SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Wahlhilfe» auf srf.ch beanstandet

4029 | Mit E-Mail vom 6. August 2015 haben Sie die sogenannte „Wahlhilfe“, welche seit dem 5. August im Online-Angebot des SRF im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2015 angeboten wird, beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 12. August bereits bestätigt.

Ich stelle fest, dass Ihre Kritik nicht eine Sendung, sondern einen Online-Beitrag von SRF betrifft. Gemäss Art. 91 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen ist die Prüfungsbefugnis der Ombudsstelle auf ausgestrahlte Sendungen beschränkt. Die übrigen publizistischen Angebote der SRG SSR wie Online- oder Teletextbeiträge gehören nicht dazu. Es ist mir deshalb nicht möglich, im Rahmen des gesetzlichen Verfahrens auf Ihre Beanstandung einzutreten.

Um diese Lücke zu füllen, hat die SRG SSR die Ombudsstelle auf freiwilliger Basis beauftragt, für ihre übrigen publizistischen Angebote zwischen Publikum und Redak­tion zu vermitteln. Dieses Verfahren beruht also nicht auf dem Gesetz, sondern auf Art. 16 der Statuten SRG.D und begründet keine Rechtsansprüche. Ich nehme Ihre Beanstandung gerne im Rahmen dieses freiwilligen Verfahrens entgegen. In diesem Sinne habe ich Ihnen bereits am 16. September meinen Bestätigungsbrief geschickt.

Nachdem die Verantwortlichen von SRF Stellung genommen haben und ich die An­gelegenheit studieren konnte, bin ich nun in der Lage, Ihnen meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie beschreiben den Sachverhalt wie folgt:
„Die Wahlhilfe umfasst Fragebögen, die eine politische Einordnung der Leser erlau­ben. Die Leser erhalten nach dem Ausfüllen ein Ranking von Kandidierenden und Listen in ihrem Wahlkreis, geordnet nach politischer Übereinstimmung. Die SRF-Re­daktion nutzt dafür eine API des Vereins Politools und bettet die Daten automatisch in die eigene Website ein (http://www.srf.ch/news/wahlen-15/wahlen15-wahlhilfe).

Die Redaktion verspricht den Lesern, sie würden durch Benutzung des Angebots ‚per Mausklick [ihre] Wunschkandidaten’ finden. Durch Ausfüllen des Fragebogens könne man sich eine ‚Auswahl an passenden Kandidierenden präsentieren’ lassen – eine ‚Liste mit Politikern und Parteien, die [den] persönlichen politischen Vorstellungen am nächsten kommen’.

Im Disclaimer an Ende des Features heisst es lediglich: ‚Das Ausfüllen des Fragebo­gens ist freiwillig und nicht alle Kandidierenden nehmen an der Umfrage teil. Kandi­dierende, die den Online-Fragebogen nicht oder noch nicht ausgefüllt haben, erscheinen nicht in den Wahlempfehlungen.’

Die SRF-Redaktion verschweigt den Lesern, dass die Kandidaten in die Bezahlung einer Gebühr einwilligen müssen, um in den Wahlempfehlungen zu erscheinen. Der Datenanbieter, Politools, bittet die Kandidaten (bzw. die Parteien) im Falle einer Wahl pro Sitz mit CHF 400.- zur Kasse. Kandidaten und Parteien, welche diese Teilnah­megebühr nicht bezahlen möchten, sind von der Wahlhilfe ausgeschlossen.“

(https://candidate.smartvote.ch/candidate/register/index).

Bei dieser Ausgangslage begründen Sie Ihre Beanstandung wie folgt:

„1. Das SRF präsentiert Kandidaten nur dann als ‚passend’, wenn diese der Bezahlung eines Geldbetrags im Falle der Wahl zustimmen. So nimmt der Sender in Kauf, dass nur die Ansichten finanzstarker Kandidaten und Parteien zum Ausdruck gebracht werden. Das Publikum wird hierüber nicht informiert. Art 4. Abs 4. RTVG bestimmt, dass das SRF in der Gesamtheit seiner redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen muss. Gerade im Vorfeld von eidgenössischen Wahlen ist die angemessene Darstellung dieser Vielfalt besonders essentiell. Die Wahlhilfe auf SRF.ch ist das einzige derartige publizistische Angebot des Senders.

2. Die Redaktion lässt Kandidierende, welche das Angebot mitfinanzieren, auf SRF.ch Wahlwerbung betreiben. Die entsprechenden Kandidaten dürfen auf der Website ein Porträtfoto, einen Absatz ‚Warum man mich wählen sollte’ sowie im Fragebogen 75 weitere, unredigierte Textbeiträge veröffentlichen. Kandidaten, welche die Gebühr nicht bezahlen möchten, erhalten diese Möglichkeit nicht. Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. d RTVG ist Werbung für politische Parteien sowie für Personen, die für politische Ämter kandidieren, unzulässig.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihrer Beanstandung Stellung bezogen. Frau Lis Borner, SRF Chefredaktorin Radio und Präsidentin der Chefredaktorenkonferenz der SRG schreibt dabei Folgendes:

„Gerne nehmen wir zur Beanstandung (4029) Stellung, die unsere ‚Wahlhilfe’ auf srf.ch betrifft. Da die Kooperation mit ‚smartvote’ unter der Ägide der SRG-Chefre­daktorenkonferenz steht, nehme ich als deren Präsidentin Stellung.

‚smartvote’ wird von ‚Politools’ entwickelt und betrieben. ‚Politools’ ist ein nicht gewinnorientierter Verein nach Art. 60ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) mit Sitz in Bern. Unter http://politools.net finden sich die Links zu den Vereinsstatuten und dem Rechenschaftsbericht. Gewinne, die der Verein erzielt, fliessen in die Projekte des Vereins (smartvote, smartmonitor etc.) zurück und können nicht ausbezahlt werden.

Die Einnahmen von Parteien und Kandidierenden dürften bezüglich der NR/SR-Wahlen ca. 75’000 CHF betragen. Allein die Kosten für externe IT-Aufträge und Übersetzungskosten dürften diesen Betrag deutlich übersteigen. Parteien und Kandi­dierende bezahlen somit nur einen kleinen Teil der anfallenden Kosten. Der Rest wird durch den Verkauf ihrer Dienstleistungen und durch unbezahlte Freiwilligen­arbeit sowie, in kleinerem Umfang, durch Spenden und Beiträge von Stiftungen und Fonds finanziert.

‚smartvote’ ist ein von SRF/SRG unabhängiges Angebot, das der Öffentlichkeit via die von der SRG unabhängige Website www.smartvote.ch angeboten wird. Das Verhältnis der SRG gegenüber ‚Politools’ entspricht dem der Erwerberin von entgelt­lichen Dienstleistungen gegenüber der Dienstleistungserbringerin.

Das Preismodell:

Parteien/Kandidierende sichern für den Fall ihrer Wahl die Zahlung eines Geldbetra­ges pro erzielten Sitz zu. 2015 wird ein abgestuftes Preismodell verwendet: Meldet eine Partei alle Kandidaten (gesamtschweizerisch) bei ‚smartvote’ an, beträgt der Preis CHF 300 pro erzielten Sitz. Von Einzelkandidaten oder kleinen Parteien, die in einem oder wenigen Kantonen antreten, wird ebenfalls dieser Preis verlangt. Über­lässt eine Partei den Teilnahmeentscheid ihren kantonalen Sektionen (wie z.B. die SVP), beträgt der Preis auf Grund der erhöhten administrativen Aufwände CHF 350 pro erzielten Sitz.

Die CHF 400 pro erzielten Sitz kommen nur dann zum Tragen, wenn eine national organisierte Partei es ihren einzelnen Kandidaten überlässt, ob sie mitmachen möch­ten oder nicht. Im Augenblick betrifft dies einzig sechs Kandidaten der SVP SG (von über 3’300 insgesamt).

Abdeckungsgrad:

Trotz des kostenpflichtigen Angebots erreicht ‚smartvote’ eine nahezu vollständige Abdeckung bei den Kandidierenden, was das Recht zur Teilnahme betrifft. Neben den oben erwähnten Partei wurden analoge Abkommen mit den meisten SVP-Kan­tonalparteien (zwei sind noch offen) und zahlreichen kleinen und Kleinstparteien wie z.B. EVP, EDU, MCG, up!, Integrale Politik, Ecopop sowie mit Einzelkandidaten ab­geschlossen. Kandidierende, die bei ‚smartvote’ nicht erscheinen, tun dies nicht, weil sie nicht dürfen, sondern weil sie nicht wollen, obschon die anfallenden Kosten durch deren Partei gedeckt sind. Im Augenblick sind bei über 3’300 Kandidierenden nur noch ca. 20 ohne Vertrag mit ‚smartvote’. Um diese hohe Teilnahmequote weiterhin zu gewährleisten, werden sämtliche Parteien und Einzelkandidaten absolut gleich behandelt: ‚smartvote’ kontaktiert sämtliche Kleinparteien und Einzelkandidaten di­rekt, sobald ihre Kandidaturen bekannt sind. Kandidierende, die nicht online sind, können den Fragebogen schriftlich beantworten. SRF macht im Übrigen auf der Website transparent, dass die ‚Wahlhilfe’ keine 100%-Abdeckung der Kandidieren­den gewährleistet.

Der Beschwerdeführer liegt falsch mit seiner Ansicht, dass nur finanzstarke Partei­en/Kandidaten bei ‚smartvote’ zum Zug kommen. Das Preismodell begünstigt im Ge­genteil gerade auch kleine Parteien. Die EVP beispielsweise bezahlt mit gerade 2 Sitzen 600 CHF und ist mit ähnlich vielen Kandidaten wie die SVP bei ‚smartvote’ vertreten. Dass nur im Fall einer Wahl bezahlt werden muss, wurde eingeführt, um finanzschwachen Kandidierenden die Teilnahme zu ermöglichen.

Das Preismodell bewährt sich seit 2003 und wird von den Parteien/Kandidierenden breit akzeptiert. Wenn vereinzelt Kritik aufkommt, dann höchstens von den grossen Parteien, die sich an ihrer Querfinanzierung der kleinen, finanzschwachen Parteien stören.

Kommentare der Kandidierenden:

Der Beschwerdeführer führt an, dass die Kandidaten unredigierte Textbeiträge ver­öffentlichen können. Er bezeichnet diese als Wahlwerbung. Bei diesen Texten han­delt es sich um die Kommentare, mit denen die Kandidierenden ihre Antworten bei ‚smartvote’ erklären und einbetten können. Dies ist sinnvoll, da ‚smartvote’ sie bei der Beantwortung des Fragebogens zwingt, sich für die Pro- oder Contra-Seite zu ent­scheiden, was nicht immer leicht ist. Die Kommentare sind für die Kandidaten die Möglichkeit, die eigene Position auch differenziert und nachvollziehbar darzulegen. Die Kommentare werden von ‚Politools’ bewusst nicht redigiert. Würde redigiert, sähe sich ‚smartvote‘ berechtigterweise dem Vorwurf der Zensur bzw. der Verfälschung ausgesetzt. ‚smartvote‘ hat aber das Recht, Kommentare, die strafrechtlich relevante Inhalte enthalten, zu löschen. Das musste ‚Politools‘ in den letzten acht Jahren nie tun.

Weitere Wahlhilfen in der Schweiz:

Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass ‚smartvote‘ das einzige derartige Ange­bot sei. Tatsächlich gibt es aber eine direkte Konkurrenz in der Schweiz: Vimentis.

Auch deren Angebot ist kostenpflichtig, basiert auf einer ähnlichen Idee und einer ähnlichen smartspider. Allerdings ist der Abdeckungsgrad niedriger.

Wahlhilfe für die Wahlberechtigten:

Aus demokratietheoretischer Sicht, bzw. aus Sicht der Wahlberechtigten macht die Integration des ‚smartvote‘-Angebots Sinn. Die SRG-Medien räumen der Wahlbe­richterstattung auf allen Kanälen sehr viel Platz ein. Wie alle anderen Medien können aber auch die SRG-Medien aus Platz- und Zeitgründen nicht allen Kandidierenden dieselbe Aufmerksamkeit in der Berichterstattung widmen. Die Integration von ‚smart­vote‘ kann dies mindestens zum Teil wettmachen, da den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit geboten wird, innerhalb der Positionen von nahezu allen politischen Kräften ihre eigene Haltung zu situieren. Dank dieser Ergänzung können die SRG-Medien ihrem Informationsauftrag noch umfassender nachkommen.

Die SRG betrachtet diesen Teil ihrer ‚Wahlhilfe‘ deshalb als Bereicherung ihres Service-Angebots an die Wählerinnen und Wähler im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen und nicht als Beihilfe zur Wahlwerbung.

Aus den oben aufgeführten Gründen halten wir die Beanstandung für nicht gerecht­fertigt.“

3. Soweit die umfassende Stellungnahme der Verantwortlichen von SRF. Als Präsiden­tin der Chefredaktorenkonferenz der SRG erklärt Frau Lis Borner sehr ausführlich, wie die sogenannte „Wahlhilfe“ funktioniert. Nachdem ich die Angelegenheit studie­ren konnte, scheinen mir die Argumente von Frau Borner sehr plausibel zu sein. Dies betrifft insbesondere Ihre Kritik, wonach „nur die Ansichten finanzstarker Kandidaten und Parteien zum Ausdruck gebracht werden“ sowie Ihr Vorwurf bezüglich „unzuläs­sige Wahlwerbung“.
Dass „smartvote“ finanziert werden muss, sollte unbestritten sein. Berücksichtigt man zudem, dass der zu zahlende Beitrag nur bei erfolgter Wahl zu entrichten ist, glaube ich nicht, dass von Diskriminierung von finanzschwachen Kandidaten oder Parteien gesprochen werden kann. Auch die Tatsache, dass die Kandidierenden einen kurzen Kommentar zu ihrer Position ausdrücken dürfen, kann meiner Ansicht nach nicht als unzulässige politische Werbung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. d RTVG betrachtet werden.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich zwar für Ihre Sorge durchaus viel Respekt habe, Ihre Beanstandung aber, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen kann.

Im Sinne einer grösseren Transparenz empfehle ich aber, auf der Webseite von SRF darauf hinzuweisen, dass Parteien/Kandidierende nur pro erzielten Sitz einen Geld­betrag zwischen 300 und 400 Franken an „smartvote“ zu entrichten haben.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht entgegenzuneh­men. Ich habe Sie bereits darüber informiert, dass das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen im Zusammenhang mit den übrigen publizistischen Angeboten der SRG SSR wie Online- oder Teletextbeiträge kein Vermittlungsverfahren vor der Om­budsstelle vorsieht. Deshalb hat die SRG SSR für diese Angebote auf freiwilliger Basis ein Vermittlungsverfahren eingerichtet. Der Schlussbericht beendet dieses frei­willige Vermittlungsverfahren.

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