SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Forum»-Beitrag «Hornkühe ohne Kuhhörner?» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 19. Oktober 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Forum» (Radio SRF 1)vom 11. Oktober 2018 mit dem Beitrag «Hornkühe ohne Kuhhörner?».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Die Sendung im Radio SRF 1 vom Donnerstag 11.10.2018 20.00-21.00 Uhr zum Thema Hornkuhinitiative war sehr tendenziös und ist an Einseitigkeit nicht zu überbieten.
Befürworter: Tierhalter im Laufstall mit Horntieren
Gegner: Tierhalter im Laufstall mit hornlosen Tieren

Natürlich bin ich da für Horntiere! Es entspricht aber nicht der Realität! Ca. 90% der Horntiere sind angekettet! Also hätte die Befürworterseite ganz klar mit einem Tierhalter im Anbindestall mit Horntieren besetzt werden müssen und viel mehr darauf eingegangen werden müssen, dass die Initiative Anbindehaltung fördert.
Laufstall BTS-RAUS 90.- + 180.- = 270.- /GVE
Anbindestall Horn-RAUS 190.- + 180.- =370.- /GVE (neu mit Prämie für Horntiere)

Gegen einen Beitrag für Horntiere im Laufstall hat niemand etwas, da viel mehr Platz benötigt wird. Das sind aber nur ca. 10%. Die übrigen ca. 90% Horntiere sind angekettet und da wird von Würde gesprochen. Lieber 14 Tage Wundheilung nach Enthornung als ein Leben an der Kette. Und mit dem RAUS-Programm sind die Tiere nur kurz frei. 23.5h/Tag wieder an der Kette. Und da wird von Würde gesprochen.

Ich hoffe, Sie sehen auch, dass diese Sendung klar nicht neutral war und eine Richtigstellung noch einige Zeit vor der Abstimmung ausgestrahlt wird, mit den Punkten -ca. 90% der Horntiere sind an der Kette:

- Anbindeställe bekommen 100.-/GVE mehr, werden gefördert.
- ist Anbindehaltung nicht auch gegen die Würde des Tiers.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Forum» äußerte sich Frau Heidi Ungerer, publizistische Leiterin von Radio SRF 1:

«Zuerst zu Zahlen und Fakten:
90% der Tiere sind heute bereits hornlos, nur noch 10% der Kühe tragen also Hörner.
48% aller Schweizer Kühe werden in Laufställen gehalten, Tendenz steigend.[2]

Herr X: Ca. 90% der Tiere mit Horn seien angekettet:

  • Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) kann diese Angabe nicht bestätigen, weil es dazu keine gesicherten Erhebungen gibt. Was das BLV bestätigen kann ist, dass ‘die Mehrheit von Kühen mit Hörnern im Anbindestall gehalten wird.’

Herr X: <Angebundene Tiere sind mit dem RAUS-Programm 23.5h/Tag angebunden.> Diese Aussage stimmt so nicht: Richtig wäre:

  • Die Tierschutzgesetzgebung schreibt vor, dass Kühe in Anbindehaltung (ohne RAUS-Programm) mindestens 90 Tage im Jahr Auslauf im Freien haben müssen, davon 30 Tage im Winter. Angebunden gehaltene Rinder dürfen höchstens zwei Wochen ohne Auslauf bleiben und der Auslauf muss in einem Auslaufjournal eingetragen werden (Art. 40 Abs. 1 TSchV) [3]
  • Das RAUS-Programm (=84% aller Kühe in der Schweiz) gewährleistet, dass die Tiere 26 Tage Weidegang pro Monat im Sommer erhalten. Im Winter sind es 13 Tage oder alternativ Zugang zu einem Laufhof während des ganzen Jahres.[4]

Die Aussage von Herrn X: <Anbindeställe [mit Hornkühen] bekommen 100.-/GVE mehr, werden gefördert>

  • Die Sendung ‘Forum’ hat weder die Höhe der zu erwartenden Subventionen noch einen allfälligen Unterschied zwischen Anbindehaltung und Freilaufhaltung thematisiert.
  • Wie hoch eine Subvention von Kühen mit Hörnern pro Tier und Tag sein soll, legt der Initiativtext nicht fest. Ursprünglich schlugen die Initianten einen Franken pro Kuh und Tag und 20 Rappen pro Ziege und Tag vor. Damit würde die Umsetzung jährlich etwa 30 Millionen Franken kosten. Die Befürworter hielten von Beginn an fest, dass der Bund kein zusätzliches Geld für die Landwirtschaft sprechen soll: Sie wollen den Hörnerbeitrag über eine Umverteilung von Direktzahlungen finanziert haben. Im Initiativtext ist das allerdings nicht festgehalten. [5]

Nun zu unserer Stellungnahme:

In den Hauptpunkten von Herrn Xs Beanstandung können wir für seine Aussagen und Zahlen keine Belege finden. Tierhaltung von gehörnten Tieren im Laufstall (ohne Ankettung) ist keineswegs ein Ausnahmefall, wie von Herrn X dargestellt. Einzig gesichert ist, dass eine Mehrheit der Tiere mit Horn in einem Anbindestall gehalten wird. Für die Auswahl der Befürworterin mit Horntieren im Laufstall schreibt die verantwortliche Redaktorin der Sendung:

<Dass Frau Imperatori einen Laufstall hat, war kein Auswahl- oder Ausschlusskriterium. Was allerdings sehr zur Sprache kam, war die Frage der Gefährlichkeit der Hörner in der Sendung. Die wurde sehr kontrovers diskutiert. Und die Bäuerin konnte dem Gefährlichkeitsaspekt nichts abgewinnen. Sie habe andere Erfahrungen gemacht im Laufstall.>

Wo Herr X Recht hat: Dass die Initiative die Anbindehaltung bei den noch verbliebenen 10% des Tierbestands mit Horn fördern könnte. Darauf hat der Bundesrat in seiner die Botschaft des Bundesrates zur Initiative hingewiesen:

<Mit einer Finanzhilfe, die das Wohlergehen nicht gesamtheitlich fördert, sondern auf den Aspekt Hörner ausgerichtet ist, könnte zudem die Anbindehaltung zunehmen. In dieser Haltungsform ist die Verletzungsgefahr für die Tiere und die Tierhalterin oder den Tierhalter geringer. Eine Zunahme der Anbindehaltung wäre eine unerwünschte Entwicklung.>

Zusammenfassend sehen wir keine einseitige oder gar tendenziöse Berichterstattung in der Sendung Forum zur Hornkuhinitiative. Weder in der Auswahl der Gäste wurden irreführende Einzelfälle ausgewählt, noch wurden falsche Behauptungen oder Aussagen getätigt. Die Diskussion ging auch nicht um die (von der Initiative ja eben nicht festgelegten Geldprämien) Subventionen als Thema, sondern z.B. um die Einschätzung, sprich Prognosen, was die Initiative bewirken könnte für Tiere und ihr Wohl.

Im Nachhinein und dank der Beanstandung von Herrn X würden wir aber sicher mögliche kontraproduktive Auswirkungen, wie sie ja auch der Bundesrat beim Thema verstärkter Trend hin zur Anbindehaltung anbrachte, durch die Moderation stärker einbringen in die Diskussion. Für die Hauptkritikpunkte können wir aber festhalten: Herr Xs angenommene Zahlenbasis lässt sich nicht bestätigen, und seine Annahmen, wie Tiere gehalten werden, entsprechen nicht den festgelegten (und kontrollierten) Vorgaben und Normen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)» wurde mit 119'626 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie will, dass Artikel 104, Absatz 3 litera b. der Bundesverfassung so geändert wird, dass besonders naturnahe, umwelt- und tierfreundliche Produktionsformen finanziell gefördert werden, insbesondere die Haltung von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken mit Hörnern. Die Initiative kommt am 25. November 2018 zur Abstimmung. Bundesrat und Parlament empfehlen, sie abzulehnen.

Bei der beanstandeten Sendung handelte es sich um eine Abstimmungssendung zu dieser Hornkuh-Initiative. Sie wurde am 11. Oktober 2018 ausgestrahlt, also noch kurz vor dem Beginn der «heißen Phase» des Abstimmungskampfes, in der die besonderen journalistischen Sorgfaltspflichten gelten. Dennoch entsprach die Sendung im Grundsatz den Regeln, die für Abstimmungssendungen angewendet werden müssen: Sie war kontradiktorisch, je eine Befürworterin und ein Gegner der Initiative waren im Studio anwesend, die beiden Gesprächspartner waren als aktive Bauern mit eigenen Kühen sachkundig, und die Moderatorin Christine Hubacher blieb streng neutral. Das Vielfaltsgebot war erfüllt. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass die Sendung, wie Sie behaupten, «sehr tendenziös» und «an Einseitigkeit nicht zu überbieten» gewesen wäre.

In einem Punkt haben Sie allerdings Recht: Beide Kontrahenten, die Bergbäuerin Regula Imperatori aus Schelten (BE) und der Talbauer Martin Schlup aus Schüpfen (BE), halten ihre Kühe in einem Laufstall. In der Schweiz ist aber die Mehrheit der Kühe, die Hörner haben, angebunden. Und da auch die knappe Mehrheit der Kühe in der Schweiz insgesamt (noch) angebunden ist, ist möglicherweise auch die Mehrheit, zumindest ungefähr die Hälfte, der hornlosen Kühe angebunden. Es wäre daher richtig gewesen, vier Gesprächspartner im Studio zu haben: Je zwei bäuerliche Befürworter und Gegner der Initiative, von denen jeweils einer seine Kühe im Laufstall hält und der andere sie anbindet. Die Frage aber, ob sich Kühe mit Hörner verletzen können oder ob sie lediglich die Hörner ganz gekonnt und sorgfältig für Hierarchie-Kämpfe einsetzen, stellt sich sowohl für Laufställe wie für Anbindeställe, denn wenn angebundene Kühe Freilauf haben, ist die Konstellation im Prinzip die gleiche wie im Laufstall. Ich erachte daher diesen Fehler als Fehler in einem Nebenpunkt, der die freie Meinungsbildung des Publikums nicht beeinträchtigte.

Alles in allem hat das «Forum» die wesentlichen Fragen, die die Volksinitiative aufwirft, abgehandelt. In der Diskussion kamen die Tierwürde, die genetische und operative Generierung hornloser Kühe, die Funktion der Hörner, die Folgen für die Ställe, die Folgen für die Milch und die Auswirkungen der Initiative zur Sprache. 3000 Personen beteiligten sich an der parallelen Umfrage auf Facebook, sehr viele Hörerinnen und Hörer riefen in die Sendung an. Die Sendung hatte keinerlei Schlagseite. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/sendungen/forum/hornkuehe-ohne-kuhhoerner

[2] Quelle: https://www.agrarbericht.ch/de/politik/direktzahlungen/produktionssysteme

[3] Quelle: https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/tiere/nutztierhaltung/rinder/fachinformationen-rind/9_2_rinder_auslauf.pdf.download.pdf/9_2_d_Rinder_Auslauf.pdf)

[4] Quelle: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/instrumente/direktzahlungen/produktionssystembeitraege/tierwohlbeitraege.html)

[5] Quellen: https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis456t.html und https://www.nzz.ch/schweiz/die-hornkuh-initiative-auf-einen-blick-ld.1426962

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