Obundsstelle steht weiss auf einem roten Balken. Unten: Logo der SRG Deutschschweiz.
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

SRF News-Beitrag «’Die FPÖ ist ihren Unsicherheitsfaktor los’» beanstandet

6137
Mit Ihrer E-Mail vom 1. Oktober 2019 beanstandeten Sie den Beitrag «’Die FPÖ ist ihren Unsicherheitsfaktor los’» auf SRF News vom gleichen Tag.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Mir ist in letzter Zeit vermehrt aufgefallen, dass die gewählten Titel bei den online News und Beiträgen vermehrt teils stimmungsmachende und normative Zitate aus dem News-/Beitragsinhalt enthalten. Dieses Vorgehen kannte ich bis jetzt nur von boulevard oder gratis Medien wie 20Minuten oder Blick, die auf grosse Klickzahlen angewiesen sind. Weil aber die News-/Beitragsinhalte beim SRF durch Gebühren finanziert sind und nicht durch Werbung, ist sie entsprechend auch nicht auf aufmerksam generierende Titel angewiesen. Ich erhoffe mir deshalb für die Zukunft, dass die SRF Redaktion bei der Wahl ihrer Titel wieder mehr Wert auf Sachlichkeit und Qualität nimmt. Dabei ist für ein angemessenes journalistisches Niveau (das ich vom SRF erwarten darf im Gegensatz zu gewissen privaten Medien) darauf zu achten, dass die Titel möglichst neutral dem Inhalt entsprechend formuliert werden. Es kann nicht sein das Z.B. durch Titel wie <Die FPÖ ist Ihren Unsicherheitsfaktor los> ein normatives Urteil bereits im Title dem Leser vorweggenommen wird; Nämlich das Herr Strache bei der FPÖ ein Unsicherheitsfaktor ist. Das mag vielleicht für denjenigen der das Zitat im Newsinhalt formulierte tatsächlich so sein aber es ist wichtig, dass dieses Urteil durch den Leser selbst und möglichst unvoreingenommen vom Titel gefällt werden kann. Ich bedanke mich für Ihre Zeit und Bemühungen etwas für mein Anliegen zu unternehmen.»

Am 4. Oktober 2019 schoben Sie noch folgende Erläuterungen nach:

«Der Trend der zunehmenden Informationsflut (auch wegen social media) nimmt die Bedeutung der Überschriften im Vergleich zu den tatsächlichen Inhalten zunehmend an Bedeutung zu. Ich würde sogar zu behaupten wagen, dass heutzutage den Titeln eine höhere Aufmerksamkeit geschenkt wird als dem Inhalt eines Artikels/Berichts. Folglich ist auch die Meinungsbildung verstärkt (wenn nicht sogar dominierend) von Schlagzeilen und Überschriften beeinflusst.

Als unabhängiges Qualitätsmedium und wichtiger Informationsträger zur öffentlichen Meinungsbildung in der Schweiz kommt dem SRF eine grosse Verantwortung zu. Entsprechend gibt es zur Verhinderung von Missbrauch und Sicherstellung der Qualität der Informationen und Berichterstattungen basierend auf der Verfassung, Gesetzen und Konzession an sogenannte Leitlinien [2] denen sich das SRF Angebot verpflichtet. Dabei habe ich festgestellt, dass zwar bezüglich dem Inhalt des Informationsangebots zahlreiche und detaillierte Leitlinien vorhanden sind, es gibt aber keine spezifische publizistische Leitlinie bezüglich der Wahl und Gestaltung der Überschriften eines Informationsinhalts. In der heutigen Zeit ein grosser Missstand finde ich. Das Fehlen entsprechender Richtlinien zeigt sich meiner Meinung nach denn auch vermehrt in der Realität wie das beanstandete Beispiel zeigen soll.

Meine Erwartung an den Inhalt des Berichts:

  • Analyse über den heutigen Stand innerhalb des SRFs bezüglich dem Thema Titelsetzung durchführen.
  • Basierend auf dem Resultat der Analyse entsprechende Verbesserungsvorschläge mit Begründung formulieren. Falls kein Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht bestehen sollte, bitte dies ebenfalls begründen.

Meine Erwartung an das Ziel des Berichts:

  • Die Wichtigkeit von Schlagzeilen/Überschriften bezüglich der Meinungsbildung intern thematisieren.
  • Diskussion, Ausarbeitung und Veröffentlichung von Grundsätzen und Leitlinien bezüglich der Titelsetzung von Informationsinhalten.
  • Umsetzung von Methoden/Prozessen, um die geforderte Qualität bei Überschriften sicherzustellen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für SRF News äusserte sich Frau Sanda Manca, Bereichsleiterin von SRF News:

«Mit Mails vom 1. Und 3. Oktober 2019, hat Herr X die Titelgebung von SRF News bei folgendem Artikel beanstandet: <Strache verkündet Rückzug: ‘Die FPÖ verliert ihren Unsicherheitsfaktor’>.

Wir können die Einschätzung von Herrn X nicht teilen. Klar ist: Wir titeln auf den Punkt. Also so, dass die User wissen, was sie im Artikel erwartet. Und selbstverständlich wollen wir auch, dass unsere Artikel gelesen werden.

