbehalte. Agnes Koch verweigert das Probieren der sogenannten ‘Delikatesse’, während Barbara Gerber – die Neugierigere der beiden – davon probiert.

Fazit

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es diesem Format entspricht – und auch richtig ist – die unterschiedlichen amerikanischen Praktiken der Tierhaltung gegenüber Schweizer Gepflogenheiten abzubilden, auch im Bewusstsein darüber, dass es auf einige Zuschauer verstörend sein könnte. Wir sind überzeugt, durch die Haltung und Äusserungen der beiden Landfrauen, insbesondere von Agnes Koch, auch die kritische Haltung der Redaktion genügend manifestiert zu haben. Den Vorwurf, mit der Kommentarstimme zu wenig vorbereitend auf die bevorstehende Sequenz hinzuweisen, lassen wir gelten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Der Film über die Reise der beiden Landfrauen Agnes Koch aus Gonten (AI) und Barbara Gerber aus Zollbrück (BE) auf eine Ranch in Texas ist gute Unterhaltung mit viel Emotionen. Er bringt dem Publikum die beiden Schweizer Frauen sowie die Landschaften, Mentalitäten und Bräuche von Texas nahe. Er macht deutlich, dass in Texas rohere Sitten herrschen als in der Schweiz, wird doch gesagt, dass Texas mit Hilfe der Waffen entstanden sei und dass die Waffe eine Selbstverständlichkeit sei nicht für den Schießsport, sondern für die Selbstverteidigung. So hätte es in der Schweiz im 19. Jahrhundert auch getönt, aber Helvetien hat sich weiterentwickelt. Und dies gilt auch für den Tierschutz.

Eine Unterhaltungssendung ist keine politische Sendung. Aber auch Unterhaltungssendungen haben sich an den Grundrechten, am Radio- und Fernsehgesetz, an der Medienethik und an den publizistischen Richtlinien von SRF zu orientieren. Die Szenen, in denen in dem Film Kälber ohne Betäubung gebrandet, enthornt und kastriert werden, sind heftig. Die Tiere leiden ganz offensichtlich. Es stimmt zwar, dass die Szenen zurückhaltend gefilmt werden. Es stimmt auch, dass sich Agnes Koch durch deutlichen Protest distanziert und dass sie durch den Vorgang emotional heftig geschüttelt wird. Das reicht aber nicht, zumal Barbara Gerber das Geschehen eher auf die leichte Schulter nimmt. In abgeschwächter Form wiederholt sich die Konstellation bei der Zubereitung und beim Essen der Kalbshoden, ähnlich beim Fischen. Keine Frage, dass man die texanischen Bräuche und Verhaltensweisen zeigen muss. Die Frage ist aber, wie sie eingeordnet werden. Der Protest einer der Landfrauen reicht meines Erachtens nicht.

Die Schweiz unterscheidet zwar zwischen Menschenrechten und Tierrechten, aber die billigt den Wirbeltieren eine eigene Würde zu. Dies kommt in zwei Artikeln der Bundesverfassung zum Ausdruck: Artikel 80 behandelt den Tierschutz, Artikel 120 redet im Zusammenhang mit Gentechnologie von der «Würde der Kreatur». [2] Die Artikel lauten:

Art. 80 Tierschutz

1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere.

2 Er regelt insbesondere:
a. die Tierhaltung und die Tierpflege;
b. die Tierversuche und die Eingriffe am lebenden Tier;
c. die Verwendung von Tieren;
d. die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen;
e. den Tierhandel und die Tiertransporte;
f. das Töten von Tieren.

3 Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.

Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich

1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt.

2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.

Im Tierschutzgesetz[3] benennt der Bund als Zweck des Erlasses, «die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen» (Art. 1). In Artikel 3 steht: «Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird (...).» Solche Missachtungen werden nach Artikel 26 mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafen geahndet.

Diese Gesetzgebung kommt nicht aus dem Nichts; sie wurde dem Schweizer Volk nicht von irgendwelchen fremden Geistern aufoktroyiert. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesellschaftlichen Moral, das Resultat dessen, was mehrheitlich als richtig empfunden wird. Sie ist common sense.

Nun geht es überhaupt nicht darum, die Texaner wegen ihrer anderen Auffassung zu verurteilen und sie als schlechtere Menschen hinzustellen. Aber Sendungen von SRF werden für das Schweizer Publikum gemacht. Darum können Recht, Ethik und Moral, die in der Schweiz gelten, zum Maßstab genommen werden. Die Redaktion hätte sich daher im Off-Kommentar viel deutlicher von den texanischen Praktiken distanzieren müssen. Da sie das nicht getan hat, unterstütze ich Ihre Beanstandung. Der Jugendschutz allerdings fällt außer Betracht, da das Programm ab 20 Uhr als Erwachsenenprogramm gilt.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/tv/wenn-landfrauen-reisen/video/wenn-landfrauen-reisen-23-texas-usa?id=6bbc38b5-bcd3-45d1-8933-6bf41e140295

[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html

[3] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20022103/index.html

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Zur Ausstrahlung des Internationalen Zirkusfestivals von Monte Carlo am 19. April 2019 sind bei der Ombudsstelle vier Beanstandungen eingegangen. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandungen nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

«DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung eines «Dok»-Films über verschleierte arabische Touristinnen nicht unterstützen. Der Beanstander ist der Ansicht, der Film habe die Verschleierung verharmlost und salonfähig gemacht. Ombudsmann Roger Blum kann diese Argumentation nicht teilen.

Weiterlesen

Bild von «DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

«DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

Ombudsmann Roger Blum hatte zwei Beanstandungen des «DOK»-Films «Hüslischweiz ohne Ende» vom 8. Dezember 2016 zu behandeln. Während ein privater Beanstander sich vor allem am Wort «Hüsli» stört, beanstandet der Hauseigentümerverband den ganzen Film als einseitig. Ombudsmann Roger Blum kann beide Beanstandungen nur teilweise unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht