Beitrag «Horrende Honorare – Das kassieren Ärzte an Hirslanden Kliniken» von «Kassensturz» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. April 2019 haben Sie den Beitrag ««Horrende Honorare – Das kassieren Ärzte an Hirslanden Kliniken»» in der Sendung «Kassensturz» vom 16. April 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Ich wende mich an Sie, da meiner Meinung nach in der Kassensturzsendung vom 16.04.2019 (<Hor­rende Tarife am Privatspital>) das Sachgerechtigkeitsgebot missachtet worden ist. Durch unzulässige Tarif- bzw. Honorarvergleiche sowie Verschweigen von Tatsachen wurde das Publikum in der Mei­nungsbildung wahrscheinlich bewusst beeinflusst.

Aufgrund der grösstmöglichen Honorarsummendifferenz wurden stationäre VVG-Honorare (Privatversi­cherte) ambulanten Tarmed-Tarifen gegenüber gestellt. Die grosse Summendifferenz gaukelte dem Publikum <Abzocke> vor. Der Vergleich des ambulanten Tarmed-Tarifes mit einem stationären VVG-Ho­norar ist allerdings nicht zulässig. Im stationären VVG-Honorar sind neben dem eigentlichen Operati­onshonorar auch weitere ärztliche Leistungen inbegriffen (Tägliche Visiten durch den Operateur sel­ber, Anreisezeit/Spesen des Arztes bei der täglichen Visite von der Praxis ins Belegspital, <Ausfall von Patientenkonsultationen in der Praxis> während der Visite im Belegspital, Schreiben von Berichten, 24 h telefonische Erreichbarkeit betreffend Fragen seitens der Pflege während der Hospitalisationsdauer, etc.). Der ambulante Tarmed-Tarif beinhaltet jedoch nur das reine Operationshonorar. Zusätzliche Leistungen sind nicht inbegriffen und können vom Arzt jeweils zusätzlich in Rechnung gestellt werden.

Der ambulante Tarmed-Tarif beim Hallux valgus, welcher in der Sendung oft als Vergleich herhalten musste (wahrscheinlich weil er so tief ist), kommt in der Praxis gar nicht zur Anwendung. Eine Hallux valgus-Korrektur ist kein Bagatelleingriff (wie vom Moderator suggeriert) und wurde daher in der Liste der ambulant durchzuführenden Operationen von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich auch ausgeschlossen (Siehe Anhang Liste ambulant durchzuführender Untersuchungen und Behandlungen, gültig ab 1. Januar 2019, Version 1.1, Punkt 2.2). Hier müsste man also den stationären OKP-Tarif mit den VVG-Tarifen vergleichen.

Korrekterweise hätte man lediglich die stationären VVG-Honorare der öffentlichen Spitaler mit den VVG-Honoraren der Privatkliniken (z.B. Hirslanden Kliniken) vergleichen dürfen. Dies hat man im Be­richt teilweise auch gemacht. Es wurde dabei jedoch nicht erwähnt, dass einem Belegarzt nur ein Bruchteil des VVG-Honorars als Lohn übrig bleibt. Ein grosser Teil muss abgegeben werden (Praxis­miete, Abschreibungen, Löhne Personal, Lohn für Raumpflege, IT-Kosten, Stromkosten, etc.). Ein Ka­derarzt im öffentlichen Spital hingegen bekommt das gesamte VVG-Honorar ausbezahlt (IT-Kosten, Löhne Personal, etc. werden vom Spital getragen). Anders als ein Belegarzt erhält der Kaderarzt im öffentlichen Spital neben den VVG-Honoraren durch seine Festanstellung zusätzlich noch einen Lohn.

Aus meiner Sicht führt die Sendung durch die inkorrekte Darstellung (bzw. Unterschlagung von Tatsa­chen) zur Diffamierung der Belegärzte in der Bevölkerung, was wahrscheinlich ganz im Sinn der Ge­sundheitsoekonomen bzw. der Krankenkassen ist.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Ursula Ga­bathuler, Redaktionsleiterin «Kassensturz/Espresso», schrieb:

Besten Dank für die Gelegenheit zur Stellungnahme betreffend die Beanstandung des Belegarztes Dr. med. X zum Beitrag «Horrende Honorare – Das kassieren Ärzte an Hirslanden Kliniken»[1]im «Kassensturz» vom 16. April 2019:

