SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«HörPunkt – Die Zukunft der Stadt» auf Radio SRF 2 Kultur beanstandet

5636
Mit Ihrer E-Mail vom 3. November 2018 haben Sie den «HörPunkt – Die Zukunft der Stadt» von Radio SRF 2 Kultur vom 2. November 2018 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Grundsätzlich ist es sehr lobenswert, wenn sich ein Sender so viel Zeit nimmt, sich mit einem so bren­nenden Thema auseinanderzusetzen. Da wäre eine wirkliche Analyse des Themas aus verschiedenen Blickwinkeln möglich gewesen.

Die Sendung über Stadtentwicklung kann in ihrer Einseitigkeit aber unmöglich so stehen gelassen wer­den. Der Grundsatz der Ausgewogenheit wurde derart eklatant verletzt, dass ich - als durchaus ge­mässigter Bürgerlicher - mich gezwungen sehe, hiermit formell eine Beschwerde einzureichen.

Die Zusammensetzung der Diskussionsteilnehmer alleine zeugt davon, dass nicht eine objektive Aus­einandersetzung mit dem Thema geplant war sondern eine Propagandasendung. Frau Schindler von der Stadt Zürich muss natürlich die links-grüne Politik der Stadt vertreten. Wenn ihr dann noch der ehemals „bewegte“ Herr Gantenbein zur Seite gestellt wird, der offenbar nicht als Fachmann auftreten kann sondern lieber mit grosser Selbstverständlichkeit linke Positionen vertritt, wird es langsam uner­träglich. Wo sind aber nun die wirklichen Fachleute zum Thema (Uni und ETH haben diese sicher)? Wo sind - wenn man denn das Thema so politisch angehen will - die Vertreter bürgerlicher Positionen?

Die 5 Thesen zur Stadt der Zukunft, die aufgestellt werden sind meisst links-grüne Positionen. Sie werden kaum kritisch hinterfragt - ausser natürlich die Verdichtung.

Verdichtung:

Die Alternative der Verdichtung ist die Zersiedelung. Diese frisst sich in die natürliche Umwelt und führt zu mehr Verkehrsaufkommen und ist daher schon aus ökologischen Gründen zu vermeiden.

Verdichtung wird in der Diskussion aber mit Dichte und mit Dichtestress gleich gestellt. In diner Stadt, in der fünfstöckige Häuser schon hoch sind und in der es eine Handvoll Hochhäuser gibt, von Dichte und Dichtestress zu sprechen, ist geradezu lächerlich. Ich habe noch nie einen New Yorker gehört, der über Dichtestress klagte. Dennoch sieht sich die Redaktorin bemüssigt, in der Zusammenfassung das Thema Verdichtung auf das Schlagwort Dichtestress zu reduzieren.

Faktum ist aber auch, dass sich die Stadt Zürich mit der Verdichtung schwer tut, da sie furchtbare Angst hat, dass jemand mit der Möglichkeit höher oder eben dichter zu bauen einen Mehrwert erhal­ten könnte. Die bösen profitgeilen Hausbesitzer dürfen natürlich hier nicht noch mehr profitiere. Auch wehren sich die SP und GP Wähler vehement gegen alle konkreten Bemühungen zur Verdichtung, weshalb die Stadt in der Hinsicht blockiert ist. Das Resultat sind ein knappes Angebot an Wohnungen und daher hohe Mieten. Wurde diese Position auch. von jemandem vertreten?

Grün:

Dass die Stadt der Zukunft grün sein soll, ist ein Schlagwort grün-linker Politiker. Was das dann zu be­deuten hat und welche Konsequenzen objektiv das haben soll wurde nicht erörtert.

Autofrei:

Das die Stadt der Zukunft autofrei sein soll, ist ebenso eine grün-linke Position aber hat die Sendung die unliebsamen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt, auf die Lebensmöglichkeiten von alten und behinderten Menschen auf den Universitäts- und Foschungsstandort objektiv unter­sucht?

Durchmischt:

Durschmischung ist wiederum eine links-grüne Forderung. Deren Segnungen sind aber duraus um­stritten. Klar ist nur, dass die SP, GP und AL der Stadt Zürich sich Parteigänger und Wähler in die Quartiere holt, indem sie billigen Wohnraum schafft. Dafür benutz sie das Geld der Steuerzahler.

Was ist denn per se schelcht daran, wenn Menschen, die in der Stadt gut bezahlte Jobs haben auch in der Staadt wohnen? Man nimmt aber lieber in Kauf, dass diese weitere Strecken pendeln - was ökolo­gischer Unsinn ist - als Menschen in der Stadt zu halten, die allenfalls bürgerlich wählen könnten.

Aussagen, wie, das Gewerbe müssse zurück in die Quartiere kommen (Schindler), sind höchst umstrit­ten. Wenn man sich denn über Lärm und Verkehr in Wohnquartieren beklagt, was hat es denn für ei­nen Sinn Gewerbe da hin zu holen? Ach ja, Gewerbe stimmt nicht ab. Also lieber Gewerbe in dern Quartieren als Wohnungen für Bürgerliche.

Solche oder ähnliche Positionen hatten in der „Diskussion“ keinen Platz.

Dazu kommen Aussagen, wie:

Renovationen, Umbauten, Ersatzneubauten haben sozialverträglich zu geschehen, indem die Haus­besitzer den Mietern, denen gekündigt werden muss, möglichst neue Wohnungen besorgen müssen. So wird die rechtliche Situation komplett ignoriert und etwas als selbstverständlich dargestellt, das es so nicht gibt und auch in einem freiheitlichen Staat nicht geben darf.

