SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Heiratsantrag von Sven Epiney bei «Darf ich bitten?» beanstandet (V)

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Mit Ihrer E-Mail vom 8. April 2019 beanstandeten Sie die Szene mit dem Heiratsantrag von Sven Epiney in der Sendung «Darf ich bitten?» (Fernsehen SRF) vom 30. März 2019.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Nach langem Überlegen habe ich mich heute entschlossen, mich bezüglich der im Betreff erwähnten Sendung zu beschweren.

Der Grund: Völlig unvermittelt musste ich mir den Heiratsantrag von Herrn Epiney anschauen. Also das Ausnützen der Platform ‘Fernsehen’ von einem eigenen Mitarbeitenden zu eigenen Zwecken. Aufgrund der Reaktionen der Moderatorin Studer schliesse ich, dass der Antrag ‘guerilla-mässig’ erfolgte, ohne dass die Sendungsleitung darüber im Vorfeld informiert war.

Weshalb beschwere ich mich? Ich bin christlich erzogen, lebe traditionsbewusst und versuche mein Leben nach den Inhalten der Bibel zu leben. Damit einhergehend schaue ich auch keine Sendungen, zum Beispiel zu einer Love-Parade in Zürich und anderen Titeln (wo ich damit rechnen müsste, mit Dingen konfrontiert zu werden, welche mich anekeln, in meiner Geisteshaltung schwer treffen) - auch keine Diskussionssendungen zu, aus meiner biblischen Sicht, abartigen Themen.

Bei einer Tanzsendung darf ich grundsätzlich davon ausgehen, dass ich nicht mit solchem konfrontiert werde.

Es hat mich sehr getroffen. Ich kann noch immer nicht glauben, was sich dort auf der Bühne abgespielt hatte. Ich habe die Sendung nicht zu Ende schauen können.

In der Bibel gibt es Mann und Frau. Natürlich auch Kinder. Es gibt keine Schwulen, keine Lesben, keine was auch sonst noch für ‘Sonderbarkeiten’. Es gibt aber auch die Geschichte zu Sodom und Gomorrha. Mehr dazu brauche ich wohl an dieser Stelle nicht zu schreiben. Bekanntlich wurden die beiden Städte ausgelöscht.

Ein Mitarbeiter des Fernsehens, welches ich mit der Fernsehsteuer zwangsfinanzieren muss, nimmt sich heraus, das grösstmögliche Publikum für seine, in meinen Augen kranke Sache zu belästigen.

Dies finde ich nicht gut. Ich finde es völlig daneben.

Ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen!»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Darf ich bitten?» antwortete Frau Sabine Schweizer, Senior Producer, Bereich Show:

«Hiermit nehme ich Stellung zur Beanstandung von Herr X gegen die Sendung ‘Darf ich bitten?’ vom 30. März 2019. Seine Beanstandung richtet sich gegen den Heiratsantrag von Sven Epiney in der Finalshow.

Einerseits möchte ich Herr X darauf aufmerksam machen, dass Sven Epiney bei ‘Darf ich bitten?’ nicht Gastgeber, sondern Protagonist war und dementsprechend in einer anderen, für ihn ungewohnten, Rolle tätig war. Als Kandidat von ‘Darf ich bitten?’ musste Sven Epiney, in allen Folgen der Staffel, weit mehr Privates von sich zeigen, als dies in seiner Rolle als SRF-Moderator der Fall ist. So hat er nicht zuletzt auch mit der Wahl seines Tanzpartners, seinem Freund Michael Graber, in der finalen Runde, eine ungewohnt private Seite von sich gezeigt. So wie Sven Epiney bewegen sich generell alle teilnehmenden Protagonisten in ‘Darf ich bitten?’ auf ungewohntem Terrain. Die Konsequenz davon ist eine Authentizität, die zu den Hauptgründen gehört, wieso die Zuschauer von einer solchen Tanzshow fasziniert sind.

Andererseits gehört es genauso zur Faszination einer Livesendung, das s Unvorhergesehenes und Ungeplantes, wie dieser Heiratsantrag von Sven Epiney, passieren kann.

In seiner Beschwerde schreibt Herr X ausserdem:

<Ich bin christlich erzogen, lebe traditionsbewusst und versuche mein Leben nach den Inhalten der Bibel zu leben. Damit einhergehend schaue ich auch keine Sendungen, zum Beispiel zu einer Love-Parade in Zürich und anderen Titeln (wo ich damit rechnen müsste, mit Dingen konfrontiert zu werden, welche mich anekeln, in meiner Geisteshaltung schwer treffen) - auch keine Diskussionssendungen zu, aus meiner biblischen Sicht, abartigen Themen. Bei einer Tanzsendung darf ich grundsätzlich davon ausgehen, dass ich nicht mit solchem konfrontiert werde. Es hat mich sehr getroffen. Ich kann noch immer nicht glauben, was sich dort auf der Bühne abgespielt hatte. Ich habe die Sendung nicht zu Ende schauen können.>

Hierzu folgende Stellungnahme meinerseits:

Genauso wie in anderen Sendungen von SRF, kennen wir in Unterhaltungsshows ganz generell keine Diskriminierung jeglicher Gruppen oder einzelnen Personen. Das gilt dementsprechend auch für eine Tanzsendung wie «Darf ich bitten?». Von daher fehlt mir das Verständnis für die diskriminierenden Äusserungen von Herr X.

Wir hoffen Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben und stehen für weitere Rückmeldungen zu Verfügung.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Szene. Was lief eigentlich ab? In der Finalshow hatten die vier Finalisten von «Darf ich bitten?», nämlich Tama Vakeesan[2], Sven Epiney[3], Anita Buri[4] und Jan Oliver[5], drei verschiedene Tänze zu absolvieren. Im letzten Tanz durften sie frei wählen, mit wem sie tanzten. Sven Epiney wählte für diesen letzten Tanz seine ganz private Erzählung: Er löste sich von seiner Tanzpartnerin und schwebte hinüber zu seinem Lebenspartner, mit dem er dann den Schlusstanz vollführte. Die Jury hatte ihm für diese sehr persönliche Geschichte Respekt gezollt: Von «Mut» sprach Rolf Knie[6], er habe «Hochachtung», bekannte Curtis Burger[7], es sei einfach «schön», sagte Marianne Kaiser.[8] Und danach machte Sven Epiney seinem Partner Michael Graber auf offener Bühne einen Heiratsantrag.

Die Szene war voller Emotionen. Schon all die Tänze zuvor waren wegen ihrer Leidenschaft, Schönheit, Farbe, Musik, Kraft und Energie emotional aufgeladen gewesen, und als Sven Epiney niedergekniet war und mit Tränen in den Augen seinen Antrag formuliert hatte, war das ganze Studio bewegt: «Was für eine Überraschung», entfuhr es Moderatorin Sandra Studer, es handle sich um einen «unvergesslichen Moment». Die Jury erhob sich, und Rolf Knie sagte später, das sei «s Tüpfli uf em i» gewesen.

Hat damit Sven Epiney das Fernsehen für seine privaten Interessen missbraucht? Ich finde überhaupt nicht, weil die Szene nahtlos anschloss an die Erzählung seines letzten Tanzes und weil sie dadurch einfach gepasst hat.

Sie stören sich speziell daran, dass es ein Heiratsantrag eines Mannes an die Adresse eines anderen Mannes war. Und Sie berufen sich dabei auf die Bibel, die Homosexualität verurteilt. Es stimmt: In der Bibel gibt es mehrere Stellen, wonach sexuelle Handlungen unter Männern oder unter Frauen ein Gräuel seien. Dazu muss man jedoch folgendes sagen:

  1. Die Bibel, bestehend aus Altem und Neuem Testament, ist im Orient entstanden. Sie beschreibt im Alten Testament mindestens 1000 Jahre Geschichte des jüdischen Volkes und im Neuen Testament das Wirken von Jesus und der Apostel zur Zeit des Römischen Kaiserreichs. Sie ist also in einem orientalischen, jüdischen und römischen Kontext zu verorten. Wer streng nach der Bibel lebt, müsste in orientalischen Lehmhäusern hausen, sich auf Eseln fortbewegen und die Nacht mit Feuer erhellen. Es gab in biblischer Zeit keine Glühbirne, kein Fahrrad, kein Auto, keine Eisenbahn, kein Flugzeug, kein Kreuzfahrtschiff, kein Telefon, kein Kino, keinen Computer, kein Internet, keinen Fön, keinen Rasierapparat, keinen Kühlschrank, keinen elektrischen Herd, kein Bügeleisen, keine Spülmaschine, keinen Mixer, kein Radio, kein Tonband, keine CD, keinen Fernseher, keinen Fotoapparat, keine Ölheizung, keinen Ultraschall, keine Röntgenstrahlen, keinen Laser, kein Atomkraftwerk, keine Digitaltechnik, keine Weltraumfahrt, kein Sturmgewehr, keine Interkontinentalrakete, keine Atombombe, kein U-Boot, kein Rotes Kreuz, keine Uno. Die Gesellschaft hat sich seit den biblischen Zeiten dutzendfach gewandelt, sie hat sich modernisiert, liberalisiert, emanzipiert, degeneriert, mobilisiert. Sie ist in vielfältiger Weise anders geworden, und für Christen gilt es, die Regeln der Bibel ins Moderne zu übersetzen.
  2. Die Rechtsordnung passt sich dem gesellschaftlichen Wandel an und drückt das, was allgemein anerkannt ist, in der Form von Gesetzen aus. Die Schweizerische Eidgenossenschaft fasst jeweils die Regeln einer in christlich-abendländischer Tradition gewachsenen, offenen, liberalen und multikulturellen Gesellschaft ins Recht. Dazu gehört auch, dass die Schweiz gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt und Homosexuelle, anders als früher, nicht diskriminiert. Die Bundesverfassung garantiert in Artikel 8, Absatz 2 die Freiheit der Lebensform.[9]
  3. Die SRG ist nicht «Radio Maria» und auch kein evangelikaler Sender. Sie stellt die Offenheit in den Vordergrund und nicht die Ausschliesslichkeit. Sie spiegelt die eidgenössische Realität und nicht ein Zerrbild der Vergangenheit bzw. eine traute «Bluemetetrögli-Schweiz». Deshalb ist den Programmen von Radio und Fernsehen SRF ein Konzept, wie Sie es vertreten, fremd.

Aus all diesen Gründen gibt es keinerlei Argument, einen gleichgeschlechtlichen Heiratsantrag von einem Fernsehprogramm auszuschliessen, ja zu verdammen. Im Gegenteil: Er gehört in die Mitte unserer Gesellschaft. Sie mögen privat anders denken, das ist Ihnen unbenommen. Auf der Seite des geltenden Rechts stehen Sie damit allerdings nicht. Jedenfalls kann ich Ihre Beanstandung in keiner Weise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/sendung/darf-ich-bitten?id=6124793d-8c1d-4db5-b879-6f3ae0099040 bei TC 1:46:40

[2] https://andreasundconrad.ch/artist/tama-vakeesan/

[3] https://www.srf.ch/radio-srf-1/ueber-uns/das-ist-sven-epiney

[4] https://anitaburi.ch/

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Bühlmann

[6] https://www.rolfknie.ch/

[7] https://www.curtisburger.com/

[8] https://www.kaisertanz.ch/

[9] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html#a8

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