Ombudsstelle: Kritik muss gehört werden

Gerade im Zusammenhang mit der Corona-Krise greift SRF häufig auf Expertenmeinungen zurück. Die Frage, inwiefern solche Stimmen hilfreich sind und inwiefern sie verunsichern können, stand im Zentrum der Beanstandung gegen «10vor10» und «Puls».

Nach Meinung des Beanstanders bot SRF Fachexpertinnen und -experten eine unangemessen grosse Plattform. Seiner Meinung nach sollten Fachspezialisten ihre Meinung in den entsprechenden Gremien einbringen, aber «sicher nicht vor grossem Publikum». Denn das Publikum – so der Kritiker weiter – werde dadurch eher verunsichert als beruhigt. Der Beanstander ist zudem der Ansicht, die SRG «spiele den Bundesrat».

Unterschiedliche Perspektiven

In der «10vor10»-Ausgabe vom 16. März 2020 stand das Coronavirus im Zentrum. Es ging insbesondere um die Massnahmen des Bundesrates, der an diesem Tag die «ausserordentliche Lage» verhängt hatte. Hier kamen zunächst die Bundesrät*innen Sommaruga, Berset und Amherd zu Wort. Im Anschluss an diese Ausführungen folgte ein Gespräch mit dem Virologen Professor Marcel Salathé, der die Massnahmen aus fachspezifischer Sicht beleuchtete. Er plädierte für flächendeckende Tests, um die Ansteckungsrate möglichst genau beurteilen zu können.

Auch in der Sendung vom 17. März ging es um Covid-19. Der Fokus lag auf der Frage, wie getestet werden soll. Diesmal kamen die Statements von drei Gesundheitspolitikerinnen und -politiker aus drei verschiedenen Parteien (SVP, FDP, CVP) zum Tragen, dazu die Vertreterin des Verbandes Labmed sowie der Generaldirektor der WHO und Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit.

Verfassungswidrige Forderung

In der Stellungnahme stellt sich die «10vor10»-Redaktion auf den Standpunkt, dass das Publikum durch die beanstandeten Sendungen über verschiedenste Aspekte der Corona-Krise informiert worden sei. Dies sei klar die Aufgabe der Redaktion, da das Interesse am vorliegenden Thema die ganze Bevölkerung betrifft. Nach Meinung der Redaktor*innen wäre es mehr als nur ein Fehler, medizinische Fachspezialisten in Informationssendungen nicht zu Wort kommen zu lassen. Es würde vielmehr dem Auftrag gemäss Verfassung und Gesetz widersprechen. Den in der Bundesverfassung (Art. 93, Abs. 2) steht, dass Radio und Fernsehen zur Bildung und kulturellen Entfaltung sowie zur freien Meinungsbildung der Bevölkerung beizutragen haben.

Grosser Bedarf an Einordnung

In der Sendung «Puls» vom 16. März 2020 führte die Redaktion ein Gespräch mit dem Epidemiologen Christian Althaus zum Thema der Corona-Krise. Die Puls-Redaktion nimmt in ihrer Stellungnahme eine ebenso deutliche Haltung ein: «Dass die dort zur Sprache kommenden Fragen ausschliesslich in geschlossenen Fachgremien erörtert werden, widerspricht ausdrücklich dem publizistischen Verständnis.» Es sei zudem nicht zu erkennen, dass die Inszenierung der Sendung im vorliegenden Fall den Inhalt negativ beeinflusst habe. Die Beanstandung sei umso weniger verständlich, da gerade in einer krisenhaften Zeit der Ausbreitung der Corona-Pandemie der Bedarf an öffentlicher fachlicher Einordnung der Situation enorm sei.

Medien als Multiplikatorinnen

Die Ombudsstelle hebt in ihrer Beurteilung die Wichtigkeit der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft hervor und verweist auf die Rolle der Medien als Überbringerinnen und Multiplikatorinnen von Botschaften. Die Medien sind verpflichtet, ernstzunehmende Stimmen in der Berichterstattung aufzugreifen, weil sie sonst ihre Informationspflicht vernachlässigen würden. Ernstzunehmende Stimmen müssen hörbar gemacht werden, auch wenn sie kritisch sind.

Text: SRG.D/lh

Bild: Marcel Salathé, Christian Althaus, Daniel Koch/Illustration Cleverclip

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