Sachgerechter DOK über ehemalige KZ-Gefangene in der Schweiz

Gegen den SRF DOK-Film «Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion» ging eine Beanstandung ein. Die Schweiz sei einseitig negativ dargestellt worden. Die Ombudsstelle versteht die Kritik, kann die Beanstandung jedoch trotzdem nicht unterstützen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bot die Schweiz an, 2000 Kinder aus den Konzentrationslagern zur Erholung aufzunehmen. Das unter dem Namen «Buchenwald-Aktion» durchgeführte Projekt verlief jedoch nicht wie gewünscht, anstatt 2000 wurden nur 370 junge Erwachsene aufgenommen. Der SRF DOK-Film «Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion» unterlegte die fiktionale SRG-Serie «Frieden» mit historischen Fakten. Teile der Serie kamen im Film vor.

Einseitig negatives Schweizbild

Nach Meinung eines Beanstanders zeichne der Film ein einseitiges Schweizbild. Das Land werde als «Gehilfin des Dritten Reichs» dargestellt, die sich am Schicksal von Kriegsopfern bereichert habe und mit geschickten PR-Aktionen über ihre Verbrecherrolle hinwegzutäuschen versucht. Der Beanstander betont, dass diese Darstellung einseitig und ebenso falsch sei, wie die Idee der Schweiz als vollständig nazifeindliches Bollwerk. Im vorliegenden Film seien aber wesentliche historische Fakten ausgelassen worden, wie zum Beispiel der Umstand, dass die Schweiz 1941-1945 von den Achsenmächten eingeschlossen war und sich daher gerade in Bezug auf die Handelspolitik in einer schlechten Position befand. Ausserdem hätte die Schweiz auch während des Krieges Geflüchtete aufgenommen und das Dritte Reich so mehrfach provoziert.

Generelle Situation war nicht das Thema

Die Redaktion betont in ihrer Stellungnahme zunächst, dass die Informationen, die der Beanstander im Film vermisst hatte, schlicht nicht Thema des Films «Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion» gewesen seien. Im Fokus stand die Buchenwald-Aktion, die gemäss den Erkenntnissen der aktuellen Geschichtsforschung dargestellt worden sei. Es wäre natürlich möglich gewesen, die generelle Kriegssituation miteinzubeziehen. Dann hätten aber weitere Aspekte ebenfalls thematisiert werden müssen, um einem angemessenen Bild der damaligen Schweiz gerecht zu werden.

Weitere Fakten zur Schweiz im Zweiten Weltkrieg

  • Die deutsche Reichsbank sicherte im November 1940 der Schweiz zu, sie könne den Krieg unbeschadet überstehen, wenn diese ihren wirtschaftlichen Liberalismus aufrechterhalte. Mit anderen Worten: Wenn die Schweiz weiterhin Raubgold in Devisen umwandle, bleibe sie geschützt.
  • Dieselbe Institution erklärte 1943, ohne Schweizer Devisen könne sie ihre Funktion nicht aufrechterhalten.
  • Die Alliierten warnten die Schweiz deswegen wiederholt und verlangten ab 1944 energisch einen Stopp des Kapitalverkehrs mit Deutschland.
  • Die Schweizerische Nationalbank SNB akzeptierte noch im April 1945 Raubgold aus Deutschland. Eine Verletzung des Currie-Abkommens, welches der Bundesrat im März 1945 abgeschlossen hatte.
  • Erst im Herbst 1944 verfügte der Bundesrat einen Stopp von Waffenlieferunge nach Deutschland.
  • Bei der temporären Aufnahme von sogenannten Ferienkindern, die der Beanstander aufführt, waren jüdische Kinder ausgeschlossen.
  • Bundesrat Pilet-Golaz untersagte 1942 die Aufnahme von 500 von der Deportation bedrohten Kindern.
  • Die offizielle Flüchtlingspolitik des Bundesrats stiess innerhalb der Bevölkerung auf heftige Opposition.
  • Der Bundesrat entschuldigte sich offiziell im Mai 1995 für die Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg.

(Quellen im Schlussbericht)

Die Redaktion legt ausserdem dar, dass sich die Schweiz von der Aktion also einen aussenpolitischen Prestigegewinn versprach. Dabei beruft sich die Redaktion auf die Historikerin Madeleine Lerf, welche die Buchenwald-Aktion minutiös untersucht hat. Auch sie kommt zum Schluss, dass die geleistete Hilfe nicht primär auf die Bedürfnisse der notleidenden Menschen ausgerichtet gewesen sei, sondern auf die damit zu erreichenden eigenen Ziele. Die Redaktion schliesst mit der Aussage, dass das Bild der Schweiz, welches der Beanstander in seinem Schreiben von der Schweiz zeichnet, schon länger nicht mehr dem Stand der heutigen Geschichtsforschung entspricht.

Erzählen heisst auslassen

Die Ombudsstelle kann die Kritik des Beanstanders grundsätzlich verstehen. Dieselben Fakten, Belege, «Beweise» können in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich wirken und wahrgenommen werden. So seien Filme – auch dokumentarische – immer nur ein Abbild der Wirklichkeit. Die Quellen, auf die sich ein derartiges Werk berufe, seien immer nur «lose» Teile der Wirklichkeit und das Resultat sei «das Produkt einer persönlichen, manchmal gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Material». Gleichzeitig gehöre es zum Handwerk des Filmemachens, den Rahmen einer Geschichte abzustecken. Dies heisse immer auch, Themen wegzulassen, einzelne Ereignisse nicht zu berücksichtigen, wieder andere nur indirekt miteinzubeziehen und dem gewählten Aspekt in der Sache trotzdem gerecht zu werden.

Sachgerecht heisst nicht lückenlos

Die Ombudsstelle betont, dass eine Abgrenzung nicht zwingend der Sachgerechtigkeit widersprechen müsse. Sachgerecht sei nicht gleichbedeutend mit Lückenlosigkeit. Vielmehr bedeute Sachgerechtigkeit, dass die verwendeten Quellen und Fakten relevant sind und die Arbeit journalistischen und filmischen Gepflogenheiten entspricht. Beides treffe im beanstandeten Film zu, weshalb die Ombudsstelle die Beanstandung nicht unterstützen kann.

Text: SRG.D/lh

Bild: Illustration Cleverclip

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