"....sonst müssen Menschen dann drei Stunden pendeln und das geht nicht...“ (Schindler) Wer in der Schweiz pendelt drei Stunden? Das ist schlicht kaum möglich. Diese Aussage ist wieder reine Stim­mungsmache und ihr wird nichts entgegengesetzt.

Die postulierten Thesen sind weniger Merkmale der Stadt der Zukunft sondern - ausser der Verdich­tung und Smartness - Massnahmen, wie die Entwicklung von Städten gebremmst werden kann. Im Allgemeinen scheinen die Redaktoren sich lieber auf die negativen Seiten einer Stadt einzuschiessen. Es kommen Menschen zu Wort, die sich darüber beklagen, dass es viele Leute in einer Stadt hat auer kaum solche, die WEGEN der vielen Leute in einer Sadt leben wollen. Man beklagt sich über Lärm, er­wähnt aber nicht, dass der Lärm auch ein Zeichen von Lebendigkeit sein kann. Ob man mit der Ein­stellung überhaupt eine solche Sendung machen sollte ist fraglich.

Es wäre übrigens erfrischend einmal zu hören, dass Hausbesitzer nur selten raffgierige, rücksichtslose Einzelpersonen sind sondern oft auch - über Pensionskassen und Versicherungen -ganz normale Bür­ger also Herr und Frau Jedermann. Auch gibt es viele, die viel positives zur Entwickung der Städte bei­tragen und durchaus auch erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen - wie der Schreibende.

Es ist inakzeptabel, dass ein öffentlichrechtlicher Sender eine solch tendenziöse Sendung ausstrahlt. Da SRF 2 Kultur aber auch in anderen Sendungen unverholen Propaganda für bestimmte Parteien und Weltanschauungen macht, ist die personelle Besetzung des Senders langsam grundsätzlich zu über­denken. Dazu sollte die Generaldiretion von SRF endlich gezwungen werden.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Sandra Leis, Leiterin a.i. Redaktion Aktualität, Radio SRF 2 Kultur, schrieb:

Die sechsstündige Sendung «HörPunkt – Die Zukunft der Stadt»[1] vom 2. November 2018 hat bei Herrn Dr. X heftigen Widerspruch ausgelöst. Das Antwortschreiben auf seine Be­schwerde möchte ich in drei Teile gliedern: die Auswahl der ExpertInnen, die fünf Thesen sowie wei­tere Beanstandungen, die ich dezidiert von mir weise.

Die Auswahl der ExpertInnen

Herr X schreibt, die Zusammensetzung der Diskussionsteilnehmer alleine zeuge davon, dass nicht eine objektive Auseinandersetzung mit dem Thema geplant war, sondern eine «Propagandasen­dung». Diesen Vorwurf weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Denn wir haben unsere Expertin und unsere beiden Experten nicht nach Parteibuch, sondern nach ihrer Funktion ausgewählt. Konkret:

a) Dr. Angelus Eisinger: Er ist habilitierter Städtebau- und Planungshistoriker mit sozial- und wirtschaftsgeschichtlichem Hintergrund und arbeitete als Privatdozent am Departement GESS und ARCH der ETH Zürich. Zwischen 2005 und 2008 war er Professor für Städtebau und Raumentwicklung an der Hochschule Liechtenstein; von 2008 bis 2013 war er Professor für Geschichte und Kultur der Metropole an der HafenCity Universität Hamburg. Seit 1. April 2013 ist Angelus Eisinger zudem Direktor der Regionalplanung Zürich und Umgebung (RZU). Im Zentrum seiner Forschungs-, Unterrichts- und Praxistätigkeit stehen wirkungsgeschichtliche Untersuchungen der Architektur-, Stadt- und Raumentwicklung.
Herr Eisinger gehört keiner politischen Partei an und sagt von sich: «Ich habe mit politischen Positionen beider Lager zu Stadt- und Raumentwicklungsfragen immer wieder meine liebe Mühe.»

b) Anna Schindler: Sie ist Direktorin für Stadtentwicklung der Stadt Zürich und hat sich zuvor einen Namen gemacht als Kultur- und Architekturjournalistin. Sie ist parteilos und stellt als Di­rektorin für Stadtentwicklung Entscheidungsgrundlagen für den Stadtrat bereit. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Verwaltung. Sie hat in der Sendung keine politischen Programme vertreten, sondern sich in ihren Argumentationen auf fundierte Erhebungen und Statistiken gestützt. Zudem hat sie auch der Wirtschaftsförderung das Wort geredet und damit durchaus liberale Ideen vertreten. Liberal im Wortsinn, nicht ideologisch unterfüttert.
c) Köbi Gantenbein: Er ist Herausgeber und Chefredaktor der Architekturzeitschrift «Hochpar­terre» und seit vielen Jahren ein gefragter Experte, wenn es um Planungs- und Landschafts­fragen und um die Zukunft der Städte geht. Als solcher ist er in der Sendung auch mehrfach vorgestellt worden. Er ist Mehrheitsaktionär von «Hochparterre», Mitglied der SP Graubünden und als Unternehmer der grundbürgerlichen Idee verpflichtet, dass mit Eigentum eine Fürsor­gepflicht verbunden ist. Herr Gantenbein war nach eigenen Angaben kein «Bewegter», son­dern durchaus distanziert zur 80er-Bewegung, ein Zaungast, unterwegs in der Szene als Re­porter von DRS.

Über Herrn Eisinger verliert Herr X in seiner Beschwerde erstaunlicherweise kein einziges Wort. Vielmehr kritisiert er Frau Schindler und Herrn Gantenbein und fragt: «Wo sind aber nun die wirkli­chen Fachleute zum Thema (Uni und ETH haben diese sicher)?» Alle drei sind hervorragende Experten auf dem Gebiet der Stadtentwicklung; mit Herrn Eisinger haben wir einen Gast in unserer Runde be­grüsst, der neben seinem Amt als Direktor der Regionalplanung Zürich und Umgebung sehr wohl die akademische Seite vertreten hat.

