«Kassensturz»-Beitrag «Pensionskasse vernichtet Renten» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. Juni 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Kassensturz» vom 25. Juni 2019 und dort den Beitrag «Pensionskasse vernichtet Renten».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Ich fühle mich durch den Kassensturz Beitrag getäuscht. Dies hat verschiedene Gründe:

  1. eine Pensionskasse geht in Teilliquidation aufgrund eines Austritts eines Mitglieds. Nur Mitglieder können eine Teilliquidation auslösen (durch Wechsel oder Kündigung vieler Arbeitnehmer). Dies hat nichts mit der Kasse zu tun. Wo wird dieser Fakt im Beitrag erwähnt?
  2. Die Kasse hat eine Unterdeckung von 86%. Bei einem Kassenwechsel erhält das Mitglied immer nur 86% der einbezahlten Gelder. Sonst würden alle Mitglieder schnell wechseln und der letzte bekommt kaum oder kein Kapital mehr.
  3. im Beitrag wird über die vertraglichen Rahmenbedingungen des Mitglieds kaum berichtet. Die Kasse stellt verschiedene Verträge zur Verfügung (s. Jahresrechnung 2017). Ohne deren Bedingungen zu kennen, kann ich diesen Sachverhalt nicht beurteilen.
  4. eine Unterdeckung von 86% ist anhand des technischen Zinssatzes zu beurteilen. Ohne diesen Zinssatz kann keine Aussage über die finanzielle Lage geschlossen werden. Falls er bei >3% ist, sieht es schlecht aus, falls </=2% ist die finanzielle Lage gut. In der Jahresrechnung 2017 von Phoenix wird ein technischer Zinssatz von 1.25 bzw. 2% genannt. Das bedeutet aber eine gute Situation gerade im Hinblick auf die vielen Beitragszahler (1:12 laut Beitrag).[2]
  5. Kassensturz verweist auf das PWC Reporting mit zahlreichen Gesetzesverstössen. Ich sah im Bild nur Auflistungen bez. Art. 49. eine PK mit Unterdeckung tiefer als 90% darf keine Risikoanlagen mehr tätigen und die erlaubten Anlageprodukte sind vorgeschrieben.
  6. der Beitrag lässt den Umwandlungssatz offen. 2017 betrug er 6.8%. Wie er letztes Jahr war, weiss ich nicht. Ich schätze tiefer. Ich behaupte nicht, dass diese PK keine finanziellen Probleme aufweist, diese sind jedoch lösbar (wie bei den vielen anderen auch), jedoch wird die Situation übertrieben und einseitig Schuldige gesucht, obwohl die Handhabung der juristischen Praxis folge leistet. Ohne Vorwissen bewerte ich die Situation als katastrophal, obwohl dies nicht korrekt ist. Ich möchte betonen, dass ich völlig unabhängig bin bez. den involvierten Parteien (Mitglieder sowie PK).

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Kassensturz» äußerte sich dessen Redaktionsleiterin, Frau Ursula Gabathuler:

«Am 26. Juni 2019 hat sich X an die Ombudsstelle SRG.D gewandt und den Beitrag ‘Pensionskasse vernichtet Renten’ im ‘Kassensturz’ vom 25. Juni 2019 beanstandet. ‘Kassensturz’ berichtet regelmässig über Themen der beruflichen Vorsorge. Das in der 2. Säule fürs Alter angesparte Kapital ist für die meisten unserer Zuschauerinnen und Zuschauer der grösste Geldbetrag, den sie in ihrem Leben jemals besitzen werden.

Das Thema Pensionskasse ist komplex, vielschichtig und zahlenlastig. Umso wichtiger ist es, Probleme rund um die Pensionskassen möglichst einfach und anhand von konkreten Beispielen abzubilden. In diesem Bericht ging es darum, die heutigen Aufsichts- und Kontrollmechanismen in der beruflichen Vorsorge zu hinterfragen. Am konkreten Beispiel der Sammelstiftung Phoenix.

'Kassensturz’ zeigte auf, was den angeschlossenen Firmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geschehen kann, wenn eine Pensionskasse, insbesondere eine Sammelstiftung wie die PK Phoenix, in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

Die Beanstanderin X bemängelt, dass der Beitrag ‘die Situation übertrieben’ dargestellt und ‘einseitig Schuldige gesucht’ habe. <Ohne Vorwissen bewerte ich die Situation als katastrophal, obwohl dies nicht korrekt ist>, schreibt sie. In mehreren Punkten zeigt die Beanstanderin auf, wie sie anhand des Jahresberichts 2017 zum Schluss kommt, dass Phoenix finanzielle Probleme aufweise, die lösbar seien.

Die in der Beanstandung angeführten Punkte 1 bis 6 fassen wir so auf, dass die Beanstanderin eine detailliertere Berichterstattung erwartet hätte. Tatsächlich wendet sich unsere Berichterstattung in erster Linie an Laien. Deshalb haben wir auf die Darstellung der einzelnen finanziellen Schwierigkeiten und Unregelmässigkeiten aus Gründen der Verständlichkeit bewusst verzichtet. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die sehr komplexe Materie durch sorgfältiges Weglassen und Vereinfachen dem Publikum zu erklären. Zudem lag der Fokus nicht auf den Sanierungsmöglichkeiten der Pensionskasse Phoenix, sondern auf den Schwierigkeiten der Aufsichtsbehörden.

Wir können Ihnen und der Beanstanderin versichern, dass wir nicht nur den Jahresbericht 2017 genau gelesen haben, sondern verschiedene Jahresberichte der Kasse, diverse Revisionsberichte von PWC, vertrauliche Managementletter zuhanden des Stiftungsrats, die ‘Kassensturz’ vorliegen. Dazu kamen Beurteilungen verschiedener Pensionskassenexperten, welche ‘Kassensturz’ im Vorfeld der Berichterstattung kontaktierte. Und selbstverständlich sprachen wir auch mit Vertretern der Pensionskasse Phoenix. Leider wollten die Verantwortlichen kein Interview vor der Kamera geben.

Unsere Recherchen zeigten, dass die Pensionskasse Phoenix aus dem aargauischen Kleindöttingen schon seit längerem finanzielle Schwierigkeiten aufweist, in Schieflage steht und in etlichen Punkten gegen das BVG verstossen hat. Nicht zuletzt bestätigt dies das harte (jedoch späte) Eingreifen der regionalen Aufsichtsbehörde. Im Übrigen stehen die Jahresrechnung und der Geschäftsbericht für 2018 immer noch aus, was sehr aussergewöhnlich ist. Dazu kommt, dass diverse Tageszeitungen bereits Anfang Jahr über die PK Phoenix berichtet haben. Die Rede war unter anderem von dubiosen und krummen Geschäften, von Missständen, von Skandal, von Renten, die in Gefahr sein sollen und von Geld, das verbrannt sein soll.

Im zweiten Teil der Berichterstattung richtet sich unser Hauptfokus auf die Aufsichtsbehörden, welche heutzutage oftmals zu spät reagieren können und im Falle eines Verstosses einschreiten können, um das hart angesparte Alterskapital der Versicherten zu schützen. Wir zeigten auf, dass insbesondere bei einer Sammelstiftung, wie die Phoenix eine ist, eine Kontrolle viel komplexer und schwieriger ist als bei firmeneigenen Pensionskassen. Gemäss mehreren Experten sei das Einschreiten oftmals zu spät, wenn eine Sammelstiftung in Schieflage (Unterdeckung) gerate. Diese beunruhigende Situation betrifft im Übrigen nicht nur die Versicherten bei Phoenix, sondern kann potenziell viele andere Versicherte anderer Sammelstiftungen treffen.

Diese Problematik wird in der ‘Kassensturz’-Sendung vom 25. Juni 2019 wiederholte Male thematisiert: Zum einen mehrmals im Beitrag (z. B. in der Grafik und im Quote von Manfred Hüsler, Direktor der Oberaufsichtskommission), und zum anderen im anschliessenden Studiogespräch mit dem Experten für Sozialversicherungsrecht Prof. Ueli Kieser (Stichworte: 30-jähriges Gesetz aus den 80ern, Aufsicht hinkt hinten nach, Anpassung und Verschärfung des BVG zwingend nötig).

Wir sind der Ansicht, dass wir fair, sachgerecht und transparent berichtet haben, deshalb bitten wir Sie, die Beanstandung als unbegründet zurückzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es handelte sich um ein typisches «Kassensturz»-Thema: Der Blick auf Pensionskassen aus der Perspektive der Versicherten. Alle, die angestellt sind und das Pensionsalter überschreiten, erhalten einmal die Rente, für die sie jahrelang einbezahlt haben. Es ist ein Schock, wenn man erfährt, dass das eigene Guthaben beträchtlich gekürzt worden ist. Und so richtet sich der journalistische Blick mit gutem Grund zuerst auf das Gebaren solcher Kassen, dann auf ihre Aufsichtsinstanzen (Stiftungsrat, Experte, Regionale Aufsichtsbehörde, eidgenössische Oberaufsichtsbehörde). Die Bilanz ist deprimierend: Das Sozialversicherungswesen ist kompliziert, die Stiftungsräte bleiben passiv oder sind überfordert, die Aufsichtsbehörden werden zu spät alarmiert und können wenig unternehmen, die Geprellten sind die Versicherten, die einbezahltes Geld verlieren.

Der Beitrag von «Kassensturz» war klassisch und untadelig. Es ist nicht möglich, im Fernsehen ein versicherungsmathematisches Seminar durchzuführen. Das Fernsehen muss Komplexität reduzieren, die Probleme anschaulich schildern, sie an Einzelschicksalen festmachen und die abstrakten Fakten auf das Wesentliche reduzieren. All das war der Fall. Ich kann daher Ihrer Beanstandung leider nichts abgewinnen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/krasses-missmanagement-pensionskasse-vernichtet-renten

[2] http://www.phoenix-pk.ch/index.php/downloads?task=callelement&format=raw&item_id=63&element=f85c494b-2b32-4109-b8c1-083cca2b7db6&method=download&args%5B0%5D=30544c70ddf1214565f7fa412c0b99e6 ;http://www.phoenix-pk.ch/index.php/downloads/category/geschaeftsberichte

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