SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Rundschau talk» mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 3. April 2018 machten Sie bei der Ombudsstelle einen längeren Mailwechsel mit der Sendung «Rundschau talk» anhängig. Letztlich beanstandeten Sie indirekt die Sendung «Rundschau talk» vom 14. März 2018 mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie schrieben am 3. April 2018 an die Ombudsstelle:

«Da ich der Meinung bin, die Berichterstattung des SRF sei in gewissen Teilen parteiisch und von der Marktwirtschaft zu sehr geprägt/abhängig, sende ich Ihnen den nachfolgenden Mail-Verlauf.»

B. Diesen Mailverlauf gebe ich im Folgenden wieder:

Sie schrieben am 19. März 2018 an die Redaktion von «Rundschau talk»:

«Was da Herr Sandro Protz und Frau Susanne Wille sich einmal mehr mit einem ‹Gast› (Frau Martullo) erlaubt haben, hat mit freier Meinungsäusserung nicht mehr das Geringste zu tun. Wie sich diese zwei Personen aufführen (nicht ausreden lassen, unpassende und unwahre Worte in den Mund legen, Unwahrheiten verbreiten, lächerlich machen, keine Verantwortung übernehmen, von Anstand und Respekt weit und breit keine Spur) ist klar ein Skandal!

Wer derart diffamierte Menschen in einem öffentlich rechtlichen Sender auftreten lässt, hat jeglichen Respekt vor dem Publikum bzw. der Gesellschaft verloren. Ja, man kann hier ruhig von einer grobfahrlässigen Manipulation und Verspottung der Gesellschaft sprechen!

P.S:

Den gleiche Text werde ich Frau Martullo zukommen lassen.

Ihr Thema?: Ab wann ist Journalismus kriminell?»

Am 21. März 2018 antwortete Ihnen Frau Marianne Gilgen, Leitende Produzentin von «Rundschau talk», wie folgt:

«Nicht nur ich scheine da eine völlig andere Wahrnehmung der beiden Journalisten zu haben. Wir fragen unsere Gäste immer nach der Sendung, wie sie sich gefühlt hätten. Das taten wir auch bei Frau Martullo-Blocher. Sie zeigte sich sehr zufrieden mit der Sendung und meinte, dass sie alle ihre Argumente vertieft hätte darstellen können. Hätten Susanne Wille und Sandro Brotz ihr unwahre Worte in den Mund gelegt oder sie gar lächerlich gemacht, so glauben Sie mir, Magdalena Martullo- Blocher ist eine Frau, die sich gewehrt hätte.»

Darauf antworteten Sie am 22. März 2018 an die Adresse von Frau Gilgen:

«Das Frau Martullo-Blocher sich wehren oder nicht wehren kann, steht für mich nicht zur Debatte. Für mich geht es um etwas viel wichtigeres. Es geht mir um eine ausgewogene und vor allem ‹neutrale› Berichterstattung, zu der die SRF Mitarbeiter verpflichtet sind. Wer vom SRF glaubt, er habe das Recht, Partei zu ergreifen, missbraucht seine Stellung im öffentlich rechtlichen Medium, dass von der Allgemeinheit finanziert wird. Darum nochmals: Es geht nicht an, dass das SRF Personal glaubt, dessen eigene Meinung gehöre ins öffentliche Medium Fernsehen.

Wie Sie ja selbst erwähnen, ist es die Wahrnehmung bzw. die persönliche Empfindung die die Teilnehmer agieren lässt. Es ist wie bei einem Börsen-Crash, all Jene die da nicht mitspekulieren bzw. diese legale Kriminalität vehement ablehnen und verurteilen, dürfen danach die gleichen Konsequenzen tragen, wie jene, die da eben nicht gleich ‹wahrgenommen› haben.

Was die Politik anbetrifft, so sind die Konsequenzen wesentlich gravierender. Wenn es zu Unruhen, Bürgerkrieg oder einem Krieg kommt, dürfen eben all Jene, die da anders ‹wahrnehmen und empfinden› diese Katastrophe mittragen. Oder etwas anders ausgedrückt: Jene die vor dem zweiten Weltkrieg die Hand nicht hochgehalten haben, weil sie ‹anders wahrgenommen› haben, wurden verunglimpft, eingesperrt und ermordet. Ergebnis: 50 Millionen Tote!

Das gleiche gilt für den ersten WK., der alleine durch Lügen und falscher Erkenntnis oder eben Wahrnehmung entstanden ist. Ergebnis: 40 Millionen Tote!

Dazu:

Wenn eine Gesellschaft mit den gleichen Strukturen nach einem Krieg fortfährt (Börse, Spekulation, Banken, reine Marktwirtschaft, fahrlässige Pädagogik, krimineller Handel, Ausbeutung der Natur, fahrlässige Landwirtschaft usw.), die zuvor zu einem Krieg geführt haben, darf sie dann nicht erstaunt sein, wenn es wieder zu einem Krieg kommen wird. Wenn jemand zwei und mehrmals den gleichen Fehler begeht, raten wir ihm ja auch, etwas ‹grundlegend› zu ändern. Das SRF unterstützt für mich klar und eben fahrlässig eine Richtung, die für die Zukunft nichts Gutes verheisst!

Und wenn Sie jetzt noch glauben, meine Wahrnehmung sei ungenügend oder überrissen, zeigen Sie einmal mehr damit, wie unwissend oder eben Erkenntnislos viele unserer Zeitgenossen empfinden bzw. wahrnehmen. Dazu gehören Sie, so wie vor den beiden grossen Kriegen zu der traurigen Mehrheit, die leider ‹BESTIMMT› hat!

Nach wie vor empfinde (nicht nur ich) den Journalismus einiger SRF Mitarbeiter als brandgefährlich. Ganz zu schweigen von unseren neutralitätsbewussten Politiker.

Bitte um Weiterleitung an die betreffenden Journalisten Sandro Brotz und Susanne Wille. Danke.»

Frau Marianne Gilgen antwortete Ihnen am gleichen Tag:

«Weitergeleitet!»

Darauf schrieben Sie am 23. März 2018 an Frau Gilgen:

«Ich erwarte von den SRF Verantwortlichen in den nächsten Tagen eine klare Stellungnahme.»

Danach hakte Frau Marianne Gilgen am gleichen Tag folgendermaßen mach:

«Wenn sie von uns eine klare Stellungnahme erwarten, dann müsste ich doch etwas genauer wissen, welche Fragen oder Aussagen der Moderatoren Sie als nicht neutral und unausgewogen erachtet haben.»

Am 24. März 2018 antworteten Sie wie folgt:

