Die Baustelle auf dem Gelände der EPFL.
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Neues RTS-Gebäude für den Service public von morgen

Auf dem Gelände der EPFL und der Universität Lausanne entsteht das neue Herz von RTS. Polyvalent, modulierbar und modern: So soll das zeitgenössische Gebäude auch für zukünftige Herausforderungen der Medienwelt gewappnet sein.

Staub wirbelt auf, ein Bagger fährt vorbei, Bauarbeiter mit blauen und weissen Helmen schleppen Kabel und Kisten: Hier in Ecublens (VD), zwischen den Gebäuden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und der Universität Lausanne (UNIL), entsteht der zukünftige Tri-Media-Komplex von RTS. 2025 soll das Projekt «Campus» fertig werden. Noch ist davon nicht viel zu sehen, doch Pascal Crittin, Direktor von RTS, und Marc Bueler, Projektleiter, sind zufrieden, als sie über die Baustelle schreiten. Obwohl das Coronavirus die Bauarbeiten um einen Monat verzögert hat, kommt das Projekt gut voran.

«Eigentlich ist es ein sehr ambitioniertes Unterfangen: Wir wollen auf die Bedürfnisse der Zukunft antworten – von Seiten der Redaktionen wie auch des Publikums», sagt Pascal Crittin. Nicht nur die Bedürfnisse, auch die Technologie wird in zehn Jahren nicht mehr dieselbe sein wie heute: «Dies müssen wir versuchen, einzukalkulieren. Deshalb braucht es bei diesem Projekt eine grosse Flexibilität.» Projektleiter Marc Bueler pflichtet bei: «Das Wort Immobilien kommt von immobil – unser Gebäude wird das Gegenteil sein!»

Auf den ersten Blick lassen die Betonwände in der grossen Mulde allerdings nicht viel Agilität vermuten. Bueler erklärt: «Aus einem Büro können wir morgen ein einfaches Studio oder ein Sitzungszimmer machen, die Strukturen sind flexibel und anpassungsfähig. Sollten wir in ein paar Jahren ein oder zwei Etagen hinzufügen wollen, wäre selbst das möglich.» Er zeigt den jetzigen Plan auf dem Laptop: Vier fixe Blöcke sollen Radio, Fernsehen, Übertragungswagen, Studios und Administration beinhalten und fungieren quasi als Eckpfeiler, die den Gebäudekomplex einrahmen. Verbunden werden sie mit einer in acht Metern Höhe aufgehängten Plattform, wo die Redaktionen angesiedelt sein werden, in einer Mischung aus Büroraum, Studios und Sitzungszimmer. Eine Struktur, die maximale Flexibilität bietet: «Alles Vertikale ist fix, alles Horizontale modulierbar», resümiert Bueler. Konzipiert wurde das Projekt vom jungen Brüsseler Büro Kersten Geers David Van Severen; zusammen mit dem Schweizer Architekturbüro Fehlmann in Morges wird es umgesetzt. Inspiriert hat sich die Projektgruppe vor allem an Gebäuden des Service public in Norwegen und Grossbritannien.

Ein Modell des neuen RTS-Gebäudes.
So soll das neue Herz von RTS aussehen: Das neue Gebäude als Modell.

Mit diesem transmedialen Produktionszentrum will die SRG die angestrebte Medienkonvergenz vorantreiben: Die Aufteilung in Fernsehen, Radio und Internet sei obsolet geworden, sagt Crittin. Radiosendungen kann man auf einer Podcast-App hören, einige Fernsehsendungen von RTS boomen auf Youtube, und die «Tagesschau» wird nicht mehr zwingend um punkt 19.30 Uhr geschaut. Doch was heisst das für die Journalistinnen und Journalisten? Um besser auf die immer stärkere digitale Nachfrage antworten zu können, werden sie nicht mehr reine Fernsehreporter, Radiomacherinnen oder Onlineredaktoren sein, sondern plattformübergreifend Beiträge produzieren. Damit sollen Fachkompetenzen verstärkt und Synergien genutzt werden. Eine 360-Grad-Produktion, nennt das Crittin.

Das hat auch Folgen für die Standorte. Lautete die Regelung seit 1959 «Fernsehen in Genf und Radio in Lausanne», sollen nun Themenbereiche vereint und deshalb teilweise umgesiedelt werden. Anstoss für das neue Gebäude gab nicht zuletzt auch das renovationsbedürftige Radiogebäude in La Sallaz, einem Quartier nördlich des Stadtzentrums von Lausanne: «Statt viel Geld in die Renovation zu investieren, ohne auf die neuen Bedürfnisse eingehen zu können, haben wir beschlossen, ein von Grund auf neues Gebäude zu konzipieren », sagt Crittin. Das ist nicht nur kostengünstiger, auch setzt die SRG damit die Ziele ihrer Immobilienstrategie um: eine Reduktion der genutzten Flächen um insgesamt 25 Prozent und der Betriebskosten um mindestens drei Millionen Franken pro Jahr für RTS. Das Gebäude in La Sallaz wurde bereits 2015 für 55 Millionen Franken an den Kanton Waadt verkauft. Für das neue Projekt hat der SRG-Verwaltungsrat letzten Dezember den Baukredit in der Höhe von 120 Millionen Franken genehmigt.

Während die gesamte Nachrichtenredaktion nun also auf den «Campus» in Ecublens kommt, bleiben Sport, Fiktion, Dokumentarfilme sowie TV-Magazine im RTS-Turm in Genf angesiedelt. «Natürlich bleibt Genf als wichtiger Standort erhalten – dort befinden sich schliesslich die UNO, andere internationale Organisationen, renommierte Hochschulen, innovative Start-ups und multinationale Firmen», sagt Crittin. Auch in der Rhône-Stadt wird indes Neues geschaffen: Ein neues, für Ende Jahr geplantes Studio soll sich vertieft mit der Aktualität Genfs auseinandersetzen – mit «Genève Vision» ist ein neuer Medienhub zur Verstärkung der Berichterstattung über das internationale Genf am Entstehen. Und nicht zuletzt sollen auch digitale Inhalte wie Youtube-Videos oder Podcasts sowie neue, mehrheitlich für ein junges Publikum konzipierte Formate kreiert werden.

RTS-Direktor Pascal Crittin (links) und Projektleiter Marc Bueler erläutern das Bauvorhaben.
RTS-Direktor Pascal Crittin (links) und Projektleiter Marc Bueler erläutern das Bauvorhaben.

Und warum kommt die Nachrichtenredaktion nach Ecublens? «Die Region Lausanne ist das geografische Zentrum der Romandie, hier sind wir zudem näher bei den anderen Westschweizer Kantonen. Unsere Regionalredaktionen werden wir aber natürlich in der ganzen Romandie beibehalten», sagt Crittin. Auf dem Campus der EPFL und der UNIL studieren, forschen und arbeiten ausserdem mehr als 30’000 Menschen aus über 120 Ländern, es finden zahlreiche internationale Wissenschaftskongresse statt, grosse Unternehmen haben Forschungszentren eingerichtet, man findet eine Fülle an Start-ups. «Zu diesem dynamischen Ökosystem werden wir einen direkten Zugang haben», freut sich Crittin. Auch in Genf befindet sich das RTS-Gebäude bereits in unmittelbarerer Nähe zu den Hochschulen. «Diesen Vorteil wollen wir auch hier nutzen», sagt Crittin. Langfristig dürfte sich das Verhältnis der Anzahl RTS-Mitarbeitenden in Genf und in Lausanne ausgleichen.

Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, den Service public zugänglicher zu machen. Auch das ist im Bauplan integriert: «Im Erdgeschoss schwebt uns ein öffentlich zugängliches Foyer vor, eine Art moderner Dorfplatz, wo interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Schulklassen einen Einblick in die Medienproduktion erhalten können», sagt Bueler. Selbst das Betriebsrestaurant soll für alle benutzbar sein. Eine Rampe wird das Gebäude mit der Hauptstrasse verbinden. Bueler zeigt auf den Boden: «Im Untergeschoss wird ein Parkhaus entstehen, wo man direkt hineinfahren kann. Die Übertragungswagen von RTS, die bis anhin in Meyrin ausserhalb von Genf stationiert waren, hier im Zentrum der Romandie zu beherbergen, ist natürlich sinnvoll.»

Die grösste Innovation des Projekts sehen Crittin sowie Bueler in der Modulierbarkeit: «Wir wissen nicht, wie die Medienproduktion in zehn Jahren aussehen wird. Das Gebäude soll sich aber an neue Herausforderungen adaptieren können.» Die ersten Anpassungen seien bereits gemacht worden, «respektive geschehen andauernd », sagt Bueler lachend. So habe man etwa durch die Coronapandemie realisiert, dass in Zukunft Sitzungszimmer und Räume für Zusammenarbeit wichtiger werden, Einzelbüros hingegen an Relevanz verlieren werden. «Für Arbeiten, die man alleine und ungestört erledigen möchte, wird Homeoffice wohl an Bedeutung gewinnen. Deshalb werden wir die schönsten Plätze mit der besten Aussicht für Sitzungsräume nutzen», sagt Crittin. Weniger Büros, dafür mehr Orte, wo man zusammenkommt, sich inspirieren und austauschen kann – «all das, was Zuhause fehlt», sagt Crittin, «plus natürlich die Produktionsräume mit dem technischen Equipment».

«Man kann nicht noch an den Gleisen herumstudieren, wenn der Zug bereits abgefahren ist.»

Pascal Crittin, Direktor RTS

Noch ist es schwierig, sich das Gebäude konkret vorzustellen, gewisse Bereiche klingen etwas wage, aber genau darin sieht Crittin die Stärke: «Wir Westschweizer sind eher flexibel und müssen nicht unbedingt alle Fragen bereits im Voraus beantworten können. Ich weiss, den Deutschschweizern macht das Angst, sie mögen diese Unsicherheit nicht», sagt er augenzwinkernd. Aber gerade in dieser sich rasant wandelnden Medienwelt sehe er es von Vorteil, agil zu bleiben – selbst bei einem Grossprojekt wie einem neuen Produktionszentrum. Nun gäbe es kein Zurück mehr: «Man kann nicht noch an den Gleisen herumstudieren, wenn der Zug bereits abgefahren ist.»


Text: Eva Hirschi

Bild: RTS/Laurent Bleuze

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