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«Echo der Zeit»-Beitrag «Anti-Homo-Manifest sorgt in den Niederlanden für Empörung» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 20. Januar 2019 haben Sie den Beitrag «Anti-Homo-Manifest sorgt in den Nieder­landen für Empörung»[1] in der Sendung «Echo der Zeit» bei Radio SRF 1 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Fristgerecht erhebe ich Beanstandung gegen die oben erwähnte Sendung gemäss RTVG, infolge un­richtiger und einseitiger Berichterstattung.

Zum Beitrag der Nashville-Erklärung in den Niederlanden

1. Sämtliche Unterstützer der sogenannten Nashville-Erklärung wurden als religiöse Fundamenta­lis­ten abgetan, was unredlich und falsch ist.

  • Nebst der ́Staatkundig Gereformeerde Partij ́ welche als klar orthodox-calvinistisch gilt und vor allem im sogenannten streng calvinistischen Bibelgürtel gewählt wird (Schwarzstrümpfler genannt), wurde die Erklärung auch teilweise von der ́ChristenUnie ́, welche klar reformierte (calvinistische) und klassisch evangelisch-freikirchliche Werte vertritt, sowie Parteiungebun­de­nen unterstützt.
  • Es ist grundfalsch, vor allem der ChristenUnie und anderen Unterzeichnenden Fundamentalis­mus vorzuwerfen, bei der SGP ist es auch grenzwertig.

2. Sehr viele Pastoren und auch katholische Priester haben diese Erklärung unterstützt, wie z. B. durch Idea-Mediendienst, Pro-Magazin, Demo für Alle und andere zu entnehmen war.

  • Hier wurde unsachlich, einseitig und fehlerhaft recherchiert, was SRF zu denken geben müsste.

3. Es ist überhaupt nicht verwerflich oder fundamentalistisch, Formen von LGBTI-Sexualität abzu­lehnen und als Perversionen und Sünde zu bezeichnen, die Bibel sagt dies sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament ganz deutlich, dass Homosexualität als Sünde abgelehnt wird.

  • Die römisch-katholische Kirche lehnt Homosexualität ab und spendet Ihnen keine Segnung oder Ehe und der aktuelle Papst fordert Therapien und Umkehr für Homosexuelle.
  • Die meisten evangelischen Landeskirchen sowohl in den Niederlanden wie der Schweiz lehnen Homosexualität ab und verweigern Segnungen, wobei es nicht einheitlich geregelt ist, sondern häufig dem Pfarrer oder der Pfarrerin vor Ort überlassen wird eine Segnung vorzunehmen oder nicht.
  • Sämtliche Landes- und Freikirchen in der Schweiz, welche bei der Evangelischen Allianz und- oder dem Freikirchenverband mitmachen lehnen Homosexualität ab, bieten Betroffenen je­doch Hilfe in Form von Gebet oder Therapie bei der Fachstelle Wüstenstrom oder einem christlichen Psychiater.
    • Es ist unangebracht, wenn nicht gar frech oder verleumderisch, diesen Gemeinden, egal ob in den Niederlanden oder der Schweiz, Fundamentalismus vorzuwerfen wie dies SRF in der Sendung getan hat.

4. Der Beitrag war teilweise verletzend für Menschen wie mich oder andere, die sich klar zum evan­gelisch-evangelikalen Glauben bekennen, sowohl auch für sämtliche Christen, welche Homosexua­lität und andere Genderformen grundsätzlich ablehnen und war somit geeignet, die Meinung Un­befangener einseitig zu beeinflussen.

  • SRF hätte unterschiedlich Ansichten zu diesem Thema nicht in die Nähe des Fundamentalis­mus oder Extremismus rücken dürfen und klarer zu Wort kommen lassen müssen.

Ich bitte Sie, vorliegende Beanstandung gutzuheissen. Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Vo­raus.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Beat Sol­termann, Redaktionsleiter «Echo der Zeit», Radio SRF, schrieb:

Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Er kritisiert den Beitrag[2] zur «Nashville-Erklärung» in den Niederlanden, über die das «Echo der Zeit» am 19. Januar 2019 berichtet hat. Wenn wir die Beanstandung richtig verstehen, macht Herr X die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots im Sinne von Art 4 Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) gel­tend.

Der Beitrag handelt von einer Erklärung, die rund 200 Geistliche und Politiker in den Niederlanden un­terschrieben haben. Darin wird die gleichgeschlechtliche Ehe abgelehnt und Homosexualität als Sünde bezeichnet. Das sorgte in den Niederlanden für Unmut. Im Bericht kommen zum einen die Emanzipations-Ministerin der niederländischen Regierung und die Bürgermeisterin von Amsterdam zu Wort, die sich beide gegen den Inhalt der «Nashville»-Erklärung aussprechen, zum anderen aber auch der Fraktionschef der «Staatskundig Gereformeerde Partij» (SGP), der die Erklärung unterstützt. Die Korrespondentin liefert im Lauftext den Kontext zur Geschichte: Ihren Ursprung hat die «Nashville-Erklärung» in den USA. Sie wurde dort von Evangelikalen verfasst und ist inzwischen in mehrere Spra­chen übersetzt worden. Auch ins Niederländische. Dort, einem Land, wo die weltweit erste Homo-Ehe geschlossen wurde, hat die Erklärung eine gesellschaftspolitische Debatte ausgelöst, über deren Hin­tergründe das «Echo der Zeit» berichtete.

Herr X scheint sich vor allem daran zu stören, dass im Beitrag die Unterzeichner der Erklärung als «Fundamentalisten» bezeichnet werden. Fundamentalismus ist eine Überzeugung, Anschauung oder Geisteshaltung, die sich durch ein kompromissloses Festhalten an ideologischen oder religiösen Grundsätzen kennzeichnet und das politische Handeln bestimmt. Es ist wichtig und richtig, dass wir im «Echo der Zeit» mit Charakterisierungen wie der bestrittenen vorsichtig umgehen – im vorliegenden Fall scheint sie uns allerdings zutreffend zu sein. Ihre politischen Forderungen leiten die Unterzeichner direkt aus der Bibel ab. Sie stützen sich dabei allein auf eine wörtliche Exegese einzelner Stellen, blen­den anders-lautende Bibelstellen aus und lehnen modernere Auslegungen der Heiligen Schrift ab.

Die Ansichten in der Erklärung sind zudem die einer religiösen Minderheit in den Niederlanden. Es sind hauptsächlich Menschen aus evangelikalen Kreisen. Die protestantische Kirche hat sich von der Sache distanziert. « Es scheint, dass auch protestantische Kirchen hinter der Erklärung stehen, es ist jedoch nur die Meinung einer kleinen orthodoxen Gruppe » , sagte ein Sprecher der Kirche dem niederländi­schen Fernsehsender AT5[3]. Die christlichen Parteien ChristenUnie und CDA distanzierten sich ebenfalls von der Erklärung. D ie Unterschriften-Sammlung ging offenbar sogar den Initianten zu weit. – laut Medienberichten haben sie die Aktion sistiert[4]. Dies alles deutet darauf hin, dass die in der Erklärung formulierten Forderungen keine Main-Stream-Ansichten sind.

Herr X verweist auch auf die Lehren anderer Kirchen wie der römisch-katholischen Kirche. Gene­rell lässt sich sagen, dass das Verhältnis dieser Kirchen zur Homosexualität ein differenzierteres ist als jenes, welches Herr X in der Beanstandung zeichnet. So hat Papst Franziskus zum Beispiel seine Kirche im Jahr 2016 dazu aufgerufen, sich für die Ausgrenzung und Diskriminierung Homosexueller zu entschuldigen. In den Niederlanden sahen sich diverse protestantische Pfarrer veranlasst zu betonen, dass ihr Gotteshaus allen offensteht. Wie im Beitrag zu hören ist, beginnen einige von ihnen ihre Pre­digt auch mit einer Grussbotschaft, um homosexuelle Kirchgänger besonders willkommen zu heissen.

Wir bedauern, dass sich Herr X durch den Beitrag «teilweise verletzt» fühlt, sind aber gleichzeitig überzeugt, dass unsere Berichterstattung über die «Nashville-Erklärung» nicht gegen Art. 4 RTVG verstösst. Wir bitten Sie daher, die Beanstandung abzulehnen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Beitrages. Sie kritisieren in Ihrer Beanstan­dung den knapp vierminütigen Beitrag «Anti-Homo-Manifest sorgt in den Niederlanden für Empö­rung»[5] in der Radiosendung «Echo der Zeit». Gemäss Sendungsportrait ist diese Sendung «die welt­offene, politische Abendsendung von Radio SRF»[6]. In ihr werden täglich die wichtigsten Ereignisse im In- und Ausland vertieft.

Im monierten Beitrag geht es darum, dass in den Niederlanden rund 200 Geistliche und Politiker die so genannte «Nashville-Erklärung» unterschrieben haben, in der Homosexualität als Sünde bezeichnet wird und dass dies im Land nun für Unmut sorgt. Sie kritisieren generell die unrichtige, einseitige und unsachliche Berichterstattung. Zudem finden Sie einzelne Aussagen als frech, verleumde­risch und teilweise verletzend. Ausserdem besanstanden Sie, dass «sämtliche Unterstützer der soge­nannten Nashville-Erklärung [...] als religiöse Fundamenta­lis­ten abgetan» wurden.

Beginnen wir beim letzten Punkt. Der «online-Duden» definiert «Fundamentalismus» wie folgt:

  1. geistige Haltung, Anschauung, die durch kompromissloses Festhalten an [ideologischen, religiösen] Grundsätzen gekennzeichnet ist [und das politische Handeln bestimmt]
  2. streng bibelgläubige Richtung des amerikanischen Protestantismus

Im Beitrag heisst es: «[...] die Unterzeichner sind hauptsächlich protestantische Fundamentalisten. Dabei handelt es sich um ein paar hunderttausend Menschen, aus dem niederländischen Bible-Belt, einem schmalen Gürtel, der sich vom Südwesten in den Nordosten zieht. Sie verschliessen sich dem alltäglichen Leben. Fernsehen und andere elektronische Medien sind verpönt. Ihre Partei, die «Staats­kundig Gereformeerde Partij», kurz SGP, ist mit drei Sitzen im 150-köpfigen Parlament vertreten». Es werden also nicht «sämtliche Unterstützer» als religiöse Fundamentalisten abgetan. Zudem trifft die oben stehende Definition von Fundamentalismus zu, und zwar sowohl der erste wie auch der zweite Punkt. Von einer Verleumdung oder verletzenden Äusserung ist nichts zu erkennen.

Die Ombudsstelle hat grundsätzlich zu prüfen, ob das Publikum durch die Sendung manipuliert und daran gehindert worden ist, sich frei eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe mir den Beitrag mehr­fach angehört und kann keinerlei manipulativen Elemente erkennen. So stützt sich der Bericht von Elsbeth Gugger auf seriös recherchierte Fakten. Zudem kommen Befürworter (Kees van der Staaij, Fraktionsvorsitzender SGP) und Gegner (Ingrid van Engelshoven, Emanzipationsministerin; Femke Halsema, Bürgermeisterin von Amsterdam) zu Wort. Ebenso kann ich keine verletzenden Äusserungen erkennen. An keiner Stelle des Beitrages wird versucht, die «Meinung Unbefangener einseitig zu beeinflussen», wie sie meinen.

Aus dem Gesagten komme ich zum Schluss, dass sich das Publikum frei eine eigene Meinung bil­den konnte und nicht beeinflusst wurde. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=9f653192-9c9a-4e1d-a1e2-cec4c6dd7008&startTime=3.514

[2] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/die-cvp-stellt-forderungen-zum-rahmenabkommen-mit-der-eu

[3] https://bit.ly/2TeiIo8

[4] https://bit.ly/2GaUhEv

[5] https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=9f653192-9c9a-4e1d-a1e2-cec4c6dd7008&startTime=3.514

[6] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/sendungsportraet

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