Bildcollage Viviane Aubert & Alexander Sautter
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Lieber SRFeln als netflixen!

Userinnen und User konsumieren, was sie wollen, wann sie es wollen, wo sie es wollen. Muss es aber auf Netflix, TikTok und Co. sein? Gemeinsam mit ihren Teams arbeiten Viviane Aubert und Alexander Sautter deshalb am SRF der Zukunft.

Eine Website, vier Apps, Dutzende Drittplattformkanäle und ein breites Angebot an Podcasts: Die Zeiten, in denen Fernsehen und Radio gleichbedeutend waren mit linearem Senden von Inhalten, gehören längst der Vergangenheit an. Stattdessen hat SRF in den letzten 15 Jahren ein Subuniversum mit Inhalten auf Facebook, YouTube, Twitter, Instagram, TikTok und Spotify aufgebaut, die alte und neue Zielgruppen erreichen.

Der Wechsel kommt

Die Ausgangslage ist klar. Egal, ob man nun Netflix-Gründer Reed Hastings glaubt, der bereits vor zehn Jahren prognostizierte, dass das lineare Fernsehen innerhalb von zwanzig Jahren aussterben wird, oder sich an optimistischere Quellen hält, die dem Medium noch etwas längere Überlebenschancen attestieren: Die Veränderung ist da, sie ist nicht aufzuhalten und lässt Medienhäusern keine Wahl. Die Frage ist schon längst nicht mehr, ob digitale Kanäle und Drittplattformen bedient werden sollen, sondern lediglich noch, wie man das am besten tut.

Was erwiesenermassen kaum funktioniert, sagt Alexander Sautter, Leiter Digitale Kanäle Dach- und Kompetenzmarken, ist, klassische lineare Beiträge unverändert auf digitalen Kanälen auszuspielen. «Wir müssen neue Welten kreieren, in denen wir uns ganz anderer Erzählformen bedienen.» Das betrifft unter anderem das Schnitttempo und die ersten paar Sekunden, weiss Viviane Aubert, Leiterin Digitale Kanäle Hub- und Formatmarken: «Alles muss schneller gehen, insbesondere der Einstieg. Hinzu kommt, dass Videos online immer am Anfang beginnen. Im linearen Fernsehen steigen die Zuschauerinnen und Zuschauer unter Umständen mitten im Beitrag ein.» All das führt dazu, dass die Teams um Sautter und Aubert sich täglich mit geeigneten Distributionsformen für die verschiedenen Plattformen auseinandersetzen.

Fortlaufende Analyse

Doch genau hier liegt die Krux. Nicht nur die Plattformen funktionieren komplett unterschiedlich, sie entwickeln sich auch viel schneller als lineare audiovisuelle Medien. Und so ist Facebook – einst die wichtigste Social-Media-Plattform überhaupt, um neue Zielgruppen zu erreichen – mittlerweile so gealtert, dass man damit beinahe dieselben Menschen erreicht wie im linearen
Fernsehen. «Somit müssen wir fortlaufend überprüfen, welche Kanäle wir in welcher Form nutzen können, damit sie für SRF sinnhaft sind und den Nutzerinnen und Nutzern einen Mehrwert bieten.»

Ein krasses Kontrastbeispiel ist TikTok. Anfänglich als das neue Spielzeug von Teenagern belächelt, gehört TikTok heute zu den am meisten heruntergeladenen Apps weltweit und ist eine der grössten Plattformen für audiovisuelle Inhalte; sie zieht nicht mehr nur Teenager, sondern auch die Generationen Z und Y in ihren Bann. Und noch mehr: «Trends, die auf TikTok gesetzt werden, schwappen auf andere Plattformen über. War der Algorithmus früher eher vom Netzwerk geprägt, ist er heute stark auf die eigenen Contentvorlieben ausgerichtet», weiss Aubert. Oder anders formuliert: Vorgeschlagen wird nicht mehr, was die Freundin geschaut hat, sondern was jenen Videos ähnelt, bei denen man selbst am längsten verweilt.

Und genau hier liegt auch eine der grössten Herausforderungen bei der Arbeit auf Drittplattformen. Contentproduzentinnen und -produzenten wie SRF sind permanent dem Risiko ausgesetzt, dass das, was heute gilt, morgen schon ganz anders ist. Der undurchsichtige Algorithmus ist dabei nur eine Hürde, weiss Alexander Sautter. Auch die politische Orientierung oder der Kurs des oder der CEO können grössere Turbulenzen auf einer Plattform auslösen – so etwa jüngst die Übernahme von Twitter durch Elon Musk. Aber auch ganz simple technische Anwendungen, wie etwa das Geo-Blocking, das beispielsweise aus rechtlichen Gründen für Sportbeiträge relevant ist, können zum Problem werden. «Wenn eine Plattform von heute auf morgen entscheidet, ihr Geo-Blocking zu deaktivieren, müssen wir uns umgehend anpassen», so Sautter.

Der Mehrwert ist entscheidend

Auch deshalb legen die Verantwortlichen einen besonderen Fokus darauf, die hauseigenen Kanäle wie die Websites, die Sport- und News-Apps sowie Play SRF zu stärken. Doch ähnlich wie man Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern nicht einfach ins lineare Fernsehen transferieren kann, kann man sie auch nicht ohne Weiteres auf eine neue App lotsen. «Menschen nutzen eine Plattform, weil sie einen Mehrwert bekommen. Nur weil es für uns praktisch wäre, wenn sie Play SRF nutzten, bedeutet das nicht, dass sie von allein dorthin gehen», sagt Aubert deutlich. Es gibt also nur eine Möglichkeit: Die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer noch besser zu kennen, zu bedienen und ihnen den Mehrwert der hauseigenen Produkte aufzuzeigen. «Wir würden uns natürlich freuen, wenn die Menschen irgendwann miteinander auch in der digitalen Welt SRFeln, statt zu netflixen», ergänzt die Leiterin Digital Hub- und Formatmarken und lacht.

Diese Entwicklungen, Umstände, Gedanken und Ziele sind Teil der täglichen Arbeit. Sautter betont: «Die digitale Welt bewegt sich viel zu schnell, um über Jahre an derselben Strategie festzuhalten. Stattdessen müssen wir uns regelmässig fragen: Was passen wir an? Welche Produkte entwickeln wir weiter? Wofür steht ein Kanal heute? Und besonders wichtig: Wie können wir Leuten das bieten, was sie wirklich wollen und von SRF auch erwarten?» Das klingt anstrengend und nach viel Arbeit. Arbeit, die sehr viel Spass macht, wie Viviane Aubert betont: «Der ständige Wandel zwingt uns dazu, unsere Arbeit regelmässig zu überdenken und stets im Auge zu behalten, was unsere Nutzerinnen und Nutzer wirklich wollen. Das bringt viel Spielraum für Kreativität.»


Text: SRG.D/Nicole Krättli

Bild: SRF/Oscar Alessio

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