SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Film «Amateur Teens» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 9. November 2016 beanstandeten Sie die Ausstrahlung des Films „Amateur Teens“ im Programm vom Fernsehen SRF des gleichen Tages wegen Verletzung des Kinder- und Jugendschutzes. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Heute um 20.30 Uhr wurde im Film ‚Amateur Teens‘ ein nackter weiblicher Teenager gezeigt. Hier wurde der Kinder- und Jugendschutz verletzt, was ich beanstande.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Gelegenheit, sich zu Ihrer Beanstandung zu äussern. Frau Tamara Mattle, Projektleiterin Kino (Kultur/Fiction), schrieb:

Einhaltung unserer Richtlinien und Nacktheit im Jugendschutz: Der Kinofilm Amateur Teens behandelt das Thema einer Gruppe normaler 14-jähriger Teenagern mit ihren Sehnsüchten nach Liebe und Akzeptanz sowie ihren ersten sexuellen Erfahrungen. Die Jugendschutzrichtlinien von SRF sehen vor, dass SRF den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor potentiell gefährdenden Medienangeboten in erster Linie durch die Wahl der Platzierung entsprechender Sendungen und Inhalten im Programm gewährt. SRF hat aufgrund der Thematik des gesamten Films entschieden, den Film mit einer 14er-Altersfreigabe einzustufen, was eine Ausstrahlung ab 20.00 Uhr mit der Ergänzung einer Warnung sowie einem Logo Rouge erlaubt. Bei der Ausstrahlung von Amateur Teens, am Mittwoch, 9. November um 20.00 Uhr, hat sich SRF an diese Anforderungen gehalten. In die Entscheidung hat SRF auch die Empfehlung der Filmrating-Kommission miteinbezogen, welche für den Film ebenfalls die Altersfreigabe 14 empfohlen hat.

Die Begrifflichkeit ‚potentiell gefährdende Medienangebote‘ lässt jedoch Spielraum für Interpretationen offen. Unter dem Blickwinkel des Jugendschutzes gilt es zu beachten, wie explizit bzw. drastisch eine Darstellung ist und ob sie auf Kinder und Jugendliche ängstigend oder verstörend wirken kann. Die Darstellung nackter Menschen ist deshalb nicht verboten. Erst wenn nackte Körper so inszeniert sind, dass sie offensichtlich auf die sexuelle Stimulanz der Betrachter ausgerichtet sind, wird der Jugendschutz notwendig. Eine sexuelle Stimulanz des Betrachters ist unserer Meinung nach in der beanstandeten Szene nicht gegeben, zumal die Szene nur von kurzer Dauer ist und die Kameraeinstellung keine voyeuristische Haltung einnimmt. Zudem hängt die Beurteilung immer auch davon ab, in welchem Kontext eine solche Szene gezeigt wird. Das Aufzeigen eines nackten weiblichen Teenagers in der beanstandeten Szene von Amateur Teens wird nicht als potentiell gefährdend angesehen für ein mündiges oder beaufsichtigtes Publikum, an welches sich das Hauptabendprogramm ab 20.00 Uhr richtet.

Ausgestrahlt wurde übrigens die Schul-Fassung des Films, in der heikle pornografische Szenen verpixelt sind.

Inhalt: Der Alltag der 14-jährigen Mädchen und Jungen einer Zürcher Sekundarschule ist geprägt von den Ansprüchen ihrer Umwelt, sowie den Einflüssen der sozialen Netzwerke im Internet. Selim ist in Sabrina verliebt. Er weiss aber nicht so recht, wie er sich ihr annähern soll, er hat noch nie mit einem Mädchen geschlafen. Seine Freunde Adi und Jan drängen ihn, es endlich einmal zu tun, damit er seinen Jungfrau-Status loswird. Selim leidet in Wahrheit unter dem Gruppendruck, er möchte es eigentlich langsam angehen. Sabrina fühlt sich von Selim angezogen, fürchtet aber uncool zu sein, wenn sie sich auf einen gleichaltrigen Jungen einlässt. Ihre beste Freundin Milena hält nichts von den Bubis an der Schule. Sie findet es spannender, auf Dating-Sites bei erfahreneren Typen Aufmerksamkeit zu erregen. Lara ist vom Land in die Stadt gezogen und neu an der Schule. Sie bemüht sich um Anschluss, doch weil die anderen Mädchen ihren Style bieder finden, wird sie bald von allen gemobbt. Lara entdeckt, dass Jan in ihrer Siedlung wohnt und erweckt seine Neugier, indem sie ihn zu einer Mutprobe herausfordert. Jan ist zwar fasziniert von Lara, bleibt aber aufgrund ihres schlechten Images zögerlich. Adi, der sich vor seinen Freunden als erfahrener Macker aufspielt, würde gerne mit Milena schlafen, doch seine Anmache scheitert kläglich. Inspiriert von den Clips auf Porno-Websites, beschliesst er mit Jan, sich in einem Sex-Club abzureagieren. Selim will nicht mitkommen, er hat ein Date mit Sabrina und plant, sie zu verführen. Sowohl Selim, wie auch Adi und Jan scheitern in ihren Vorhaben. Frustriert treffen sie sich bei Adi, um ein Fussballspiel zu schauen. Jan lädt Lara ein, mitzukommen – für die Aussenseiterin eine willkommene Gelegenheit, endlich Anschluss zu finden. Doch die euphorische Party-Stimmung schlägt um. Der Abend endet fatal in einer Gruppenvergewaltigung.

Gesellschaftliche Relevanz: Ausgehend von der Häufung solcher Fälle, wie sie im Film beschrieben werden, geht der Film der Frage nach, wie heutige Jugendliche mit der übersexualisierten Welt des Internets umgehen. Obwohl die Gefühle und Bedürfnisse der Teenager immer noch dieselben sind wie diejenigen älterer Generationen, hat sich das allgemeine Klima verändert. Durch die im Internet offen zugängliche Pornografie und dem entsprechend unkontrollierten Umgang mit diesen Inhalten entsteht die Gefahr der zunehmenden Wahrnehmungsverzerrung zwischen Liebe und Sex. Gepaart mit der Dauerverwendung von Social Media Plattformen wie Instagram oder Facebook wird das Erwachsenwerden im Zeitalter der digitalen Medien plötzlich zum belastenden Spiessrutenlauf zwischen Schein und Realität. Der Film zeigt auf, wie harmlose, fast schon alltägliche Vorgänge, wie zum Beispiel Hänseleien auf dem Schulhausplatz, sich über Facebook und andere soziale Medien schnell zu einem gefährlichen Cocktail zusammenbrauen. Oftmals sind sich die Jugendlichen gar nicht bewusst, was sie mit ihren achtlos geposteten Messages bewirken.

Intension des Regisseurs: Dem Regisseur Niklaus Hilber ist es ein Anliegen, in seinem Film die Lebenswelt der Jugendlichen in der heutigen Zeit möglichst präzise und genau recherchiert zu vermitteln. Er möchte ganz normale Jugendliche zeigen, wie es sie an jeder Schule in der Schweiz gibt, um dadurch den Einfluss, den die Omnipräsenz des Internets auf die Jugendlichen hat, stärker zum Ausdruck zu bringen. Obwohl die im Film portraitierten Jugendlichen diese Medien nicht in einem ungewöhnlichen Übermass konsumieren, kommt es am Ende zu einer Katastrophe. Der Regisseur hat diese latente Gefahr herausgearbeitet und vermittelt das Unheimliche, dass die Teenager mittels Internet sich einen sozialen Raum schaffen, zu dem Eltern und Lehrer in der Regel keinen Zugang haben und somit oftmals nicht im Bilde sind, was bei den Kindern wirklich abgeht.

Rezeption (Preise): Amateur Teens gewann 2015 den Zürcher Filmpreis sowie den Publikumspreis am Zurich Film Festival 2015. Zudem war er beim Schweizer Filmpreis 2016 in drei Kategorien nominiert: Bester Spielfilm, Beste Darstellerin (Annina Walt), Beste Darstellung in einer Nebenrolle (Chiara Carla Bär).“

C. Damit komme ich zu meinem eigenen Kommentar. Sie störten sich an der Szene mit dem nackten Mädchen und sahen dadurch die Bestimmungen über den Kinder- und Jugendschutz verletzt. In der Tat ist der Jugendschutz ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, und deshalb können die Medien in diesem Bereich nicht sorgfältig genug sein. Gerade im Zeitalter des Internets reißen die Diskussionen darüber, wie der Jugendschutz am besten gewährleistet werden kann, nicht ab. Der Bundesrat hat 2015 einen umfassenden Bericht über „Jugend und Medien. Zukünftige Ausgestaltung des Kinder- und Jugendmedienschutzes der Schweiz“ vorgelegt[1]. Darin diskutiert er die Problemlage, erörtert die Stärken und Schwächen der geltenden Regelungen und ortet in verschiedenen Bereichen Handlungsbedarf.

Zu Radio und Fernsehen schreibt er: „Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) regelt, dass Programmveranstalter durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen haben, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden. Ausserdem legt es ein Beanstandungs- und Beschwerdeverfahren fest. Veranstalter von frei empfangbaren Fernsehprogrammen müssen gemäss Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) jugendgefährdende Sendungen akustisch ankündigen oder während ihrer gesamten Sendedauer mit optischen Mitteln kennzeichnen. Veranstalter von Abonnementsfernsehen müssen es ihren Abonnenten und Abonnentinnen durch geeignete technische Vorkehrungen ermöglichen, Minderjährigen am Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten zu hindern.“[2]

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat sich auf der Grundlage des Gesetzes und der Verordnung eigene Richtlinien für den Kinder- und Jugendschutz gegeben[3]. In deren Ziffer 4.1. heißt es: „Tagsüber (d.h. ab 6 Uhr morgens) sowie am Vorabend werden Sendungen ins Programm aufgenommen, welche auch für Kinder unter 12 Jahren unbedenklich sind.

Ab 20 Uhr beginnt das Programm, welches sich grundsätzlich an ein mündiges oder beaufsichtigtes Publikum wendet. Entsprechend können in Sendungen Szenen mit heiklen Inhalten vorkommen. Die Verantwortlichen von SRF achten darauf, dass die Inhalte einem Publikum ab 12 Jahren zugemutet werden können.

Werden zwischen 20 und 22 Uhr Sendungen mit einer Altersfreigabe ab 14 Jahren ausgestrahlt, erfolgen vor der Sendungen Warnungen in Schrift und Ton und wird zudem während der ganzen Dauer der Sendung als Warnsymbol dem Senderlogo ein roter Balken (sog. ‚Logo Rouge‘) unterlegt. Ab 22 Uhr erfolgt für Sendungen ab 14 Jahren keine Warnung mehr.

Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr erfolgen Sendungen mit Altersfreigabe ab 16 Jahren bzw. ab 23 Uhr ebenso Sendungen mit Altersfreigabe ab 18 Jahren. Vor Sendungen, welche ab 16 bzw. 18 Jahren freigegeben sind, werden entsprechende Warnung in Schrift und Ton ausgestrahlt. Während der Dauer dieser Sendungen wird zudem als Warnsymbol dem Senderlogo ein roter Balken (sog. ‚Logo Rouge‘) unterlegt.“

Seit 2013 gibt es auf der Grundlage einer Vereinbarung der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, des Schweizerischen Verbands für Kino und Filmverleih sowie des Schweizerischen Video-Verbands die „Schweizerische Kommission für Jugendschutz im Film“ (JIF). In ihr sitzen Behördenvertreter, Branchenvertreter und unabhängige Fachleute. Die Kantone Zürich und Tessin nehmen allerdings daran nicht teil.[4] Die JIF hat den Film „Amateur Teens“ ab 14 Jahren freigegeben.[5]

SRF hat den Film um 20 Uhr ausgestrahlt und mit den entsprechenden Warnsignalen versehen. Rechtlich war also Fernsehen SRF auf der sicheren Seite.

Zusätzlich fragt sich natürlich, ob die Ausstrahlung des Films auch moralisch vertretbar war. Frau Mattle hat sich zum Inhalt und zum Anliegen des Films schon ausführlich geäußert, so dass ich mich kurz fassen kann. Es handelt sich um einen Problemfilm, der die Gefühlslage und die Gefühlsturbulenzen von 14jährigen Zürcher Schülerinnen und Schüler hervorragend zum Ausdruck bringt. In der fraglichen (Dusch-)Szene wird die neu in die Klasse eingetretene Lara von den anderen Mädchen – und vor allem von der schönen, selbstbewussten und etwas hochnäsigen Milena - verspottet, ja gemobbt. Lara hat gar keine andere Wahl, als nackt nach ihrem von Milena in den Abfallkorb geworfenen Badetuch zu fischen. Ihre Nacktheit ist in diesem Augenblick auch Symbol für ihre Erniedrigung. Nur Sabrina gibt ihr anschließend ein Zeichen der Solidarität. Entscheidend ist, dass die Szene nicht dem Voyeurismus diente. In all dem Auf und Ab um die ersten Sexerfahrungen erweisen sich per saldo unter den Mädchen Sabrina und unter den Knaben Selim als die natürlichsten und ehrlichsten. Es handelt sich um einen Film, der Milieustudie und Aufklärung zugleich ist. Als Teil der Problemdarstellung ist das Gezeigte absolut vertretbar, erst recht im Lichte der gewählten Altersfreigabe. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen, so sehr ich ihre Sorge um den Kinder- und Jugendschutz teile.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1]http://www.jugendundmedien.ch/fileadmin/user_upload/1_Medienmitteilungen_Aktuellmeldungen/Bundesratsbericht_Jugend_und_Medien.pdf

[2] S. VII der Zusammenfassung des Bundesratsberichts.

[3] http://www.srf.ch/allgemeines/kinder-und-jugendmedienschutzrichtlinien

[4] http://filmrating.ch/de/jugendschutz/

[5] http://filmrating.ch/de/verfahrenvideo/suche.html?search=Amateur+Teens

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