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SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Berichterstattung über Entscheid des Zürcher Kantonsrates über die Einführung einer Notfallgebühr in Radio SRF Nachrichten beanstandet

6138
Mit Ihrer E-Mail vom 1. Oktober 2019 beanstandeten Sie eine Nachrichtenmeldung von Radio SRF 1 vom 30. September 2019 über die Einführung einer Notfallgebühr im Kanton Zürich. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Es geht um die folgende Meldung in der Nachrichtensendung von Radio SRF 1 vom 30. September 2019 um 22.00 Uhr: <Weil die Notaufnahmen der Spitäler chronisch überlastet sind, will das Zürcher Kantonsparlament eine Notfallgebühr von 50 Franken einführen. Das beschloss die bürgerliche Mehrheit. [...] > Der letzte Satz kann nur als gezielte – politisch motivierte – Irreführung der Zuhörerinnen und Zuhörer interpretiert werden.

Das Ergebnis der Zürcher Kantonsratswahlen vom 24. März 2019 fasste Radio SRF 1 wie folgt zusammen: Zürcher Kantonsratswahlen - Linker, grüner, weiblicher: das neue Zürcher Parlament. Im Zürcher Parlament kommt es zu grösseren Verschiebungen. Die Bürgerlichen verlieren ihre Mehrheit.[1]

Es gibt also seit vergangenem Frühling keine ‘bürgerliche Mehrheit’ mehr. Erst recht keine, die in der Lage wäre, dem linken Lager ihren Willen aufzudrücken. Erstunterzeichner des Vorstosses, der die Zustimmung des Rates fand, ist Kantonsrat Daniel Häuptli von den Grünliberalen. Man muss schon sehr weit links stehen, um ihn als bürgerlich zu bezeichnen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF antwortete Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

„Gerne nehme ich Stellung zur Beanstandung 6138. Sie richtet sich gegen die 22h-Nachrichten vom 30. September auf Radio SRF. Konkret geht es um eine Nachrichten-Meldung zu einem Beschluss des Zürcher Kantonsrates vom gleichen Tag. Der Rat hatte mit 99 zu 64 Stimmen einem Antrag zugestimmt, der eine Aufnahmegebühr bei der Spital-Notfallaufnahme vorsieht. In der entsprechenden Meldung hiess es unter anderem:

Weil die Notaufnahmen der Spitäler chronisch überlastet sind, will das Zürcher Kantonsparlament eine Notfall-Gebühr von 50 Franken einführen. Das beschloss die bürgerliche Mehrheit.

Der Beanstander bezeichnet die Formulierung ‘die bürgerliche Mehrheit’ als ‘(...) gezielte - politisch motivierte - Irreführung der Zuhörinnen und Zuhörer.’ Ich nehme dazu wie folgt Stellung:

Die Formulierung ‘die bürgerliche Mehrheit’ ist falsch, wenn man sie so interpretiert, dass die bürgerlichen Parteien im Zürcher Kantonsrat grundsätzlich die Mehrheit hätten. Die Mehrheitsverhältnisse haben sich bei den Wahlen im März dieses Jahres verschoben.

Die in der beanstandeten Meldung gewählte Formulierung war zwar nicht so gemeint, aber trotzdem missverständlich. Der Satz wäre besser anders formuliert worden.

Das war er auch – mit einer, eben dieser Ausnahme. In zehn verschiedenen Nachrichtenbulletins ab 16h und in den tagesaktuellen Hintergrund-Abendsendungen des ‘Regionaljournal Zürich-Schaffhausen’ [2], des ‘Info3’ um 17:00 (auf SRF3) und im ‘Echo der Zeit’ [3] an jenem Tag, war jeweils die Rede von ‘einer/die Mehrheit des Zürcher Kantonsrates’. Die Ausnahme betraf die 22h-Nachrichten, in denen das Thema in einer Kurzusammenfassung nochmal erwähnt wurde.

Wie gesagt: Der Satz in den 22h-Nachrichten war zumindest missverständlich, auch wenn man darüber diskutieren könnte, ob die Grünliberale Partei, die den Vorstoss mitgetragen hatte, tatsächlich keine bürgerliche Partei ist.

Im Vergleich zur vielfältigen und präzisen Berichterstattung an diesem Tag zum Thema, ist dieser Satz am späten Abend aber nicht mehr als eine marginale Unschärfe. Das nehmen wir ernst, ich habe darum auch mit der betroffenen Redaktion die Faktencheck-Abläufe nochmals angeschaut. Aus diesem Anlass aber eine ‘politisch motivierte Irreführung’ des Publikums unsererseits zu konstruieren, ist völlig haltlos. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, die Beanstandung nicht zu unterstützen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Nachricht. Zuerst aber zu den Mehrheitsverhältnissen im Zürcher Kantonsrat. Als eines seiner Mitglieder wissen Sie ja selber am besten, dass im 180köpfigen Parlament keine Seite über eine durchgehende Mehrheit verfügt. Gliedern wir den Kantonsrat in die drei Lager Linke, Mitte und Rechte, dann sieht es wie folgt aus:[4]

Stärke der Lager im Zürcher Kantonsrat

Linke

Mitte

Rechte

SP 34

Grüne 21

AL 6

CSP 1

Total 62

GLP 24

CVP 8

EVP 8

Total 40

SVP 45

FDP 29

EDU 4

Total 78

Das absolute Mehr von 91 Stimmen erreicht und überschreitet keines der drei Lager. Es gibt jedoch eine Mehrheit der wirtschaftsliberalen Parteien (FDP, SVP, CVP, GLP) von 106 Stimmen und gleichzeitig eine Mehrheit der ökologischen Parteien (Grüne, GLP, SP, CSP, AL) von 94 Stimmen. Die klassisch bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP bleiben mit 82 Stimmen unterhalb des absoluten Mehrs. Der Alltag besteht also aus wechselnden Mehrheiten.

Nun haben sowohl das «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» als auch das «Echo der Zeit» den vor allem von SVP, CVP und Grünliberalen getragenen Entscheid für eine Notfallgebühr völlig zutreffend beschrieben, indem sie entweder nur vom «Entscheid des Kantonsrates» oder von «einer Mehrheit» sprachen. Auch die Nachrichtensendungen außer jener von 22 Uhr waren korrekt. Um 22 Uhr hätte es richtig heißen sollen: «eine Mehrheit aus vorwiegend bürgerlichen Parlamentariern». Da die Gesamtleistung von Radio SRF im Zusammenhang mit diesem Kantonsratsentscheid völlig untadelig war, gibt es daran nichts zu kritisieren. Doch hätte auch das Publikum, das nur die Nachrichten um 22 Uhr hörte, korrekt informiert werden sollen. Daher kann ich Ihre etwas spitzfindige Beanstandung teilweise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/zuercher-kantonsratswahlen-linker-gruener-weiblicher-das-neue-zuercher-parlament

[2] https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-kantonsrat-will-notfall-gebuehren

[3] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/notfall-gebuehr-fuer-bagatellen

[4] https://www.kantonsrat.zh.ch/organisation/fraktionen.aspx

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