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Sie übersetzt die Oscars live

Während Millionen von Zuschauer:innen weltweit gebannt die glamourösen Momente der Oscarverleihung verfolgen, bleibt eine entscheidende Frage im Verborgenen: Wer sorgt dafür, dass auch die deutschsprachigen Fans hautnah dabei sein können? Simultandolmetscher:innen wie Dana Widmer, Regina Kolb, Max Haverkamp und Daniel Dubach zum Beispiel. Sie sind die stillen Held:innen hinter den Kulissen. Im Interview sprechen wir mit Dana Widmer, die seit fünf Jahren für SRF die Oscarnacht übersetzt.

Dana Widmer, Was umfasst der Job einer Simultandolmetscherin generell?
Simultandolmetschen ist eine Form der Übersetzung, bei der wir die gesprochene Sprache fast in Echtzeit in eine andere Sprache übertragen. Dabei hören wir den Redner über Kopfhörer und geben die Übersetzung simultan an unsere Zuhörer:innen weiter. Es erfordert schnelle Denkfähigkeiten, eine hohe Konzentration und Multitasking.

Wie gelingt es dir, so schnell zwischen Sprachen zu wechseln?
Es ist ein ständiger Wechsel zwischen Zuhören, Verstehen und schneller Umsetzung in eine andere Sprache. Dies erfordert sowohl angeborene Fähigkeiten als auch intensives Training, ähnlich wie im Profisport. Dolmetscher:innen durchlaufen ein ein- bis zweijähriges Studium an der Universität oder Hochschule, um diese Fertigkeiten zu entwickeln und zu verfeinern. Anfangs werden kurze Sätze trainiert, die sich dann allmählich verlängern.

Wie reagieren Sie auf Fehler oder wenn Sie etwas nicht verstanden haben oder nicht ganz folgen konnten?

Jede:r Dolmetscher:in macht Fehler, das ist unvermeidlich. Wir sind alle Menschen und keine Maschinen. Wenn mir ein Fehler passiert, versuche ich, mich schnell zu korrigieren und weiterzumachen. Es ist wichtig, ruhig zu bleiben und keine falschen Informationen zu übermitteln. Doch selbst erfahrene Dolmetscher:innen können Fehler machen. Manchmal weil wir etwas überhören oder unbeabsichtigt Zusammenhänge herstellen, die gar nicht existieren. In solchen Situationen ist es entscheidend, sich dessen bewusst zu sein und rasch zu reagieren. Oft bemerken wir Fehler erst, wenn wir unsere Aufnahmen später überprüfen. Es ist eine Realität, dass jede:r gelegentlich etwas verpasst. Dennoch gibt es bewährte Techniken, um solche Situationen zu bewältigen. Man versucht dann oft, die Aussage allgemeiner zu halten, um sicherzustellen, dass sie korrekt ist. Auf diese Weise kann man sich aus der Affäre ziehen, bis man sich wieder gefangen hat.

Bei den Oscars ist es wichtig, dass wir die Stimmung und die Emotionen der Redner:innen so gut wie möglich wiedergeben.

Dana Widmer, Simultandolmetscherin SRF

Gab es Situationen, in denen Sie an Ihre Grenzen gestossen sind?

Ja, das war an einer eine Konferenz im Oktober in Brüssel, bei der ich einen Iren dolmetschen musste. Der Akzent war so stark und ungewohnt, dass meine gesamte Konzentration darauf gerichtet war, überhaupt etwas zu verstehen. Es fühlte sich fast unmöglich an, allem zu folgen, besonders bei einer hochtechnischen und dichten Fachkonferenz, wo die Informationen rasend schnell kamen. Da blieb kaum Zeit, alles zu verarbeiten und wiederzugeben. Ideal wäre es gewesen, eine Zusammenfassung zu liefern, aber selbst das ist eine Herausforderung, besonders in solch spezialisierten Themen. Es fühlte sich an, als würde ich an der Oberfläche bleiben und mich irgendwie durchhangeln müssen. Ich muss zugeben, es kann passieren, dass man an seine Grenzen stösst. Doch es beruhigt mich zu wissen, dass solche Momente für jede:n Dolmetscher:in vorkommen können. Es ist zwar nicht angenehm, aber ich habe gelernt, damit umzugehen und weiterzumachen.

Sie dolmetschen seit fünf Jahren die Oscars für SRF. Wie handhaben Sie die Emotionalität der Redner:innen?

Bei den Oscars gibt es viele emotionale Momente, und es ist wichtig, dass wir die Stimmung und die Emotionen der Redner:innen so gut wie möglich wiedergeben. Dazu werden wir von den Produzenten von «Gesichter und Geschichten» auch aufgefordert. Wie dies umgesetzt wird, variiert von Dolmetscher:in zu Dolmetscher:in. Persönlich passe ich meine Tonlage und Stimme an, um die Emotionen zu unterstreichen und das Publikum mitzunehmen. Dies ist jedoch eine Frage des persönlichen Stils.

Richtig Pause machen geht eigentlich nicht.

Dana Widmer, Simultandolmetscherin SRF

Wie haben Sie sich auf die Oscarnacht vorbereitet?

Normalerweise versuche ich, ein paar Tage vorher meinen Schlafrhythmus anzupassen, da die Nacht lang und anstrengend sein kann. Ich schaue mir auch die nominierten Filme an und halte mich über aktuelle Ereignisse in der Filmbranche auf dem Laufenden. Das hilft, um auch beim Dolmetschen gewisse Witze oder Aussagen besser rüberzubringen. Dann bekommen wir das Skript – es sind 200 Seiten! – der ganzen Oscarsendung aus Los Angeles vorgängig zugeschickt. Darin sind alle Moderationen von Jimmy Kimmel, der Ablauf und die Laudatio der Nominierten enthalten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass viel improvisiert werden muss, da das Skript oft nicht vollständig ist oder sich kurzfristig ändert.

Bei den Oscars seid ihr ein Viererteam. Warum?

Beim Simultandolmetschen ist es üblich, sich alle halbe Stunde abzuwechseln, da der Job eine hohe Konzentration erfordert und sehr anspruchsvoll ist. Das ist sowohl im TV als auch in anderen Settings gängige Praxis. Im Fernsehen ist es oft gewünscht, dass Frauen Frauen dolmetschen und Männer Männer. Daher arbeiten wir in Teams von je einer Frau und einem Mann, insgesamt sind wir also zu viert. Während meiner Pausen versuche ich idealerweise, mich zu entspannen, um meine Konzentration wiederherzustellen. Doch oft ist es eher eine kurze Atempause, in der wir uns mit dem Skript bereits auf den nächsten Einsatz vorbereiten. Richtig Pause machen geht eigentlich nicht.


Text: SRG.D/rk

Bild: SRG.D/rk

Video: SRG.D/rk

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