«Herrn Brotz und Frau Willen gehen immer mit der gleichen, asozialen, unverantwortlichen und willkürlichen Vorgehensweise gegen Menschen vor, die ‹ihrer Gesinnung› rezeptiv ‹der Gesinnung der Verantwortlichen des SRF› nicht entsprechen oder eben passen. Diese Vorgehensweise ist ganz klar ‹parteiisch› und verstösst somit gegen eine rein ‹sachliche› Information, auf die das ‹zahlende› Volk ein ‹Recht› hat!
Obwohl ich Ihnen klar in meinem ersten Mail erklärt habe, um was es geht, wollen Sie nochmals wissen um was es geht?!
Gerne gebe ich Ihnen bzw. den zwei betreffenden SRF Mitarbeitern nachfolgende Stichworte:
Zeit: 00:49 -> <da haben wir schon ein wenig gestaunt> Wer meint man da mit ‹Wir›? Und was will man mit diesem Erstaunen ausdrücken, bzw. wer ist da erstaunt?
Zeit: 05:10 -> Umfrage im Bundeshaus: Mit diesem und den nachfolgenden Vorgehensweisen unterstellt man der Partei, intern nur dank einem Filz zu funktionieren.
Zeit: 08:30 -> Mit dem Begriff ‹Abnicker› wiederholt man ebenfalls die oben erwähnte Vorgehensweise.
Zeit: 20:48 -> Auch hier wird mit diffamierenden Begriffen wie z.B. ‹Angriff› 1,2 und 3 gearbeitet. Diese Wortwahl ist ganz klar nicht akzeptabel.
Zeit: 21:28 -> ‹Torpedieren› Auch mit diesem Begriff wird ganz klar eine Grenze überschritten.
Zeit: 21:28 -> ‹Land verraten› Auch diese Aussage verstösst ganz klar gegen die freie Meinung.
Zeit: Ab 21:30 wird jegliche sachliche Aussage nur noch diffamiert, ins lächerliche gezogen und missachtet. Wer so vorgeht, ignoriert und missachtet die eindeutige ‹Grundstimmung und Besorgnis› im Volk aufs gröbste. Wer so vorgeht, produziert mit den daraus resultierenden ‹ungelösten› Problemen ‹die Gewalt der Zukunft.› Die Gewalt als einziges Mittel, weil dem Volk Schritt für Schritt die Meinung bzw. die Rechte weggenommen werden. Ein Volk das keine Rechte mehr hat oder eben nicht wahrgenommen wird, weicht auf Gewalt als einzigen verbleibenden Weg aus! Wer weiss, wie unzerstörbar diese Kräfte aus dem Volk sind, der handelt durch Weisheit und nicht durch Gewalt
Bitte um Weiterleitung an Herrn Brotz und Frau Wille.»

Am 25. März 2018 schrieb Ihnen Herr Sandro Brotz, Moderator der Sendung «Rundschau talk»:

«Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen und Ihnen von meinem Antrieb berichten, Journalismus zu betreiben. Mit 18 Jahren - also vor genau 30 Jahren - bekam ich die Gelegenheit, in diesen Beruf einzusteigen, der mich bis heute fasziniert. Es war der damalige Zürcher SVP-Kantonsrat Ernst E. Büchi - er ist unterdessen leider verstorben -, der mir die berühmte Türe öffnete, die es manchmal braucht, damit ein Wunsch Realität wird. Meiner war es immer, Reporter zu werden. ‹Die Vorstadt› hiess die Lokalzeitung im Besitz von Herrn Büchi und war in Zürich-Oerlikon domiziliert. Ich habe bis heute seine Worte im Ohr, die er mir - obwohl buchstäblich Partei - als junger Berufsmann mit auf den Weg gab: <Herr Brotz, schauen Sie immer, dass auch die Gegenseite zu Wort kommt - nichts ist langweiliger als ein reines Parteiblatt. Und gehen Sie den Dingen auf den Grund.>

Ob ‹Die Vorstadt›, die es heute leider nicht mehr gibt, oder die ‹Rundschau› - im Kern geht es in unserem Beruf immer um die beiden Dinge, die mir Herr Büchi vor 30 Jahren mit auf den Weg gegeben hat: Alle Argumente auf den Tisch legen und nachzuhaken. Nein, sehr geehrter Herr X: Weder Frau Wille noch ich sind parteiisch. Wir sind beileibe nicht asozial, unverantwortlich und gehen auch nicht willkürlich vor. Ihre Worte sind starker Tobak, aber ich bemühe mich dennoch, Ihnen darauf eine nüchterne Antwort zu geben. Am besten wäre es wohl, Sie würden von unserem Gast, Frau Martullo-Blocher, selber hören können, wie Sie die Sendung erlebt hat. Sie hat sich sowohl nach dem ‹Rundschau talk› als auch noch Tags darauf schriftlich für den fairen Umgang bedankt. Sie fühlte sich in keiner Art und Weise diffamiert.

Erlauben Sie mir zum Schluss darauf hinzuweisen, dass mich nachdenklich stimmt, wenn Sie ernsthaft der Ansicht sind, ‹das Volk› müsse notfalls auf Gewalt als ‹einzig verbleibenden Weg› ausweichen. Ich bin sehr dankbar, dass ich in einem Land leben darf, in dem die Kraft der Argumente gilt. In meiner bescheidenen Wahrnehmung darf Gewalt nie ein ernsthaftes Mittel sein, um sich Gehör zu verschaffen. Die Vergangenheit hat oft genug gezeigt, wohin das führt hat. Denken Sir nur an 1918, als die Schweiz am Rande eines Bürgerkriegs stand.

Lassen Sie uns sachlich über die von Ihnen so kritisierte Sendung reden. Wie Ihnen unsere leitende Produzentin Marianne Gilgen schon mitgeteilt hat, war Frau Martullo-Blocher sehr angetan vom Verlauf des Interviews und hätte sich zu wehren gewusst, hätte sie die Sendung tatsächlich als unfair erlebt. Ich hoffe, dass Sie uns treu bleiben und wünsche Ihnen eine gute Woche.»

Sie kommentierten darauf einzelne Aussagen von Herrn Sandro Brotz unmittelbar:

«Dies ist nicht meine Ansicht, sondern meine ‹Empfindung›, die daraus entsteht, wenn man in der Lage ist, die gegenwärtige Geschichte mit der Geschichte der Vergangenheit (z.B. Helmuth von Moltke) sowie der Geschichte der eigenen Seele zu erkennen und zu verarbeiten. Zudem gibt es genügend Materie (Goethe, Schiller, Böhme, Silesius, Fichte und Hegel) die einem zeigen, wie ein gesunder sozialer Organismus aussehen würde. Zudem sagte ich in meinem Text nicht ‹das Volk müsse›, sondern ‹das Volk wird› in die Gewalt getrieben oder noch etwas trefflicher ausgedrückt: ‹das Volk verkennt die Kräfte, die zur Gewalt führen.›

Diese Aussage (dass in der Schweiz die Kraft der Argumente gelte, Ombm.) empfinde ich als katastrophale Verblendung der realen Situation in unserem Land. Für mich leben Sie in einem Land, das mittels einem verehrenden System dafür sorgt, jegliches Gedankengut das nicht in unsere korrupte Marktwirtschaft passt, sofort im Keime zu ersticken. Dazu braucht man sich nur die Statistik über die FUs, die Suizide und einiges mehr anzuschauen. Oder wie wäre es, wenn Sie dazu mal etwas Frisch und Dürrenmatt lesen würden?

Ich glaube nicht, dass Sie über eine bescheidene Wahrnehmung verfügen. Ich erkenne jedoch einen ‹vorgefertigten›, hauptsächlich durch unsere Marktwirtschaft bestimmenden, eingeengten und zwanghaften Journalismus.»

Und Sie schrieben dann am 3. April 2018 an Herrn Brotz:

«Aus nachfolgenden Gründen, macht Ihre Antwort für mich wenig Sinn:

  • Weil Sie auch bei mir glauben das Recht zu haben meine Aussagen so zurecht zu legen, wie es Ihrer ‹indoktrinierten› Gesinnung am besten passt.
  • Weil Sie mit keinem Wort auch nur annähernd auf die von mir gemachten Bedenken und Anregungen eingehen. Mit Ihrer Aussage <Lassen Sie uns sachlich über die von Ihnen so kritisierte Sendung reden> geben Sie vor, was man als sachlich zu empfinden bzw. zu verstehen hat! Dieses Vorgehen ist für mich nicht neu, hat es doch wie bereits erwähnt, System. Das gleiche machen Sie ja auch mit Menschen, deren ‹freie Denkweise die SRG-Verantwortlichen› nicht wirklich verstehen bzw. verstehen dürfen!
  • Weil Sie als Lohnempfänger des SRF nicht wirklich in der Lage sind, einen freien, sachlichen und unabhängigen Journalismus zu betreiben. Und damit meine ich hauptsächlich den Journalismus im eigenen Land bzw. gegenüber der Gesellschaft, gegenüber der Sie als Gesellschaftsmitglied ‹verpflichtet› sind.
  • Weil der enorme Filz sowie die gravierende Korruption, von der man ja immer nur die Spitze des Eisberges sieht (Postauto AG, SBB, Raiffeisen, UBS, RUAG, RhB, Staatsanwaltschaft GR usw.), seit längerem keinen freien und ‹fruchtbaren› Journalismus mehr zulässt.
  • Und noch einiges mehr. Würde ich auf dieses eingehen, würde ich Sie damit vermutlich nur langweilen bzw. wäre es in etwa gleich wirkungs- und empfindungslos wie Ihr Schreiben. Und das gilt es ja eigentlich zu vermeiden.

Und nun möchte ich Ihnen doch noch eine Möglichkeit geben, etwas für unsere Gesellschaft zu tun. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, den oben erwähnten Filz/Korruption ‹ein kleines Stück weit› zu bekämpfen. Dazu braucht es aber Mut. Mal schauen ob Sie wirklich über diesen verfügen. Dazu:

Verbinden Sie sich mit dem Journalisten Durband Gion-Mattias, ehemaliger Mitarbeiter bei der Somedia AG, der Mitte Februar 2018 freigestellt wurde, weil der den Mut hatte, etwas gegen den Bündner Filz bzw. die gravierende Korruption in diesem Kanton zu unternehmen. Gemäss meinem Telefon an seine ehemalige Chef-Redakteurin Frau Martina Fehr sei man der ‹Schweigepflicht› unterstellt. Was immer das auch heissen mag? Solches Vorgehen gehört zum Filz und ist der Filz. So einfach ist das!»

Herr Sandro Brotz reagierte noch am gleichen Tag:

«Danke, sehr geehrter Herr X, zum interessanten Hinweis über den Ex-Kollegen bei Somedia.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie haben den beiden Moderatoren der Sendung «Rundschau talk», Sandro Brotz und Susanne Wille, nach dem Gespräch mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher eine ganze Reihe von Vorwürfen gemacht:

  • Sie würden keine freie Meinungsäußerung zulassen;
  • Sie würden Unwahrheiten verbreiten;
  • Sie hätten vor dem Gegenüber keinen Respekt und würden es lächerlich machen;
  • Sie seien unverantwortlich und willkürlich gegen Andersdenkende;
  • Sie seien zu ausgewogener, neutraler Berichterstattung nicht fähig;
  • Sie würden grobfahrlässig manipulieren;
  • Sie würden Partei ergreifen und damit ihre Rolle als Mitarbeiter eines gebührenfinanzierten Mediums missbrauchen;
  • Sie seien als Lohnempfänger von SRF zu einem unabhängigen Journalismus schlicht nicht fähig;
  • Sie betrieben einen brandgefährlichen Journalismus.

Das ist dicke Post! Doch bevor ich diese Vorwürfe mit der Sendung abgleiche, muss ich etwas sagen zur Rolle des Journalismus. Ich habe den Eindruck, dass Sie eine falsche Vorstellung davon haben, was die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten ist.

Haben Sie schon mal einen Strafprozess verfolgt – beispielsweise im Kino oder im Fernsehen? Im Strafprozess nehmen Staatsanwälte und Anwälte die jeweilige Gegenseite ins Kreuzverhör. Wenn der Anwalt eines Mörders die Angehörigen des Opfers «löchert» und fast beleidigend kleinmacht, glauben Sie da, der Anwalt halte das Opfer für den Täter? Das ist sicher nicht der Fall, aber der Anwalt hat eine Rolle zu spielen: Möglichst viel für seinen Mandanten herauszuholen. Und deshalb befragt er die Gegenseite scharf.

