Illustration von Thomas Aeschi und Sandro Brotz in der Arena
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Der Moderator als Richter? – «Arena» vom 18. März 2022

Eine umstrittene Aussage von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi im Eidgenössischen Parlament zwei Tage vor der beanstandeten «Arena» hatte für Empörung gesorgt. Der Politiker wurde deshalb von Moderator Sandro Brotz im sogenannten «1:1-Gespräch» zur Rede gestellt. Das war alles andere als rollengerecht, hält die Ombudsstelle fest. Aber gegen die Sachgerechtigkeit wurde nicht verstossen.

Am 16. und 17. März debattierte das Eidgenössische Parlament im Rahmen einer Sonderdebatte über den Krieg in der Ukraine. Die «Arena» entschied sich deshalb bereits sehr früh, eine Sendung mit den Parteispitzen zu produzieren. Weil SVP-Parteichef Marco Chiesa verhindert war, vertrat ihn Fraktionschef Thomas Aeschi. Zwei Tage vor der besagten «Arena» äusserte sich der Nationalrat im Kontext eines Votums in der betreffenden Debatte wie folgt: «Es darf nicht sein, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen! Das darf nicht zugelassen werden.» Dieses Votum blieb im Parlament zunächst unkommentiert. Erst als es einige Stunden später von den Medien aufgegriffen wurde, schlugen die Wellen hoch. Es wurde gefordert, dass Thomas Aeschi wieder aus der «Arena» ausgeladen werden müsse. Dieser Forderung kam die Redaktion nicht nach. Über die Sozialen Medien machte die Redaktion aber publik, dass die Aussage von Thomas Aeschi in der «Arena» thematisiert würde. Das wusste der Fraktionspräsident und Nationalrat auch aus einem Vorgespräch mit der Redaktion und war damit einverstanden. Im bekannten «1:1-Gespräch» stellte «Arena»-Moderator Sandro Brotz den Politiker für seine empörende Aussage denn auch sehr hart und sehr direkt zur Rede. Thomas Aeschi war vorgängig bekannt gewesen, dass seine Äusserung zur Sprache kommen würde. Auch vom «1:1-Gespräch» wusste er und hatte eingewilligt.

46 Beanstandungen eingegangen

Nach der Sendung gingen bei der Ombudsstelle 46 Beanstandungen ein. Die Hauptkritikpunkte lauteten:

  • Die «Arena» habe mit der im Parlament gemachten Aussage von Thomas Aeschi ein Thema aufgegriffen, das nicht zur Sendung gehöre.
  • Moderator Sandro Brotz habe die Aussage von Nationalrat Thomas Aeschi als rassistisch und den Politiker selbst als Rassisten bezeichnet.
  • Moderator Sandro Brotz habe sich gegenüber Thomas Aeschi als Richter aufgespielt.

Die Redaktion schrieb in ihrer Stellungnahme, dass es aufgrund der frühen Einladung der Parteispitzen keine Option gewesen war, den Fraktionschef der wählerstärksten Partei wegen seiner Aussage in der parlamentarischen Debatte aus der Sendung auszuladen. Ebenso wenig kam für die «Arena»-Macher in Frage, die betreffende Aussage nicht anzusprechen. Sie war Stunden nach der Debatte im Parlament ein gross diskutiertes Thema gewesen.

Die Redaktion wies durch die wortgetreue Niederschrift der «Arena» klar nach, dass Sandro Brotz den SVP-Politiker nie als Rassisten bezeichnet hatte. Die Rede war immer – und das sehr bewusst – von einer «rassistischen Aussage», einer «Aussage mit rassistischem Inhalt». Dass die Aussage während der Nationalratsdebatte rassistisch gewesen sei, habe nicht die Redaktion gesagt, sondern die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR). Diese Stellungnahme wurde während der Sendung auch eingeblendet. Auch hätten Strafrechtsexperten auf Nachfrage der «Arena»-Redaktion bestätigt, dass die Aussage von Thomas Aeschi strafrechtlich relevant gewesen wäre, wenn denn keine parlamentarische Immunität bestehen würde. Der Moderator, so die Redaktion, habe sich auch nicht als Richter aufgespielt, sondern lediglich gesagt, was Fakt ist: Thomas Aeschis Aussage sei ohne den von ihm erläuterten Kontext von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus als rassistisch eingestuft worden und SVP-Fraktionschef Aeschi sei durch die parlamentarische Immunität geschützt. Ohne diesen Schutz wäre er vor Gericht gezogen worden.

Auftritt des Moderators mit richterlichem Charakter

Die Ombudsstelle erachtet es als selbstverständlich, dass SVP-Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi nicht wieder ausgeladen wurde, seine empörende Aussage aber nicht nur in der «Grossen Runde» zur Sprache kam, sondern vor allem im «1:1-Gespräch». Der Politiker hat die Einladung angenommen und sich mit dieser Gesprächsform vorgängig auch einverstanden erklärt. Der Titel der Arena «Parteispitzen zum Ukraine-Krieg» versprach eine Diskussion aus parteipolitischer Sicht. Es versteht sich von selbst, dass dann die Ratsdebatte während der Sondersession zur Ukraine und damit die Aussage von Thomas Aeschi auch in der «Arena» zur Sprache kommt.

«Wir halten am heutigen Abend glasklar fest, dass das, was Sie gesagt haben, rassistisch war. Punkt, Ausrufezeichen.» Dieses Fazit zog Sandro Brotz im Laufe des «1:1-Gesprächs» mit Thomas Aeschi. Dabei stützte sich der Moderator in erster Linie auf die aussagekräftige Einschätzung der EKR und auf die namentlich nicht genannten, von der «Arena» im Vorfeld kontaktierten Strafrechtsexperten und Staatsanwälte. Im Kontext des Gesprächs und der getroffenen Abklärungen war dieses apodiktische Fazit zum Zeitpunkt der Sendung zwar nachvollziehbar. Es berücksichtigte die Einwände von Thomas Aeschi allerdings zu wenig. Zudem machte das nicht nur einmal apodiktisch vorgetragene Fazit des Moderators – «Punkt, Ausrufezeichen» - tatsächlich den Charakter eines Richterspruchs. Genau genommen ist es schliesslich nicht die ERK und sind es auch nicht die namentlich nicht genannten Strafrechtsexperten, welche die im Parlament gemachte Aussage von Thomas Aeschi rechtlich verbindlich als rassistisch qualifizieren können.

Kein Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit

Auch wenn der Auftritt von Sandro Brotz urteilend wirkte und dementsprechend in keiner Weise rollengerecht war: gegen das Sachgerechtigkeitsgebot gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes wurde deshalb nicht verstossen. Sandro Brotz stützte sein Fazit auf die ERK ab. Thomas Aeschi hatte zudem die Gelegenheit, im «1:1-Gespräch» seine Sicht der Dinge darzulegen und erhielt er bis zu einem bestimmten Mass auch Schützenhilfe durch den FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkhart, der nach dem «1:1-Gespräch» in der grossen Runde zu Wort kam. Insgesamt war damit für das Publikum eine eigene Meinungsbildung möglich.

Der beanstandete Beitrag im Video

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  • 1:1-Gespräch zwischen Brotz und Aeschi ab 14:34

Schlussbericht Ombudsstelle 8657 ff.


Text: SRG.D/eg

Bild: Cleverclip (Illustration)

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