Die fünf Thesen
Die Stadt ist ein Magnet: Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt, weil sie sich dort ein besseres Leben erhoffen. Jobs, Ausbildungsplätze, medizinische Versorgung, Freizeitangebote und ein boomen­der Dienstleistungssektor machen die Stadt attraktiv. Weltweit wohnt heute jeder zweite Mensch in der Stadt; laut Schätzung der Uno leben im Jahr 2050 rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städ­ten. In der Schweiz ist das bereits heute so – gut Dreiviertel der Schweizer Bevölkerung lebt «in Räu­men mit städtischem Charakter», wie das aktuelle «Statistische Jahrbuch der Schweiz» festhält.

Unsere Kernfrage zum Thema «Die Zukunft der Stadt» lautete: Wie muss die Stadt der Zukunft be­schaffen sein, damit die Menschen gerne und gut in ihr leben? Sarah Herwig und ich sind dieser Frage nachgegangen und haben – unabhängig von Parteiprogrammen – fünf Thesen aufgestellt: Die ideal­typische Stadt der Zukunft ist verdichtet und grün, sie ist durchmischt, autofrei und smart. Was an diesen Thesen dran ist und was es braucht, um sie zumindest teilweise Realität werden zu lassen, dar­über haben wir mit unseren Gästen (siehe oben) diskutiert.
Grundlage für die Gespräche mit unserem Experten-Trio waren Porträts von Stadtmenschen. Drei Bei­spiele: In Basel haben wir ein Künstlerpaar besucht, das seit 15 Jahren in einem der drei ältesten Hochhäuser der Schweiz wohnt und nach wie vor fasziniert ist vom verdichteten Leben im Wohnturm. Wir haben eine Taxifahrerin durchs Genfer Verkehrschaos begleitet und von ihr erzählt bekommen, warum das Auto für sehr viele Menschen ein unverzichtbares Verkehrsmittel ist. Und wir waren in St. Gallen, derjenigen Schweizer Stadt, die sich in Sachen Smart City bis jetzt am stärksten profiliert hat. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht, waren zu Besuch in einem St. Galler Wohnhaus und ha­ben die Menschen vor Ort gefragt, ob die digitale Kommunikation das Schwarze Brett bereits abgelöst hat.

1) Die Stadt der Zukunft ist verdichtet
Das Thema Verdichtung haben wir sehr ausgewogen behandelt – das Gespräch gliederte sich in zwei Teile: Im ersten Teil sprachen wir mit der Direktorin für Stadtentwicklung, Anna Schindler (AS), und dem Raumplanungsdirektor Angelus Eisinger (AE) über die Vor­teile der Verdichtung; im zweiten Teil ging es um die Nachteile. Die zentralen Statements sind im Folgenden transkribiert:
Die Schweizer Städte sind gar nicht so verdichtet, wie viele Menschen glauben, lautet der Tenor. AS sagt ab Min. 33:30: «Wir haben in der Geschichte der europäischen Stadt schon beträchtlich intensivere Ausnutzungen dieser knappen Ressource Boden erfahren.» Die Stadt Zürich soll in den nächsten 20 Jahren um rund 100 000 Einwohner wachsen. Das entspricht der Grösse von Winterthur. Auf die Frage, wie das geschehen soll, sagt AS ab Min. 34:59: «Eigentlich hätten wir mit der bestehenden Bau- und Zonenordnung bereits heute Platz für zusätzlich
650 000 Menschen, wenn wir unsere Reserven ausnützen würden.» Das heisst, puncto Verdichtung gibt es in Zürich (und anderen Schweizer Städten) noch viel Luft nach oben. Nur: Wie soll in Zukunft verdichtet werden? AE sagt ab Min. 38:50: «Die Stadt des 19. Jahrhunderts war eine Masterplanstadt. Das war die Stadt der Expansion auf die grüne Wiese. Diese Form von Städtebau funktioniert heute nicht mehr, weil ich die Flächen nicht mehr habe, auf die ich etwas draufbauen kann. Heute muss ich die Programme reinsetzen in einen Ort, der bereits komplett benutzt wird. Und das ist eine ganz grosse Herausforde­rung.»
In der Schweiz weckt das Wort «Verdichtung» oft Ängste. Auf die Frage, ob wir Schwei­zerinnen und Schweizer immer noch menschenscheue Bergler oder Kleinstädterinnen seien, sagte AS ab Min. 42:52: «Ich glaube, wir sind einfach verwöhnt, denn unsere Städte sind nicht so dicht. Man muss auch sagen, in Zürich gab es in den 60er Jahren auch schon mehr Einwohner, als wir heute haben.» AE weist ausdrücklich darauf hin, dass es zu unterscheiden gilt zwischen baulicher Dichte und Personendichte. Er sagt ab Min. 47:24 «Paradoxerweise ist in der Stadt Zürich die bauliche Dichte in den letzten zwanzig Jahren doppelt so schnell gewachsen wie die Personendichte. Das heisst, wir brauchen immer mehr Fläche pro Kopf, und das schafft einen ganz anderen Fussabdruck. Wir neh­men die Stadt als immer dichter wahr; faktisch ist sie, was die Menschen anbelangt, sehr viel weniger gewachsen.»
Als Nachteil einer verdichteten Stadt nennen viele Menschen, die wir im Vorfeld der Sen­dung befragt haben, immer wieder den Lärm. Dazu sagt AS ab Min. 48:59 «Es gibt solche Hotspots, an denen der Lärm wirklich zum Problem wird. Aber sonst: Lärm gehört zur Stadt.» Solche Aussagen hat Herr X offensichtlich überhört, sonst könnte er nicht Sätze schreiben wie den folgenden: «Man beklagt sich über Lärm, erwähnt aber nicht, dass der Lärm auch ein Zeichen von Lebendigkeit sein kann.»
Die Behauptung von Herrn X, Verdichtung werde in der Diskussion mit Dichte und Dichtestress gleichgesetzt, weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Die beiden Ge­sprächspartner haben sehr wohl differenziert und immer wieder darauf hingewiesen, dass bestehende ungelöste Probleme auf das Phänomen der Verdichtung projiziert werden. Und: In der Zusammenfassung hat die Redaktorin, also ich, das Thema Verdichtung nicht wie Herr X schreibt, auf das Schlagwort «Dichtestress» reduziert. Ich habe Bezug genommen auf das Buch «Stress and the City. Warum Städte uns krank machen. Und wa­rum sie trotzdem gut für uns sind» des Berliner Charité-Psychiaters Mazda Adli, das letztes Jahr erschienen und auf breites Interesse gestossen ist. Damit der Mensch sich wohlfüh­len kann in der Stadt, brauche er «Partizipationslust», schreibt Adli. Meine Schlussfrage lautete: «Was braucht es denn sonst noch neben dieser Partizipationslust»?

2) Die Stadt der Zukunft ist grün
Herr X schreibt pauschal: Dass die Stadt der Zukunft grün sein soll, ist ein Schlag­wort grün-linker Politiker.» Das ist falsch. Gerne zitiere ich aus der «Neuen Zürcher Zei­tung» (wahrlich kein Hort links-grüner Visionen) vom 14.11.2018,
S. 13: «Raumplaner, Infrastrukturbauer, Architekten und Hausbesitzer müssen vermehrt mit Hochwasser und Hangrutschen rechnen. Und Städteplaner tun gut daran, Frischluft­schneisen in die überhitzten Städte zu legen, Oasen zu schaffen und Fassaden zu begrü­nen.» Die These von der grünen Stadt ist keine Frage der Parteipolitik; die Anpassung an den Klimawandel ist auch für die Schweiz eine der grossen gesellschaftlichen Herausforde­rungen des Jahrhunderts und wird Milliarden von Franken kosten.
Diskutiert haben die These «Die Stadt der Zukunft ist grün» die Direktorin für Stadtent­wicklung der Stadt Zürich, Anna Schindler (AS), und Köbi Gantenbein (KG), Herausgeber und Chefredaktor von «Hochparterre». Die zentralen Aussagen sind im Folgenden transkribiert:
Auf die Frage, was es für die Stadt bedeuten würde, wenn es gar keine Pflanzen gäbe, sagt AS ab Min. 27:50: Es wäre vor allem eine sehr heisse Stadt im Sommer und im Win­ter dafür eine extrem kalte Stadt.»
Herr X schreibt: «Was das [eine grüne Stadt] zu bedeuten hat und welche Konse­quenzen das objektiv haben soll wurde [sic] nicht erörtert.» Das stimmt nicht. KG sagt ab Min. 31:32: «Es gibt natürlich auch architektonische Möglichkeiten, die wir noch ganz sel­ten nutzen. Unsere Hauswände und Dächer sind in der Regel überhaupt nicht begrünt. (...) Da gibt es ja Städte wie z.B. Singapur. Ein holländischer Architekt hat schon relativ früh gezeigt, wie Fassaden auch ganz anders aussehen können als unsere harten, gläser­nen oder steinernen Fassaden. Und auf den Dächern ist nicht nur Platz für Sonnenenergie, sondern auch für Grün.»
Insgesamt kommen die beiden Experten zum Schluss, dass die Schweizer Städte puncto Grün bereits heute sehr gut abschneiden: AS sagt ab Min. 39:27: «Die Schweizer Städte sind im Durchschnitt sehr grün. Und was die Schweizer Städte auch haben, ist Wasser. Und zwar Wasser, das man mitten in der Stadt benutzen kann, in dem man schwimmen kann. Das Wasser ist für den Natur- und Freiraum genauso wichtig wie das Grün.»
KG sieht grossen Handlungsbedarf nicht in der Stadt, sondern auf dem Land: Er sagt ab Min. 41:10: «Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es neben der Stadt auch noch den ländlichen Teil gibt, die Agglomeration. Und dort sind wir konfrontiert damit, dass immer mehr Nicht-Bauzonen Bauzonen werden und überbaut werden sollen. Dort sind die grossen Probleme des Grünen und weniger in der Stadt.»