Die Rolle der Journalistinnen und Journalisten ist zwar nicht die gleiche, aber eine ähnliche. Auch sie wollen einen Interviewpartner dazu bringen, möglichst viele prägnante Aussagen zu machen, auch Aussagen, die diese Person vielleicht noch nie gemacht hat. Dabei ist die persönliche Meinung der Journalistinnen und Journalisten unerheblich: Sie sind Anwälte der «Gegenseite». Wenn sie jemand von der SVP befragen, nehmen sie eher eine «linke» Position ein. Wenn sie einen Sozialdemokraten befragen, nehmen sie eher eine «rechte» Position ein. Das gehört zu den Regeln und Methoden des Interviews. Die Medienleute müssen also Partei ergreifen, um den Dialog interessant zu machen. Damit ist schon einer ihrer Vorwürfe abgehakt: Wenn SRF-Journalistinnen und Journalisten in einem Interview Partei ergreifen, missbrauchen sie die Aufgabe des gebührenfinanzierten Mediums nicht.

Um ein Gespräch voranzutreiben, um alle geplanten Themen behandeln zu können, müssen die Interviewer die befragte Person dann und wann auch unterbrechen. Auch das gehört zum journalistischen Interview. Mit fehlendem Respekt hat das nichts zu tun.

Ein weiteres Missverständnis, dem Sie offenbar erliegen, ist die Vorstellung, dass die Medienleute von SRF immer ausgewogen und neutral zu berichten haben. Das wird von ihnen keineswegs verlangt. Verlangt wird, dass sie faktengetreu und fair berichten. Sie können aber auch anwaltschaftlich berichten, und das ist nicht neutral. Sie können dezidiert kommentieren, und auch das ist nicht neutral. Sie können, ja sollten sich engagieren für Demokratie und Menschenrechte, auch das ist nicht neutral. Ausgewogen müssen Sendungen nur vor Wahlen und Abstimmungen sein: Dann gilt das Vielfaltsgebot für jeden einzelnen Beitrag, in dem Befürworter und Gegner oder Kandidierende auftreten.

Es ist auch ein Irrtum, dass jemand, der Lohnempfänger ist, nicht unabhängig sein kann. Der Schweizer Journalistenkodex sagt klipp und klar: «Die Verantwortlichkeit der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern und gegenüber staatlichen Organen.»[2] Medienleute haben deshalb vor allem zu entscheiden, was von öffentlichem Interesse ist, und nicht, was dem eigenen Arbeitgeber gefällt. Sie bekommen den Lohn, damit sie Öffentlichkeit herstellen, nicht, damit sie kuschen.

Dies sind meine Vorbemerkungen. Und nun geht es darum, Ihre Vorwürfe an der tatsächlichen Sendung zu prüfen. Nachdem ich Ihre verschiedenen Schreiben gelesen hatte, erwartete ich ein fürchterliches Gespräch, in dem Nationalrätin Martullo regelrecht gegrillt und verhöhnt wird. Aber was sah ich in Wirklichkeit? Ein freundliches, relativ ruhiges, immer wieder kritisches Gespräch, in dem die EMS-Chefin und SVP-Politikerin ihre Argumente breit platzieren konnte. Zwar wurde sie oft unterbrochen, ein paarmal auch etwas vorschnell, aber das Gespräch behielt dadurch seine Dynamik, und Frau Martullo kam sehr gewinnend herüber. Vor allem aber: Das Gespräch war interessant! Niemand hat die freie Meinungsäußerung unterbunden, keiner der Moderatoren hat Unwahrheiten verbreitet oder grobfahrlässig manipuliert. Nichts war brandgefährlich. Ich sah keinen einzigen Ihrer Vorwürfe bestätigt, und deshalb kann ich Ihre Beanstandung mitnichten unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/rundschau-talk-5

[2] https://presserat.ch/journalistenkodex/erklaerung/

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