Das erwähnte Beispiel ist in unseren Augen ein explizit gut gewählter Titel. Er bringt die Einschätzung der Auslandredaktorin und ausgewiesenen Österreich-Kennerin Simone Fatzer auf den Punkt und ist durch die Anführungszeichen klar als Zitat gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um eine einschätzende Wertung, die allerdings im Interview hergeleitet wird. Die Einordnung von Ereignissen ist Teil unseres Auftrags.

Herr X fordert im Mail vom 3. Oktober u.a. Leitlinien für die Titelgebung. Unserer Ansicht nach braucht es hier keine gesonderte Regelung, da das Sachgerechtigkeitsgebot auch auf Titel anwendbar ist.

Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Beitrags und Ihrer Anregungen. Wir müssen unterscheiden zwischen der Form und der Sache. In der Form handelt es sich beim Beitrag, dessen Titel Sie beanstanden, um ein Interview mit Auslandredaktorin und Österreich-Spezialistin Simone Fatzer, und beim Titel um ein Zitat aus diesem Interview. Es ist üblich und auch richtig, bei Interviews aus einer markanten und das Gespräch prägenden Aussage den Titel zu formen. In der Sache hat Simone Fatzer den Rückzug Straches aus der Politik damit bilanziert, dass die FPÖ jetzt ihren Unsicherheitsfaktor loshabe. War diese Aussage begründet? Ich finde: ja. Der heute 50jährige Zahntechniker Heinz-Christian Strache war 2005-2019 Bundesparteiobmann der FPÖ und konnte aus dieser Position heraus den Wähleranteil seiner Partei mit meist fremdenfeindlichen, rassistischen Kampagnen steigern und die erneute Regierungsbeteiligung erreichen. Er selber wurde in der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz Vizekanzler. Doch Strache war nicht nur für Österreich und die Demokratie, sondern auch für seine Partei ein Unsicherheitsfaktor, denn

  • Er tummelte sich als Jugendlicher im Dunstkreis von Rechtsextremisten und Neonazis und beteiligte sich an Wehrsportübungen. Diese Verbindungen wurden immer mehr publik; Strache leugnete sie stets, musste aber meist zugeben, dass die Vorwürfe zutrafen.
  • Er erwies sich als bestechlich und zeigte seine tiefe Verachtung für die Medienfreiheit. Dies kam durch das heimlich aufgenommene Ibiza-Video zutage.
  • Er schädigte seine Partei finanziell, indem er auf ihre Kosten ein fürstliches Gehalt bezog. Es laufen Untersuchungen wegen Spesenmissbrauchs und Unterschlagung.

Es war also durchaus begründet, Strache als Unsicherheitsfaktor zu bezeichnen, und es war begründet, dieses Zitat für den Titel zu verwenden.

Nun zurück zur Form. Sie fordern, der Titelgebung mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Was sind die Anforderungen an Titel?

  • Sie sollen den nachfolgenden Text oder die Sendung auf den Punkt bringen;
  • Sie sollen wahr sein;
  • Sie sollen nichts enthalten, was nicht durch den Text oder die Sendung gestützt ist;
  • Sie sollen Aufmerksamkeit erregen, «Eye Catcher» sein;
  • Sie sollen prägnant und gut formuliert sein;
  • Sie sollen «laufen» (d.h. in einer Zeitung eine bestimmte Breite oder in der «Tagesschau» eine bestimmte Wörterzahl nicht überschreiten);
  • Sie sollen klingen (d.h. auch sprachlich-lautmalerisch ideal sein).

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Redaktionen von SRF diese Anforderungen missachten. Ich kann daher Ihre Beanstandung weder konkret in Bezug auf das Interview zu Strache noch generell unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/news/international/strache-verkuendet-rueckzug-die-fpoe-ist-ihren-unsicherheitsfaktor-los

[2] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Gewähltes Foto war zulässig

Gewähltes Foto war zulässig

Beanstandet wurde die Verwendung eines Agenturbildes in einem Online-Artikel über die Geschichte Schweizer Studentenverbindungen. Der Beanstander – der selbst auf dem Foto zu sehen war – sagt, es entstehe der Eindruck, dass er ein rechtsradikaler österreichischer Verbindungsstudent sei. Die Beanstandung wird nicht unterstützt.

Weiterlesen

Bild von Ein Kreuz für tote Tiere?

Ein Kreuz für tote Tiere?

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung des Beitrags «Wo die Wölfe wohnen» vom 22. Februar 2017 auf SRF News online nicht unterstützen. Ein Beanstander monierte die Verwendung des Kreuzsymbols für tote Wölfe in einer Infografik. Damit würden die religiösen Gefühle von Christen sowie das Grundrecht verletzt. Der Ombudsmann sieht insgesamt keinen Verstoss gegen gesetzliche Bestimmungen.

Weiterlesen

Bild von Demonstration von Putin-Gegnern beschäftigt die Ombudsstelle

Demonstration von Putin-Gegnern beschäftigt die Ombudsstelle

Ombudsmann Roger Blum behandelte eine Beanstandung eines Beitrags auf SRF News online über eine Demonstration von Putin-Gegnern in Moskau. Die Beanstanderin moniert, SRF habe einseitig zugunsten der Opposition berichtet und wichtige Informationen dem Publikum vorenthalten. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandung in den meisten Punkten nicht unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht