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SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Late Update»-Beitrag «Grüner verreisen» beanstandet

6241
Mit Ihrer E-Mail vom 28. November 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Late Update» (Fernsehen SRF) vom 10. November 2019 und dort die Episode «Grüner verreisen».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«1. Wenn eine (quasi) öffentliche Instanz ein Präjudiz geschaffen hat, so hat sie sich auch in ihrem zukünftigen Handeln daran zu halten. Alles andere verletzt das verfassungsmässige Willkürverbot.
2. Wer in gutem Glauben bezugnehmend auf dieses Präjudiz bei derselben Instanz Beschwerde führt oder eine Beanstandung einreicht, dessen Handeln ist offensichtlich nicht mutwillig in juristischem Sinne und gemäss RTVG Art. 98 Abs. 2. Die Ombudsperson sei weiter darauf hingewiesen, dass ‘mutwillig’ nicht dasselbe ist wie ‘missbräuchlich’ und dass für Mutwilligkeit im Beanstandungsverfahren keine Bussen auferlegt werden. In seinem Bericht Nr. 6153 hat die Ombudsperson ein Präjudiz geschaffen. Es lautet: Wenn sich eine Kunstfigur diskriminierend im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RTVG äussert, also zum Beispiel rassistisch oder sexistisch, so verletzt eine solche Äusserung Art. 4 des RTVG, sofern die Figur nicht plausibel ist. Nicht plausibel ist diese Figur gemäss dem erwähnten Präjudiz dann, wenn sie nicht typengerecht ist. Ob eine diskriminierende Äusserung typengerecht ist, wird danach beurteilt, ob es typisch ist für einen Vertreter einer Berufsgattung X mit Nationalität Y, sich so zu äussern. In concreto legte sich die Ombudsperson zur Beantwortung dieser Frage in Bericht Nr. 6153 selbst die folgende Frage zur Beantwortung vor: <Ist es typisch für deutsche Journalisten, dass sie sexistisch sind?> Diese Frage verneinte die Ombudsperson zu recht, denn es ist nicht typischer für deutsche als für schweizerische Journalisten, sich sexistisch zu äussern. Dasselbe Szenario gälte natürlich auch bei anderen Berufsgattungen wie z.B. Zuhältern, wo der Sexismus ebenfalls nicht typisch deutsch oder schweizerisch ist. Allerdings stellt sich die Frage, wo denn der Sexismus im Journalismus herrührend sollte, wenn es nicht typisch ist für einen Journalisten mit irgendeiner beliebigen Nationalität X, sich sexistisch zu äussern. In der Sendung ‘Late Update’ vom 11. November 2019 äussert sich die Kunstfigur einer durch den Dialekt unzweifelhaft als schweizerisch identifizierte Reisebüroangestellte meines Erachtens abwertend gegenüber anderen Ethnien, nämliche der deutschen und der chinesischen Ethnie. Ob diese meine Einschätzung zutrifft, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen. In einem ersten Schritt muss zuerst geprüft werden, ob es typisch für eine schweizerische Reisebüroangestellte ist, sich diskriminierend/abwertend gegenüber anderen Ethnien zu äussern (Hypothese). Diese Hypothese kann aus verschiedenen Gründen verworfen werden:
1. Beruht das Geschäft von Reisebüros Kunden in Kontakt mit Vertretern anderer Ethnien zu bringen, indem sie Auslandreisen in die Herkunfst- und Stammländer diese Ethnien organisieren. Eine solche Abwertung ausländischer Ethnien wäre mit Sicherheit schlecht für das Geschäft, da es die Reisebereitschaft der Kunden der Reisebüros schmälert und würde dazu führen, dass eine solche Reisebüroangestellte entweder vom gewinnorientierten Besitzer des betreffenden Reisebüros sanktioniert wird oder aber dieses bei fehlender interner Sanktionierung der betreffenden Mitarbeiterin selbst vom Marlt sanktioniert wird und einen Verlust erleidet oder gar ganz aus dem Markt ausscheidet.
2. Lässt sich ein solches diskriminierendes Verhalten nicht oder kaum je beobachten.
3. Selbst wenn diskriminierende Äusserungen von Reisebüroangestellten gegenüber anderen Ethnien gang und gäbe wären, so kann dennoch davon ausgegangen werden, dass es typisch ist für schweizerische Reisebüroangestellte - z.B. im Gegensatz zu deutschen Reisebüroangestellten. Hier tritt das Präjudiz aus Bericht Nr. 6153 in Kraft. Aufgrund ökonomischer Sachzwänge, empirischer Befunde und dem erwähnten Präjudiz kann somit festgehalten werden, dass die Kunstfigur einer sich abschätzig gegenüber anderen Ethnien äussernden Reisebüroangestellten nicht typengerecht ist und damit die Plausibilität einer sich so verhaltenden Kunstfigur nicht gegeben ist. Jetzt ist noch der erste Schritt zu tun, nämlich zu untersuchen, ob sich die Kunstfigur der schweizerischen Reisebüroangestellten abwertend und damit diskriminierend gegenüber anderen Ethnien äussert. Dies ist meines Erachtens gegeben:
1. Setzt sie die deutsche Ethnie herab, indem sie ihr ein rücksichtloses und egoistisches Verhalten unterstellt, indem unterstellt wird, dass Vertreter dieser Ethnie dafür bekannt seien, Sonnenliegen auf Vorrat zu besetzen und damit der Nutzung durch andere Reisende zu entziehen. Dies mag sich ja ‘nur’ auf Sonnenliegen beziehen. Doch diese sind a) im Ferienkontext von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit und b) ist es nur ein kleiner gedanklicher Schritt von der ‘Besetzung von Sonnenliegen’ zum Argument, ausländische Ethnien würden den Schweizern Wohnungen und Jobs wegnehmen - ein Statement, dass eindeutig zu Rassenhass gemäss Art. 4 Abs. 1 RTVG beiträgt.
2. Wird der chinesischen Ethnie unterstellt, sich beim Essen an Hotelbuffets nicht wie Menschen, sondern nachgerade wie Tiere zu verhalten: Alles durcheinander werfen und das Essen für die übrigen Touristen ungeniessbar machen. Mit anderen Worten: Es wird der Ethnie der Chinesen unterstellt, die Umgebung zu verschmutzen. Das ist ein schlimmes rassistisches Stereotyp. Was wäre, wenn man beispielsweise behaupten würde, in Häusern in der Schweiz, wo mehrheitlich Belgier wohnen, sei es schmutzig? Und nun ersetze man Belgier einmal durch Türken, Albaner oder Eritreer... Kaum jemand würde ein solches Stereotyp nicht für rassistisch halten. Chinesen so als Schmutzfinken zu charakterisieren verletzt deren Menschenwürde gemäss Art. 4 RTVG, ausser es liesse sich der Tatbeweise erbringen, dass sich Chinesen tatsächlich so verhalten. Indem die Kunstfigur der schweizerischen Reisebüroangestellten abwertende und damit rassistische Stereotypen gegenüber genau bezeichneten ausländischen Ethnien zum Besten gibt, dabei aber diese Kunstfigur aus den genannten Gründen keine Plausibilität beanspruchen kann, verletzt der Beitrag ‘Grüner verreisen’ in der Sendung ‘Late Update’ vom 10. November 2019 Art. 4 und 5 des RTVG gemäss des in Bericht 6153 geschaffenen Präjudiz. Ich möchte noch bemerken, dass ich selbst durch die abwertende Bezeichnung einer der beiden Ethnien mittelbar betroffen bin, möchte die genauen Hintergründe im Hinblick auf den mangelnden Datenschutz hier aber nicht genauer ausführen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Late Update» äußerte sich Herr Daniel Kaufmann, Senior Producer Comedy:

«Gerne nehme ich zur Beanstandung von Herrn X Stellung.

Bei ‘Late Update’ handelt es sich um eine Satiresendung. Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. Dabei ist es aus programmrechtlicher Sicht zentral, dass der satirische Charakter für das Publikum erkennbar ist. Der satirische Charakter bei ‘Late Update’ ist für den Zuschauer aufgrund des Sendeformats klar erkennbar.

Die Beanstandung von Herrn X bezieht sich offensichtlich mehr auf die Ombudsstelle selbst und einen früheren Fall. Darauf gehe ich nicht ein und damit auch nicht auf die Plausibilität von gespielten Figuren. Die Satire ist frei, jeder fiktiven Figur die Eigenschaften einzuverleiben, die für den Sketch gewünscht ist. Ich beschränke mich auf die Vorwürfe zum Sketch ‘Grüner verreisen’.

Herr X sieht eine Diskriminierung der Deutschen, wenn im Sketch erwähnt wird, dass deutsche Touristen Liegestühle reservieren. Satire beruht auf Tatsachen und spitzt sie zu. Tatsache ist: Es gibt Touristen, die Liegestühle reservieren. Manche von ihnen sind Deutsche.

Herr X sieht eine Diskriminierung der Chinesen, wenn eine fiktive Reisefachfrau ein Buffet durcheinanderbringt mit dem Hinweis, es sei eben eine chinesische Reisegruppe da gewesen. Tatsache ist: Wenn eine Reisegruppe sich bei einem Buffet bedient hat, sieht es danach nicht mehr gleich aus wie vorher. Auch, wenn es eine chinesische Reisegruppe war. Oder eine aus der Schweiz.

Ich bedanke mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Episode. Sie stellen einen Vergleich zwischen dieser Szene und den Interviews des deutschen Journalisten Frank-Walter Froschmeier mit Schweizer Politikern in einer früheren «Late Update»-Sendung her und behaupten, ich hätte damals ein Präjudiz geschaffen, das auf alle weiteren Satire-Sendungen anwendbar sei[2]. Sie übersehen aber dummerweise einen ganz wesentlichen Unterschied: Der Journalist Frank-Walter Froschmeier ist eine Kunstfigur in einer realen Situation. Er führt Interviews mit real existierenden Schweizer Politikerinnen und Politikern, ohne dass diese zunächst merken, dass sie einer Person mit falscher Identität gegenübersitzen und dass sie nicht einem ausländischen Journalisten Auskunft geben, sondern von einem Kabarettisten veräppelt werden. Gespielt ist da nur die Rolle von Michael Elsener, während die politischen Akteure die Fragen so beantworten, wie sie es auch gegenüber einem Interviewer des «Tages-Anzeigers» oder der NZZ, von «Le Monde» oder von der FAZ getan hätten. Im Sketch «Grüner verreisen» sind hingegen alle Beteiligten Schauspieler. Da wird von Anfang an alles satirisch zugespitzt und übertrieben. Auf die Schippe genommen wird die «grüne» Lebensweise, diesmal am Beispiel der Ferien. Der Sketch spielt dabei auch mit gängigen Stereotypen. Ich finde die Art und Weise, wie das Thema satirisch umgesetzt wird, voll gelungen, gänzlich im Rahmen der satirischen Kunstfreiheit. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/late-update/video/selbstbefriedigung-am-arbeitsplatz?id=54df6be8-a2b8-4a52-b63d-2a0d2da51fa9

[2] s. Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 6153: https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2019/10/14/late-update-beitrag-froschmeier-trifft-levrat-und-zanetti-beanstandet

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