SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Facebook-Eintrag von SRF News über die Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin beanstandet

5695
Mit Ihrem Brief vom 22. Dezember 2018 beanstandeten Sie den Facebook-Eintrag von SRF News über die Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin.[1]I hre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Mit einem Posting vom 20. Dezember 2018 auf ihrer Facebook-Seite behauptet SRF NEWS, Zitat: <Russlands Präsident Wladimir Putin kann die Kritik an seiner Aufrüstungspolitik nicht verstehen - im Gegenteil.> Das als Lead über einem Bild von Putin mit grimmigem Gesicht und dem Zitat: <Wir wahren nur die Balance.>[2]

Gegenstand der Beanstandung:

1. Die Fragestellung des Journalisten im Zusammenhang mit der Bedrohung durch einen Atomkrieg enthielt keine Kritik.

2. Das im Bild verwendete Zitat <Wir wahren nur die Balance> hat Putin so nicht gesagt.

3. Das von SRF NEWS für das Posting verwendete Bild von Putin stammt nicht aus der Sequenz, in der er sich zu den Gefahren eines Atomkrieges äusserte.

Daraus resultieren folgende konkrete Vorwürfe:

1. SRF NEWS übernimmt ungeprüft, oberflächlich und tendenziös Meldungen von anderen Medien, die sich erklärtermassen dem transatlantischen Bündnis verschrieben haben.

2. Der Beitrag von SRF NEWS ist gänzlich konstruiert und entspricht nicht den Tatsachen.

3. SRF NEWS betreibt Hetze und diskriminiert den Präsidenten der Russischen Föderation.

4. SRF NEWS führt das Publikum absichtlich in die Irre.

5. SRF NEWS verbreitet falsche Nachrichten, sog. Fake News.

6. SRF NEWS betreibt Propaganda.

Erläuterung der Beanstandung und Vorwürfe sowie Fragen dazu:

Die Wortwahl von SRF NEWS in besagtem Posting legt die Vermutung nahe, dass aus einem Videobeitrag von WELT online abgekupfert wurde. Der Ausspruch <Wir wahren nur die Balance> findet sich wortwörtlich in erwähntem Videobeitrag von WELT online wieder.[3] Der allerdings stammt so vom Sprecher des WELT-Videos. Wladimir Putin hingegen sagte: <Wir wollen keine Vorteile, wir versuchen, die Balance zu halten, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.> Während das Video des Nachrichtenportals WELT genauso tendenziös daherkommt wie der hier beanstandete SRF NEWS-Beitrag, findet sich in der Beschreibung zum Video ein durchwegs sachlicher Bericht.[4] <Die Welt ist eine deutsche überregionale Tageszeitung des Verlagshauses Axel Springer SE. Von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs in der Britischen Besatzungszone in Hamburg gegründet, erschien sie erstmals am 2. April 1946 und wurde 1953 vom Verleger Axel Springer übernommen >[5]

Meine Frage also: Wem und wozu soll der beanstandete SRF NEWS-Beitrag nützen? Sollte er der Aufklärung und Information des Publikums dienen, dann ist er eindeutig falsch. Eine eigentliche Lüge.

Selbst wenn sich aus der Frage des Journalisten eine versteckte Kritik ableiten liesse: Putin hat mitnichten Unverständnis gezeigt. Das pure Gegenteil war der Fall: Er hat dem Fragesteller ausdrücklich beigepflichtet! Die eigentliche Frage, nämlich wie er den Fragesteller und seinen kleinen Sohn, der sich auch vor einem Atomkrieg fürchte, beruhigen könne, beantwortete Putin sinngemäss damit, dass er auf einen Sieg der Vernunft hoffe.[6] Mit der Unterstellung, Putin könne die Kritik an seiner Aufrüstungspolitik nicht verstehen, kanzelt ihn SRF NEWS quasi zum unverständigen Deppen oder Irren herab, was mit der Behauptung ‚im Gegenteil‘ noch untermauert wird. Für ein Staatsoberhaupt ist das diskriminierend.

Der ganze kurze Beitrag, inkl. der Wahl des Bildes, ist eine einzige Konstruktion, die darauf abzielt, den russischen Präsidenten beim Publikum in ein schlechtes Licht zu rücken. In den vergangenen Jahren wurde dieser Versuch von SRF wiederholt unternommen und u.a. von mir entsprechend beanstandet.

Meine Frage hierzu: Warum beschäftig SRF Mitarbeiter, die sich in wiederholter Weise nicht an journalistische Gebote halten und bei denen entsprechende Kritik seitens der Ombudsstelle offensichtlich wirkungslos abplätschert? Journalismus ist doch der Wahrheit verpflichtet. Wäre es nicht endlich an der Zeit, die schwarzen Schafe bei SRF an die frische Luft zu setzen? (Wie gerade beim SPIEGEL geschehen.) Solche eigentlichen Propagandisten schaden dem Ruf von SRF. Und sie bekommen ihr Salär notabene vom Gebühren bezahlenden Publikum, das ein Recht darauf hat, wahrheitsgetreu informiert zu werden.

