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«Es soll auch über Inhalte gesprochen werden»

Am 14. März unterzeichnete die SRG gemeinsam mit Vertreter:innen der Schweizer Musikszene die Charta Schweizer Musik ein weiteres Mal. Christoph Trummer, Präsident der Schweizerischen Interpretengenossenschaft erklärt im Interview, warum das seit zwei Jahrzehnten bestehende Bekenntnis der SRG nach wie vor wichtig ist – trotz steigender Popularität internationaler Streaminganbieter.

Christoph Trummer, was bedeutet die Charta der Schweizer Musik für die Akteur:innen der Schweizer Musikszene?

Dafür muss ich historisch etwas ausholen: Schweizer Musik hat es traditionell schwierig in Schweizer Medien, speziell in den Radios. Private Anbieter sind kommerziell ausgerichtet und müssen deshalb spielen, was die Leute hören wollen. Und das ist nun mal, was man bereits kennt. Die Charta entstand aus dem politisch festgelegten Kulturauftrag der SRG heraus. Man könnte sagen, die SRG ist damit einer fixen Quote für Schweizer Musik entgangen. Und dieser Weg hat sich bewährt, weil er partnerschaftlich und weil er beweglich ist. Der Anteil am SRG-Programm ist dank der Charta heute wohl höher, als er es mit einer Quotenlösung wäre.

Zur Person

Christoph Trummer (*1978) ist Präsident der Schweizerischen Interpretengenossenschaft und steht als Musiker und Autor selbst auf der Bühne.

Welche Chance bietet eine solche Neuunterzeichnung der Charta?

Die Aktualisierungen der Charta dienen dazu, dem wandelnden medialen Umfeld gerecht zu werden. Der Fokus verlagert sich immer mehr in Richtung online. Aus der Sicht des Radios ging es primär um das Füllen der linearen Sendezeit. Im nonlinearen Onlineangebot aber braucht es Content, der auf den Plattformen der SRG-Medienhäuser erscheint. Gerade für aufstrebende Schweizer Bands ist diese Präsenz sehr wichtig, weil Beiträge teilbar sind und in hoher Qualität produziert wird. Die SRG baut ihre Onlineplattformen aus. Deshalb ist es wichtig, dass der Gesamtanteil von Schweizer Musik im SRG-Angebot gleich gross bleibt. Wäre dies nicht der Fall, gäbe uns die jetzt aktualisierte Charta ein Instrument an die Hand, uns zu wehren.

Welche Herausforderungen beschäftigen Schweizer Musiker:innen aktuell besonders?

Es ist nach wie vor schwer, Schweizer Künstler:innen eine breite Wahrnehmung zu ermöglichen. Das liegt unter anderem an der Grösse des Markts. In Deutschland oder England ist das Publikum gross genug, dass auch private Angebote mit grosser Reichweite entstehen, die das lokale Musikschaffen zeigen und Nischen fördern. In der Schweiz gibt es eigentlich nur die SRG, die diese Aufgabe breitenwirksam wahrnehmen kann.

Legt die überarbeitete Charta deshalb einen besonderen Fokus auf Nachwuchsförderung?

Nachwuchsförderung war immer ein Hauptziel. Das wurde in der neuen Fassung noch verdeutlicht. Es ist schwer für Schweizer Musik-Acts, im kollektiven Bewusstsein anzukommen. Aber wer das nicht zumindest teilweise schafft, hat als Musiker:in mittelfristig wenig Chancen. Deshalb ist diese Fokussierung auf aufstrebende Künstler:innen aus unserer Sicht sinnvoll.

Mit der Charta soll zudem der nationale Zusammenhalt gestärkt werden. Wie tief ist der Röstigraben in der Schweizer Musik?

Der ist nach wie vor sehr tief. Es bessert sich langsam, vor allem in der Indie-Szene gibt es vielversprechende Ansätze. Aber noch immer spielen Deutschschweizer Bands – auch jene, die auf Englisch singen – selten westlicher als Fribourg. Gleiches gilt in die andere Richtung oder für Tessiner Acts. Die Sprachregionen verfügen leider grösstenteils über voneinander unabhängige Musikszenen. Das verkleinert den Musikplatz Schweiz zusätzlich. Hier sind Massnahmen, die für einen besseren Austausch sorgen, sicher begrüssenswert.

Zur Charta der Schweizer Musik

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Die Charta der Schweizer Musik ist eine seit 20 Jahren bestehende Zusammenarbeitsvereinbarung der SRG mit der Schweizer Musikbranche. Darin bekennt sich die SRG dazu, die Schweizer Musik und Künstler:innen, insbesondere neue Talente, in ihrem gesamten Programmangebot zu fördern, redaktionelle Beiträge und Sondersendungen über Schweizer Musik auszustrahlen und anhand von Partnerschaften an der Förderung der Schweizer Musik eine aktive Rolle zu spielen. Seit der 20-jährigen Zusammenarbeit sind die Sendeanteile von Schweizer Musik auf allen Radiosendern der SRG gestiegen und betragen auf einigen Sendern mehr als 50 Prozent der Sendezeit.

Im Rahmen des jährlich stattfindenden Treffens des Dialogorgans «Schweizer Musik», haben die SRG und die Vertreter:innen von zehn Organisationen der Schweizer Musikbranche am 14. März 2024, die neue Charta der Schweizer Musik unterzeichnet.

Die neue Charta «stärkt den Informationsaustausch über das Programmangebot der SRG zwischen den verschiedenen Partner:innen», heisst es in der Medienmitteilung. Was verspricht man sich davon?

Es gab eine Phase, da waren wir weniger im Bild, wohin die Entwicklung der SRG in Bezug auf Schweizer Musik und Kultur generell geht. Deshalb haben wir nun gemeinsam festgehalten, dass die Kulturszene wieder besser informiert wird, was die SRG plant. Und wir können unsere Sicht einbringen.

Was wünscht sich die Musikszene denn?

Es gibt zwei Ebenen der Musikberichterstattung: Zum einen werden Songs gespielt, was einen gewissen Werbeeffekt hat. Das hilft uns, Hörer:innen zu gewinnen. Aber wir haben nicht nur ein Produkt, wir haben auch Inhalte. Auch über die soll gesprochen werden. Die mediale Kulturreflexion ist praktisch überall auf dem Rückzug. Deshalb ist sie im Kulturauftrag der SRG so wichtig.

Heute werden auch Streaming-Anbieter immer wichtiger für Musikschaffende. Die Hörer:innenzahlen sind direkt erkennbar, über Playlists erreicht man ein potenziell riesiges Publikum. Wie wichtig sind da im Vergleich die SRG-Kanäle überhaupt noch?

Im Direktvergleich sind es sehr verschiedene Kanäle. Unsere Künstler:innen haben auf internationalen Plattformen mit den gleichen Nachteilen zu kämpfen wie anderswo. Die Schweiz als kleiner Standort wird von diesen Anbietern meist nicht besonders gut, teils sogar sehr schlecht betreut. Beispielsweise ist bei Spotify niemand ausschliesslich für uns zuständig und vertraut mit den Bedingungen der Schweizer Musiklandschaft. Die SRG kann diese Nachteile zwar mit ihren Angeboten nicht vollends wettmachen, aber jede Plattform, auf der Schweizer Musik stattfindet, hilft, insbesondere mit den dauerhaft abrufbaren und teilbaren Inhalten.


Veranstaltung: «Eine Liebesgeschichte: Die SRG und die Schweizer Musikindustrie», Freitag 22. März 2024, 14 Uhr am M4Music Festival


Text: SRG.D/pz

Bild: zVg / Benedikt Schnermann

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