Allgemeines

Steigende Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien rechtfertigen aus unserer Sicht eine kriti­sche Berichterstattung über die Arzthonorare an den Zürcher Hirslanden Kliniken. Viele zusatzversi­cherte Patienten können sich ihre halbprivate oder private Versicherung mit zunehmendem Alter nicht mehr leisten. Das Zusatzversicherungsgeschäft, an dem in den letzten Jahrzehnten nicht nur Ärzte, sondern auch Kliniken und Kassen sehr gut verdient haben, ist deshalb eingebrochen. Die «Bilanz» zitiert die Krankenkasse CSS in einem Artikel über den Prämienschub im Zusatzversicherungsbereich folgendermassen: «Haupttreiber bei den Spitalkosten im Zusatzversicherungsbereich ist die Entwick­lung der Belegarzthonorare»[2].

Der reputierte Gesundheitsökonom Heinz Locher bezeichnet die Privat-Honorare der Hirslanden-Beleg­ärzte als «unethische Fantasiehonorare». Und Helsana als grösste Krankenkasse fordert Transparenz über die erbrachte ärztliche «Mehrleistung» im Zusatzversicherungsbereich, welche solch hohe Hono­rare rechtfertigen würde. Seit Anfang Jahr bezahlt die Kasse keine Behandlungen der Zürcher Hirslan­den «Klinik im Park» mehr. Grund: Zu teuer. All dies rechtfertigt aus unserer Sicht eine Berichterstat­tung. Erstmals konnten wir das Problem anhand der uns zugespielten Honorarliste der Zürcher Hirs­landen Kliniken dokumentieren.

Der Beitrag wäre ohne ärztliche Fachkompetenz nicht zu realisieren gewesen. Die Recherche war komplex, wir sprachen mit Krankenkassen, Gesundheitspolitikern, der FINMA, der GDK und vielen Krankenkassen. Insgesamt acht Mediziner in unterschiedlichen Funktionen und aus verschiedenen Fachbereichen haben uns durch den Tarifdschungel begleitet. Die Hirslanden-Gruppe war schon Tage im Voraus über die Berichterstattung informiert und mit allen Vorwürfen konfrontiert. Sie hat Prof. Hans U. Baer delegiert, um in der Sendung aufzutreten. Der Belegarzt und Leiter des Tarifsbüros «HirsMed.Net» wurde von Dietmar Mauer, CEO der Zürcher Hirslanden-Klinik, persönlich ins Studio begleitet. Herr Professor Baer hatte während 8:53 Minuten Gelegenheit, die Sicht der Hirslanden-Be­legärzte zu erläutern.

Zum Vorwurf, der Tarmed/VVG-Vergleich sei unzulässig

Der «Kassensturz» hat die ärztlichen Leistungen für identische Eingriffe miteinander verglichen: «Hirs­Med.Net» vs Kantonsspital AG und «HirsMed.Net» vs «Tarmed». Wir haben für die Berichterstattung die Sicht der Patientinnen und Patienten eingenommen: Genau die im Beitrag genannten Arzthonorare werden den Krankenkassen tatsächlich in Rechnung gestellt.

Dr. X behauptet, der Vergleich sei «unzulässig», weil im «HirsMed.Net»-Honorar weitere ärztliche Leistungen «inbegriffen» seien. Aus der uns vorliegenden «HirsMed.Net»-Honorarliste wird jedoch ersichtlich, dass neben den Honoraren für die Eingriffe noch vieles mehr abgerechnet werden kann: Tägliche Visiten beispielsweise werden zusätzlich verrechnet. Es gibt auch «notfallmässige Visi­ten» oder Positionen für «Bereitschaftsassistenz». Ein «Notfall» zum Beispiel, im «HirsMed.Net»-Tarif unter der Positionsnummer 000.2200 aufgeführt, bedeutet einen Zuschlag von 30 % auf OP-Leistun­gen, Interventionen und Konsilien. Dem Einwand von Dr. X, Hirslanden-Ärzte müssten für Pflege und Patienten erreichbar sein, möchten wir entgegenhalten, dass dies für die Ärzteschaft aus­serhalb Hirslanden gleichermassen gilt. Zur Anreisezeit: Es stimmt, dass der ambulante Ärztetarif «Tarmed» eine «Wegentschädigung» pro 5 Minuten (Fr. 8.60) kennt. Dies rechtfertigt aus unserer Sicht die horrenden Honorardifferenzen bis Faktor 20 für identische ärztliche Eingriffe jedoch nicht.

Zweifel an der Vergleichbarkeit der beiden Ärzte-Tarife («HirsMed.Net» / «Tarmed») hatte auch die Medienabteilung der Hirslanden-Gruppe. Wir trugen diesem Einwand nicht nur im Studiogespräch Rechnung, sondern bereits im Beitrag mit der Stellungnahme der Hirslanden: «Der Vergleich der Ho­norare zwischen einem öffentlichen Spital und einem mit Belegarzt-System ist insgesamt nur bedingt möglich.»

Zur Kritik am Beispiel des Hallux Valgus

Auch wenn dieser fusschirurgische Eingriff im Kanton Zürich neuerdings nicht mehr auf der AVOS-Liste ist, so wird der Eingriff in der übrigen Schweiz durchaus ambulant durchgeführt. Der Ärztetarif «Tar­med» führt den Eingriff am Hallux Valgus unter der Abrechnungsposition 24.8440 auf. Die Fr. 198.– für die ärztliche Leistung (AL) sind wahrscheinlich nicht kostendeckend und bedürften einer separaten kritischen Berichterstattung. Wir sprachen deshalb im Beitrag von «lächerlich wenig» im Vergleich zum Hirslanden-Arzthonorar von über Fr. 4'000.– (notabene ohne die Kosten für Anästhesie, Assistenz­arzthonorar, Pflege, Hotellerie, OP-Miete etc.). Der Eingriff dauert laut Auskunft mehrerer Ärzte etwa 30 Minuten. In einem Kantonsspital des Kantons Aargau darf der Arzt für den gleichen Eingriff bei ei­nem Privatpatienten übrigens Fr. 1'300.– verrechnen.

Hohe Arzthonorare für Operationen an Zusatzversicherten führen zu Fehlanreizen. Die Gefahr der so­genannten «Überarztung» ist für die Allgemeinheit relevant. Wird an der Hirslanden Klinik Zürich ein Zusatzversicherter operiert, zahlt die Grundversicherung einen Anteil der entstehenden Kosten – mit Beteiligung des Kantons. Jede Behandlung in der Zusatzversicherung betrifft also Prämien- und Steu­erzahler.

Zum Vorwurf, dem Hirslanden-Belegarzt bleibe nur ein Bruchteil des VVG-Honorars

Herr Dr. X schreibt: «Ein Kaderarzt im öffentlichen Spital hingegen bekommt das ge­samte VVG-Honorar ausbezahlt (IT-Kosten, Löhne Personal, etc. werden vom Spital getragen).» Dies stimmt so nicht. Im öffentlichen Spital bleibt etwa die Hälfte des Privatpatienten-Honorars beim Spital, der andere Teil fliesst in einen sogenannten Honorarpool und wird dort unter den leitenden Ärzten nach einem meist vom Chefarzt definierten, vertraulichen Schlüssel aufgeteilt. Die Spitäler gehen jetzt allerdings immer mehr dazu über, Fixsaläre mit ihren ÄrztInnen zu vereinbaren. Dies, nachdem die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektionen GDK die Spitäler zu mehr Transpa­renz, zu Mässigung und zur Begrenzung der Saläre aufgefordert hat.

Zu erwähnen ist: Auch ein Arzt, der ambulant nach «Tarmed» operiert und abrechnet, führt eine Pra­xis. Auch er muss IT-Kosten, Personalkosten und Miete bezahlen.

Übrigens: Die von uns genannten Umsätze einiger ärztlicher Spitzenverdiener an den Zürcher Hirslan­den Kliniken von jährlich bis 5 Millionen Franken (ohne die Erträge aus der Behandlung von Allgemein­versicherten und der Selbstzahler aus dem Ausland) sind weder von der Hirslanden-Gruppe noch von den Hirslanden-Belegärzten grundsätzlich bestritten worden.

Sachgerechtigkeit

Das Thema ist hochkomplex, wir haben aber nichts «unterschlagen», auch wenn wir nicht sämtliche Aspekte beleuchten konnten.

Das Sachgerechtigkeitsgebot ist aus unserer Sicht nicht verletzt: Die Hirslanden-Gruppe konnte im Beitrag schriftlich Stellung nehmen. Ausserdem konnte Herr Professor Dr. Hans U. Baer als Vertreter der Hirslanden-Gruppe ausführlich im Studio Stellung nehmen. Die Zuschauer/innen waren somit in der Lage, sich ein eigenes Bild zu machen.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen bitten wir Sie, die Beanstandung als unbegründet zurückzu­weisen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Beitrages. Der «Kassensturz» befasst sich seit 45 Jahren mit Themen rund um den Konsumentenschutz. Um diesen geht es – aufgrund stei­gender Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien – im von Ihnen beanstandeten Beitrag «Hor­rende Honorare - Das kassieren Ärzte an Hirslanden Kliniken». Dass dabei die Ärztehonorare an den Zürcher Hirslanden Kliniken kritisch hinterfragt werden, ist aufgrund der dem «Kassensturz» vorliegen­den Honorarlisten, nachvollziehbar und durchaus im Sinne des Publikums.

Zusammengefasst monieren Sie, dass die Sendung das Sachgerechtigkeitsgebot missachtet habe und das Publikum in der Meinungsbildung durch unzulässige Tarif- bzw. Honorarvergleiche sowie Ver­schweigen von Tatsachen wahrscheinlich bewusst beeinflusst worden sei. Der «Kassensturz» berichtet klar aus der Optik des Publikums und damit auch aus der Sicht der Prämienzahlerinnen und
-zah­­ler
. So ist es verständlich, dass der Fokus auf die im Fernsehbeitrag aufgezeigten Arzthonorare gelegt wird, die den Krankenkassen letztlich in Rechnung gestellt werden.

Was die Vergleichbarkeit der Ärzte-Tarife anbelangt, äusserte sich die Hirslanden-Gruppe – wie im Beitrag auf ei­ner Schrifttafel gezeigt[3]– mit folgender Stellungnahme: «Der Vergleich der Honorare zwischen einem öffentlichen Spital und einem mit Belegarzt-System ist insgesamt nur bedingt mög­lich». Der fürs Publi­kum entscheidende Satz folgt dann gleich anschliessend: «Fakt bleibt: Diese Honorare stellen Ärzte den Krankenkassen in Rechnung– und die Kassen zahlen»[4]. Wenn Krankenkassen horrende Ho­norare zahlen, wirkt sich das direkt oder indirekt auf die Prämien­zahlen­den aus. Diese Botschaft kommt beim Publikum an. Es spielt dabei eine vernachlässigbare Rolle, welche (ab)rechnungs­technischen Details noch dazukommen. Tatsache ist, dass die Versicherten diese Honorare mitbezahlen. Insofern kann dem «Kassensturz» kein Vorwurf gemacht werden, er beeinflusse die Meinungsbildung durch unzulässige Tarif- bzw. Honorarvergleiche. Ausserdem konnten sowohl die Hirslanden-Gruppe, die bereits Tage vor der Ausstrahlung des Beitrages seitens «Kassen­sturz» informiert und mit sämtlichen Vorwürfen kon­frontiert war, als auch der Studio­gast, Prof. Dr. med. Hans U. Baer, in einem konfrontativen, fast neunminütigen Gespräch ausführlich Stellung nehmen.

Frau Gabathuler, Redaktionsleiterin «Kassensturz/Espresso», hat Ihnen in ihrer sehr ausführlichen Stellungnahme u. a. aufgezeigt, dass der «Kassensturz» einen eklatanten Aufwand betrieben hat, um dem Publikum das ziemlich komplizierte Thema rund um die Ärztehonorare verständlich und nach­voll­ziehbar erläutern zu können. Dass die Redaktion angesichts der beschränkten Sendezeit und des komplexen Gegenstandes nicht auf jedes Detail eingehen kann, liegt auf der Hand. Die detaillier­ten Ausführungen von Frau Gabathuler kann ich in jedem Punkt nachvollziehen.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass das Publikum nicht manipuliert wurde und sich frei eine eigene Meinung bilden konnte. Das Sach­gerechtigkeitsgebot wurde nicht verletzt. Ich kann Ihre Beanstandung daher nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­geset­zes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfü­gung.

Manfred Pfiffner, stellvertretender Ombudsmann

[1]https://www.srf.ch/news/schweiz/horrende-honorare-das-kassieren-aerzte-an-hirslanden-kliniken

[2]https://www.bilanz.ch/lifestyle/pramienschub-bei-den-zusatzversicherungen#

[3]https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=8a9a010d-c3a7-471b-bdd7-899c84e4c39b&startTime=273.474[Time-Code: 04:06 – 04:18]

[4]ebd. [Time-Code: 04:18 – 04:27]

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