Fazit:

Der beanstandete Beitrag diskriminiert den russischen Präsidenten und verstösst gegen das Prinzip der Grundrechte und Menschenwürde. SRF NEWS verstösst - wiederholt und massiv - gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für SRF News äusserte sich Frau Sandra Manca, Bereichsleiterin von SRF News:

«Besten Dank für die Gelegenheit, zur Beanstandung von Frau X vom 20. Dezember 2018 Stellung zu nehmen, die sich auf einen Post von SRF News auf Facebook vom 20. Dezember 2018 bezieht.

Die Beanstanderin kritisiert, dass SRF News ungeprüft und tendenziös Meldungen von anderen Medien übernehme, <die sich erklärtermassen dem transatlantischen Bündnis verschrieben hätten>. Der Facebook-Post sei <gänzlich konstruiert und entspreche nicht den Tatsachen>, SRF News betreibe damit Hetze und diskriminiere Vladimir Putin, führe das Publikum absichtlich in die Irre und verbreite damit falsche Nachrichten.

Dies Anschuldigungen weisen wir entschieden zurück.

Das Zitat <Wir wahren nur die Balance> war tatsächlich eine der Hauptaussagen der Pressekonferenz. Der Agenturtext der sda/dpa vom 20.12.2018 dazu lautete folgendermassen:

Moskau (sda/dpa) Der russische Präsident Wladimir Putin hat davor gewarnt, die wachsende Gefahr eines Atomkriegs zu unterschätzen. <Wenn, Gott verhüte, so etwas passiert, kann das zur Vernichtung der ganzen Zivilisation führen, wenn nicht des ganzen Planeten>, sagte er am Donnerstag.

Die Verantwortung für die wachsende Gefahr sah er aufseiten der USA, die wichtige Rüstungskontrollverträge gekündigt hätten. Russland wolle mit neuen Waffen nur das Gleichgewicht halten. <Wir wahren nur die Balance, sorgen für unsere Sicherheit>, sagte Putin vor Journalisten in Moskau.

Besorgniserregend sei, dass in militärischen Planspielen die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen sinke. Gefährlich seien auch US-Pläne, Interkontinentalraketen mit konventionellen Sprengköpfen zu bestücken. So bleibe für den Gegner unklar, wie er reagieren solle.

Zum Thema publizierten wir einen eigenen Artikel.[7] Naheliegend ist auch, dass das Bild der Agentur Reuters tatsächlich von besagter Medienkonferenz stammt, was sich etwa am selben blauen Hintergrund und am selben Mikrofon ersehen lässt. Zugegebenermassen ist die Wahl des Bildes nicht geglückt – und suggeriert einen aggressiven Ton. Wir haben die Beanstandung daher zum Anlass genommen, die Social Media-Redakteuren bezüglich Post-Text und Bildauswahl zu sensibilisieren. Im aktuellen Newsletter an die Redaktion schreiben wir u.a. dazu:

<Auf Social Media werden News in der Regel verkürzt dargestellt. Um ein Thema für ein teils eher ‘newsdepriviertes’ Publikum aufzubereiten, muss der Sachverhalt vereinfacht, teils sogar zugespitzt werden, der Text auf ein Minimum reduziert. Auf Social Media gilt oft: Mut zur Lücke. Eine Geschichte kann nicht immer von A bis Z erzählt werden, manchmal müssen wir uns auf einen Aspekt konzentrieren. Trotz allem arbeiten wir nach den publizistischen Leitlinien und sind als Journalisten der sachgerechten, ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet.

Umso wichtiger ist es, bei politischen Auftritten und Reden sorgfältig abzuwägen, wie wir einen Post gestalten. Hierfür gilt:

  • Bildauswahl sorgfältig: Das Bild darf auf keinen Fall die Botschaft verfälschen. Siehe Beispiel Putin: Hier wurde ein aggressives Bild verwendet, das die Aussage unsachgemäss in einem anderen Kontext darstellt.
  • Posttext so informativ wie möglich: Wenn ein Zitat aus einer Rede als Texttafel verwendet wird, braucht es im Posttext so viele Infos wie möglich. Wenn immer möglich mit kritischen Stimmen und/oder Einschätzung.
  • Wenn man der Kürze nicht gerecht wird: Lieber auf Publikation verzichten.>

Wir bitten Sie die vorliegende Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Facebook-Eintrags. Ihre Vorhaltungen stimmen. Ich habe mir den Verlauf der Jahresmedienkonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom 20. Dezember 2018 vor 1700 Journalistinnen und Journalisten auf Youtube im Original angeschaut.[8] Er machte längere Ausführungen zur Gefahr eines Atomkrieges und zur Rüstungspolitik. Er reagierte nicht auf Kritik, sondern auf die amerikanische Politik. Er sagte sinngemäß: «Wir wollen keinen Vorteil. Wir trachten einfach danach, das Gleichgewicht zu halten.» Während dieser Ausführungen hat er nie so geguckt wie auf dem Facebook-Bild.

Dennoch war die Arbeit von SRF nicht einfach «neben den Schuhen». Der Online-Bericht auf SRF News war korrekt. Der Bericht in der «Tagesschau am Mittag» war korrekt. Das Bild stammte vermutlich durchaus aus der Jahrespressekonferenz, aber aus einer anderen Sequenz.

Und Ihre Schlussfolgerungen sind nicht zutreffend: SRF bedient sich nicht einfach bei «Medien, die sich dem transatlantischen Bündnis verschrieben haben». Was wären denn das für Medien? Sicher nicht die «Welt», von der Springer-Chef Mathias Döpfner – die «Welt» gehört Springer - sagt, ihre Redaktion ticke mehrheitlich links.[9] Linke in Europa sind keine Atlantiker, keine Nato-Supporter, keine Bewunderer des amerikanischen Kapitalismus und der amerikanischen Suprematie. SRF orientiert sich an zugänglichen und glaubwürdigen Quellen. SRF betreibt daher keineswegs Hetze gegen den russischen Präsidenten und diskriminiert ihn. Erst recht verbreitet es nicht vorsätzlich Fake News und betreibt Propaganda.

Es ist nicht Aufgabe der Medien, einem Staatpräsidenten zu schmeicheln, ihn zu bewundern und zu belobigen. Es ist ihre Aufgabe, ihn kritisch zu begleiten. Das gilt gegenüber Putin genau so wie gegenüber Trump, gegenüber Macron oder Erdoğan, und ebenso gegenüber Regierungschefs wie Angela Merkel, Theresa May, Victor Orbán oder Ueli Maurer (und des gesamten Schweizer Bundesrats), und es gälte für jeweils inländische wie für ausländische Medien. Es ist aber zugleich die Aufgabe des Journalismus, fair zu sein und einem Politiker nicht Worte in den Mund zu legen, die er so nie gesagt hat, oder ihn unvorteilhaft abzubilden, nur um bestimmte negative Effekte zu erzielen. Es war sicher keine Glanzleistung, auf Facebook Putin auf diese Weise zu repräsentieren. Da aber die anderen Berichte über Putins Medienkonferenz sachgerecht waren, kann ich Ihre Beanstandung nur teilweise unterstützen.

Und ich begrüsse die Anweisungen, die SRF News neu der Social-Media-Redaktion gegeben hat, lebhaft. Diese Sensibilisierung ist erfreulich und nützlich. Sie ist nicht zuletzt dank Ihrer Beanstandung erfolgt.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.facebook.com/srfnews/photos/a.322215267893461/1942329119215393/?type=3&permPage=1

[2] Vgl. Anhang 1

[3] https://www.youtube.com/watch?v=28ye6AR4D6s&t=2s

[4] Vgl. Anhang 2.1

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Welt

[6] https://www.youtube.com/watch?v=VMk8JuHNqVc&t=22s

[7] https://www.srf.ch/news/international/putins-fazit-2018-russlands-praesident-warnt-vor-der-gefahr-eines-atomkrieges

[8] https://www.youtube.com/watch?v=FKpzJaACiSY

[9] https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/springer-ceo-doepfner-viele-verhalten-sich-unjournalistisch-ld.1457143

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Gewähltes Foto war zulässig

Gewähltes Foto war zulässig

Beanstandet wurde die Verwendung eines Agenturbildes in einem Online-Artikel über die Geschichte Schweizer Studentenverbindungen. Der Beanstander – der selbst auf dem Foto zu sehen war – sagt, es entstehe der Eindruck, dass er ein rechtsradikaler österreichischer Verbindungsstudent sei. Die Beanstandung wird nicht unterstützt.

Weiterlesen

Bild von Ein Kreuz für tote Tiere?

Ein Kreuz für tote Tiere?

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung des Beitrags «Wo die Wölfe wohnen» vom 22. Februar 2017 auf SRF News online nicht unterstützen. Ein Beanstander monierte die Verwendung des Kreuzsymbols für tote Wölfe in einer Infografik. Damit würden die religiösen Gefühle von Christen sowie das Grundrecht verletzt. Der Ombudsmann sieht insgesamt keinen Verstoss gegen gesetzliche Bestimmungen.

Weiterlesen

Bild von Demonstration von Putin-Gegnern beschäftigt die Ombudsstelle

Demonstration von Putin-Gegnern beschäftigt die Ombudsstelle

Ombudsmann Roger Blum behandelte eine Beanstandung eines Beitrags auf SRF News online über eine Demonstration von Putin-Gegnern in Moskau. Die Beanstanderin moniert, SRF habe einseitig zugunsten der Opposition berichtet und wichtige Informationen dem Publikum vorenthalten. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandung in den meisten Punkten nicht unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht