Darf Charlie Kirk als «rechtsextrem» bezeichnet werden?
Bei der Ombudsstelle sind neun Beanstandungen zur Berichterstattung über die Ermordung des amerikanischen Politikaktivisten Charlie Kirk eingegangen. Darin geht es hauptsächlich um die Begriffe «rechtsextrem» und «rechtskonservativ». Während die meisten monieren, Kirk dürfe nicht als «rechtsextrem» bezeichnet werden, gibt es andere, welche die Bezeichnungen «rechts» bzw. «rechtskonservativ» als verharmlosend empfinden. Die Redaktion und die Ombudsleute differenzieren.
Darum geht es in den beanstandeten Sendungen
Beanstandet wurden verschiedene Informationssendungen und ein Online-Beitrag von SRF Kultur. Die Beanstandungen betreffen vor allem Beiträge, die an den ersten beiden Tagen nach Charlie Kirks Ermordung publiziert worden sind.
Die «Tagesschau» vom 11. September 2025 berichtet über das Attentat, dessen Hergang und erste Reaktionen von ranghohen Persönlichkeiten inkl. Donald Trump. Zudem werden die Person Charlie Kirk, sein Wirken, seine Haltung sowie seine Bedeutung für die Wiederwahl von Donald Trump beschrieben.
Im «Tagesgespräch» vom 11. September 2025 spricht Claudia Franziska Brühwiler, Professorin für Amerikastudien an der Universität St. Gallen, über Charlie Kirk und die Bedeutung seiner Ermordung für die USA.
Die «Tagesschau» und das «Echo der Zeit» vom 12. September 2025 vermelden die Festnahme des mutmasslichen Täters und erste Einschätzungen zum Tatmotiv. Es wird erwähnt, dass es Hinweise auf einen politisch motivierten Mord gebe. Ausserdem geht die «Tagesschau» auf mögliche politische Folgen des Attentats ein.
Der Online-Artikel von SRF Kultur vom 12. September 2025 befasst sich mit Videos vom Kirk-Attentat und extremen Kommentaren auf Social Media und auf die Reaktion der Online-Plattformen.
Im «Echo der Zeit» vom 16. September 2025 geht es nebst dem Tatmotiv des mutmasslichen Attentäters darum, wie der Mord an Charlie Kirk die USA verändert. Die Sendung zeigt auf, wie Präsident Donald Trump und zahlreiche Republikaner die politische Linke im Allgemeinen für politische Gewalt in den USA verantwortlich machen.
Beanstandete Beiträge:
Beanstandete Beiträge:
«Tagesschau» vom 11. September 2025:
«Tagesschau» vom 12. September 2025:
Was wird beanstandet?
Im Zentrum der Beanstandungen steht die politische Situierung von Charlie Kirk in der Berichterstattung. Es geht vor allem um die Begriffe «rechtsextrem» und «rechtskonservativ». Die Stossrichtung der Kritiker unterscheidet sich in den verschiedenen Beanstandungen zum Teil diametral: Die einen fordern, Kirk dürfe nicht als rechtsextrem bezeichnet werden und man müsse zwischen konservativ und rechtsextrem unterscheiden. Die anderen hingegen verlangen, SRF müsse Kirk als rechtsextrem einordnen. Begriffe wie rechts oder rechtskonservativ seien hier verharmlosend.
Was sagt die Redaktion?
Die Verantwortlichen der Chefredaktion Audio/Digital nehmen zur Kritik der Beanstander:innen Stellung. Sie weisen darauf hin, dass es in internationalen und Schweizer Medien zum Teil sehr verschiedene Begrifflichkeiten zur Charakterisierung von Charlie Kirk gebe: von «rechts», «rechtsliberal» bis «rechtsextrem» oder gar «faschistisch».
SRF bezeichne Charlie Kirk mehrheitlich als «rechts» oder «rechtskonservativ» und nur vereinzelt als «rechtsextrem».
In reinen Nachrichtensendungen liessen sich aufgrund der Kürze von Nachrichtenmeldungen keine Begründungen oder Beispiele einbetten. Deshalb sei SRF da sehr zurückhaltend mit Wertungen und pointierten Formulierungen. So verzichte man in den Nachrichten auf die Bezeichnung «rechtsextrem». Der Begriff werde jedoch vereinzelt in Hintergrundsendungen gebracht, wo es Raum für Einschätzungen und die Erläuterung von Sachverhalten gebe.
Die Chefredaktion stützt sich bei der Verwendung des Begriffs «rechtsextrem» auf die Definition von verschiedenen deutschen und Schweizer Behörden und Fachstellen sowie auf gängige Enzyklopädien. Zwar erfülle Charlie Kirk nicht alle Kriterien der Definition – wie etwa der Aufruf zu Gewalt. Doch er habe die Putschisten vom 6. Januar 2021 auf das Capitol unterstützt und Donald Trumps Lüge zum angeblichen Wahlsieg 2020 gestützt. Zudem habe er sich in einzelnen Fällen rassistisch und antisemitisch geäussert.
Nicht ausser Acht lassen dürfe man dabei, dass Kirk als Kommunikator und Aktivist ein Profi gewesen sei. Deshalb seien seine Aussagen anders zu bewerten als diejenigen eines Durchschnittsbürgers, der unbedachte Äusserungen mache. Bei Kirks Äusserungen müsse man davon ausgehen, dass er sehr wohl gewusst habe, was davon bei seinen Unterstützern hängenbleiben würde. Als Beispiel nennt die Redaktion seine «Watchlist». Für die Personen, die sich darauf befunden hätten, habe es gravierende Konsequenzen gegeben, bis hin zu Todesdrohungen und massiver Einschüchterung.
Somit erachtet es die Redaktion als zulässig, Charlie Kirk als rechtsextrem zu bezeichnen. Auch wenn – wie bereits erwähnt – die SRF-Chefredaktionen diesen Begriff im nachrichtlichen Bereich eher nicht verwenden würden.
Was sagt die Ombudsstelle?
Die Ombudsleute sehen Charlie Kirk in erster Linie als durch und durch konservativ und als tiefgläubigen Christen. Sie sind sich aber mit der Chefredaktion einig, dass einzelne Aussagen Kirks von rechtsextremer und antisemitischer Natur seien. Nebst den von der Redaktion genannten Beispielen führen die Ombudsleute weitere auf: So habe Kirk gesagt, dass aufgrund des US-Rechts der Bürger, Waffen zu besitzen (zweiter Verfassungszusatz) jedes Jahr einige Todesfälle durch Schusswaffen in Kauf zu nehmen seien. Weiter habe er gesagt, Joe Biden müsse wegen «seiner Verbrechen gegen Amerika» ins Gefängnis gesteckt und/oder zum Tode verurteilt werden. Zudem habe er die Haltung gehabt, Abtreibung sei schlimmer als der Holocaust.
Einig sind sich die Ombudsleute mit den SRF-Chefredaktionen auch, den Begriff «rechtsextrem» bewusst zurückhaltend zu verwenden. Übermässiger Gebrauch des Vorwurfs führe zur Verharmlosung des Begriffs, sind die Ombudsleute überzeugt. Er soll vor allem dann verwendet werden, wenn er ohne Wenn und Aber zutreffend sei. Bei Charlie Kirk finden es die Ombudsleute angebracht und nicht meinungsverfälschend, von «rechtskonservativ» oder «rechts» zu sprechen. Im Zusammenhang mit Kirks Ermordung erachten die Ombudsleute die Verwendung von «rechtsextrem» nur für gerechtfertigt, wenn der Begriff in der Publikation näher erläutert und differenziert eingeordnet werde.
In einem Online-Beitrag von SRF Kultur vom 12. September 2025 sei dies nicht geschehen. Im Artikel sei es um die Verbreitung von Videos vom Kirk-Attentat in den Sozialen Medien gegangen und nicht um Kirks Profil. Den Erschossenen deshalb ohne Begründung als «Rechtsextremen» zu bezeichnen, erachten die Ombudsleute für diesen Beitrag mit dem gewählten Fokus als nicht zulässig. Bei dieser Beanstandung (Nr. 11725) sehen sie deshalb einen Verstoss gegen das Gebot der Sachgerechtigkeit.
Bei den übrigen acht Beanstandungen sehen die Ombudsleute keine gesetzlichen Bestimmungen gemäss Radio- und Fernsehgesetz verletzt.
Schlussberichte Ombudsstelle (Auswahl):
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 11725
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 11728