3) Die Stadt der Zukunft ist durchmischt
Herr X schreibt: «Was ist denn per se schelcht [sic] daran, wenn Menschen, die in der Stadt gut bezahlte Jobs haben auch in der Staadt [sic] wohnen? Man nimmt aber lie­ber in Kauf, dass diese weitere Strecken pendeln – was ökologischer Unsinn ist – als Men­schen in der Stadt zu halten, die allenfalls bürgerlich wählen könnten.» Das ist eine ver­quere Unterstellung, zumal es ja gerade für Menschen mit guten Salären kein Problem ist, sich eine Wohnung in der Stadt zu leisten.
In dieser Stunde ging es um das Thema Gentrifizierung, in Zürich auch «Seefeldisierung» genannt. Im Podcast haben wir eine Frau porträtiert, die sich ihre Wohnung im Seefeld nach einer Renovation nicht mehr leisten konnte, weil die Miete von 2000 auf 4000 Fran­ken pro Monat gestiegen ist. Fakt ist: Wer finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, kann sich eine Miete im Stadtzentrum oft nicht mehr leisten und zieht um an den Stadtrand oder in den Speckgürtel. Über dieses Phänomen haben wir mit Anna Schindler (AS), Direktorin für Stadtentwicklung in Zürich, und mit Köbi Gantenbein (KG), Herausgeber und Chefredaktor von «Hochparterre» gesprochen. Die zentralen Aussagen sind im Folgenden transkribiert:
AS sagt ab Min. 27:15: «Ich erlebe es auch, dass es viele Investoren gibt und Eigentümer, die sind nicht die bösen Spekulanten. (. . .) Viele, die heute sanieren oder neu bauen, sind sich auch bewusst, dass man das gerade in den Städten sozialverträglich machen muss.» Offenbar hat Herr X solche Aussagen nicht nur Kenntnis genommen, denn er schreibt: «Es wäre übrigens erfrischend einmal zu hören, dass Hausbesitzer nur selten raffgierige, rücksichtslose Einzelpersonen sind. (. . .) Auch gibt es viele, die viel positives [sic] zur Entwicklung der Städte beitragen und durchaus auch erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen – wie der Schreibende.»
In der Schweiz hat Gentrifizierung einen schlechten Ruf – ich habe gefragt, ob Gentrifizie­rung auch Vorteile hat (Min. 27:22). AS sagt ab Min. 27:45: «Gentrifizierung ist auch ein Teil des natürlichen Wachstums. Vor 25 Jahren kehrte man der Stadt den Rücken. Als es dann schliesslich wieder aufwärts ging, kamen auch die besser gestellten Bevölkerungs­gruppen zurück in die Stadt. Es sind Wellenbewegungen; man darf die Gentrifizierung nicht verteufeln.»
KG fordert (ab Min. 26:41), dass es eine Verstärkung des Mieterschutzes brauche. Dazu schreibt Herr X, dass «die rechtliche Situation komplett ignoriert und etwas als selbstverständlich dargestellt» werde, «das es so nicht gibt». Herr Gantenbein hat nichts als selbstverständlich dargestellt, sondern eine Forderung formuliert.
KG berichtet ab Min. 28:44 von einer «Schönheit der Gentrifizierung», sieht in ihr also auch Positives: «Früher war Zürich eine sehr langweilige Stadt. Die Restaurants mussten um 23 Uhr schliessen, 1996 schliesslich hat der Kanton das Gastwirtschaftsgesetz verän­dert. Dass also Beizen länger offen haben dürfen, die 24-Stunden-Gesellschaft, die leben­dige Stadt überhaupt ermöglicht werden konnte, ist einer einfachen Gesetzesrevision zu verdanken. Dieser Wandel hat viel dazu beitragen – in Zürich, in Basel, in Genf –, dass wir heute Städte haben, die viele Menschen, die in diesen Städten wohnen, mögen und schät­zen, weil alles viel offener ist.»
Ich fragte: «Einerseits will man attraktive Quartiere, andererseits tiefe Preise. Steckt da die Stadtplanung ein Stück weit in einem Dilemma?» (Min. 30:14). Antwort von AS (ab Min. 31:16): «Ja, bestimmt. Doch es braucht eine Mischung aus hochpreisigem, weniger hochpreisigem und erschwinglichem Wohnraum. Damit wir nicht Entwicklungen haben, in denen die Leute, die nicht in den obersten Schichten verdienen, drei Stunden Anfahrtsweg haben zu ihrem Arbeitsplatz.» Da hakt Herr X ein und schreibt: «Wer in der Schweiz pendelt drei Stunden? Das ist schlicht kaum möglich. Diese Aussage ist wieder reine Stimmungsmache und ihr wird nichts entgegengesetzt.» Das weise ich zurück, denn in der Schweiz pendeln viele Menschen drei Stunden pro Tag, also hin und zurück.
Zum Thema Gewerbe in der Stadt: In der Stadt Basel beispielsweise beträgt der Anteil der Industrie- und Gewerbeflächen heute 3,7 Prozent. Da muss die Frage erlaubt sein, ob das besorgniserregend ist (Min. 35:20). AS antwortet: «Ja, aber es wird nicht aufzuhalten sein. (. . .) Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben heute, dass man diese Flächen sichert (. . .), dass wir die Funktionen, die eine Nahversorgung in der Stadt braucht, dass wir die haben. Wir können nicht nur wohnen in den Städten, wir müssen auch einkaufen, Dinge reparieren und produzieren lassen.» Schleierhaft ist mir Herrn Xs eigentlich immer gleiche Schlussfolgerung: «Ach ja, Gewerbe stimmt nicht ab. Also lieber Gewerbe in den Quartieren als Wohnungen für Bürgerliche.»

4) Die Stadt der Zukunft ist autofrei
Wen immer man fragt, was die grössten Herausforderungen für die Stadt der Zukunft sind, so lautet eine wiederkehrende Antwort: der Verkehr. Heute hat in der Siedlungspla­nung und bei grösseren Bauprojekten die Vermeidung von Autoverkehr oberste Priorität. Denn nichts und niemand übernutzt den öffentlichen Raum so sehr wie Autos. Sie sind Raumfresser, egal ob selbstfahrend, fossil oder elektrisch angetrieben. Der individuelle Autoverkehr ist ein Problem für die Stadt. Deshalb, so fordern renommierte Verkehrsex­perten, sollten Grünphasen nicht möglichst viele Fahrzeuge passieren lassen, sondern möglichst viele Menschen. Für den HörPunkt haben wir die durchaus zugespitzte These aufgestellt: Die Stadt der Zukunft ist autofrei. Was das konkret bedeuten würde, haben wir im Gespräch mit Angelus Eisinger (AE), Direktor der Regionalplanung Zürich und Um­gebung, und Köbi Gantenbein (KG), Herausgeber und Chefredaktor von «Hochparterre», untersucht. Herr X schreibt: «Das [sic] die Stadt der Zukunft autofrei sein soll, ist ebenso eine grün-linke Position aber [sic] hat die Sendung die unliebsamen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt (. . .) objektiv untersucht?» Ja, die verantwortli­chen Redaktorinnen haben die Wettbewerbsfähigkeit durchaus objektiv untersucht:
Im ersten Teil des Gesprächs ging es um das tägliche Verkehrschaos in den Städten; im Podcast haben wir eine Taxifahrerin durch den Genfer Verkehr begleitet. Im zweiten Teil ging es um die Folgen fürs Gewerbe und den Detailhandel, wenn die Städte tatsächlich autoarm oder gar autofrei wären. Im Folgenden sind die zentralen Aussagen transkribiert:
Auf die Frage, warum viele Menschen nicht bereit sind, auf ihr Auto zu verzichten, sagt KG ab Min. 20:18: «Weil sie es brauchen, weil sie zu weit weg von ihrem Arbeitsplatz woh­nen. Dann ist es auch die schöne Macht der Gewohnheit. Und drittens ist das Auto für viele auch ein Spielzeug.» AE sagt ab Min. 24:11: «Stau ist eine Realität in der Stadt. Und wenn man die Stauverhältnisse in Schweizer Städten mit anderen Städten Europas ver­gleicht, dann sagen viele Verkehrs-Experten, das sei bescheiden.» AE weist auf den gros­sen Kontrast zwischen Stadt und Umland hin. Er sagt ab Min. 28:20: «In Zürich, Basel, Wien oder München haben 50 % der Haushalte kein Auto mehr. (. . .) Wir werden uns zu­künftig anders durch die Städte bewegen. Es gibt zahlreiche Städte, die in Anbetracht der Tatsache, dass die Kapazitäten für den Autoverkehr und auch für den öffentlichen Verkehr komplett erschöpft sind, darauf setzen, dass man in Zukunft mehr zu Fuss gehen muss, ganz einfach weil ich nicht mehr ins Tram reimkomme und nicht mehr raus.» Dass die Sendung keineswegs autofeindlich gewesen ist, sieht man auch an folgenden Statements: KG sagt (32:15): «In meiner Verkehrsbiografie hat mich noch nie ein Auto über den Hau­fen gefahren, aber schon zweimal ein Velo.» Und AE sagt ab 34:47: «Wenn wir an die schweizerischen Städte denken, dann haben wir den ÖV, der sehr viel Platz braucht, wir haben die Autos, die Fahrräder und die Fussgänger. Und das alles auf engem Raum pro­duziert enorme Konflikte. Die Grundfrage lautet: Wie vermittelt man zwischen diesen Ver­kehrs­teil­nehmern?»
Den zweiten Teil des Gesprächs mit Fokus aufs Gewerbe und den Detailhandel habe ich wie folgt eingeleitet (ab Min. 38:26): «Einkaufszentren auf der grünen Wiese, Einkäufe im Ausland und Online-Shopping sind für viele Detailhändler in der Stadt eine Bedrohung. Die meisten Schweizer Städte haben eine rot-grüne Regierung. Und die will nun auch noch das Auto aus der Stadt verbannen und Parkplätze streichen. Mancherorts wehren sich Ge­werbe und Detailhandel. Sie wollen, dass der Kunde mit dem Auto in die Stadt kommt. Studien hätten nämlich gezeigt, dass Kunden, die mit dem Auto anreisen, viermal so viel Geld ausgeben wie ÖV-Kunden. Was sagen Sie dazu?» AE antwortetet ab Min. 39:50: «Am Automobil macht sich ein Thema fest, das ganz andere Ursachen hat. (. . .) Ich glaube nicht, dass sich das Schicksal des Einzelhandels dadurch lösen lässt, dass man mehr Parkplätze vor die Türen dieser Läden hinstellt.» Als Interviewerin gab ich dann nochmals kontra und sagte (ab Min. 41:50): «Meine Coiffeuse beispielsweise sagt, wenn man nicht ins Kleinbasel reinfahren kann mit dem Auto, dann verliere sie Kundinnen und Kunden.» Und weiter (Min. 42:58): «Auch fürs Gewerbe sind die autofreien Zonen ein Graus. Man stelle sich doch mal einen Schreiner vor. Der will möglichst bis vors Haus fah­ren, in dem er zu arbeiten hat. Was halten Sie von einer Vignette für Gewerbe und Liefe­ranten?» KG spricht sich ganz klar für Erleichterungen aus (Min. 44:23): «Es braucht eine Priorität, und die Priorität heisst, das Gewerbe hat Vorzug vor dem, der auch noch herum­fährt.» Zum Schluss frage ich (Min. 44:50): «Eine autofreie Stadt wird es also nicht ge­ben?» AE antwortet: «Es wird wichtig sein, dass wir Modelle finden, die eine sinnvolle Ko-Existenz ermöglichen. Beispiel London und Roadpricing: Der Widerstand des Gewerbes war extrem hoch am Anfang. Doch nach einer bestimmten Zeit haben sie gemerkt, dass sie durch die Stauzeiten, die massiv nach unten gegangen sind, derart viele Vorteile ha­ben, dass die Mehrkosten für die Steuern überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Es geht sehr stark auch um das Management, wie wir die Infrastrukturen nutzen.» Und KG sagt ab Min. 45:48: «Wir hatten es von der Durchmischung der Stadt. Und das Auto gehört natür­lich zu dieser Durchmischung dazu. Ich fände es ein Armutszeugnis, wenn man jetzt ein­fach sagen würde, die Autos jagen wir hinaus, die gehören nicht mehr dazu.»
Autofeindlich war die Stunde zum Thema Verkehr also gewiss nicht.

5) Die Stadt der Zukunft ist smart
Zu dieser These gibt es von Herr X keine Beanstandungen.

Weitere Beanstandungen

Herr X schreibt: «Die postulierten Thesen sind weniger Merkmale der Stadt der Zukunft son­dern [sic] – ausser der Verdichtung und der Smartness – Massnahmen, wie die Entwicklung von Städ­ten gebremmst [sic] werden kann. Im Allgemeinen scheinen die Redaktoren sich lieber auf die negati­ven Seiten einer Stadt einzuschiessen.» Das ist eine Behauptung, die wir mit aller Entschiedenheit zu­rückweisen. Und weiter schreibt er: «Ob man mit der Einstellung überhaupt eine solche Sendung ma­chen sollte ist [sic] fraglich.» Auch diesen Vorwurf weisen wir zurück: Wir sind Journalistinnen, die un­voreingenommen an das Thema «Die Zukunft der Stadt» herangegangen sind. Wir haben keinerlei «Propaganda für bestimmte Parteien und Weltanschauungen» gemacht, wir haben gefragt, was eine Stadt der Zukunft lebenswert macht, und haben diese Kernfrage aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven ausgewogen beleuchtet.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Gemäss Sendungsportrait steht der sechsstündige «HörPunkt» von SRF 2 Kultur für Geschichten, die das Leben schreibt. Er wird je­weils am Zweiten des Monats zu einem bestimmten Thema ausgestrahlt.[2] «HörPunkt» heisst also: Sechs Stunden – ein Thema.

In der von Ihnen beanstandeten Ausgabe widmete sich der «HörPunkt» der Stadt der Zukunft. Da­bei erzählten Expertinnen und Experten sowie verschiedene Menschen, die in unterschiedlicher Weise in der Stadt leben, über ihre Ansichten. Ausserdem wurden fünf Thesen für die Zukunft der Städte eingehend diskutiert, näm­lich: Verdichtung, Durchmischung, grüne Stadt, Autofreiheit und Smart-City. Es ging dabei um Fragen, wie die Stadt der Zukunft beschaffen sein müsse, damit die Menschen in ihr ein gutes und würdiges Leben vorfinden. Das Thema drängt sich zweifelsohne auf, leben laut einer Schätzung der UNO in gut 30 Jahren etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten. In der Schweiz wohnen bereits heute rund drei Viertel der Bevölkerung in Räumen mit städtischem Charakter.[3],[4]

Um dem Fragenkomplex auf den Grund zu gehen, zog die Redaktion verschiedene Fachpersonen für den «HörPunkt» bei. Es waren dies Frau Anna Schindler, Direktorin für Stadtentwicklung in Zürich, Herr Dr. habil. Angelus Eisinger, Städtebau- und Planungshistoriker sowie Herr Köbi Gantenbein, Chef­redaktor und Verleger der Architekturzeitschrift «Hochparterre». Alle drei sind ausgewiesene Fachleute mit langjähriger Erfahrung auf ihrem Gebiet.

Frau Sandra Leis, Leiterin a. i. Redaktion Aktualität, Radio SRF 2 Kultur, hat auf Ihren Rundumschlag gegen den «Hörpunkt» ausführlich Stellung genommen. Ich pflichte ihr in allen Punkten bei und beschränke mich daher auf ein paar wenige Aspekte.

Sie werfen der Sendung vor, dass «eine wirkliche Analyse des Themas aus verschiedenen Blickwin­keln» möglich gewesen wäre und dass die «Sendung über Stadtentwicklung [...] in ihrer Einseitigkeit aber unmöglich so stehen gelassen werden» könne. Sie versteigen sich sogar zur Aussage, dass der «Grundsatz der Ausgewogenheit [...] eklatant verletzt» worden sei. Es ist geradezu ein Marken­zeichen, dass der «HörPunkt» verschiedenste Ansichten und Meinungen abbildet. Dies war auch in dieser Sendung so. Neben den drei ausgewiesenen Fachpersonen, von denen Sie den Akademiker Dr. habil. Eisinger einfach verschwiegen haben, kamen verschiedene Stadtmenschen zum Wort; so beispiels­weise Heinz, ein ehemaliger Obdachloser in Bern und Marie, eine Taxifahrerin in Genf, dazu Annaliese Lüchinger Haag in St. Gallen, die eine App mitentwickelt hat, welche die Kommunikation im Quartier erleichtern soll oder der «Guerillagärtner» Maurice Maggi in Zürich. Sie berichteten von ihren Erfahrungen, ihren Träumen, Wünschen und Ängsten rund um die Stadt. Von einer eklatanten Verlet­zung der Ausgewo­genheit sehe ich nichts. Es steht der Redaktion im Rahmen der Programmauto­nomie[5] (RTVG, Art. 6 Abs. 2) zudem frei zu entscheiden, wen sie einlädt. Das Vielfaltsgebot, und damit auch die Ausgewo­genheit, verlangt lediglich von Sendungen vor schweizerischen Volksabstim­mungen und Wahlen, dass die Lager ausgeglichen vertreten sind. In allen anderen Sendungen ist eher die Vielfalt des Zugangs zum Thema von Bedeutung. Und diese vielfältigen Zugänge zum Thema «Stadt der Zukunft» waren hier klar gegeben.

Des Weiteren kritisieren Sie die fünf Thesen zur Stadt der Zukunft als meist «links-grüne Positionen» und monieren, dass diese «kaum kritisch hinterfragt» würden, «ausser natürlich die Verdichtung». Es ging im «HörPunkt» um die Kernfrage, wie eine Stadt aussehen muss, damit Menschen sich in ihr wohl fühlen und dort gut leben können. Thesen sind bekanntlich Aussagen, die das Wesentliche aus einem Aussagenbereich pragmatisch hervorheben. Das Aufstellen derselben ist für die Beantwortung einer derart komplexen Frage selbstverständlich zulässig. Die Thesen wurden – wie in der Stel­lungnahme von Frau Sandra Leis erläutert – unabhängig von irgendeinem Parteiprogramm formuliert und dann eingehend (dafür steht im «HörPunkt» genügend Zeit zur Verfügung) mit den Gästen –kritisch und ausgewogen – diskutiert. Dass es bspw. in den Städten zunehmend wärmer wird, weil sich versiegelte Betonwüsten deutlich stärker aufheizen als weitläufig gebaute Dörfer, liegt auf der Hand. Dies hat nichts mit einer links-grünen Position zu tun, sondern mit der Tatsache, dass im Le­bensraum Stadt zunehmend verdichteter gebaut wird.

Schliesslich werfen Sie der Redaktion vor, dass sie sich «lieber auf die negativen Seiten einer Stadt» einschiesst und Menschen zu Wort kommen, die sich darüber beklagen, dass es viele Leute in einer Stadt hat und dass es lärmig sei. Wenn Sie sich beispielsweise den Beitrag «Die Stadt der Zu­kunft ist smart: vom Leben im vernetzten Quartier»[6] genau anhören, stellen Sie fest, dass hier weder gejammert noch negativ über das Leben in einer Stadt erzählt wird. Auch andere Beiträge zeigen positive Aspekte über Städte auf.

Letztlich werfen Sie SRF 2 Kultur vor, «unverholen [sic] Propaganda für bestimmte Parteien und Welt­anschauungen» zu machen. Ich weise Sie nochmals auf die gesetzlich verankerte Programmautono­mie aufmerksam. Sie ist der auf den Rundfunk bezogene Ausdruck der Medienfreiheit. Dazu gehört beispielsweise die Wahl eines Themas, die Definition der Fragestellung, die Auswahl der Gesprächs­partner, die Bestimmung des Ausstrahlungszeitpunkts. Solange dabei das Publikum nicht manipuliert wird, ist eine Sendung sachgerecht. Im von Ihnen kritisierten «HörPunkt» ist mir an keiner Stelle Pro­paganda für bestimmte Parteien aufgefallen, geschweige denn Propaganda für bestimmte Welt­anschauungen. Das Publikum wurde nicht manipuliert, die Beiträge waren sachgerecht.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung in keinem einzigen Punkt unter­stützen kann.

Zum Schluss weise ich Sie noch darauf hin, dass es nicht exakt ist, in der Schweiz von öffentlich-rechtli­chen Medien zu sprechen. Die SRG ist ein privatrechtlicher Verein, der im Radio- und Fernsehgesetz und in der Konzession einen Leistungsauftrag des Bundes erhält. Besser ist es, von einem gebühren­finanzierten Medium zu sprechen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

stv. Ombudsmann Manfred Pfiffner


[1] https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/hoerpunkt-der-tag-die-zukunft-der-stadt-5-thesen https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/die-stadt-der-zukunft-ist-gruen https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/die-stadt-der-zukunft-ist-durchmischt

https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/die-stadt-der-zukunft-ist-autofrei

https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/die-stadt-der-zukunft-ist-smart

[2] https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/sendungsportraet

[3] https://population.un.org/wup/

[4] https://www.srf.ch/news/panorama/2050-werden-fast-alle-menschen-in-staedten-leben

[5] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/201701010000/784.40.pdf

[6] https://www.srf.ch/sendungen/hoerpunkt/die-stadt-der-zukunft-ist-smart-vom-leben-im-vernetzten-quartier

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Radiosendung «Kontext» war nicht islamfeindlich

Radiosendung «Kontext» war nicht islamfeindlich

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) der Sendung «Kontext» über liberale Muslime nicht stützen. Der IZRS wirft den Sendungsverantwortlichen subjektive Islamkritik, falsche Informationen und pauschalisierende Einteilung in «gute liberale und böse radikale Muslime» vor. Der Ombudsmann hingegen sieht keine programmrechtlichen Bestimmungen verletzt.

Weiterlesen

Bild von Knabenbeschneidung – zwei gegensätzliche Beanstandungen

Knabenbeschneidung – zwei gegensätzliche Beanstandungen

Am 21. und 23. Januar widmete SRF dem Thema Knabenbeschneidungen zwei Sendungen sowie zwei Onlineartikel. Ein Beanstander findet, «Puls» verunglimpfe die Beschneidung zu Unrecht. Genau das Gegenteil halten zwei andere Beanstander der Sendung «Perspektiven» vor.

Weiterlesen

Bild von «Kontext»: Wie unabhängig ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa?

«Kontext»: Wie unabhängig ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa?

Die grosse BBC ist vom Spardruck gebeutelt, der polnische Rundfunk wird auf Staatsnähe getrimmt, Italiens Fernsehen wurde 20 Jahre lang «berlusconisiert», und in der Schweiz ist die SRG SSR unter Druck von rechts. Ist das öffentlich-rechtliche System in Gefahr? Ausstrahlung: Mittwoch, 6. Juli 2016, 9.02 Uhr, SRF 2 Kultur

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht