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SRF «DOK»-Sendung «Der Klimawandel. Die Fakten» beanstandet I

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Mit Ihrer E-Mail vom 14. November 2019 beanstandeten sie die DOK-Sendung (Fernsehen SRF) vom gleichen Tag zum Thema «Der Klimawandel. Die Fakten». Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich beschwere mich offiziell bei der Ombudsstelle, weil die Sachgerechtigkeit, seitens der SRG, eindeutig missachtet worden ist. Heute Abend wurde in der Sendung ‘DOK’ das Filmwerk ‘Der Klimawandel. Die Fakten.’ ausgestrahlt. Schon der Filmtitel ist höchst fragwürdig, da er eine absolute Wahrheit in Anspruch nehmen oder suggerieren will. Der Film als solches ist zur eigenen Meinungsbildung völlig unbrauchbar, da er gar keine Meinungsbildung zulässt, sondern eine Meinung als Dogma verkaufen will. Die Sachgerechtigkeit ist wie Sie lesen können also ganz eindeutig missachtet worden. Ich bin gespannt auf Ihren Bescheid und die weiteren Schritte, die Sie in die Wege leiten werden, damit dieser Missstand beseitigt wird, so dass unsere Meinungsfreiheit in Zukunft nicht mehr vom Staatsfernsehen in ihrer Existenz bedroht werden kann.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die DOK äußerte sich Frau Nathalie Rufer, Executive Producer DOK und Reportage:

«Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herr X bezüglich des Films ‘Der Klimawandel – die Fakten’, der am 14.11.2019 ausgestrahlt wurde.

Herr X beanstandet, seines Erachtens sei von Seiten SRF (SRG) die Sachgerechtigkeit missachtet worden. Das zeige sich insbesondere an der Wahl des Titels ‘Der Klimawandel – die Fakten’: der Titel sei dogmatisch und erlaube keinerlei eigenen Interpretationsspielraum.

Beim beanstandeten Film handelt es sich um einen Einkauf der renommierten BBC, der in verschiedenen Ländern gezeigt worden ist, unter anderem bei ZDF und ORF. Autor des Films ist Sir David Attenborough, ein mit zahlreichen Preisen ausgezeichneter Naturforscher und Tierfilmer. Er lässt in seiner 50-minütigen Dokumentation über den Klimawandel verschiedene renommierte Forscher und Wissenschaftler zu Wort kommen.

Den Vorwurf der fehlenden Sachgerechtigkeit lassen wir nicht gelten. Der Film ist sachgerecht im Sinne unserer publizistischen Leitlinien:

<Sachgerecht ist die Berichterstattung, wenn sie alle verfügbaren Fakten in Betracht zieht und nur darstellt, was nach bestem Wissen und Gewissen für wahr gehalten wird. Sachgerechtigkeit setzt bei den Journalistinnen und Journalisten Sachkenntnis und Kompetenz voraus. Sie erfordert Transparenz, indem Quellen nach Möglichkeit offengelegt werden, und verlangt eine faire Darstellung unterschiedlicher Meinungen ‘audiatur et altera pars’. Wer Anschuldigungen gegen eine Person oder eine Institution vorbringt, muss Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme geben.> (Quelle: Publizistische Leitlinien 1.2.)

Dass der Titel suggestiv sei und keine eigene Meinungsbildung zulasse, bestreiten wir ebenfalls. Eine kurze Internet-Recherche ergibt, dass der Titel ‘ Der Klimawandel – die Fakten ’ keineswegs einzigartig und allenfalls nicht sehr originell ist. ‘ Klimawandel in der Schweiz – die Fakten ’ zum Beispiel titelt die NZZ am 30.9.2019, in der ‘ Zeit ’ vom 3.12.2018 kann man einen Artikel unter dem Titel ‘ Klimawandel – 10 Fakten ’ lesen, die Weltwoche schreibt am 20.3.2019 von ‘ Fakten zum Klimawandel ’ um nur gerade drei Beispiele zu nennen. Unserer Meinung nach hält der Titel des beanstandeten Films genau das, was er verspricht: er listet nämlich diverse Fakten zum Klimawandel auf.

Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung abzuweisen. Vielen Dank.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich mache zuerst einige grundsätzliche Bemerkungen und gehe danach auf Ihre spezifische Kritik an:

  1. Dass Fernsehen SRF im Jahr des Klimastreiks einen DOK-Film zum Klimawandel ausstrahlt, erklärt sich von selbst: Das Thema ist relevant und aktuell. Die Wahl erfolgte nicht willkürlich. Auch wenn die Programmautonomie den Redaktionen viel Freiheit lässt, hat SRF mit diesem Thema nicht danebengegriffen: Das Publikumsinteresse war da.
  2. Die im Film dargelegten Fakten wird wohl niemand bestreiten: Die Erde erwärmt sich, das Eis in der Antarktis schmilzt, der Meeresspiegel steigt, die Niederschläge nehmen zu, die Waldbrände werden zahlreicher und heftiger, Tierarten sind bedroht. Der Titel der DOK war darum nicht falsch gewählt: Es werden Fakten aufgezeigt.
  3. Projektionen und Prognosen können immer eine gewisse Ungenauigkeit aufweisen. Aber man verfügt heute über viel mehr Messungen und Zahlen als noch vor 30 Jahren. Der Klimawandel lässt sich daher exakter dokumentieren.
  4. Im Film wird klar gesagt: «Nicht alle Wetter-Ereignisse sind auf den Klimawandel zurückzuführen». Und es steht auch fest, dass nicht alles, was sich verändert, durch die Menschen verursacht ist. Klar ist aber, dass die Beschleunigung des Klimawandels mit der Treibhausgas-Emission und mit der Rodung der Regenwälder zu tun hat.
  5. Die seriösen Wissenschaftler kommen deshalb alle zum gleichen Schluss: Es muss gehandelt werden, und zwar rasch. Im Film kommen denn auch zahlreiche renommierte Forscher und Experten zu Wort, so Richard Black, Direktor der Energy and Climate Intelligence Unit in London[1], Mike Berners Lee, Professor am Environment Center der Lancaster University[2], Matthew Hansen, Professor für Geographie an der Unversity of Maryland[3], Richard Lazarus, Rechtsprofessor an der Harvard University[4], Timothy Lenton, Professor für Geographie und Direktor des Global Systems Institute an der University of Exeter[5], Michael E. Mann, Professor für Atmospheric Science, Direktor des Earth Systems Science Center an der Pennsylvania State Universtiy[6], Mark Maslin, Professor für Geographie am University College London[7], Catherine Mitchell, Professorin für Energiepolitik an der Unversity of Exeter[8], Sunita Narain, Generaldirektorin des Centre for Science and Environment in New Delhi[9], Naomi Oreskes, Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Harvard University[10], Andrew Shepherd, Professor an der School of Earth and Environment der University of Leeds[11], Peter Stott, Professor für Engeneering, Mathematics and Physical Sciences an der University of Exeter[12], sowie Katey Walter Anthony, assoziierte Professorin am Water and Environmental Research Center der University of Alaska Fairbanks[13].
  6. Im Film wird übrigens auch dargelegt, dass es die Gegenposition gibt, dass die Kritiker vorschlagen, sich an den Klimawandel anzupassen, und dass sowohl in der Industrie wie auch in der Politik manche den Klimawandel leugnen. Damit hat SRF der Forderung «audiatur et altera pars» Genüge getan. Das Bundesgericht verlangt nicht, dass in umstrittenen Fragen die jeweils konträren Positionen gleichgewichtig zum Zuge kommen. Es verlangt nur, dass die andere Position erwähnt wird.
  7. Medien haben zudem auch eine seismographische Funktion. Es obliegt ihnen, die Bevölkerung über drohende Entwicklungen zu informieren. SRF erfüllt daher eine wichtige Medienfunktion, wenn es die Bevölkerung darüber aufklärt, was in Bezug auf das Klima auf die Menschheit, die Tierwelt und die Pflanzenwelt zukommt.
  8. Und Medien haben schliesslich auch eine pädagogische Funktion. Deshalb war es wichtig, dass im Film aufgezeigt wurde, was die einzelnen Menschen tun können, um den Klimawandel zu entschleunigen. SRF hat mit Hilfe der BBC so klar die Betroffenheit von uns allen aufgezeigt.

Und jetzt komme ich noch zu den Punkten, die Sie zusätzlich aufgeworfen haben: Sie fanden den Film nicht sachgerecht, weil der Titel absolute Wahrheit beanspruche und eine Meinung als Dogma verkauft werde. Ich habe die DOK überhaupt nicht so verstanden: Der Titel entsprach dem Inhalt, weil im Film Faktum um Faktum aufgelistet wurde. Deshalb ging es nicht um eine vermittelte Meinung, sondern um vermittelte Fakten, die zum Nachdenken anregen. Auch wenn man über den einen oder anderen Nebenpunkt im Film streiten kann, so bewerte ich ihn insgesamt als sachgerecht. Somit kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://eciu.net/about/the-team

[2] https://www.lancaster.ac.uk/lec/about-us/people/mike-berners-lee

[3] https://geog.umd.edu/facultyprofile/hansen/matthew-c.

[4] https://hls.harvard.edu/faculty/directory/10509/Lazarus

[5] http://geography.exeter.ac.uk/staff/?web_id=Timothy_Lenton

[6] http://www.met.psu.edu/people/mem45

[7] https://www.geog.ucl.ac.uk/people/academic-staff/mark-maslin

[8] https://geography.exeter.ac.uk/staff/index.php?web_id=Catherine_Mitchell

[9] https://www.cseindia.org/page/sunita-narain

[10] https://histsci.fas.harvard.edu/people/naomi-oreskes

[11] https://environment.leeds.ac.uk/see/staff/1536/professor-andrew-shepherd

[12] https://emps.exeter.ac.uk/mathematics/staff/pas217

[13] http://ine.uaf.edu/werc/people/faculty/katey-walter-anthony/

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