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« Satire darf polarisieren − so trägt sie zur Meinungsbildung bei »

Ab dem 1. April provoziert Müslüm die Schweiz mit frechen Fragen, Deville macht Seich im Anzug und zwei Headhunters rekrutieren Promis. Ein Aprilscherz? Nein, diese drei neuen Comedy-Formate stehen bei SRF demnächst tatsächlich auf dem Programm.

Mit grossen Gesten und lauten und klaren Worten bringt Dominic Deville das Publikum zum Lachen. Kein neckisches Augenzwinkern, kein leichtes Schulterzucken: Der Komiker weiss, solch kleine Bewegungen funktionieren auf der Bühne nicht. Zu gross ist die Distanz zwischen Unterhalter und Publikum. Steht er nun aber im ­Fokus der Kamera, ist das anders. Die Zuschauer vor den Bildschirmen können seine Show zwar weder riechen noch spüren, dafür machen Feinheiten und ein ­rasantes Tempo den Unterschied. «Ich muss viel schneller auf den Punkt kommen, damit der Witz nicht vor der Pointe verpufft», sagt Dominic Deville. Die Sprache des Fern­sehens habe er erst lernen müssen.

Nach vielen Probeaufnahmen und zwei ­Pilotsendungen spricht er sie nun fliessend. Mit seiner neuen Late-Night-Show wird Deville ab Ende Mai regelmässig im Schweizer Fernsehen zu sehen sein. Anfang April startet nämlich die Ausstrahlung von drei neuen Comedy-Formaten auf SRF 1. Nebst «Deville» sind dies «Headhunter» mit Anet Corti und Michel Gammen­thaler sowie «Müslüm Television».

Comedians aus dem Labor

Dass gerade diese vier Künstler das Comedy-Programm von SRF ergänzen, ist kein ­Zufall. «Wir nahmen vor zwei Jahren mit verschiedenen Comedians Kontakt auf und luden sie ein, Ideen einzureichen», sagt Rolf Tschäppät, Bereichsleiter Comedy und Quiz SRF. Und einige der Gesichter sind nicht ganz neu beim Sender. Anet Corti war bei «SRF bi de Lüt» zu sehen und Michel Gammenthaler moderiert «Comedy aus dem Labor». Dort hatte auch Dominic ­Deville seinen ersten Fernseh­auftritt. «Ziel von ‹Comedy aus dem Labor› ist, den Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform zu bieten», sagt Tschäppät. Eine solche Plattform sollen die drei neuen Comedy-Formate ebenfalls sein. Aber nicht nur für die ­Komiker vor der Kamera. Auch einige Autoren der Sketches und Pointen haben bislang noch selten fürs Fernsehen gearbeitet. «Uns ist wichtig, dass die ­Comedians mit Autoren aus ihrem ­Bühnenteam zusammenarbeiten», sagt Tschäppät.

Müslüm hinterfragt Stereotypen

Nach einem ersten Auswahlverfahren schaute sich ein Testpublikum Pilotsendun­gen von «Deville», «Headhunter» und ­einem weiteren Format an. Schnell kristal­lisierte sich heraus, dass «Headhunter» und «Deville» am besten bei den Zuschauerinnen und Zuschauern ankamen. ­Müslüm hingegen durchlief nicht dasselbe Verfahren. SRF wählte ihn unabhängig von den zwei anderen Comedy-Shows aus. «Mit ‹Müslüm Television› wollen wir Integra­tionsthemen für einmal etwas leichter zur Sprache ­bringen», sagt Tschäppät.

So wird Semih ­Yavsaner alias Müslüm Schweize­rinnen und Migranten mit provokativen ­Fragen konfrontieren. Seine Suche nach den Eigenheiten verschiedener ­Kulturen führt ihn mal an die BEA und mal in einen Plattenbau. Seine Kunstfigur, der Türke mit den buschigen Augenbrauen, der am liebsten Hawaiihemden und farbige An­züge trägt, ist schon heute schweizweit ­bekannt. «Mit der übertriebenen Darstellung des Ausländers bringe ich den Leuten die Menschlichkeit dieses Stereotypen ­näher», sagt Semih Yavsaner. Aber auf eine freche und bunte und nicht auf eine mora­li­sierende Weise, meint er. Auch sei es nicht sein Ziel, Leute blosszustellen. «Das ­machen die Menschen meist von selbst.»

