Spaltung der Gesellschaft: Welche Rolle spielen die Medien?

Am Schlussanlass 2025 zog der neu ausgerichtete Publikumsrat SRG.D Fazit über das erste Jahr. Wie kommt das neue Modell an? Und was nehmen Teilnehmende des Resonanzraums sowie die SRF-Programmschaffenden aus den ersten Dialogfenstern mit? Ein Abend voller spannender Inputs, Fragen und Diskussionen im «Arena»-Studio.

Der Publikumsrat der SRG Deutschschweiz (SRG.D) wurde auf 2025 hin neu ausgerichtet. Ein gewähltes Leitungsteam betreut neu den sogenannten Resonanzraum SRG.D, in dem Interessierte partizipieren können. Das Ziel: In mehreren Dialogfenstern jährlich Themen rund um den medialen Service public beleuchten, Meinungen und Bedürfnisse der Gesellschaft an das Medienhaus abholen und gemeinsam mit den Programmschaffenden und –verantwortlichen reflektieren.

Am 19. November fand die Abschlussveranstaltung 2025 statt, bei der das erste Jahr seitens des Leitungsteams bilanziert und Stimmen aus dem Publikum und von SRF gesammelt wurden. Im «Arena»-Studio im Zürcher Leutschenbach fanden sich dazu Interessierte, Programmschaffende, Mitglieder der SRG Deutschschweiz sowie das Leitungsteam ein.

Der Abend war zweigeteilt: Zuerst wurde die Arbeit des neu ausgerichteten Publikumsrats diskutiert und Potenzial für die weiterführende Arbeit ausgelotet. Im zweiten Teil wollte das Leitungsteam dem Thema der gesellschaftlichen Spaltung nachgehen und welche Rolle Medien dabei spielen: Einen sie oder spalten sie zusätzlich?

Konstruktiver Dialog über das Jahr eins

Lukas Bruhin, Präsident der SRG.D, eröffnete den Abend mit einer kurzen Ansprache zum medialen Service public und dessen Auftrag. Er ging auf die weltweite Medienkrise, insbesondere bei öffentlich finanzierten Medien, ein und schloss mit dem Votum: «Medien leisten einen Beitrag zu gemeinsamer Realität und damit zu gesellschaftlicher Kohäsion.» Im Anschluss begrüsste er Silke Fürst, Forscherin am fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft, die durch die Veranstaltung führte.

Es folgte ein kurzes Fazit des vergangenen Jahres seitens Christof Thurnherr und Eveline Hipeli, sie vertraten das Leitungsteam des Publikumsrats. «Dieser Austausch heute ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit», sagte Christof Thurnherr und Eveline Hipeli ergänzte: «Nach dem Abschluss der ersten zwei Dialogfenster freuen wir uns nun über euer Feedback.»

«Mir ist noch nicht ganz klar, wie wir jetzt zu den konkreten Feedbacks aus dem Publikum kommen.»

Tristan Brenn, Chefredaktor Video SRF

Zunächst meldete sich Tristan Brenn, Chefredaktor Video SRF, zu Wort: «Der alte Publikumsrat war eingespielt, ritualisiert. Ich habe aus den direkten Gesprächen über einzelne Formate immer etwas mitgenommen. Mir ist noch nicht ganz klar, wie wir jetzt zu den konkreten Feedbacks aus dem Publikum kommen.»

Das Leitungsteam machte daraufhin auf ihren Schlussbericht aufmerksam, der nächstens erscheint. Dieser ist öffentlich zugänglich, wird aber auch direkt den SRF-Redaktionen ausgehändigt, damit sich diese mit den Ergebnissen aus den Dialogfenstern auseinandersetzen können.

Reto Gafner, Leiter Live Formate und Transofrmation Sport, erinnerte sich hingegen wohlwollend an die Veranstaltung im Resonanzraum vom Sommer. Damals ging es um die Berichterstattung während der Women’s EURO. Er sagt: «Die Veranstaltung des Publikumsrats in diesem Jahr war für uns ein Resonanzraum unseres Auftrags: Wie kommt unsere Arbeit an? Diese Rückmeldungen zu hören war für uns wichtig.»

Gewünscht wurde seitens SRF, dass die Programmschaffenden künftig über die Themenplanung orientiert werden. In diesem Jahr konnten keine Inputs bezüglich Fragestellungen oder Sendegefässen gegeben werden, deshalb wurden Chancen für spannende Diskussionen verpasst. Das Leitungsteam des Publikumsrats zeigte sich hier offen für einen engeren Austausch in Zukunft, da von einer guten Kommunikation beide Seiten nur profitieren könnten.

Soziale Spaltung: Corona und Social Media

Silke Fürst ging in der Folge über in den zweiten Teil des Abends. Die Diskussion, die sich mit der Rolle von Medien in Bezug auf die vermeintlich fortschreitende Spaltung der Gesellschaft auseinandersetzte, folgte einer Abstimmung zu mehreren Fragen. Die abgegebenen Antworten wurden im Anschluss diskutiert.

Zunächst wurde nach den Ursachen der sozialen Spaltung gefragt. Ein Teilnehmer verwies auf die Corona-Pandemie: «Die Polarisierung der Gesellschaft wurde damals plötzlich sichtbar und ist seither nicht mehr aus der Öffentlichkeit verschwunden.» Ein anderer richtete sich direkt an die Medienschaffenden: «Ich bin geimpft und kein Massnahmenkritiker. Aber dennoch fehlte mir eine selbstkritische Aufarbeitung der Pandemie durch die Medien. Das fällt den Redaktionen offenbar bis heute schwer.»

«Ich selbst habe kein Social Media, da ich schnell merkte, wie süchtig diese Plattformen machen.»

Teilnehmerin Resonanzraum SRG.D

Andere identifizierten die sozialen Medien als Problem: «Was früher am Stammtisch besprochen wurde, wird heute auf Social Media publiziert und findet ein Publikum», so eine Teilnehmerin.

Dies war die Einleitung in die zweite Frage, nämlich: Wie wirkt sich der Nachrichtenkonsum auf Social Media in Bezug auf die gesellschaftliche Spaltung aus? Kritisiert wurden zunächst die Kürze, die fehlende Qualitätskontrolle, oder dass der Algorithmus bestimmt, welche Nachrichten angezeigt würde. Eine Teilnehmerin des Resonanzraums sagte ausserdem: «Ich selbst habe kein Social Media, da ich schnell merkte, wie süchtig diese Plattformen machen.»

Aber nicht nur negative Aspekte wurden hervorgehoben. Ein anderer Resonanzraumteilnehmer sagte: «Auf Social Media sehe ich, wie andere Menschen und Gruppierungen ticken. Es ist auch eine Art Resonanzraum.»

Auch seitens der Programmschaffenden wurde insbesondere die SRF-Präsenz auf den sozialen Medien verteidigt. Arthur Honegger, SRF-Moderator und TikTok-Host für SRF News sagte: «Wir vermelden nicht einfach News auf Social Media, wir machen Journalismus: Die Vielfalt der Ansichten zeigen, auch solche, die man nicht teilt.»

Romana Kobe, Leiterin Kanäle Social SRF News ergänzte: «Ja, es gibt Hass in den sozialen Medien. Aber uns erreichen auch immer wieder konstruktive Feedbacks und Fragen nach zusätzlichen Informationen oder zu konkreten Themen. Dieser direkte Austausch mit der Community ist sehr wertvoll und bringt uns in unserer Arbeit weiter.»

Unterhaltung: Gemeinschaftsgefühl oder wirkungslos?

Der letzten Punkt der Diskussion widmete sich dem Bereich der Unterhaltung – angelehnt an das Dialogfenster über die Grossanlässe, welche der Publikumsrat SRG.D 2025 begleitet hatte. Die Frage: Schaffen Unterhaltungsformate mehr Gemeinschaftsgefühl?

Bei der Abstimmung gab es viel Zustimmung – und tatsächlich nur eine einzige Nein-Stimme. Der entsprechende Resonanzraumteilnehmer erklärte: «Ich spiele hier ein bisschen den Anti-Helden. Aber ich frage mich, ist es wirklich der Anspruch einzelner Formate, dass die ganze Schweiz sich damit identifizieren kann? Ich bezweifle, dass das funktioniert.»

«Der Austausch und das Verständnis zwischen den Sprachregionen den könnten grösser sein.»

Teilnehmerin Resonanzraum SRG.D

Seitens der Programmschaffenden bestätigten daraufhin, dass es hier durchaus Herausforderungen gebe. Die Zeiten von Lagerfeuern wie «Benissimo» seien vorbei. Aber trotzdem: Unterhaltungsformate könnten unterschiedliche Menschen mit unverfänglichen Themen zusammenbringen.

Eine Schlussbeobachtung aber machte schliesslich eine weitere Teilnehmerin aus dem Resonanzraum. Sie sagte: «Es wurden heute diverse Formate besprochen. Aber ein Aspekt wurde noch nicht erwähnt: Die Berichterstattung in der Deutschschweiz ist oft selbstzentriert. RTS beispielsweise spricht immer von der ‹Suisse romande›, wenn sie die Westschweiz meinen. SRF spricht öfter von der ‹Schweiz›, wenn es um den deutschen Teil geht. Der Austausch und das Verständnis füreinander könnten grösser sein.»

Das zeigt: Für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt braucht es auch immer eine kritische Reflektion der eigenen Perspektive – eine Aufgabe, der sich der Publikumsrat SRG.D auch 2026 wieder widmen wird.

Text: SRG.D/pz

Bild: SRG.D/pz

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