Obundsstelle steht weiss auf einem roten Balken. Unten: Logo der SRG Deutschschweiz.
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«#SRFglobal Filmnacht», Abschnitt «Das Ende des Vertrauens in Nahost» beanstandet II

6163
Mit Ihrer E-Mail vom 22. Oktober 2019 und der dazugehörigen Beilage beanstandeten Sie die Sendung «#SRFglobal Filmnacht» (Fernsehen SRF) vom 8. Oktober 2019 und dort zum Thema «Das Ende des Vertrauens in Nahost». Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«In meiner Eigenschaft als Präsident des Keren Hajessod Schweiz (KH ist mit rund $200m Umsatz jährlich die grösste NGO für die Menschen Israels, ist politisch und religiös unabhängig und unterstützt alle Bevölkerungsgruppen Israels, um die soziale Schere zu schliessen) möchte ich Beschwerde über das Schweizer Fernsehen (SRF) und seine tendenziöse Berichterstattung zu Israel einlegen.

Als jüngstes Beispiel möge die Sendung vom 8. Oktober 2019 dienen, ausgerechnet während am Yom Kipur, dem höchsten jüdischen Feiertag (siehe unten die Analyse von Stefan Frank).

Es ist mir ein Anliegen, das wahre Gesicht Israels—bei aller berechtigten Kritik—auch in den Schweizer Medien aufzuzeigen. Die einseitige Berichterstattung des SRF verhindert dies systematisch.»

Der erwähnte Artikel von Stefan Frank von 15. Oktober 2019, publiziert bei Audiatur, lautet[1]:

Das Schweizer Fernsehen und die Schikanen gegen Israel

Foto Screenshot SRF Schweizer Radio und Fernsehen.

„Ausgerechnet am Abend des 8. Oktober, dem Beginn des jüdischen Versöhnungstags Jom Kippur, veranstaltete das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) einen Filmabend zum Nahen Osten, bei dem Ressentiments gegen Israel geschürt wurden. Moralischer Tiefpunkt: Ein als ‚Experte‘ ins Studio geladener Israel-Boykott-Unterstützer verhöhnte gemeinsame Filmproduktionen von Arabern und Juden als Kolonisierung.

Wer am 8. Oktober dem Israel gewidmeten Teil der ‚SRFglobal-Filmnacht: Aufbruch der Jugend‘ folgte (‚Das Ende des Vertrauens in Nahost‘), musste – wenn er kein Wissen über die Hintergründe hat – den Eindruck gewinnen, dass Mauern, Zäune und Checkpoints, die Israel nach dem unseligen ‚Oslo‘-Prozess und der daraus resultierenden Mordwelle zum Schutz seiner Bewohner errichten musste, Schikanen seien, die die israelischen ‚Besatzer‘ sich ausgedacht hätten, um das Leben in einigen vom Verlauf des Zauns besonders negativ betroffenen arabischen Dörfern so unangenehm wie möglich zu machen. Aus purer Bosheit. Tatsächlich fiel in diesem Zusammenhang das Wort ‚Schikane‘.

Als ‚Experten‘ eingeladene Studiogäste waren die Irankorrespondentin der deutschen ARD, Natalie Amiri (die aber zum Thema Israel weitgehend stumm blieb) und der im Irak geborene Schweizer Filmemacher Samir (eigentlich Samir Jamal Aldin). Samir posiert auf der Schweizer Website als Unterstützer der antisemitischen und terrornahen Israel-Boykott-Bewegung ‚BDS‘ (Boykott, Desinvestition und Sanktionen). In dem von ihm mitinitiierten Kulturhaus Kosmos in Zürich fanden mehrere ‚israelkritische‘ Veranstaltungen statt, bei denen auch schon mal der Ruf laut wurde, dem „Zionismus das Rückgrat zu brechen“. Dazu schrieb die NZZ am 5. Dezember 2018: <Der Filmemacher Samir steht in der Kritik: Er soll in seinem Kulturzentrum Kosmos eine Kampagne gegen Israel fahren.>[2]

Zum Thema Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete, zeigte das SRF an jenem Abend den Film ‚Omar‘ (2013) des arabisch-palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad, über den die linksgerichtete israelische Tageszeitung Haaretz[3] schrieb, er stelle die israelische Armee und den israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Beth <als Foltermaschinen dar, die nicht zögern, grausamen psychologischen Druck anzuwenden, um Informationen aus Leuten herauszupressen, die sie verhören>. SRF begnügte sich aber nicht damit, den Film auszustrahlen, sondern präsentierte ein Begleitprogramm mit einer Live-Schaltung in das arabische Dorf Bir Nabala.

SRF-Sonderkorrespondentin Anita Bünter hatte sich für die Live-Übertragung aus Bir Nabala eigens einen Hügel gesucht, von wo aus ein grosses Stück der Sperranlage im Hintergrund zu sehen war. Diese und sonstige angebliche ‚Schikanen‘ waren, was Israel betraf, der einzige Gesprächsgegenstand an diesem Abend. Was der Zweck der Mauer ist – jüdische Menschenleben vor der gewaltsamen Auslöschung zu schützen – fand nur nebenbei Erwähnung und wurde von Anita Bünter als Meinung dargestellt, die man glauben konnte oder eben nicht. Hören wir zu:

Moderatorin Wasiliki Goutziomitros:

<Als nächstes läuft hier ‚Omar’, ein Film über den Nahostkonflikt. Und dazu begrüsse ich unsere Sonderkorrespondentin, Anita Bünter, sie steht in Bir Nabala, das ist ein palästinensisches Dorf in der Nähe von Ramallah. Wir sehen hinter Ihnen die Mauer, dieses Gebiet ist teilweise eingezäunt, diese Mauer spielt eine wichtige Rolle, auch in dem Film, den wir gleich sehen werden, was hat es damit auf sich?>

Anita Bünter:

<Ja, ich stehe hier, wie gesagt, in Bir Nabala, das ist ein Dorf zwischen Ramallah und Jerusalem. Es hat ungefähr 5.000 Einwohner und hier hinter mir sehen wir die Absperrung, die das Dorf von Israel trennt. Und hier auf dieser Seite sind wir im Westjordanland. Früher war das alles hier ein zusammenhängendes Industriegebiet, jetzt wird es von der Absperrung in zwei Teile geteilt. Früher haben auch viel mehr Leute hier gearbeitet und eben diese Mauer, diese Trennmauer, dieser Schutzzaun, wie die Israelis sagen, der ist eben auch Thema im Film, den wir sehen werden. Die Mauer, die sieht aber nicht immer so aus wie da hinter mir, die ist auch nicht zusammenhängend, die ist ungefähr über 700 km lang, an der wird auch immer noch gebaut, es ist keine durchgehende Linie, sondern sie verläuft eben auch teilweise tief ins Land hinein, das von Palästinensern bewohnt wird oder bewohnt wurde, wird deshalb eben auch kritisiert und gerade im Gebiet rund um Jerusalem, wo wir jetzt auch stehen oder bei Ramallah, wo die Palästinensische Behörde ihren Sitz hat, ist die Lage besonders kompliziert, weil die Mauer teilweise mitten durch Dörfer geht, wie wir das hier gesehen haben in diesem Industriegebiet. Sie trennt teilweise Bauern von ihren Feldern und hat eben auch Auswirkungen auf andere Teile des Alltagslebens. Ich habe vor einiger Zeit mit einem Dorfvorsteher gesprochen, der an einer solchen Grenzmauer wohnt, das war in Qalandiya, ein Dorf in der Nähe von Jerusalem, das wird eben zweigeteilt von einer solchen Mauer. Und der Dorfvorsteher ist eben auch betroffen, weil er wohnt ausserhalb der Mauer und um in sein Büro zu kommen im Dorf in Qalandiya, muss er einen weiten Arbeitsweg auf sich nehmen.>

Nun kommt ein Kurzbeitrag über den Dorfvorsteher Raafet Awadallah. Dieser sagt:

<Unser Haus liegt dort drüben, hinter der Trennmauer. Es stehen auch noch andere Häuser da, hinter der Trennmauer, die unser Dorf in zwei Teile teilt.> (Melancholische Gitarrenmusik) <Das Leben war einfach, bevor die Trennmauer gebaut wurde. Wir konnten ganz leicht nach Jerusalem gehen oder zu unserem Haus. Aber dann wurde das Dorf in zwei Teile geteilt, in einen östlichen und einen westlichen. Mein Haus liegt auf der östlichen Seite. Die Trennmauer macht, dass wir nun viel mehr Zeit benötigen. Früher brauchten wir 15 Minuten, um die Kinder in die Schule zu bringen oder für den Weg ins Spital. Heute brauchen wir dafür über zwei Stunden.>

Statt um 7.30 Uhr müsse er jetzt schon um 6 Uhr morgens das Haus verlassen, um rechtzeitig bei der Arbeit zu sein, erfährt man. An Frieden glaube er nicht mehr, wird auf einer Texttafel eingeblendet. Der Dorfvorsteher darf auch den der Öffentlichkeit bislang völlig unbekannten Nahostplan von US-Präsident Donald Trump kommentieren:

<Der Friedensplan von Trump ist derselbe wie die früheren Friedenspläne. Jene Pläne, die Amerikaner, Europäer und Araber schon früher ausgehandelt haben. Meine persönliche Sicht ist, dass Trumps Plan jegliche Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung zerstören wird.>

Dann ertönt wieder melancholische Gitarrenmusik, der Bericht ist zu Ende.

Manipulative Darstellung

Die Moderatorin fragt die Korrespondentin Anita Bünter:

<Diese Absperrung, wir haben es gerade gesehen, trennt teilweise Palästinenser von Palästinensern, sie trennt Palästinenser aber auch von den Israelis, sie trennt Palästinenser teilweise von ihrem Land. Wie rechtfertigt Israel diesen Mauerbau?>

Israel muss sich also ‚rechtfertigen‘, sitzt auf der Anklagebank. Andererseits kann sich Israel gar nicht verteidigen, denn Israelis oder Stimmen von Personen, die nicht antiisraelisch sind, kommen den ganzen Abend lang nicht zu Wort. Es bleibt Anita Bünter vorbehalten, das vorzutragen, was sie als die Position Israels ausgibt (Hervorhebungen des Autors):

Anita Bünter:

<Für Israel ist diese Absperrung ein Selbstschutz, sagen sie. Sie sagen, dass sei eine Schutzmauer, um sich vor Terroranschlägen aus dem Westjordanland zu schützen. 2002 wurde mit dem Bau begonnen, das war während der zweiten Intifada, da waren Anschläge, Selbstmordanschläge in Israel fast an der Tagesordnung, es gab Anschläge auf Bars, auf Cafés, Restaurants, auf Busse. Ich habe mit vielen Israelis gesprochen, fast jeder kennt einen Ort oder eine Familie, die betroffen war von einem solchen Selbstmordanschlag, ein junger Israeli hat mir erzählt von seiner Kindheit, dass er sich erinnern kann, dass er jeweils weggeschickt wurde, in den Norden, in die Berge, weil die Eltern gedacht haben, er sei da mehr in Sicherheit. Und für Israel ist das eben die Begründung: den Terror abzuhalten, sie sagen, das garantiere eben die Mauer.>

<Ist sie denn wirksam?>, fragt die Moderatorin. Bünters ausweichende Antwort:

<Ja, sie ist wirksam, sagt Israel. Als mit dem Bau begonnen wurde, eben während der zweiten Intifada, da hat Israel gesagt, die Anschläge seien deutlich weniger geworden in Gebieten, wo es eine solche Mauer, eine Absperrung gab.>

Der Vergleich zu dem Teil, in dem es um die negativen Folgen für das Leben der Bewohner von Bir Nabala geht, ist aufschlussreich, wir entdecken viele Unterschiede.

Länge: Zum einen ist er viel kürzer. Nur 70 Sekunden des Beitrags, der mitsamt der Diskussion im Studio 18 Minuten lang ist, beschäftigen sich mit dem Zweck der Sperranlage: Leben zu schützen. Frau Bünter spricht aber nicht etwa vom Zweck, sondern von einer ‚Begründung‘ – so, als sei diese möglicherweise vorgeschoben, um andere, finstere Motive zu verdecken.

Konjunktiv/Indikativ Ein eigenes Urteil mag die Korrespondentin Bünter sich nicht erlauben; wann immer sie von der Schutzfunktion spricht, schiebt sie eilig hinterher, dass das ‚Israels Begründung‘ sei bzw. dass ‚sie‘ (wer?) das ‚sagen‘. Bünter benutzt dabei stets den Konjunktiv (‚das sei eine Schutzmauer‘, ‚die Anschläge seien deutlich weniger geworden, hat Israel gesagt‘), während sie dort, wo sie von den Nachteilen spricht, die die arabische Bevölkerung zu erleiden habe, stets den Indikativ benutzt: Die Mauer trennt Bauern von ihren Feldern, sie hat Auswirkungen auf den Alltag usw. Letzteres markiert Bünter damit als Tatsachen, während sie den Zweck der Sperranlage als Meinung erscheinen lässt, zu der Bünter durch den Gebrauch des Konjunktivs Distanz schafft; auf keinen Fall soll es so aussehen, als würde sie selbst der Absperrung eine Schutzfunktion zuschreiben.

Gesichtloses Israel: Bünter sagt, sie habe ‚mit vielen Israelis gesprochen‘. Warum kommt keiner von ihnen im Film vor? Die arabisch-palästinensische Seite hat einen Namen und ein Gesicht: den Dorfvorsteher Raafet Awadallah, der von seinem Alltag berichtet. Die Meinungen all der Israelis aber, mit den Bünter gesprochen hat, fasst sie mit einem generalisierenden ‚Israel sagt‘ zusammen. Sie bleiben anonym und gesichtslos, dürfen sich anders als der Dorfvorsteher nicht direkt an das Publikum wenden, um über ihre Erfahrungen und Ansichten zu sprechen. Sind sie allesamt kamerascheu? Wohl kaum. Es war offensichtlich eine redaktionelle Entscheidung des Schweizer Fernsehens, keine Israelis vor die Kamera zu lassen – so, wie ja auch kein Israeli ins Studio geladen wurde.

Vermeidung von Konkretem, wenn es um Israelis geht: Der Fall des palästinensisch-arabischen Dorfvorstehers Raafet Awadallah ist so konkret wie möglich: Wir erfahren, wann er aus dem Haus geht, wo er wohnt, wo er arbeitet, dass die Mauer zu einem deutlich längeren Pendelverkehr zwischen Beruf und Arbeit führt und dass er nun nicht mehr an Frieden glauben will (woran offenbar nicht die Hetze von Mahmud Abbas und das nie endende Pogrom gegen Juden schuld sind, sondern Israel). Wenn es auf der anderen Seite um die Terroranschläge auf Juden geht, dann wird kein einziger dieser Fälle vorgestellt. Dabei gäbe es hier Anknüpfungspunkte zu den Orten, wo Frau Bünter sich umgetan hat.

Hochburgen des Terrors

Qalandiya gilt seit langem als Brutstätte des Terrors und wird von bewaffneten Banden regiert. Sowohl israelische Sicherheitskräfte als auch die der Palästinensischen Autonomiebehörde trauen sich laut israelischen Medienberichten[4] nur selten dorthin. Erst im September gab es am Checkpoint Qalandiya einen versuchten Terroranschlag.[5] Auch das scheinbar so beschauliche Bir Nabala, von wo Bünter berichtet, hat einige berüchtigte Terroristen hervorgebracht. Im Oktober 1994 – noch während des Oslo-Prozesses also – wurde der israelische Soldat Nachshon Waxman von vier als religiöse Juden verkleideten Hamas-Terroristen entführt, in ein Haus in Bir Nabala gebracht und ermordet. Aus Bir Nabala stammt auch Mona Jaud Awana, die Drahtzieherin eines Mords, der Israel im Jahr 2001 besonders schockierte.[6] Sie hatte über den Internetmessengerdienst ICQ den 16-jährigen jüdischen Schüler Ofir Rahum kontaktiert, sich als marokkanische Jüdin namens ‚Sally‘ ausgegeben und über Wochen mit Ofir geflirtet, um ihn dazu zu bringen, sie in Ramallah zu treffen. Dort lockte sie Ofir in einen Hinterhalt, wo er von Jassir Arafats Terroristen aus kurzer Distanz erschossen wurde, während sie zuschaute.

Mit solchen Tatsachen will Anita Bünter die Zuschauer nicht behelligen. Sie zitiert nur Meinungen, die als ein Gerücht erscheinen, welches sie nicht einmal einer Person zuordnen kann, sondern nur einem ominösen Sprecher namens ‚Israel‘. Dann stellt sie das, was ‚Israel sagt‘ auch noch mit dem (von Ulrich Sahm an dieser Stelle so trefflich kommentierten[7]) Gemeinplatz in Frage, dass die ‚Absperrung‘ ‚nicht wirklich Frieden gebracht‘ habe:

<Aber man darf nicht vergessen: Ruhig ist es hier natürlich nicht. Es gibt immer wieder Konflikte, gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis, besonders um die israelischen Siedlungen herum im Westjordanland oder an den Checkpoints. Oder 2015 und 2016 gab es die Messerattacken, also ruhig ist es nicht wirklich und es ist auch nicht so, dass es wirklich Frieden gebracht hat, diese Absperrung, gerade letzte Woche ist eine Umfrage publiziert worden, da kam heraus, dass rund die Hälfte der Palästinenser dafür ist, die Intifada wiederaufzunehmen.>

Wenn das so ist, wäre das kein Argument gegen die Sperranlage, sondern würde dafür sprechen, sie noch höher zu bauen.

‚BDS‘-Unterstützer als einziger ‚Experte‘

So eingestimmt, beginnt die Diskussion mit dem im Studio sitzenden Samir Jamal Aldin. Er sagt Sätze wie <Das Hauptproblem ist die Besatzung> und bezeichnet Araber, die bei israelischen Behörden Aussagen machen, als ‚Kollaborateure‘ – so, als wären die Israelis Nazis. Für Samir haben Israelis nur ‚Schikane‘ im Sinn:

<Was mir auch Eindruck gemacht hat in diesem Film, ist, wie realistisch er das Leben gezeigt hat, also die Schikane, wie diesem Jungen von den Soldaten, den israelischen, einfach gesagt wird: ‚Du stellst dich auf diesen Stein hin, und er muss dann idiotischerweise auf diesem Stein stehen, dabei müsste er eigentlich arbeiten gehen. All diese Details sind sehr subtil gezeichnet, ohne grosse Anklagen zu machen.>

Von der Moderatorin kommt immer wieder ein zustimmendes ‚Mhmh‘. Dann fragt sie, ob es Kontakte zwischen palästinensischen und israelischen Filmemachern gebe. Hier outet sich Samir offenbar als Befürworter der Anti-Friedenskampagne der Fatah [8], die jegliche Kontakte zwischen Arabern und israelischen Juden unterbinden will, seien es Friedenskonferenzen [9], Fussballspiele oder gemeinsame Feiern [10] von Arabern und Juden. Samir erklärt, dass es früher etliche israelische Filmproduzenten gegeben habe, die mit palästinensischen Regisseuren zusammengearbeitet hätten. Letztere hätten die Zusammenarbeit aber aufgekündigt:

<Da gibt es keine Zusammenarbeit mehr. Ich kenne etliche israelische Produzentinnen – meistens Frauen, by the way –, die bis vor kurzem noch auch palästinensische Regisseure produziert haben. Aber inzwischen ist die Enttäuschung auf der palästinensischen Seite, und der Wille, sich nicht mehr von den guten Menschen in Israel kolonisieren zu lassen, so gross geworden. Das habe ich in diesem Film interessant gefunden: Hani hat keine israelischen Techniker, er hat auf alles verzichtet, was mit Israel zu tun hat, um seine Eigenständigkeit zu bewahren, auch in seinem Arbeitsprozess.>

Wo er von den ‚guten Menschen‘ spricht, grinst Samir und malt mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft. Die ‚guten‘ Menschen in Israel, haha. Dass es in Israel gute Menschen gebe, soll der Zuschauer ja nicht glauben. Wenn eine israelische Filmproduzentin einen palästinensischen Regisseur bittet, einen Film zu machen, will sie ihn doch nur ‚kolonisieren‘. Es klingt, als würde sich Jassir Arafat in der Hölle mit Fidel Castro unterhalten.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, auch sonderbaren und radikalen politischen Meinungen im Fernsehen ein Podium zu bieten – wenn es denn im Rahmen eines Pluralismus geschieht, der bestrebt ist, die gesamte Bandbreite von Meinungen zu zeigen. Was aber das Schweizer Radio und Fernsehen SRF an diesem Abend praktiziert, ist das Gegenteil von Pluralismus. Die Tiraden gegen Israel von Samir Jamal Aldin blieben unwidersprochen.

Ein 2010 von BDS Schweiz lancierter Aufruf für einen Israel-Boykott, unterstützen auch einige Politiker, Kulturschaffende und Journalisten. Mit Bild und Namen aufgeführt sind z.Bsp. die Sozialdemokratischen Nationalräte Margret Kiener Nellen (BE) und Carlo Sommaruga (GE). Ebenfalls dabei: der ehemalige Grüne Nationalrat, Ex-Stadtammann von Baden AG, Geri Müller, der Filmemacher Samir sowie der Journalist Erich Gysling. Foto Screenshot www.bds-info.ch 15.10.2019

Auf eine schriftliche Anfrage von Audiatur-Online, zur Unterstützung der antisemitischen und terrornahen BDS-Bewegung durch Samir Jamal Aldin und dem Fehlen einer israelischen/jüdischen Stimme im Beitrag von «#SRFglobal» vom 8. Oktober 2019, antwortete SRF- Produzent Daniel Blickenstorfer, es sei SRF bekannt, dass Samir Jamal Aldin Unterstützer von BDS ist. Allerdings gebe es keinen Hinweis darauf, dass er terroristische Aktionen gebilligt hätte und von einem Kulturboykott gegen Israel habe er sich distanziert. Der Spielfilm ‚Omar‘, zeichnet laut Blickenstorfer ‚ein differenziertes Bild beider Seiten‘ und für die politische Beurteilung des Films sei hauptsächlich die Sonderkorrespondentin verantwortlich. Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern sei im gesamten Programm der Filmnacht im Übrigen in fünf Gesprächsblöcken nur einmal zur Sprache gekommen, aus diesem Grund habe man verzichtet, eine israelische Stimme ins Studio einzuladen.

Jüdisches Leben braucht Schutz

Der SRF-Filmabend fand nicht nur zu Beginn des höchsten jüdischen Feiertages Jom Kippur statt, sondern auch – was freilich zu diesem Zeitpunkt niemand wissen konnte – am Vorabend jenes Tages, an dem ein Neonaziterrorist in der deutschen Stadt Halle an der Saale zwei Menschen ermordete, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, sich gewaltsam Zutritt zum Inneren des Gotteshauses zu verschaffen. Ein Blutbad unter den Gläubigen in der Synagoge – ähnlich dem in der Kehillat-Bnei-Torah-Synagoge in Jerusalem im November 2014 oder dem in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018 – wurde nur deshalb verhindert, weil eine stabile Tür und stabile Mauern dem Täter den Weg zu den potenziellen Opfern versperrten. <Man sieht, wie wichtig jede Tür ist, wie wichtig jeder Zaun>, sagte Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky in einem Interview.[11] Während die Behörden in Deutschland nun besseren Schutz für jüdische Einrichtungen geloben, richtete das SRF an jenem Abend eine propagandistische Breitseite gegen die Sicherheitsanlage, die in Israel Tag für Tag das Leben von jüdischen Männern, Frauen und Kindern schützt – vor Monstern, die nicht einmal davor zurückschrecken, nachts in die Kinderzimmer 13-jähriger Mädchen einzubrechen, um sie im Schlaf zu ermorden.[12] Das ist der Grund, warum Juden überall auf der Welt Zäune, Mauern und stabile Türen brauchen, um sich vor denen zu schützen, die jede Nachlässigkeit ausnutzen würden, wenn sie irgendwo die Gelegenheit sähen, einen Juden zu ermorden. SRF, das an diesem Abend keinen Juden zu Wort kommen liess, lieferte ein böswilliges Sich-dumm-stellen: Die Sprecher taten so, als könnten Juden in der heutigen Welt ebenso sorglos leben wie Nichtjuden, ohne Schutzmassnahmen ergreifen zu müssen. Das nennt man: zum Schaden den Spott fügen. Für die Angehörigen des jüdischen Volkes, denen auch fast 75 Jahre nach Auschwitz noch nach dem Leben getrachtet wird, zeigten weder die Moderatorin Wasiliki Goutziomitros noch Korrespondentin Anita Bünter – von Samir Jamal Aldin gar nicht zu reden – an diesem ‚globalen Filmabend‘ einen Funken Empathie. Der Beginn des Versöhnungsfestes Jom Kippur geriet im SRF zu einem Anti-Israel-Fest.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «#SRFglobal» antwortete dessen Produzent, Herr Daniel Blickenstorfer:

«Als Produzent der Sendung ‘#SRFglobal Filmnacht’ nehme ich hiermit Stellung zur Beanstandung Nr. 6163 von Herrn X aus Zumikon. Die Filmnacht präsentierte vier Spiel- und Dokumentarfilme. Sie behandelten alle die Versuche jugendlicher Hauptdarsteller, gesellschaftliche und politische Fesseln zu überwinden zugunsten ihrer persönlichen Freiheit. Vor den Filmen diskutierte Wasiliki Goutziomitros als Gesprächsleiterin jeweils die Lebensrealitäten der jungen Generation in den betroffenen Gebieten mit der ARD-Korrespondentin Natalie Amiri, dem Schweizer Filmemacher Samir, der Korrespondentin in Paris (zu ‘L’atelier’) sowie der Sonderkorrespondentin in Bir Nabala an der israelischen Schutzmauer in der Westbank (zu ‘Omar’).

Die Beanstandung bezieht sich offenbar auf das einleitende Gespräch vor der Ausstrahlung von ‘Omar’. Dieses behandelte einleitend die Schutzmauer, und zwar sowohl deren Auswirkungen auf den Alltag der palästinensischen Bevölkerung, wie auch die israelischen Intentionen für den Bau dieser Sperranlage. Wie der Beanstander richtig vermerkt, steht dieses Gespräch nicht mehr online zur Verfügung. Da die Online-Rechte für die Spielfilme am 15.10.2019 erloschen, haben wir gleichzeitig auch die dazugehörigen Gesprächsrunden offline gestellt. Die Gespräche zu den Filmen wären völlig isoliert und schwer verständlich dagestanden, wenn die Filme selber nicht mehr einzusehen sind.

Zur Beanstandung im Einzelnen; die Abhandlung von Stefan Frank in ‘Audiatur online’, die der Beanstander als ‘Analyse’ verstanden haben möchte, behandle ich nur in Bezug auf Stellen, wo Kritik an unserer journalistischen Arbeit ausgeführt wird.

  • ‘Parteiische, unausgewogene Sendung’ und ‘Manipulative Darstellung’

Israel sieht sich wegen der Sperranlagen tatsächlich internationaler Kritik ausgesetzt und muss sich die Frage nach ihrer Rechtfertigung gefallen lassen. Der Internationale Gerichtshof hatte schon 2004 festgehalten, dass Israel mit dem Bau der Anlagen gegen Völkerrecht verstosse. Am 20. Juli 2004 forderte die UNO-Vollversammlung mit grosser Mehrheit den Abriss der Anlage im Westjordanland. Die Frage der Moderatorin an die Korrespondentin ist also berechtigt.

In ihrer Antwort führt die Korrespondentin die Position Israels aus. Sie nennt dabei

  • Den Schutz israelischer Bürger vor Terrorangriffen, die sich während der Zweiten Intifada häuften und dazu führten, dass auch heute noch sehr viele israelische Familien um Angehörige trauern, welche diesen Anschlägen zum Opfer fielen
  • Den Schutz israelischer Bürger vor dem Angstgefühl, das Terroranschläge auslösen, und das soweit reichte, dass israelische Familien ihre Kinder zur Sicherheit vorübergehend in die Berge schickten.
  • Auf die Frage nach der Wirksamkeit der Sperranlage, respektive Mauer, antwortet die Korrespondentin, dass die Anlagen gemäss israelischen Angaben ihren Zweck erfüllen. Dass sie dabei den Konjunktiv verwendet, dient nicht zur ‘Distanzierung’ oder zur ‘Darstellung einer Meinung’, sondern ist die sprachlich korrekte Wiedergabe von Aussagen Dritter, wie in diesem Falle von Vertretern israelischer Sicherheitsbehörden und Politikern.
  • Die Korrespondentin zitiert schliesslich den israelischen UNO-Botschafter, der einst gesagt hatte, die Mauer sei <die wirksamste aller nicht gewaltsamen Massnahmen gegen den Terrorismus>.
    • ‘Samir = BDS-Verfechter, Antisemitismus’

Uns ist bekannt, dass Samir Jamal Aldin Unterstützer von BDS ist. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass er irgendwann terroristische Aktionen gebilligt oder Israel das Existenzrecht abgesprochen hätte. Wir haben Samir aber nichts als BDS-Vertreter ins Studio eingeladen, sondern als Filmemacher, dessen Werke immer wieder im Mittleren Osten spielen oder zumindest einen starken Bezug zum Geschehen in dieser Weltregion haben. Seinen Film ‘Forget Baghdad’ hatte er 2002 in Israel gedreht. Boykottaufrufe oder gar die Gutheissung terroristischer Anschläge waren in keinem Moment Inhalt der 18 Minuten dauernden Diskussion. Das Existenzrecht Israels wurde in keiner Wortmeldung in Frage gestellt.

Der grösste Teil dieser Diskussion behandelte die Qualität des palästinensischen Films ‘Omar’ sowie Erfahrungen bei Projekten, die Samir in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten durchgeführt hatte. Samir hob dabei das ‘Problem der Besatzung’ hervor sowie die Schikanen, denen Palästinenser durch israelische Sicherheitskräfte ausgesetzt sind.

Die künstlerische Freiheit des palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad steht ohnehin nicht zur Diskussion. Der Begriff ‘Besatzung’ ist nach völkerrechtlichem Massstab korrekt. Darüber hinaus ist allgemein bekannt, dass israelische Sicherheitskräfte Palästinensern immer wieder Schikanen unterwerfen, die unnötig sind für den Schutz israelischer Bürger und Anlagen und die auch erniedrigend wirken können, wie im Fall aus dem Film ‘Omar’, den Samir beschrieben hat. Das hält Amnesty International im Bericht 2017/18 fest. Derselbe Bericht notiert ebenso die Angriffe von Palästinensern mit Messern, Schusswaffen und Fahrzeugen auf israelische Staatsangehörige. Diese Angriffe wiederum thematisierte auch unsere Sonderkorrespondentin in Bir Nabala und schloss daraus, dass die Absperrung <nicht wirklich Frieden gebracht> habe.

Fazit

Die Diskussion rund um den Spielfilm ‘Omar’ drehte sich in erster Linie um die Sperranlage, die Israel zum Schutz vor Terrorangriffen errichtet hatte. Es wurden dabei sämtliche relevanten Sichtweisen eingebracht, also

  • die Erschwernisse im Alltag der palästinensischen Bevölkerung
  • das Sicherheitsbedürfnis der israelischen Bevölkerung
  • der Erfolg der Anlage als Mittel zur Reduktion von Anschlägen gegen Israel.

Antisemitische Meinungen wurden nicht vertreten. Das Gespräch unter den vier Teilnehmenden der Diskussion war ausgewogen und nicht parteiisch. Im Übrigen bin ich nicht einig mit dem Vorwurf des Beanstander, wonach SRF eine ‘tendenziöse Berichterstattung zu Israel’ pflege. In der Sendung vom 7. Juni 2018 mit dem Titel ‘Iran & Iran: Raketen, Hass und Freundschaft’ [13] haben wir meines Erachtens zumindest für #SRFglobal den Gegenbeweis angetreten.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ihre Beanstandung stützt sich auf den in «Audiatur» veröffentlichten Artikel von Stefan Frank, der im Wesentlichen kritisiert,

  • dass die israelkritische Sendung ausgerechnet am Abend des ersten Tages von Jom Kippur, dem zweitägigen jüdischen Versöhnungsfest und höchstem jüdischen Feiertag, ausgestrahlt wurde;
  • dass die Mauer in Palästina negativ dargestellt wurde, obwohl sie einzig und allein dem Schutz Israels vor Terrorangriffen diene;
  • dass die Position Israels nur indirekt wiedergegeben worden sei, während die palästinensische eine direkte Stimme erhalten habe;
  • dass der Filmemacher Samir, der als einer der Experten die antisemitische und terrornahe Israel-Boykottbewegung BDS unterstütze, kein Gegengewicht in der Runde erhalten habe.

Sie selber erachten die Berichterstattung pauschal als tendenziös und einseitig, und Sie plädieren dafür, dass es gelte «bei aller berechtigten Kritik» «das wahre Gesicht Israels... aufzuzeigen».

Ich möchte beim Grundsätzlichen beginnen und dann immer mehr ins Detail gehen:

  1. Die Filmnacht, die Fernsehen SRF in der Sendung «#SRFglobal» am 8. Oktober 2019 veranstaltete, war dem «Aufbruch der Jugend» im und aus dem Nahen Osten gewidmet. Es ging um Rebellion, um den Kampf gegen Islamismus, Repression und Denkverbote, und die Filme spielten in Iran, in Palästina und in Frankreich.[14] Diese Filme sollten mit dem Filmemacher Samir sowie mit Korrespondentinnen für Iran, Palästina und Frankreich diskutiert werden. Gegen dieses Konzept ist zunächst einmal nichts einzuwenden.
  2. Dass Filme, die von Rebellion gegen Repression und Denkverbote handeln, kritisch sind, versteht sich von selbst. Machthaber wie das Mullah-Regime in Iran oder die israelische Armee werden zu Recht oder vielleicht teilweise auch zu Unrecht negativ gezeichnet, ja angeprangert. Dies ist im Rahmen der filmischen Kunstfreiheit nicht zu beanstanden.
  3. Journalistinnen und Journalisten in offenen Gesellschaften dürfen nie und nirgends Antisemitismus zulassen. Sie sind dies dem jüdischen Volk schuldig, das in einer 2000jährigen Geschichte immer wieder verfolgt, vertrieben, gepeinigt und erniedrigt wurde. Sie sind es den Menschenrechten und der Selbstachtung schuldig.
  4. Antisemitismus muss indes abgegrenzt werden von der Kritik am Verhalten und an der Politik des Staates Israel. Das billigen auch Sie zu, indem Sie von «berechtigter Kritik» reden. Israel ist genauso kritisierbar wie jeder andere Staat. Wenn Israel Menschenrechte verletzt, das Völkerrecht nicht einhält usw., dann ist es gerade die Aufgabe der Medien, dies zum Thema zu machen. Wer die aktuelle israelische Politik kritisiert oder bedenkliche Entwicklungen in der israelischen Gesellschaft geißelt, nimmt das Recht auf Meinungsäusserung wahr, und das tun auch viele Israeli innerhalb und außerhalb Israels und zudem viele Juden überall in der Welt. Antisemitismus richtet sich nicht gegen das verwerfliche Handeln von Juden (das jederzeit kritisierbar sein muss), sondern gegen das Jüdischsein an und für sich und gegen damit verbundene angebliche Eigenschaften und Stereotypen. Wer allerdings das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellt, spricht den Juden den eigenen Staat ab, und dies kommt einer antisemitischen Haltung gleich. Wird der Staat Israel vernichtet, werden Juden aus ihrer Ursprungsheimat und neuen Wahlheimat vertrieben, nur weil sie Juden sind. Und das wäre Antisemitismus. Antisemitismus aber ist etwas vom Übelsten, was sich eine Gesellschaft leistet, gerade vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung des Holocaust.
  5. Die Sendung war an keiner Stelle antisemitisch. Israel-Kritik zog sich sowohl durch den Spielfilm wie auch durch einzelne Diskussionsbeiträge, aber das war kein Antisemitismus. Den latenten Vorwurf am Schluss des Artikels von Stefan Frank muss ich deshalb kategorisch zurückweisen.
  6. Die Mauer, die sich quer durch die palästinensischen Gebiete windet, ist grundsätzlich völkerrechtswidrig. Es ist verständlich, dass Israel alles Denkbare vorkehrt, um Terroranschläge zu verhindern, aber jede Massnahme, die auf Extremisten und Rebellen zielt, straft auch die Normalen und Friedfertigen. Diese Auswirkung der Mauer war in der Sendung ein plausibles Thema.
  7. Da alles, was den Nahostkonflikt und den jüdischen Staat betrifft, äußerst heikel ist, hätte auch eine israelische Stimme im Originalton zur Mauer zu Wort kommen sollen. Diese «Ausgewogenheit» wäre in vielen anderen Sendungen nicht zwingend gewesen, hier aber schon.
  8. Es war auch ungeschickt, dass die Sendung ausgerechnet während des Jom Kippur lief. Man kann zwar von einer Redaktion nicht verlangen, dass sie bei jeder Sendung prüft, welche Sensibilitäten welcher Religion, welcher Ethnie, welcher Nation und welcher Berufsgruppe sie aus kalendarischen Gründen verletzt, aber dann, wenn das Judentum und Israel thematisiert werden, muss man sich diese Mühe künftig machen.
  9. Was die Boykottbewegung gegen Israel betrifft, zitiere ich teilweise einen eigenen früheren Schlussbericht (Nr. 5265 vom 18. Januar 2018): Der Staat Israel wurde gegründet als Heimstätte für Juden, und zwar dort, wo das Volk Israel ursprünglich zu Hause war und von wo es vor fast 2000 Jahren in die Diaspora vertrieben wurde. Der Staat Israel entstand 1948 nicht konfliktfrei, im Gegenteil: Ihm ging jüdische Landnahme auf Kosten von Palästinensern voraus, und das von den arabischen Nachbarn bestrittene Territorium konnte der neue Staat nur in mehreren Kriegen (1948, 1956, 1967, 1973) behaupten. Man mag die Balfour-Deklaration von 1917 und den Uno-Teilungsplan von 1947 klug finden oder nicht: Der Staat Israel ist ein Faktum, er wird von der überwiegenden Mehrheit der Völkergemeinschaft anerkannt. Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, erhebt sich daher gegen Prinzipien der Uno und somit gegen das Völkerrecht.
  10. Der Staat Israel ist ein jüdischer Staat, weil der Zionismus das Ziel hatte, den verfolgten Juden in aller Welt eine Zuflucht zu bieten. Israel nennt sich „jüdischer und demokratischer Staat“.[15] Dies tönt widersprüchlich, ist es aber nicht, genauso, wie Großbritannien gleichzeitig ein demokratischer Staat und seine Königin als „defensor fidei“ das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche sein kann. Das Jüdische kommt in der bislang ungeschriebenen israelischen Verfassung vor allem im Wappen, in der Sprache und in den Feiertagen zum Ausdruck: Das Symbol ist der Davidstern, die Sprache ist Hebräisch (neben der aber gleichberechtigt Arabisch steht) und die Ruhe- und Feiertage richten sich nach dem jüdischen Kalender. Aber das Zivilrecht und die Halacha unterscheiden sich, und die Juden besitzen nicht mehr politische und individuelle Rechte als die Araber: Beide können wählen und sich wählen lassen, beide können ihre Grundrechte gerichtlich durchsetzen. Dies gilt allerdings nur für die Bewohner des Staates Israel, nicht für die besetzten Gebiete.
  11. Eine Boykottbewegung gegen die Einwanderung von Juden in Palästina und gegen das Ziel, einen zionistischen Staat zu gründen, gibt es schon seit 1922, wie die Friedrich Naumann-Stiftung in einer interessanten Studie aufzeigt.[16] Die 2005 gegründete BDS-Bewegung steht in der Nachfolge dieser früheren Bewegung, die ab 1975 auch von der Arabischen Liga getragen wurde, heute allerdings nur noch von Libanon voll verfochten wird. Auch die Palästinensische Autonomie-Behörde lehnt den Boykott ab. Die BDS-Bewegung schließt argumentativ an die Boykott-Bewegung gegen das südafrikanische Apartheid-Regime an, übersieht aber einen entscheidenden Unterschied: In Südafrika hatten die Schwarzen nicht die gleichen Rechte wie die Weißen; sie waren minderen Rechts. Im Staat Israel sind Juden und Araber rechtlich gleichgestellt.
  12. Was ist das Ziel des Boykotts? Die BDS-Bewegung will a) die Diskriminierung der palästinensischen Bürger/innen in Israel beenden, b) die Besatzung (der besetzten palästinensischen Gebiete und der Golanhöhen) beenden und c) die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge (gemäß UN-Resolution 194) ermöglichen. Die Legitimität der Ziele ist umstritten. Viele Beobachter argumentieren, dass die Rückkehr der Flüchtlinge, deren Status von Generation zu Generation vererbt wird, den Tod des Staates Israel bedeuten würde. Was sind die Methoden des Boykotts? Anprangerung von Firmen, Künstlern, Sportlern und Akademikern, die mit Israel handeln, in Israel auftreten oder mit israelischen Partnern wissenschaftlich zusammenarbeiten. Letztlich geht es um die Isolierung Israels und um die Fortsetzung der Kriege von 1948-1973 mit anderen Mitteln.
  13. Was sind die Beurteilungskriterien? Wenn man liest: „BDS Schweiz stellt sich entschieden gegen alle Formen von Diskriminierung und Rassismus, einschliesslich Islamophobie und Antisemitismus“[17], faktisch aber in Kauf nimmt, dass durch den Boykott diskriminierende Effekte eintreten, dann muss beides gegeneinander abgewogen werden. Man kann jedenfalls argumentieren, dass eine Unterstützung von BDS Schweiz nicht a priori auf das Existenzrecht Israels zielt. Von daher ist es vertretbar, Samir als Experten in der Runde gehabt zu haben.

Mein Fazit: Primär ging es in der Sendung um die Präsentation und die Analyse der Filme, also um die Einordnung von Kunstwerken, die allerdings mit der politischen Realität zu tun hatten und eine politische Stoßrichtung einnahmen. Beim Teil, der Israel und Palästina betraf, galten besondere journalistische Sorgfaltspflichten. Es sprach nichts gegen den Experten Samir, der cineastischen Sachverstand mitbrachte. Dass die Ausstrahlungszeit in den höchsten jüdischen Feiertag fiel, war ungeschickt. Und im journalistischen Blick auf die Mauer in Palästina hätte eine israelische Stimme zum Zuge kommen müssen, damit sich das Publikum nach gleichgewichtigen Argumenten frei eine eigene Meinung bilden konnte. Ihre Beanstandung kann ich daher teilweise unterstützen. Grundsätzlich tendenziös war die Sendung hingegen nicht. Den Chefredaktionen empfehle ich aber, dass man bei Sendungen, die Israel betreffen, auch den jüdischen Kalender mit-erwägt. Nicht möglich ist indes diese Rücksichtnahme bei aktuellen Ereignissen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.audiatur-online.ch/2019/10/15/das-schweizer-fernsehen-srf-und-die-schikanen-gegen-israel/

[2] https://www.nzz.ch/zuerich/palaestinakonflikt-sorgt-fuer-zoff-in-zuerich-ld.1441936

[3] https://www.haaretz.com/.premium-now-for-the-palestinian-movie-1.5347285

[4] https://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4680672,00.html

[5] https://www.jpost.com/Breaking-News/Stabbing-attempt-suspected-at-Qalandiya-crossing-terrorist-arrested-602064

[6] https://www.wired.com/2001/01/israels-first-internet-murder/

[7] https://www.audiatur-online.ch/2018/09/20/mauern-bringen-keinen-frieden-von-hans-ulrich-brandt-im-weser-kurier-wie-bitte/

[8] https://www.audiatur-online.ch/2015/05/22/die-antifriedens-kampagne-der-palaestinenser/

[9] https://www.latimes.com/world/la-xpm-2014-jan-09-la-fg-wn-ramallah-peace-protest-20140109-story.html

[10] https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/fatah-funktionaer-wegen-tanzender-juden-entlassen/

[11] https://www.manager-magazin.de/video/hamburg-juedische-gemeinde-ueberprueft-sicherheitskonzept-video-99030206.html

[12] https://www.telegraph.co.uk/news/2016/06/30/13-year-old-israeli-girl-stabbed-to-death-in-her-bedroom/

[13] https://www.srf.ch/play/tv/srfglobal/video/iran--israel-raketen-hass-und-freundschaft?id=6cd13b58-43dc-463a-81f3-49b72bbb6b6c

[14] https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2019/09/26/srfglobal-filmnacht-zum-aufbruch-der-jugend/

[15] http://knesset.gov.il/constitution/ConstMJewishState.htm

[16]

https://www.freiheit.org/sites/default/files/uploads/2015/10/07/15106hintergrundisraelpalaestinensischeautonomiegebiete.pdf

[17] https://www.bds-info.ch/index.php?id=114

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Zur Ausstrahlung des Internationalen Zirkusfestivals von Monte Carlo am 19. April 2019 sind bei der Ombudsstelle vier Beanstandungen eingegangen. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandungen nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

«DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung eines «Dok»-Films über verschleierte arabische Touristinnen nicht unterstützen. Der Beanstander ist der Ansicht, der Film habe die Verschleierung verharmlost und salonfähig gemacht. Ombudsmann Roger Blum kann diese Argumentation nicht teilen.

Weiterlesen

Bild von «DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

«DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

Ombudsmann Roger Blum hatte zwei Beanstandungen des «DOK»-Films «Hüslischweiz ohne Ende» vom 8. Dezember 2016 zu behandeln. Während ein privater Beanstander sich vor allem am Wort «Hüsli» stört, beanstandet der Hauseigentümerverband den ganzen Film als einseitig. Ombudsmann Roger Blum kann beide Beanstandungen nur teilweise unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht