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SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

SRF News-Beitrag «Der feline Killer» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 9. September 2019 beanstandeten Sie das Katzenvideo «Der feline Killer»[1] auf SRF News vom 7. September 2019.[2] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich beziehe mich auf Ihren Beitrag vom Samstag, 7. September 2019 in den SRF News mit dem Titel ‘Der feline Killer’.

Gerne möchte ich Sie um eine Stellungnahme bitten, inwiefern die SRG-SSR in der reisserischen Aufmachung des Beitrags keine Verletzung ihrer publizistischen Leitlinien, insbesondere der darin dargelegten Grundsätzen des Handwerks, sieht.

Weiter erweckt der Beitrag den Eindruck, dass es sich um eine wissenschaftlich fundierte Tatsache handle, dass Katzen für das Aussterben bestimmter Vogel- und Eidechsenarten verantwortlich seien, obwohl es sich bei dieser Behauptung um die Meinung Ihres Wissenschaftsredaktors handelt. Gerne möchte ich Sie auch hier um eine Stellungnahme bitten.

Vollständigkeitshalber möchte ich gerne anmerken, dass ich die Kastrations- und Identifikationspflicht begrüsse im Kampf gegen das Elend ausgesetzter und nicht angemessen betreuter Katzen. Damit wird die strafrechtliche Verfolgung der Halter erleichtert. Meiner Meinung nach ist jedoch nach wie vor der Mensch die grösste Ursache jeglichen Artensterbens, auch in Bezug auf genannte Vogel- und Eidechsenarten. Dies nicht durch das Halten von einer oder mehreren Freilandkatzen, sondern durch die nachhaltige Zerstörung der Lebensräume dieser Tierarten.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für SRF News antwortete Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Zur eingegangenen Beanstandung nehme ich gerne stellvertretend für die Redaktion von SRFNews Stellung. Das Format (Social Audio) wurde zwar von SRFNews in Zürich auf Facebook publiziert, aber von der Redaktion von Radio SRF4News in Bern hergestellt. Als Bereichsleiter in der Chefredaktion Radio nehme ich deshalb Stellung dazu.

‘Social Audio’ nennen wir ein neueres Format, mit dem wir Inhalte aus einem Radio-Gespräch auf den sozialen Kanälen, zum Beispiel im Facebook-Feed, von SRFNews ausspielen.

Social Audios sind nach formalen und gestalterischen Kriterien, wie sie in den sozialen Medien üblich sind, produziert. Sie sind also deutlich kürzer als ein Radiogespräch, mit Bildern und Untertiteln versehen (weil auf dem Handy der Ton selten benutzt wird) und auf eine einzelne Kernaussage des Gesprächs reduziert. Um die Stimme unter dem Bild auch optisch erkennbar zu machen, werden Name und Bild des Gesprächspartners, in diesem Fall ein Kollege der SRF-Wissenschaftsredaktion, sowie eine Audiokurve (als Symbol für ‘Ton’) vor das Hintergrundbild gelegt.

Im konkreten Fall wurde aus einem Radio-Gespräch mit dem Wissenschaftskollegen von Radio SRF4News ein Social Audio produziert.

Anlass war ein Vorstoss im Nationalrat, künftig ein Chip-Obligatorium für Katzen einzuführen, damit diese besser identifizierbar seien. Der Vorstoss wird unter anderem damit begründet, dass sich ‘streunende’ Katzen in der Schweiz zu stark vermehren. In einem Beitrag in der Sendung ‘HeuteMorgen’ am 5. September wurde dieser Vorstoss thematisiert.[3]

Interessant und in der Regel kaum öffentlich diskutiert, ist auch der Aspekt, dass Katzen für gewisse Beutetiere eine ernsthafte Belastung sein können.

Abgeleitet von der politischen Aktualität ging SRF4News später in der Morgenprimetime des 5.9. im Gespräch mit SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg der Frage nach, wie die wachsende Katzen-Population sich eigentlich für potentielle Beutetiere auswirke.

Dieses Radio-Gespräch ist online nicht verfügbar, darum hier in den wichtigsten Stichworten (nicht wörtlich) die Kernaussagen:

  • <Mehrere Studien aus verschiedenen Ländern zeigen das gleiche Phänomen wachsender Katzenpopulationen. Und wenn man beachtet wieviel Katzen jagen, ist der Begriff Killerkatzen nicht falsch. Beispiel USA, ca. 100 Mio. Katzen jagen hochgerechnet bis zu über 3 Mia. Vögel pro Jahr.>
  • <Dass Katzen jagen, ist völlig normal, aber auch in der Schweiz sind es unterdessen zu viele. Im Schweizer Mittelland gibt es mehr Katzen als alle anderen Beutegreifer zusammen und die Population ist stark gewachsen, was sich zwangsläufig auf die übrige Tierwelt auswirkt.>
  • <Ja, in bestimmten Fällen können Katzen die Biodiversität gefährden, bestimmte seltene Vogelarten können verschwinden. Der bekannte Vogelkundler Peter Berthold sagt, Katzen seien eine grosse Gefahr.>
  • <Natürlich sind nicht die Katzen die Hauptgefahr für die Biodiversität. An erster Stelle steht das Verschwinden des Lebensraums für die Tiere, aber wenn es in diesen Lebensräumen zu viele Katzen gibt, nimmt die Zahl der Vögel ab. Die Katzenliebhaber wollen das oft nicht wahrhaben, und die Umweltschutzverbände wollen das nicht an die grosse Glocke hängen, weil sie den Unmut der Katzenfreunde fürchten.>
  • <Was kann man tun? Glöckchen an den Hals, in der Wohnung halten statt draussen, oder nur noch eine, statt drei Katzen. Am einfachsten wäre das Problem zu lösen, wenn es einfach wieder weniger Katzen gäbe in der Schweiz.>

Das Gespräch mit dem Wissenschaftsredaktor dauert in der ausgestrahlten Version rund vier Minuten, war also deutlich länger als das spätere Social Audio. Mit den hier grob skizzierten Kernaussagen wird deutlich, welche Aspekte im Radio-Gespräch zusätzlich geschildert wurden und welche nur noch im digitalen Format übernommen wurden.

Dort, im Social Audio auf Facebook, sind die Aussagen reduziert auf die Stichworte ‘Begriff Killer-Katzen’, ‘Situation in der Schweiz’, <was kann man gegen das Problem unternehmen?>. In den Text-Einblendern werden zusätzliche Informationen zum politischen Vorstoss und zur Haltung des Schweizer Tierschutzes vermittelt. In der Kombination ist ein Bild-Text-Ton-Element entstanden, das mehrere wichtige Aspekte des Themas auf kleinem Raum vereint. Dieser letzte Punkt ist elementar für Formate in den sozialen Medien. Sie müssen kurz und prägnant getextet sein, sie verzichten deshalb auch weitgehend auf Differenzierungen. Entscheidend ist natürlich, dass trotzdem korrekte Fakten und Begriffe verwendet werden, was in diesem Beispiel aber auch der Fall ist.

Ich gehe im Folgenden auf die beiden Punkte der Beanstandung ein.

1) ‘Reisserische Aufmachung’

Die Beanstanderin stört sich beim Betrachten des Formats an der ‘reisserischen’ Aufmachung und dem Begriff ‘Killerkatzen’. Sie sieht darin eine Verletzung der publizistischen Leitlinien von SRF.

Aus meiner Sicht verletzt das ‘Social Audio’ unsere handwerklichen Richtlinien nicht. Der Begriff ‘Killerkatzen’ mag auf den ersten Blick reisserisch wirken. Allerdings schränkt der Kollege den Begriff gleich in seinem ersten Satz ein, in dem er sagt: <Wenn man sieht, was unsere lieben Büsis da draussen machen, ist der Begriff Killerkatzen nicht falsch>. Er stellt also den Begriff in direkten Zusammenhang mit der Jagd der Katzen auf Vögel. Katzen werden nicht per se als ‘Killer’ beschrieben.

2) ‘Nicht wissenschaftlich’

Die Beanstanderin schreibt weiter, der Beitrag erwecke den Eindruck, < dass es sich um eine wissenschaftlich fundierte Tatsache handle, dass Katzen für das Aussterben bestimmter Vogel- und Eidechsenarten verantwortlich seien, obwohl es sich bei dieser Behauptung um die Meinung Ihres Wissenschaftsredaktors handelt.>

Auch in diesem Punkt widerspreche ich der Beanstandung. Erstens wird nicht von ‘Aussterben’ gesprochen, sondern von einer ‘Bedrohung’. Dies wird zweitens mit Zahlen unterlegt. Konkret geht um die Situation in der Schweiz ( die Zahlen aus den USA, oder der Hinweis auf den deutschen Ornithologen Peter Berthold, die im längeren Radiogespräch genannt werden, sind im kompakten Social-Format nicht erwähnt).

Die Zahl der Katzen pro Quadratkilometer im Schweizer Mittelland wird genannt, zudem das Wachstum der Population in den letzten 25 Jahren und die Feststellung gemacht, dass damit die hier lebenden Katzen die grössere Zahl ausmachen als ‘alle anderen Beutegreifer zusammen’. Gleichzeitig wird genau in diesem Abschnitt des Formats das Bild mit Namen und Funktion des Auskunftgebers eingeblendet. Auch wenn er zu den genannten Zahlen keine Quelle nennt, kann die Betrachterin ihn als Kenner der Materie, die journalistische Quelle, die die Fakten recherchiert hat, erkennen.

Abgeleitet aus diesen Zahlen, werden im folgenden Satz die Konsequenzen beschrieben. Wörtlich sagt der Auskunftgeber, dass die Entwicklung sich ‘zwangläufig auswirkt auf die sonstige Tierwelt’. Im folgenden Texteinblender heisst es, Katzen <können Eidechsen-Populationen und Vogelarten bedrohen. Der Tierschutz fordert deshalb, dass streunende Katzen kastriert werden.> Die nächste Aussage des Wissenschaftsredaktors beschreibt, dass es noch andere Massnahmen gäbe, um die Beutetiere der Katzen besser zu schützen (Glöckchen. Farbige Krägen etc.).

