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«20 Prozent sind schön, 30 wären besser»

Im Jahr 2004 erstellten die SRG SSR und Vertreter der Schweizer Musikszene eine gemeinsame Charta zur Förderung von Schweizer Musik. Was hat sie gebracht? Der Berner Songwriter Christoph Trummer, seit 2013 Präsident des Vereins Musikschaffende Schweiz, nimmt Stellung.

LINK: Herr Trummer, seit zwölf Jahren gibt es zwischen der SRG SSR und dem Verein Musikschaffende Schweiz eine Charta zur Schweizer Musik, laut der sich die SRG zu einer angemessenen Präsenta­tion von Schweizer Musik ­verpflichtet. Wurde das erreicht?
Christoph Trummer: Ja. Seit wir die ­Charta haben, ist der Anteil an Schweizer Musik in den verschiedenen SRF-Sendern kontinuierlich gestiegen, und namhafte Schweizer Bands aus den vergangenen 15 Jahren wie Lovebugs oder Lunik konnten davon profitieren. Wird man im Radio gespielt, steigert das den Bekanntheitsgrad.

Momentan hat sich der Anteil an Schweizer Musik bei den ­SRF-Radiosendern bei rund 20 Prozent eingependelt. Sind Sie damit zufrieden?
Es ist eine gute Steigerung, aber mehr liegt immer drin.

Warum ist das wichtig?
Zu den SRF-Sendern gibt es kaum Alternativen. Bei vielen regional oder national orientierten Privatsendern spielt Schweizer Musik praktisch keine Rolle, im Schnitt erreicht der Anteil nicht einmal zehn Prozent, und Newcomer kommen darin erst recht nicht vor. Ihre Maxime ist: Wir machen keine Hits, wir spielen sie. Das ist das wirkliche Debakel, denn dadurch muss ein neuer Song zuerst woanders zum Hit werden. Und dafür gibt es nur SRF. Ausserdem erhalten die Musiker jedes Mal, wenn ein Song am Radio gespielt wird, einen Beitrag für die Urheberrechte. Diese Einnahmen können 20 bis 40 Prozent des Jahreseinkommens eines Musikers ausmachen. Es ist diskus­sionswürdig, ob SRF wirklich jährlich 80 Prozent der Urheberrechtszahlungen für ihr Musikprogramm ins Ausland ­liefern soll, oder ob nicht ein paar Prozente mehr in der Schweiz bleiben sollen, um den hiesigen Markt anzukurbeln.

Wie war das bei Ihnen? Sie machen seit 15 Jahren Musik.
Meine Musik ist nicht unbedingt «radiogen», abgesehen von meinen ersten Alben, die ich in englischer Sprache sang, da klappte es auf Anhieb. Ich wurde 2004 für die Sendung «Swisstop» von DRS 3 ausgewählt, die heute «Best Talent» heisst und einen Monat lang auf SRF 3 einen neuen Schweizer Act vorstellt. Das hat mich innerhalb weniger Monate in die Schweizer Musikszene gerückt, vorher gab es mich sozu­sagen gar nicht. Als Folge wurde ich an ­Festivals eingeladen und lief regelmässig im Radio.

Das heisst, manche Musikerkarrieren gründen auf SRF-Präsenz?
Ja, mit SRF als Startrampe. Aber man muss das verwerten können, ein gutes Team haben und möglichst bald einen zweiten radiotauglichen Song nachliefern. Es ist nicht so, dass die Türen danach einfach offen bleiben, auch im Radio nicht.

Entstehen Hits heute nicht vor allem über Online-Plattformen mit grösserer Reichweite wie YouTube oder Facebook anstatt über das klassische Radioprogramm?
Nicht zwingend. Eine Studie aus den USA kam 2012 zum Schluss: 40 Prozent der Musikhörer entdecken neue Musik im Radio, nur sieben Prozent über YouTube. ­Online-Plattformen sind gut für Werbekampagnen, zum Beispiel mittels eines ausgefallenen Videoclips. Aber in der Regel gilt, dass ein guter Clip auf YouTube nicht die Promotion ersetzt, die einen Song an ein breites Publikum heranträgt. Radio macht möglich, ein Publikum zu erreichen, das nicht aktiv nach neuer Musik sucht. 20 Prozent Schweizer Beiträge sind daher schön, 30 Prozent wären besser.

Radio macht möglich, ein Publikum zu erreichen, das nicht aktiv nach neuer Musik sucht.

Es geht also primär um diese Zahl?
Die Zahl ist ein Ziel, ja. Aber seit der Revision der Charta dieses Jahr ist auch der Wunsch nach mehr Präsenz von Schweizer Musik im Fernsehen formuliert. Dafür gibt es kein regelmässiges Gefäss.

Musikbeiträge im Fernsehen gelten als Quotenkiller, die Zuschauer schalten um. Gehört Musik überhaupt auf den Bildschirm?
Es kommt darauf an, ob eine Musik­sendung so gut ist, dass sie von Musik­interessierten geschaut wird. Beispiele gibt es, bei der BBC oder beim Kultursender Arte. Im Schweizer Fernsehen wurde mit «8 x 15» zuletzt ein gutes Format eingeführt, bei dem acht Bands jeweils 15 Minuten spielen. Aber es hat noch keinen fixen Sendeplatz, so dass die Sendung bisher wenig aufgefallen ist. Was fehlt, ist eine regelmässige Sendung. Formate wie «Glanz & Gloria», wo beispielsweise ein Prominenter drei neue gute Alben vorspielt. Oder Talk-Formate, die Live-Auftritte integrieren. Wirkungsvoll wäre auch, Musik dort zu zeigen, wo die Leute aus anderen Gründen schon hinschauen.

Diskutieren Sie in den jährlichen ­Gesprächen mit der SRG diese Ideen? Was ist die Resonanz?
Dank der angepassten Charta wird das am nächsten Treffen zum Thema, ja. Die Förderung von einheimischer Kultur ist ein gesetzlicher Auftrag an die SRG. Aber noch einmal: Im Vergleich zu den Privatsendern stossen wir bei der SRG auf ­offene Ohren, wir fühlen uns gut aufge­hoben. Diskutiert man in der Schweiz über den Service public, so stehen wir an der Seite der SRG. Und falls die Privat­sender über die Rundfunkgebühren mehr Beiträge zulasten der SRG erhalten sollen, müssten sie auch die Verpflichtungen des Kulturauftrags mittragen. Dafür haben wir uns in der Vernehmlassung auch ausgesprochen.

Regelmässig wird die Forderung nach ­einer Radioquote für Schweizer Musik laut. Was halten Sie davon?
Von einer fixen Quote halte ich wenig. Profitieren würden die grossen Namen, die jetzt schon stark präsent sind. Ein abgestuftes Quotensystem wie in Frankreich ist jedoch interessant. Darin ist festgehalten, wie viel Platz Newcomer, Klassiker oder die verschiedenen frankophonen ­Regionen erhalten. Zudem wird den Sendern Freiraum für ihr Sendeprofil eingeräumt, denn Radiosender, die auf Oldies spezialisiert sind, können ja nicht plötzlich 30 Prozent Newcomer spielen.

Was spricht gegen ein solches System in der Schweiz?
Die politische Machbarkeit ist höchstwahrscheinlich nicht da. Ich bin auch kein Fan von Zwang. Besser wäre es, die Privatsender würden sich auch einer Charta anschliessen. Leider gibt es gar keine Signale in diese Richtung.


Die Charta in Kürze
Die «Charta der Schweizer Musik» ist eine Vereinbarung zwischen der SRG SSR und dem Verband der Schweizer Musikschaffenden, welche zum Ziel hat, die Schweizer Musikszene durch die verstärkte Präsenz in den Programmen der SRG-Sender sowie durch weitere konkrete ­Massnahmen zu fördern. Kern der Charta ist der gemeinsam festgelegte Anteil an Schweizer ­Musikproduktionen im Gesamtmusikprogramm der SRG-Radios. Darüber hinaus soll sich die SRG an Co-Produktionen oder Aktivitäten beteiligen, die zur Förderung von Schweizer Musik geeignet sind. Die Charta ­wurde zum ersten Mal 2004 unterzeichnet, im Frühling 2016 wurde sie revidiert bestätigt.

Details und die Charta als PDF


Text: Andreas Schneitter

Bild: Peter Mosimann

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