Dass Müslüm mit seiner unverkennbaren Art anecken könnte, ist sich Rolf Tschäppät bewusst. «Comedy ist Geschmackssache und kann nicht immer allen gefallen.» ­Zudem dürfe Satire polarisieren. So trage sie zur Meinungsbildung bei. Die neuen Formate würden dementsprechend aktuelle und politische Themen aufgreifen, sagt Tschäppät.

«Deville» als Nachfolger von «Giacobbo/Müller»?

Aktuelle Themen satirisch kommentieren, das machen bislang vor allem «Giacobbo /Müller» in ihrer Late-Night-Show am Sonntagabend. Nach neun Jahren wird die ­Sendung jedoch Ende 2016 eingestellt. Sucht SRF mit den neuen Formaten deren Nachfolge? «Das war nie das Ziel», sagt Tschäppät. Die Formate seien schon lange geplant ge­wesen, als das Aus von «Giacobbo/Müller» bekannt wurde, so Tschäppät. Dominic ­Deville, der ebenfalls eine Late-Night-Show macht, sieht sich nicht in den Fussstapfen der beiden. Seine Sendung werde weniger politisch, dafür mehr irrsinnig und über­raschend sein, meint er. Auch die Gäste werden nicht vorwiegend aus dem politischen Lager, sondern eher aus dem kul­turellen Bereich oder der Unterhaltungsbranche kommen. «Meine Traumgäste sind DJ Bobo, Erich von Däniken und Mona Vetsch.»

Später Sendeplatz ermöglicht das Ausprobieren

Ob eines oder mehrere der Formate den Sendeplatz von «Giacobbo / Müller» erbt, ist noch offen. Vorerst werden die Sendungen am Freitagabend um 23.45 Uhr aus­gestrahlt. «So können die Comedians viel mehr ausprobieren, als wenn ihre Sendung gleich zur Primetime gestartet würde», sagt Tschäppät. Im deutschen Fern­sehen werde dies genauso gemacht, meint er. Dort werden neue Formate zuerst auf den sogenannt dritten Programmen ­ausgestrahlt. Das sind regionale Sender wie Bayerisches Fernsehen oder West­deutsches Fernsehen. Und erst wenn es sich bewährt, erhält es einen ­Sendeplatz auf ARD oder ZDF.

Die Bewährungsprobe der drei Comedy-Formate ist nun die erste ­Staffel mit jeweils vier Sendungen. Sie sollen aber auch Zeit bekommen, sich zu entwickeln. Deshalb sind für den Herbst weitere Staffeln geplant. Doch liegt die weitere Fortsetzung auch in den Händen der Zuschauerinnen und Zuschauer. «Natürlich fliessen die ­Einschaltquoten und die Rückmeldungen des Publikums in die Entscheidung ein», sagt Tschäppät.

Text: Regina Schneeberger

Bild: SRF/Roger Reist (Bild «Müslüm TV», SRF/Oscar Alessio (Bild «Headhunter»), SRF/Screenshot (Bild «Deville»)


Die neuen TV-Comedy-Formate

«Müslüm TV»

Bei «Müslüm Television» begibt sich der Mann mit der Monobraue und der Vorliebe für schrille Anzüge auf die Suche nach ­Antworten auf die grossen Fragen des ­Lebens. Seine Suche führt ihn vom Walliser Kuhkampf bis zum Zürcher Sechseläuten. Die Sendung wird ab dem 1. April vier Mal ausgestrahlt.

«Headhunter»

Ab dem 29. April läuft vier Mal das Format «Headhunter». Bei dieser Sendung ist der Name Programm. Anet Corti und Michel Gammenthaler suchen den perfekten ­Kandidaten für einen wichtigen Job. So ­prüfen sie in jeder Sendung zwei Promi­nente auf Herz und Nieren, um herauszufinden, ob sie den Anforderungen genügen.

«Deville»

«Deville» ist eine klassische Late-Night-Show. Oder wie Dominic Deville es ausdrückt: «Es ist eine Sendung, in der Männer in gut sitzenden Anzügen Seich machen.» Von der Stand-up-Comedy über Sketches bis zu den prominenten Gästen enthält die Show alles, was ein solches Format ausmacht. Deville wird ab dem 27. Mai vier Mal auf SRF 1 zu sehen sein.

Sendeplatz der drei Sendungen: Jeweils Freitag um 23:45 Uhr auf SRF 1, nachher im Webplayer. «Müslüm Television» kann bereits einen Tag vor der Ausstrahlung online geschaut werden.

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