Von ‘Meinungsjournalismus’ kann nicht die Rede sein. Wenn wir in einem Beitrag den Anteil der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz, der Autobahnkilometer im Schweizer Strassennetz oder der Firmen mit mehr als 500 Angestellten nennen, werden dazu auch nicht jedesmal explizit die Quellen dazu genannt, trotzdem sind die Zahlen korrekt und verlässlich und entsprechen nicht der ‘Meinung’ des Autoren.

In der Radiogesprächs-Version war ein Aspekt erwähnt, der im ‘Social Audio’ nicht auftauchte. Es geht um die Aussage, dass nicht Katzen die grösste Bedrohung für die Artenvielfalt in der einheimischen Fauna seien, sondern das Verschwinden der artgerechten Lebensräume. Auch wenn im ‘Social’-Format nicht gesagt wurde, dass Katzen die grösste Gefahr darstellten, hätte dieser Aspekt sicherlich zusätzlich zur Einordnung beigetragen. Ich habe diesen Punkt mit der zuständigen Redaktion besprochen.

Fazit:

Das beanstandete ‘Social Audio’-Format verletzt nach meiner Beurteilung die publizistischen Richtlinien von SRF nicht. Der gewählte Begriff ‘Killerkatzen’ ist wohl stark zugespitzt, als reisserisch empfinde ich ihn nicht. Der Begriff, respektive das Problem, wird zudem eingeordnet und mit Fakten unterlegt.

Journalistische Darstellungen in sozialen Medien müssen korrekt sein wie jene in den klassischen Medien auch. Aber sie kennen teilweise andere gestalterische und dramaturgische Mittel, die der Nutzungsgewohnheiten in diesen Kanälen entsprechen. Dazu gehört, wie eingangs beschrieben, dass sie sehr viel kürzer, mit Bildern versehen und – der kurzen Aufmerksamkeitsspanne in der mobilen Nutzung geschuldet – auch prägnant getextet sind.

Aus diesen Gründen bitte ich Sie, die vorliegende Beanstandung nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Videos. Worum handelt es sich? Es wird ein Problem aufgezeigt und diskutiert. Das Problem ist, dass es zu viele Katzen gibt in der Schweiz und dass sie andere Tierarten gefährden. Anlass für den Problemaufriss war ein Vorstoss im schweizerischen Parlament. Es handelt sich um eine Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates, die die Vermehrung von Streunerkatzen besser kontrollieren will.[4] Die Motion ist im Nationalrat noch nicht behandelt, eine Stellungnahme des Bundesrates liegt noch nicht vor.

Der Problemaufriss erfolgt in der Form von Aussagen des Wissenschaftsredaktors Christian von Burg. Er sagt nicht einfach seine Meinung, sondern er stützt sich in seiner Analyse auf wissenschaftliche Studien und auf statistische Daten. Die Fakten liegen klar: Es gibt insgesamt zu viele Katzen in der Schweiz, und die Zahl der streunenden Katzen nimmt zu. Hier wollen Politik und Tierschutz eingreifen.

Ich verstehe sehr gut, dass man zunächst einmal aufschreckt, wenn von «Killerkatzen» die Rede ist. Aber der Begriff bringt die Tatsache, dass das Haustier zugleich ein Raubtier ist, gut auf den Punkt. Anders als Hühner, Kühe, Pferde, Wellensittiche, Ziegen und Schafe sind Katzen Tiere, die jagen. Wenn sie ihrem Instinkt folgen, bringen sie andere Tiere um. Wenn dadurch das biologische Gleichgewicht in Gefahr gerät, muss darüber diskutiert werden, gerade auch in den Medien.

Das Video präsentierte den Problemaufriss zwar in knapper Form. Und ich stimme Herrn Bolliger zu, dass es gut gewesen wäre, wenn zusätzlich gesagt worden wäre, dass der Mensch durch seine Zerstörung von Lebensräumen (Rodungen, Überbauungen, Abfallentsorgung, Ablagerung von Plastik, Ausstoß von CO2 usw.) das natürliche Gleichgewicht bedeutend mehr bedroht als die Katzen. Aber der Beitrag hat das Publikum nicht manipuliert, sondern ihm ermöglicht, sich frei seine eigene Meinung zu bilden. Er war folglich sachgerecht, und ich kann Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] Richtig eigentlich: «Der feine Killer». Die Redaktion hat aus Anlass dieser Beanstandung festgestellt, dass der Titel zum Thema online falsch geschrieben war («felin», statt «fein») und das entsprechend geändert.

[2] https://s4.srf.ch/play/tv/srf-news/video/der-feline-killer?id=a8c431c1-8773-4283-98c8-0907e6bc6b8a

[3] https://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/britisches-unterhaus-macht-johnson-einen-strich-durch-die-rechnung

[4] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20193959

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